TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/11 B5 302503-1/2008

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Veröffentlicht am 11.09.2008
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Spruch

B5 302.503-1/2008/10E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Elmar SAMSINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von G. V., geb. 00.00.1976, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.05.2006, FZ. 04 20.954-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.03.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG 1997 i.d.F. BGBl I 2003/101 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Die beschwerdeführende Partei, führt nach eigenen Angaben den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an, ist muslimischen Bekenntnisses, war im Heimatstaat zuletzt wohnhaft in Grosny, reiste laut eigenen Angaben am 13.10.2004 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.

 

In einer Ersteinvernahme durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers der russischen Sprache am 13.10.2004 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, dass er Tschetschenien verlassen habe, weil sein Heimatdorf total zerstört worden sei und er sowie seine Gattin von den Russen verfolgt werden würden, weshalb sie eine Verhaftung befürchten würden.

 

Vom Bundesasylamt, AußenstelleTraiskirchen, im Beisein eines Dolmetschers der russischen Sprache einvernommen, wurde als Fluchtgrund im Wesentlichen angegeben, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland in erster Linie wegen des Krieges verlassen habe. Sein Heimatdorf K. sei total zerstört worden, und sei er mit seiner Familie zu seinen Vater und Geschwistern nach U. gezogen. Dort sei er dann Mitte Februar 2004 von russischen Soldaten in einem Keller verschleppt und mit Faustschlägen und Fußtritten misshandelt worden. Er sei von zwei Personen über Widerstandskämpfer, insbesondere über den Aufenthalt von R. G.befragt worden. Sie hätten ihn nach drei Tagen selbst freigelassen. Danach sei es zu keinen Zwischenfällen mehr gekommen. Aus Platzgründen sei er von U. nach K. und letztlich nach Grosny in die Eigentumswohnung eines Onkels gezogen. Dazwischen habe der Beschwerdeführer zwischenzeitlich in Saisonarbeit in der Landwirtschaft in K. gearbeitet. Am 15.09.2004 habe er mit seiner Familie Grosny verlassen, weil er ständig unter Stress gestanden sei. Wenn er noch einmal festgenommen werden würde, würden sie ihn töten oder zum Invaliden machen. In einem anderen Teil der Russischen Föderation wolle er nicht leben, da man dazu zuviel Geld benötigen würde und er nicht unter Russen leben wolle.

 

Der Beschwerdeführer legte einen am 00.05.2004 ausgestellten russischen Inlandsreisepass sowie einen am 00.07.2004 ausgestellten russischen Führerschein vor.

 

Aufgrund eines halbstündigen Gespräches am 27.10.2004 wurde von der Ärztin für psychotherapeutische Medizin, Dr. I. H., bezüglich des Beschwerdeführers PTSD sowie eine Somatisierungsstörung (chron. Kopfschmerz) diagnostiziert. Es wurde eine Psychotherapie als "hilfreich" sowie eventuell eine medikamentöse Therapie gegen die Somatisierungsstörung empfohlen.

 

Mit dem nunmehr angefochtenen oben angeführten Bescheid des Bundesasylamtes wurde der Asylantrag der beschwerdeführenden Partei gem. § 7 AsylG 1997 i.d.F. BGBl I 2003/101 (Spruchpunkt I.) abgewiesen und ausgesprochen, dass deren Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat Russische Föderation gem. § 8 Abs. 1 leg.cit. zulässig sei (Spruchpunkt II.) sowie deren Ausweisung gemäß § 8 Abs. 2 leg.cit. ausgesprochen (Spruchpunkt III.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei nicht dartun habe können, dass ihr im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung droht.

 

Dagegen wurde innerhalb offener Frist im Wesentlichen mit der Begründung Beschwerde (bis 30.06.2008 Berufung) erhoben, dass das Bundesasylamt bei richtiger Würdigung des Vorbringens zum Ergebnis hätte kommen müssen, dass der beschwerdeführenden Partei die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

 

Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 19.03.2008, zu der ein Vertreter des Bundesasylamts entschuldigt nicht erschienen ist, wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme des Beschwerdeführers sowie dessen Gattin unter Beiziehung eines Dolmetschers der tschetschenischen Sprache, weiters durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Bundesasylamtes sowie in den Akt des Asylgerichtshofes, wobei das Bundesasylamt lediglich schriftlich die Abweisung der Beschwerde beantragte.

 

Vor dem Asylgerichtshof wurde vom Beschwerdeführer im Wesentlichen wie bisher vorgebracht und weiter, dass er im ersten Tschetschenienkrieg tschetschenische Kämpfer unterstützt habe, indem er sie in seinem Haus untergebracht und sie verpflegt habe. Am 00.02.2004 sei er von maskierten Personen, wobei es Russen und Tschetschenen gewesen seien, mitgenommen und in einem Keller festgehalten worden, wo er von russischen Soldaten über den Feldkommandanten G. und tschetschenische Widerstandskämpfer verhört worden sei. Nach drei Tagen sei er aufgrund der Zahlung von 50.000,-

Rubel durch seine Verwandten freigelassen worden. Er habe zwar noch von Februar bis September 2004 in Tschetschenien gelebt, doch sei dies nur möglich gewesen, in dem er nicht an einem Ort gelebt, sondern abwechselnd bei verschiedenen Verwandten gewohnt habe, wobei er sich auch einige Zeit in Inguschetien aufgehalten habe. G. lebe nicht mehr und zwei Freunde des Beschwerdeführers seien spurlos verschwunden. Seine Schwester habe den Beschwerdeführer vor drei Monaten mitgeteilt, dass er in Tschetschenien gesucht werden würde. Seine Schwester würde wie sein Vater und sein jüngerer Bruder in K. leben. In K. hätte seine Familie auch ein Stück Land und eine Kuh. Der Beschwerdeführer habe zuletzt mit seiner Frau in der leerstehenden Eigentumswohnung seine Onkels in Grosny gewohnt.

 

Der Beschwerdeführer legte einen psychotherapeutischen Befundbericht des Psychotherapeuten E. Kl. vor, wonach er an einer längeren depressiven Reaktion basierend auf einer chronifizierten post-traumatischen Belastungsstörung zu Folge mehrfach-Traumatisierung leide, wobei er im August 2007 ein Gespräch geführt habe und es zu fünf weiteren Sitzungen gekommen sei. Ohne Behandlung des Beschwerdeführers sei bei diesem mit einer Chronifizierung im Sinne einer bleibenden Persönlichkeitsveränderung (Depression, Antriebsarmut, Perspektivelosigkeit, sozialer Rückzug, erhöhtes Risiko von Suizid und Substanzabhängigkeit) zu rechnen.

