TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/19 A10 240936-2/2008

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Veröffentlicht am 19.09.2008
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Spruch

A10 240.936-2/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Pipal als Einzelrichter über die Beschwerde von U.T., geb. 00.00.1974, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.07.2008, GZ 08 04.463-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 dritter Satz AsylG 2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

 

Der Beschwerdeführer brachte nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 24.06.2003 einen (ersten) Asylantrag ein.

 

Bei seiner Einvernahme am 25.06.2003 gab er zu seinen Fluchtgründen an, dass er als Vertreter der MASSOB für die Unabhängigkeit Biafras gekämpft habe und deshalb von der Polizei verfolgt werde.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.07.2003, GZ 03 18.853-BAW, wurde I. der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG abgewiesen und II. gemäß § 8 AsylG festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers aus näher dargelegten Gründen nicht glaubwürdig sei sowie dass etwaige gegen ein Refoulement sprechende Gründe nicht vorlägen.

 

Die Berufung gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.02.2007, GZ 240.936/0/3E-V/13/03, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgewiesen. In der Begründung wurde ebenfalls von der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens sowie vom Fehlen etwaiger gegen ein Refoulement sprechender Gründe ausgegangen. Dieser Bescheid wurde mit seiner Zustellung am 19.02.2007 rechtskräftig.

 

Der Verwaltungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Berufungsbescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 03.04.2008, 2007/20/0950, ab.

 

In weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 20.05.2008 den gegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz und führte darin aus, dass er seit Oktober 2007 an Aids leide.

 

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Befragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 21.05.2008 gab der Beschwerdeführer zu den Gründen für seine neuerliche Antragstellung an, er sei in Nigeria wegen seiner Tätigkeit für die MASSOB von der Polizei verfolgt worden. Außerdem sei die medizinische Versorgung in Nigeria schlecht. Er legte