 

2. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentliche Sachverhalt als erwiesen fest:

 

2.1 Zur Person:

 

Die Beschwerdeführer ist nach eigenen Angaben ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an, ist muslimischen Bekenntnisses, war zuletzt im Heimatstaat in Grosny wohnhaft und vor seiner Flucht keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt, wobei ihm auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder Todesstrafe droht. Die behauptete Verschleppung und dreitägige Anhaltung des Beschwerdeführers im Februar 2004 durch föderale Kräfte konnte dieser nicht glaubwürdig darlegen.

 

2.2. Zur Lage in Tschetschenien und zur Lage der Tschetschenen in der Russischen Föderation:

 

2.2.1. Allgemeine Entwicklung

 

Die Russische Föderation besteht nach Art. 5 Abs. 2 ihrer Verfassung (von 1993) aus Republiken, Regionen, Gebieten, bundesbedeutsamen Städten, einem autonomen Gebiet und autonomen Bezirken als den gleichberechtigten Subjekten der Russischen Föderation. Zu diesen Republiken gehört nach Art. 65 Abs. 1 dieser Verfassung die - im Nordkaukasus gelegene -Tschetschenische Republik, ebenso wie ihre Nachbarrepubliken Dagestan, Inguschetien und Nordossetien (seit 1996 "Republik Nordossetien und Alania").

 

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erklärte sich Tschetschenien 1991 für unabhängig; das führte 1994 zum Ersten Tschetschenienkrieg, der 1996 mit der De-facto-Unabhängigkeit endete. Danach tobten in Tschetschenien heftige Machtkämpfe, die Kriminalität war hoch und strahlte über die Grenzen aus, und Banden aus Tschetschenien verübten Übergriffe auf Nachbarrepubliken. Gegen Ende 1999 begann der Zweite Tschetschenienkrieg, als - nach Bombenanschlägen in verschiedenen russischen Städten - russische Truppen (dh. föderale Truppen, also Truppen der Russischen Föderation) wieder in Tschetschenien einmarschierten. Russische und tschetschenische Sicherheitskräfte sowie tschetschenische Rebellen begehen schwere Menschenrechtsverletzungen. In jüngster Zeit entspannt sich die Lage aber etwas.

 

Am 23.03.2003 fand ein Verfassungsreferendum und am 29.08.2004 die Wahl des Präsidenten statt. Die neue tschetschenische Verfassung schreibt die Zugehörigkeit Tschetscheniens zur Russischen Föderation fest (Art. 1 Abs. 2); die vorgesehenen Autonomieregelungen sind eng begrenzt. Der russische Präsident Putin erklärte bei seiner Jahrespressekonferenz am 31.01.2006 die "antiterroristische Operation" (dh. den Krieg) zum wiederholten Male für beendet. Mit der Wahl eines tschetschenischen Parlaments am 27.11.2005 ist für Moskau der 2003 begonnene "politische Prozess" zur Beilegung des Tschetschenienkonflikts und damit die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in Tschetschenien abgeschlossen. Die Mehrheit der Sitze errang die kremlnahe Partei "Einiges Russland". Beobachter stellten zahlreiche Unregelmäßigkeiten fest, ua. die anhaltende Gewaltausübung und den Druck der "Kadyrowzy" (s. Pt. 2.1.1.2) gegen Wahlleiter und Wahlvolk. Nach dem Rücktritt des tschetschenischen Ministerpräsidenten Sergej Abramow am 28.02.2006 ernannte der tschetschenische Präsident Alu Alchanow am 02.03.2006 den bisherigen stellvertretenden Ministerpräsidenten Ramsan Kadyrow zum neuen Regierungschef. Das Parlament bestätigte die Ernennung zwei Tage später. Nach längeren Spannungen zwischen Alchanow und Kadyrow ernannte Präsident Putin am 15.2.2007 Alchanow zum Stellvertretenden Justizminister der Russischen Föderation und Kadyrow zum geschäftsführenden Präsidenten Tschetscheniens. Kadyrow forderte in der Folge den Abzug "überflüssiger" föderaler Truppen aus Tschetschenien. Am 05.05.2007 wurde er in Gudermes als tschetschenischer Präsident angelobt. Kadyrows Machtfülle ist freilich nicht wenigen im Kreml ein Dorn im Auge, die fürchten, er könnte irgendwann zu stark und unkontrollierbar werden. Der frühere Sekretär des Tschetschenischen Sicherheitsrates, German Vok, - der von Alchanow ernannt worden war - wies noch im Feber 2007 darauf hin, dass viele Kadyrowzi im Ersten Tschetschenienkrieg für die Unabhängigkeit Tschetscheniens gekämpft hatten und dieses Ziel noch immer verfolgten; auch andere Beobachter ziehen Vergleiche mit der Vorgeschichte des Ersten Tschetschenienkrieges.

 

Dennoch bleibt der Konflikt ungelöst, wenngleich auch Zeichen der Normalisierung festzustellen sind, wie eine verstärkte Bautätigkeit auf dem Lande und damit zusammenhängend die Rückkehr von Flüchtlingen.

 

Tschetschenen werden seit 2001 auf freiwilliger Basis in die russische Armee aufgenommen, wurden aber bislang nur in geringer Zahl und in Spezialfunktionen in Tschetschenien eingesetzt. Tschetschenische Wehrpflichtige wurden bislang kaum einberufen.

 

2.2.2. Sicherheitslage

 

Der Sicherheitsdienst Ramsan Kadyrows, des jetzigen Präsidenten und Sohnes des 2004 ermordeten moskautreuen Präsidenten Achmad Kadyrow, ist inzwischen die stärkste Kraft in Tschetschenien. Die "Kadyrowzy" liefern sich regelmäßig kleinere Kämpfe mit den nach wie vor aktiven Rebellen. Ursprünglich die Privatmiliz Achmad Kadyrows unter der Führung Ramsan Kadyrows, wurden sie schließlich in offizielle Streitkräfte des Innenministeriums umgewandelt. Unter den russischen Militärs herrscht ihnen gegenüber durchaus ein erhebliches Misstrauen. Diese mehrere Tausend Mann starke Truppe besteht zum Großteil aus ehemaligen Widerstandskämpfern, die durch Argumente, Geld und auch Gewalt- zB durch die Entführung von Angehörigen - zum Überlaufen bewogen worden sind. Immer wieder werden Familienangehörige mutmaßlicher Rebellen als Geiseln genommen, um sie zur Aufgabe zu zwingen, so auch nahe Angehörige des Rebellenführers

 

Umarow. Ramsan Kadyrow hat sich öffentlich für gesetzliche Regelungen ausgesprochen, welche die Strafverfolgung von Familienangehörigen mutmaßlicher Rebellen ermöglichen.

 

Seit dem Tod ihres Führers Aslan Maschadow bei einer Operation des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB am 08.03.2005 führte Abdelchalim Saidullajew die Separatisten; am 17.6.2006 wurde auch er getötet. Sein Nachfolger wurde Doku Umarow. In der Nacht vom 09. auf den 10.07.2006 gelang es dem FSB überdies, Schamil Bassajew zu töten, der als eigentlicher Chef der tschetschenischen Separatisten galt.

 

Nicht-Regierungsorganisationen, internationale Organisationen und Presse berichten, dass es, auch nachdem der "politische Prozess" begonnen hatte, zu erheblichen Menschenrechtsverletzungen russischer und pro-russischer tschetschenischer Sicherheitskräfte gegenüber der tschetschenischen Zivilbevölkerung komme, dabei insbesondere zu willkürlichen Festnahmen, zu Entführungen, zum "Verschwindenlassen" und zur Ermordung von Menschen, zu Misshandlungen, Vergewaltigungen, Sachbeschädigungen und Diebstählen. Dies sei häufig darauf zurückzuführen, dass das wirkliche Ziel der in Tschetschenien eingesetzten Zeitsoldaten, Milizionäre und Geheimdienstangehörigen Geldbeschaffung und Karriere sei. Frauen berichteten gegenüber Vertreterinnen internationaler Hilfsorganisationen von Vergewaltigungen durch russische Soldaten bei der Eroberung von Ortschaften in Tschetschenien. Auch amnesty international berichtet weiterhin von Vergewaltigungen und extralegalen Tötungen der Zivilbevölkerung während Operationen der Sicherheitskräfte. 2006 ging jedoch die Zahl der Verschleppungen gegenüber früheren Jahren zurück; offizielle tschetschenische Stellen führen das auf behördliche Anordnungen und Maßnahmen zurück, Menschenrechtsorganisationen meinen, dass zumindest ein Teil des Rückganges nur scheinbar ist und ein zurückhaltenderes Anzeigeverhalten widerspiegelt. Den Kadyrowzy werden von Menschenrechtsorganisationen zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt. Nach Human Rights Watch haben sie 2004/05 die föderalen Truppen als Hauptverantwortliche für Verschleppungen abgelöst.

 

Seit Beginn 2005 verstärkten die tschetschenischen und föderalen Sicherheitskräfte wieder ihre Aktivitäten gegen die Rebellen, insbesondere in den Grenzgebieten zu den nordkaukasischen Nachbarrepubliken. Diese Aktivitäten wurden auch im ersten Halbjahr 2006 vor allem von den Einheiten des tschetschenischen Innenministeriums fortgesetzt. Ergänzt wird dieses Vorgehen durch gezielte Spezialoperationen, wie sie zum Tod der Rebellenführer Maschadow, Saidullajew und Bassajew geführt haben.

 

2006 verschoben sich die Aktivitäten der pro-russischen Seite weg von Operationen des föderalen Militärs und hin zu solchen von paramilitärischen und Polizeieinheiten der Republik Tschetschenien und anderer tschetschenischer Einheiten, die dem Verteidigungs- oder dem Innenministerium zuzuordnen sind. Es gab weniger "Säuberungen" als in früheren Jahren, obwohl gezielte Aktionen anhielten. Die russische Nicht-Regierungsorganisation Memorial stellte fest, dass diese Säuberungen oft ohne ernsthafte Menschenrechtsverletzungen abliefen, aber in manchen Fällen von Entführungen, Plünderungen und Schlägereien begleitet waren. Die tschetschenischen Sicherheitskräfte unterstanden formal den Zivilbehörden der Republik Tschetschenien, unternahmen aber Operationen oft gemeinsam mit föderalen Kräften. Tatsächlich unterstanden sie dem Ministerpräsidenten (Ramsan Kadyrow) und agierten verhältnismäßig unabhängig.

 

Im August 2006 kündigte Präsident Putin an, in den kommenden beiden Jahren die Stärke der russischen Truppen in Tschetschenien (etwa 50.000 Soldaten) halbieren zu wollen. Für die Sicherheit in Tschetschenien sollten vor allem die rund 20.000 Soldaten des tschetschenischen Innenministeriums sorgen ("Tschetschenisierung" des Konflikts). Die russischen Soldaten in Tschetschenien haben sich weitgehend in ihre Garnisonen und Kontrollposten zurückgezogen.

 

Der willkürliche Gewaltgebrauch durch Regierungstruppen, der während des Konfliktes zahllose zivile Opfer gefordert und zu massenhafter Vertreibung und der Zerstörung von Eigentum und der Infrastruktur geführt hat, ging 2006 wie schon seit 2004 -im Vergleich zu 2001/02 - weiter zurück, kommt aber vor allem im Süden der Republik weiter vor; dorthin haben sich die Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Widerstandskämpfern verlegt, daher verlassen immer mehr Menschen die Bergregion. Der Wiederaufbau von Wohnraum und Infrastruktur ging weiter voran, ist aber zT nur kosmetischer Natur. Dennoch werden in Grosny überall wieder Geschäfte eröffnet; an der Universität studieren 14.000 Studenten.

 

Auch den tschetschenischen Rebellen werden Exekutionen und Geiselnahmen von Zivilisten in den Gebieten und Ortschaften vorgeworfen, die sie beherrschen. Neben den Aufsehen erregenden Terroranschlägen gegen die Zivilbevölkerung werden auch bei vielen Aktionen gegen russische Sicherheitskräfte Opfer unter der Zivilbevölkerung bewusst in Kauf genommen. Außerdem verüben die Rebellen gezielt Anschläge gegen Tschetschenen, die mit den russischen Behörden zusammenarbeiten.

 

Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen bleibt weit hinter ihrem Ausmaß zurück. Bisher gibt es nur sehr wenige Fälle schwerer Verurteilungen. Am 06.04.2006 entschied das russische Verfassungsgericht, dass in Tschetschenien von Militärangehörigen begangene Verbrechen bis zur Einführung von Geschworenengerichten (sie ist für 2007 vorgesehen) von Militärgerichten entschieden werden. Vertreter der Republik Tschetschenien und Menschenrechtsgruppen begrüßten diese Entscheidung.

 

Nach dem Ende des Ersten Tschetschenienkrieges, dem Abzug der föderalen Truppen aus Tschetschenien und der Wahl Aslan Maschadows zum Präsidenten der "Republik Itschkeria" am 12.03.1997 wurde die erste sechs Monate gültige Amnestie erlassen. Etwa 5000 Personen wurden amnestiert. Nach dem Beginn des Zweiten Tschetschenienkrieges wurde am 13.12.1999 eine weitere Amnestie verkündet, von der nach Angaben des russischen Generalstabs 750 Kämpfer erfasst worden sein sollen. Sie galt bis zum 15.05.2000. Auf die dritte Amnestieregelung vom 12.05.2003 bis 1.9.2003 gingen weniger als 200 Rebellen ein, doch haben nach Angaben Taus Dschabrailows, des Vorsitzenden des tschetschenischen Staatsrates, auch 2004 weitere 600 bis 700 Kämpfer freiwillig die Waffen niedergelegt. Der damalige Präsident Alchanow nannte eine Zahl von etwa 7000 ehemaligen Rebellen, die in den vergangenen Jahren die Waffen niedergelegt hätten. Das russische Innenministerium gab im Jänner 2006 an, es gebe noch 730 tschetschenische Kämpfer, die in viele kleine Gruppen aufgeteilt seien, und 40 - nach anderen Berichten 200 bis 300- ausländische Söldner. Nachdem Bassajew getötet worden war, wurde im Juli 2006 eine Amnestie verkündet, die schließlich bis 15.01.2007 verlängert wurde; bis zu diesem Zeitpunkt musste man, um in den Genuss der Amnestie zu gelangen, die Waffen niederlegen und sich den Behörden stellen. Bis 25.12.2006 machten 375 Kämpfer davon Gebrauch. Angeblich - folgt man nämlich dem FSB und Kadyrow - sind als Folge dessen nur noch 50 Rebellen in Tschetschenien aktiv; Beobachter bestreiten das.

 

2.2.3. Versorgungssituation

 

Die Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich nach Angaben internationaler Hilfsorganisationen in letzter Zeit etwas gebessert. Der zivile Wiederaufbau der völlig zerstörten Republik konzentriert sich auf die Hauptstadt Grosny. Nach Angaben Alchanows wurden bisher zwei Milliarden Rubel an Kompensationszahlungen geleistet. Nicht-Regierungsorganisationen berichten jedoch, dass nur rund ein Drittel der Vertriebenen eine Bestätigung für die Kompensationsberechtigung erhalte. Viele Rückkehrer bekämen bei ihrer Ankunft in Grosny keine Entschädigung, weil die Behörden sich weigerten, ihre Dokumente zu bearbeiten, oder weil ihre Namen von der Liste der Berechtigten verschwunden seien. Verschiedene Schätzungen gehen davon aus, dass 30 bis 50 % der Kompensationssummen als Schmiergelder gezahlt werden müssen.

 

In Tschetschenien wurden für Flüchtlinge provisorische Unterkünfte errichtet, die nach offiziellen Angaben besser eingerichtet sein sollen als die früheren Lager in Inguschetien. Die Kapazitäten der inzwischen fertig gestellten zeitweiligen Unterkünfte reichen jedoch nicht für alle Flüchtlinge. Außerdem berichten UNICEF und andere Organisationen der Vereinten Nationen von desolaten sanitären Verhältnissen und von schlechten Lebensbedingungen in großen Teilen der von ihnen betreuten Übergangsunterkünfte in Grosny (Mangel an Medikamenten und Nahrungsmitteln, unbefriedigende Sicherheitslage).

 

Die tschetschenische Bevölkerung lebt unter sehr schweren Bedingungen. Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln ist mangelhaft, besonders in Grosny. Internationalen Hilfsorganisationen ist es nur sehr begrenzt und punktuell möglich, Nahrungsmittel in das Krisengebiet zu liefern. Die Infrastruktur (Strom, Heizung, fließendes Wasser usw.) und das Gesundheitssystem waren nahezu vollständig zusammengebrochen, doch zeigen Wiederaufbauprogramme und die geleisteten Kompensationszahlungen erste Erfolge. Sie sind nicht nur auf die Gelder zurückzuführen, die Moskau überweist und von denen nach wie vor große Summen veruntreut werden, sondern auch auf die "freiwilligen" Spenden, die Ramsan Kadyrow wohlhabenden Geschäftsleuten und den Staatsbediensteten abpresst und die in den "Kadyrow-Fonds" fließen, aus dem wiederum der Aufbau von Schulen, Sportstätten und anderen öffentlichen Einrichtungen finanziert wird. Dadurch hat Kadyrow seinen ehemals schlechteren Ruf in Tschetschenien erfolgreich "aufpoliert". Etwa 50 % des Wohnraums ist seit dem ersten Krieg (1994 -1996) in Tschetschenien zerstört. Die Arbeitslosigkeit beträgt nach der offiziellen Statistik 80 % (russischer Durchschnitt: 7,6 %).

 

Die medizinische Versorgung in Tschetschenien ist unzureichend. Durch die Zerstörungen und Kämpfe - besonders in der Hauptstadt Grosny - waren medizinische Einrichtungen in Tschetschenien weitgehend nicht mehr funktionstüchtig. Der Wiederaufbau verläuft zwar schleppend, doch gibt es dank internationaler Hilfe Fortschritte bei der personellen, technischen und materiellen Ausstattung in einigen Krankenhäusern, die eine bessere medizinische Grundversorgung gewährleisten.

 

2.2.4. Rückkehrfragen

 

Solange der Tschetschenienkonflikt anhält, ist davon auszugehen, dass abgeschobenen Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden gewidmet wird. Dies gilt insbesondere für solche Personen, die sich in der Tschetschenienfrage engagiert haben bzw. denen die russischen Behörden ein solches Engagement unterstellen.

 

2.2.5. Situation von Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens

 

Fremdenfeindliche Ressentiments nahmen in der Bevölkerung der Russischen Föderation in den letzten Jahren zu; sie richten sich insbesondere gegen Tschetschenen und andere Kaukasier, so genannte "Tschornyje" ("Schwarze"). Der Tschetschenienkonflikt und die Angst vor Terroranschlägen verstärken diese Tendenz. Im Zusammenhang mit der intensiven Fahndung nach den Drahtziehern und Teilnehmern von Terrorakten hat sich der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen in Moskau und anderen Teilen Russlands deutlich erhöht. Die Bevölkerung begegnet Tschetschenen größtenteils mit Misstrauen.

 

Besonders seit Beginn des Zweiten Tschetschenienkrieges Ende 1999 werden auch die in den übrigen Gebieten der Russischen Föderation lebenden Tschetschenen - allein in Moskau gibt es etwa 200.000, davon jedoch laut Volkszählung von 2002 lediglich 14.465 offiziell registrierte - Ziel benachteiligender Praktiken der Behörden. Menschenrechtsorganisationen berichten über verstärkte Personenkontrollen und Wohnungsdurchsuchungen, zT ohne rechtliche Begründung, Festnahmen, Strafverfahren auf Grund fingierter Beweise und Kündigungsdruck auf Arbeitgeber und Vermieter. Offensichtliche Diskriminierungen, wie das Fälschen von Beweismitteln oder die Verfolgung durch die Miliz, sind im Vergleich zum Ersten Tschetschenienkrieg seltener geworden. Subtile Formen der Diskriminierung bestehen fort.

 

Tschetschenen steht wie allen russischen Staatsbürgern das Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Diese Rechte sind in der Verfassung verankert. Jedoch wird in der Praxis an vielen Orten (ua. in großen Städten, wie zB Moskau und St. Petersburg) der legale Zuzug von Personen aus den südlichen Republiken der Russischen Föderation durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert. Diese Zuzugsbeschränkungen gelten unabhängig von der Volkszugehörigkeit, wirken sich jedoch im Zusammenhang mit der anti-kaukasischen Stimmung stark auf die Möglichkeit rückgeführter Tschetschenen aus, sich legal dort niederzulassen. Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen. Die Registrierung legalisiert den Aufenthalt und ermöglicht den Zugang zu Sozialhilfe, staatlich geförderten Wohnungen und zum kostenlosen Gesundheitssystem. Voraussetzung für eine Registrierung ist ein nachweisbarer Wohnraum und die Vorlage des Inlandspasses. Trotz der Systemumstellung durch das Föderationsgesetz wenden viele Regionalbehörden der Russischen Föderation restriktive örtliche Vorschriften oder Verwaltungspraktiken an. Daher haben Tschetschenen erhebliche Schwierigkeiten, außerhalb Tschetscheniens eine offizielle Registrierung zu erhalten. Zahlreiche Nicht-Regierungsorganisationen berichten, dass vielen Tschetschenen, besonders in Moskau, die Registrierung verweigert werde. Nach Moskau zurückgeführte Tschetschenen haben deshalb in der Regel nur dann eine Chance, in der Stadt Aufnahme zu finden, wenn sie genügend Geld haben oder auf ein Netzwerk von Bekannten oder Verwandten zurückgreifen können. Nach der Moskauer Geiselnahme im Oktober 2002 haben sich administrative Schwierigkeiten und Behördenwillkür gegenüber Tschetschenen im Allgemeinen und rückgeführten Tschetschenen im Besonderen verstärkt. Angesichts der Terrorgefahr dürfte sich hieran in absehbarer Zeit nichts ändern. Eine verschärfte Neufassung des Aufenthaltsrechts spezifisch für Tschetschenen wird von der Moskauer Stadtverwaltung und von Abgeordneten des Stadtparlaments gefordert.

 

Tschetschenische Flüchtlinge können grundsätzlich in andere Teile der Russischen Föderation weiterreisen, dies trifft aber auf Transportprobleme und auf fehlende Aufnahmekapazitäten. Soweit zur Weiterreise die Hilfe russischer Regierungsstellen in Anspruch genommen werden muss, kann sie bürokratischen Hemmnissen und Behördenwillkür begegnen. Nichtregistrierte Tschetschenen können innerhalb Russlands allenfalls in der tschetschenischen Diaspora untertauchen und dort überleben. Wie ihre Lebensverhältnisse sind, hängt insbesondere davon ab, ob sie über Geld, Familienanschluss, Ausbildung und russische Sprachkenntnisse verfügen. Menschenrechtler beklagen eine Zunahme von Festnahmen wegen fehlender Registrierungen oder auf Grund manipulierter Ermittlungsverfahren. Eine Registrierung als Binnenflüchtling und die damit verbundene Gewährung von Aufenthaltsrechten und Sozialleistungen (Wohnung, Schule, medizinische Fürsorge, Arbeitsmöglichkeit) wird in der Russischen Föderation laut Berichten von amnesty international und des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge regelmäßig verwehrt.

 

Tschetschenen leben außerhalb Tschetscheniens und Inguschetiens neben Moskau vor allem in Südrussland (Regionen Krasnodar, Stawropol). Dort ist eine Registrierung auch grundsätzlich leichter möglich als in Moskau, ua. weil Wohnraum (eine Registrierungsvoraussetzung) dort erheblich billiger ist als in Moskau, wo die Preise auf dem freien Wohnungsmarkt ausgesprochen hoch sind. Eine Registrierung ist in vielen Landesteilen oft erst nach Intervention von Nicht-Regierungsorganisationen, Duma-Abgeordneten oder anderen einflussreichen Persönlichkeiten oder durch Bestechung möglich.

 

Es ist grundsätzlich möglich, von und nach Tschetschenien ein- und auszureisen und sich innerhalb der Republik zu bewegen. An den Grenzen zu den russischen Nachbarrepubliken befinden sich jedoch nach wie vor - wenn auch in stark verringerter Zahl -Kontrollposten der föderalen Truppen oder der Kadyrowzy, die gewöhnlich eine "Ein- bzw. Ausreisegebühr" erheben. Sie beträgt für Bewohner Tschetscheniens in der Regel 10 Rubel, also ungefähr 30 (Euro-)Cent; für Auswärtige - auch Tschetschenen - liegt sie höher.

 

2.2.6. Herangezogene Quellen:

 

1. Verfassung der Russischen Föderation vom 12.12.1993 (http://www.verfassungen.de/rus/russland93-index.htm)

 

2. Verfassung der Tschetschenischen Republik (Chechnya -Constitution) von 2003

(http://www.oefre.unibe.ch/law//icl/cc01000_html)

 

3. Bericht des (deutschen) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (einschließlich Tschetschenien) vom 18.08.2006, Stand Juli 2006

 

4. Stephan Hille, Moskau zieht Truppen aus Tschetschenien ab. NZZ 12.08.2006 (APA vom 16.08.2006)

 

5. Stephan Hille, Beschwerliche Rückkehr zur Normalität in Grosny. NZZ 06.01.2007 (APA vom 08.01.2007)

 

6. Klaus Ammann, Nordkaukasus. Entwicklungen in Tschetschenien sowie in Dagestan, Kabardino-Balkarien, Inguschetien. SFH (Jänner 2007)

 

7. US State Department, Country Report on Human Rights Practices 2006: Russia (06.03.2007)

 

8. Kadyrov Named Acting Chechen President. Chechnya Weekly 15.02.2007

 

9. Kadyrov Wants Federal Troops Out. Chechnya Weekly 29.03.2007

 

10. Kadyrov Sworn In as Chechnya's President. Chechnya Weekly 05.04.2007

 

3. Beweiswürdigung:

 

3.1. Die Feststellungen zur Identität und Herkunft der beschwerdeführenden Partei stützen sich auf die diesbezüglich glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren sowie auf vorgelegte Urkunden, an deren Echtheit keine Zweifel bestehen.

 

3.2. Dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei zum Fluchtvorbringen war insgesamt kein Glaube zu schenken. Die beschwerdeführende Partei hat im Wesentlichen behauptet, wegen ihrer Unterstützung tschetschenischer Widerstandskämpfer durch Beherbergung und Verpflegung im ersten Tschetschenienkrieg Mitte Februar 2004 drei Tage vom russischen Militär festgehalten sowie verhört worden zu sein. Danach wäre sie gegen Bezahlung von 50.000,-

Rubel freigelassen worden und hätte ohne weitere Zwischenfälle sieben Monate später Tschetschenien verlassen.

 

Die Aussagen des Asylwerbers stellen, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt, im Asylverfahren häufig die zentrale Erkenntnisquelle dar, die auf ihre Glaubwürdigkeit zu überprüfen ist. So ist das Vorbringen eines Asylwerbers dann als glaubhaft anzusehen, wenn es nachstehende vier Grunderfordernisse erfüllt:

 

1. Das Vorbringen des Asylwerbers ist genügend substantiiert. Dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen.

 

2. Das Vorbringen muss, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Der Asylwerber darf sich nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.

 

3. Das Vorbringen muss plausibel sein, d.h. mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Diese Voraussetzung ist u. a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen und

 

4. der Asylwerber muss persönlich glaubwürdig sein. Das wird dann nicht der Fall sein, wenn sein Vorbringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt ist, aber auch dann, wenn er wichtige Tatsachen verheimlicht oder bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Angaben in der Ersteinvernahme ein erhöhter Wahrheitsgehalt zu, da diese in einem zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignisse gemacht werden.

 

So hatte der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt hinsichtlich der behaupteten Vorfälle im Februar 2004 vorgebracht, von "russischen Soldaten" festgenommen worden zu sein (vgl. As. 103). In der mündlichen Verhandlung am 19.03.2008 brachte er dazu im Widerspruch vor: "Ich weiß nicht, wer mich damals mitgenommen hat, sie waren maskiert, damals war es so, dass Russen und Tschetschenen immer zusammen waren (vgl. S. 3 Verhandlungsprotokoll vom 19.03.2008). Unter Vorhalt dieses Widerspruchs gab die beschwerdeführende Partei im Bemühen um eine Erklärung an, dass sie "rasch aus Tschetschenien geflohen" wäre und "erst hier" erkannt habe, dass es Russen und Tschetschenen gewesen wären (vgl. S. 3 Verhandlungsprotokoll vom 19.03.2008). Ganz abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer erst sieben Monate nach seiner angeblichen Verhaftung Tschetschenien verlassen haben will und somit eine "rasche Flucht" nicht erkannt werden kann, entbehrt diese Erklärung jegliche rational nachvollziehbare Grundlage.

 

Weiters erscheint es sehr auffällig, dass der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt auf die ausdrückliche Frage, wie er wieder freigekommen sei, lediglich erklärte, sie hätten ihn "selbst" freigelassen und in die Nähe des Dorfes U. gebracht (vgl. As 103), wobei vom Beschwerdeführer eine Geldzahlung als Grund für seine Freilassung mit keinem Wort erwähnt oder auch nur angedeutet wurde. In der mündlichen Verhandlung am 19.03.2008 erklärte er im gleichen Zusammenhang jedoch, von seinen Verwandten gegen eine Zahlung von 50.000,- Rubel freigelassen worden zu sein (vgl. S. 3 Verhandlungsprotokoll vom 19.03.2008)

 

Unstimmigkeiten ergeben sich aber auch hinsichtlich der Aufenthaltsorte des Beschwerdeführers. Laut Vorbringen beim Bundesasylamt sei der Beschwerdeführer nach K. und später "aus Platzmangel" nach Grosny gezogen, wobei er in "Saisonarbeit" auch in familieneigenen Schrebergärten in K. gearbeitet habe. Es sei nach der Festnahme zu keinen weiteren Zwischenfällen gekommen (vgl. As 105). Im Gegensatz dazu begründete er in der Verhandlung vom 19.03.2008 den Umstand, dass es zu keinen weiteren Zwischenfällen gekommen sei, nunmehr dadurch, dass er "nicht an einem Ort gelebt" habe. So habe er sich unter anderem auch eine zeitlang in Inguschetien aufgehalten (vgl. S. 4 Verhandlungsprotokoll vom 19.03.2008). Dies widerspricht aber allein schon seinen kurz zuvor getätigten Angaben, wonach er "sein ganzes Leben in Tschetschenien verbracht" habe, sowie den gleichlautenden Angaben beim Bundesasylamt (vgl. S. 3 Verhandlungsprotokoll vom 19.03.2008; As 101). Auch in der Beschwerdeschrift vom 12.06.2006 wurde ein Aufenthalt in Inguschetien nicht einmal angedeutet. Einem entsprechenden Vorhalt in der Verhandlung vom 19.03.2008 begegnete der Beschwerdeführer mit dem Verweis, dass es in der Einvernahme keinen tschetschenischen Dolmetscher gegeben habe, die Befragung durch das Bundesasylamt mangelhaft gewesen sei und es ihm damals psychisch schlecht gegangen sei. Dem widerspricht aber seine im Einvernahmeprotokoll vom 08.08.2005 festgehaltene Erklärung, dass es ihm "psychisch und physisch gut" gehe und er die Einvernahme absolvieren könne (vgl. As 101), sowie dass er den Dolmetscher einwandfrei verstanden habe (vgl. As 105), was letztlich nach Rückübersetzung zusätzlich durch seine Unterschrift betätigt wurde (vgl As 107).

 

Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Tschetschenien keiner der von ihm beschriebenen Gefahren ausgesetzt war. Hierfür spricht auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht ganz drei Wochen nach seiner angeblichen Festnahme am 00.03.2008 seine Frau, die er zudem nur wenige Tage zuvor ("Ende Februar 2004") kennengelernt habe, (vgl. As 111 zu 04 20.995) "amtlich" heiratete, wie die vorgelegte Heiratsurkunde mit einem Stempel der Tschetschenischen Republik (vgl. As 39 zu 04 20.995) bestätigt, sich weiters am 28.05.2004 einen russischern Inlandsreisepass und erneut am 12.07.2004 einen russischen Führerschein ausstellen ließ. Eine derartige Verhaltensweise führt die behauptete Notwendigkeit, den Aufenthaltsort geheim zu halten und ständig zu ändern, um einer Festnahme zu entgehen, letztlich aber ad absurdum.

 

Weiters ist auch darauf hinzuweisen, dass auch die Beschwerdeschrift vom 12.06.2006 in zentralen Punkten von den tatsächlichen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung abweicht. So wird in der Beschwerdeschrift ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 2000 und 2001 tschetschenische Widerstandskämpfer unterstützt hätte (vgl. As 175), in der mündlichen Verhandlung wurden derartige Unterstützungshandlungen lediglich im Zusammenhang mit dem ersten Tschetschenienkrieg (1994-1996) vorgebracht (vgl. S. 3 Verhandlungsprotokoll vom 19.03.2008). Auffällig erscheint auch, dass laut Gespräch mit einer Ärztin für psychotherapeutische Medizin am 27.10.2004 die Zerstörung seines Dorfes im Jahr 1999 stattgefunden hätte (vgl. As 53), in der mündlichen Verhandlung wurden diese Ereignisse dazu im völligen Widerspruch mit dem Jahr 2001 datiert (vgl. S. 3 Verhandlungsprotokoll vom 19.03.2008).

 

Hierbei sei abschließend darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer offenbar sein Vorbringen zu steigern versuchte, indem er erstmals in der mündlichen Verhandlung am 19.03.2008 behauptete, dass der Kommandant G. gestorben und zwei Freunde des Beschwerdeführers nach ihren Festnahmen spurlos verschwunden seien. Anlässlich eines entsprechenden Vorhalts verstrickte sich der Beschwerdeführer jedoch lediglich in noch unauflösbarere Ungereimtheiten (vgl. S. 5 Verhandlungsprotokoll vom 19.03.2008). Hierzu ist aber zusätzlich anzumerken, dass gerade letzteres Vorbringen zudem gegen die Gefährdung des Beschwerdeführers spricht, zumal er bei seiner Festnahme vor allem über den Aufenthalt von G. befragt worden wäre, was nach dessen Tod jedenfalls als hinfällig erscheint.

 

Zu den im psychotherapeutischen Befundbericht vom 19.03.2008 anschaulich angeführten Gedächtniseinbußen ("Er habe Probleme sich an wichtige Dinge zu erinnern. -?- Namen von getöteten Bekannten, oder wann ein Angriff stattgefunden habe.") ist anzumerken, dass diese Symptomerhebung offenbar ausschließlich auf den Angaben des Beschwerdeführers beruht. Ebenfalls laut ausdrücklicher und mit Unterschrift bestätigter Angaben des Beschwerdeführeres vom 08.08.2005, ist es ihm aber zum Zeitpunkt der Einvernahme beim Bundesasylamt "psychisch und physisch gut" gegangen und konnte er die Einvernahme absolvieren (vgl. As 101). Gedächtnisschwächen wurden von ihm auch in seiner Beschwerdeschrift vom 12.06.2006 mit keinem Wort erwähnt. Weiters ist anzumerken, dass ein erheblicher Teil der weiter oben angeführten Widersprüche und Ungereimtheiten auf dem Umstand basiert, dass der Beschwerdeführer sich entgegen seiner Gedächtnisschwäche in der mündlichen Verhandlung am 19.03.2008 an Vorfälle und Umstände erinnern konnte, die er in der Einvernahme des Bundesasylamts am 08.08.2005 nicht oder anders anführte.

 

Insgesamt hat die beschwerdeführende Partei somit im Bezug auf ihre behaupteten Fluchtgründe keinen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen, sodass davon auszugehen ist, dass sie die von ihr behauptete Geschichte nicht erlebt hat. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführende Partei im Falle ihrer Rückkehr der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre.

 

3.3.1. Die getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat stützen sich auf die unter Punkt I.2.2.6. wiedergegebenen Länderdokumente und wurden der beschwerdeführenden Partei anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung dargetan.

 

3.3.2. Die Sicherheitslage wird im Bericht des (deutschen) Auswärtigen Amtes ungünstiger geschildert als im Bericht des US State Department. Im Bericht des Außenamtes heißt es nämlich (S 19):

"Die Sicherheit der Zivilbevölkerung in Tschetschenien ist nicht gewährleistet. In den Gebieten, in denen sich russische Truppen aufhalten (sie umfassen mit Ausnahme schwer zugänglicher Gebirgsregionen das ganze Territorium der Teilrepublik), leidet die Bevölkerung einerseits unter den ständigen Razzien, ¿Säuberungsaktionen', Plünderungen und Übergriffen durch russische Soldaten und Angehörige der Truppe von Ramsan Kadyrow, andererseits unter Guerilla-Aktivitäten und Geiselnahmen der Rebellen. Zwar hat auch nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen und internationalen Organisationen die Anzahl von Gewaltakten sowohl von Seiten der durch Fahndungserfolge der russischen und tschetschenischen Sicherheitskräfte geschwächten Rebellen als auch von Seiten der Sicherheitskräfte selbst zuletzt abgenommen, doch sind immer noch willkürliche Überfälle bewaffneter, nicht zuzuordnender Kämpfer, Festnahmen und Bombenanschläge an der Tagesordnung."

 

In diesem Zusammenhang ist aber, soweit die Einschätzungen voneinander abweichen, dem Bericht des US State Department gefolgt worden, weil er ein halbes Jahr jünger ist und daher die Entwicklung dieses Halbjahres einbezieht; sie wird auch durch die Artikel Hilles und - etwas zurückhaltender - durch den Bericht Ammanns bestätigt (der auch die Artikel Hilles verarbeitet, einen allerdings unter dem Autorennamen "Markus Ackeret" zitiert: S 1 FN 1). Der Grund für diese Entwicklung war offenbar der Wille der föderalen Machthaber zur "Tschetschenisierung" des Konfliktes, verbunden mit dem Rückzug der föderalen Truppen aus dem Alltag und mit dem weiteren Aufbau der Machtposition Ramsan Kadyrows. Eine Verbesserung der Sicherheitslage -gegenüber früher - kommt aber auch in dem zuvor wiedergegebenen Zitat des Außenamtsberichts zum Ausdruck.

 

Alle Berichte schildern jedenfalls übereinstimmend einen Rückgang in der Zahl der Verschleppungen - die für die Sicherheitslage symptomatisch ist - und beziehen sich dabei regelmäßig auf die russische Menschenrechtsorganisation "Memorial". So heißt es im Außenamtsbericht (S 15): "Menschenrechtsorganisationen berichten außerdem von zahlreichen Fällen von ¿Verschwindenlassen' von Zivilisten in Tschetschenien. Im Jahre 2005 wurden nach Angaben der russischen Menschenrechtsorganisation ¿Memorial' 317 Menschen entführt, von denen 126 befreit, 23 getötet, 15 in Untersuchungshaft und 153 immer noch vermisst seien. Von Januar bis Mai 2006 wurden laut ¿Memorial' 103 Personen entführt, von denen 50 befreit und sechs getötet worden seien; 38 seien verschwunden, neun im Gefängnis. Da Memorial nur etwa 25 - 30 % des tschetschenischen Territoriums beobachtet, dürfte die tatsächliche Zahl wesentlich höher sein."

 

Hille schreibt am 12.08.2006: "Die Zahl der Morde und Verschleppungen sei im vergangenen Jahr um ein Drittel zurückgegangen, meldete die angesehene Menschenrechtsorganisation Memorial Anfang August. In ihrem Bericht dokumentiert Memorial 192 Morde und 316 Fälle von Verschwundenen seit August des vergangenen Jahres. Für das vorherige Jahr hatte Memorial noch 310 Morde und 418 Verschleppungen aufgelistet." (Auf die Skepsis gegenüber diesen Zahlen, die Hille weiter anführt, ist schon in den Feststellungen hingewiesen worden) Am 06.01.2007 schreibt er: "Tatsächlich hat sich die Menschenrechtslage deutlich verbessert. Erstmals nähern sich die offiziellen Zahlen über Verschwundene und die Statistik von

Menschenrechtsgruppen weitgehend an: So beziffert das tschetschenische Innenministerium die Zahl der seit dem Jahr 2000 Verschleppten auf rund 2700. Laut der Moskauer Menschenrechtsgruppe Memorial sind 1246 tot oder verschollen. Im vergangenen Jahr wurden nach offiziellen Angaben 158 Menschen verschleppt, von denen 59 als verschollen gelten. Memorial hingegen zählt 184 Entführungsfälle, von 63 Menschen fehlt noch immer jede Spur. Die Zahlen sind rückläufig, doch die Dunkelziffer dürfte höher liegen, weil viele Fälle aus Angst vor Repressalien gar nicht erst angezeigt werden."

 

Ammann schreibt (S 6): "Vordergründig verbessert sich die Lage, die Menschenrechtsorganisationen melden einen deutlichen Rückgang der Gewaltverbrechen in Tschetschenien: Laut Memorial ist die Zahl der Morde und Verschleppungen zwischen Herbst 2005 und Herbst 2006 um ein Drittel auf 192 Morde und 316 Fälle von Verschwundenen zurückgegangen. Im Jahr zuvor waren es noch 310 Morde und 418 Verschleppungen."

 

Im Bericht des US State Department schließlich heißt es (section 1, b): "There were reports of government involvement in politically motivated disappearances in Chechnya and Ingushetiya, although the number of disappearances declined compared to 2005. In 2005 Memorial documented 316 'abduction' cases; 127 of these 'disappeared' without a trace and 23 were found dead. During the year Memorial documented 184 abductions. Of these, Memorial reported that 91 persons were released, 63 'disappeared,' 11 found dead, and 19 were under investigation by authorities." Zum Jahr 2006 heißt es weiter (section 1, g): "During the year, according to Memorial, 184 persons were abducted, of whom 91 were freed or ransomed, 11 were found killed, 19 were thought to be in detention, and 63 disappeared. Memorial attributed at least part of this decline to a climate of fear in which individuals were afraid to report abductions. In 2005, according to Memorial, 316 persons were abducted, of whom 151 were freed or ransomed, 23 were found dead, 15 were thought to be in detention, and 127 disappeared."

 

Zum Rückgang der "Säuberungen" schreibt derselbe Bericht: "There were fewer mopping-up operations, known as 'zachistki,' than in previous years, although more targeted operations, such as night raids, continued."

 

Das bedeutet - wie sich aus den genannten Zahlen ergibt -mitnichten, dass sich die Sicherheitslage völlig entspannt hätte, es besteht aber eine Situation, die bei der Einschätzung, ob Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht, berücksichtigt werden muss. Dies muss im Einzelfall geprüft werden. Dabei geht die Berufungsbehörde davon aus, dass die Kadyrowzi nicht in dem Ausmaß, wie dies für Übergriffe in der Vergangenheit möglicherweise anzunehmen war, wahllos vorgehen, sodass damals grundsätzlich jedermann Opfer solcher Übergriffe werden konnte, sondern dass sie, wie es im letzten Zitat des US-Berichts zum Ausdruck kommt, gezielter vorgehen.

 

3.3.3. Alle zitierten Unterlagen, auf denen diese Feststellungen beruhen, stammen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen und aus einer international angesehenen Qualitätszeitung (der Neuen Zürcher Zeitung), sodass keine Bedenken dagegen bestehen, sich darauf zu stützen.

 

3.4. Die Aufnahme weiterer Beweise war wegen Entscheidungsreife nicht mehr erforderlich.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (AsylG 2005, BGBL. I Nr. 100 i.d.g.F. BGBl. I Nr. 4/2008) in Kraft getreten und ist auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 Asylgesetz entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter (1.) über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und (2.) Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die beschwerdeführende Partei hat ihren Asylantrag nach dem 30.04.2004 gestellt; das Verfahren war am 31.12.2005 anhängig; das Berufungsverfahren ist daher nach dem AsylG i. d.F. der AsylGNov. 2003 - zu führen.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 sind Verfahren, die am 01.07.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Soweit sich aus dem B-VG, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind gemäß § 22 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

2. Zur Entscheidung über den Asylantrag (§ 7 AsylG 1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2003):

 

2.1. Gemäß § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht, und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt. Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein.

 

2.2. Da es der beschwerdeführenden Partei nicht gelungen ist, asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in ihrem Herkunftsstaat glaubwürdig darzutun, war der Asylantrag der beschwerdeführenden Partei gem. § 7 AsylG 1997 abzuweisen.

 

3. Zur Non Refoulement-Prüfung (§ 8 Abs. 1 AsylG 1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2003):

 

3.1. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG 2005 treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetztes 1997 verwiesen wird, die entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes an deren Stelle.

 

3.2. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (vormals § 57 FrG 1997, nunmehr § 50 FPG 2005); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Gemäß § 50 Abs. 1 FPG 2005 ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Gemäß § 50 Abs. 2 FPG 2005 ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Gemäß Art 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG 1997 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH vom 27.02.1997, 98/21/0427).

 

Der Fremde hat das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und / oder Abs. 2 FrG 1997 glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH vom 02.08.2000, 98/21/0461; VwGH vom 25.01.2001, 2001/20/0011).

 

3.3. Wie bereits bei der Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz ausgeführt bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit der beschwerdeführenden Partei aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre, weshalb kein Fall des § 50 Abs. 2 FPG 2005 vorliegt.

 

Im gesamten Asylverfahren finden sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die beschwerdeführende Partei bei einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefährdungssituation im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG 2005 ausgesetzt sein würde.

 

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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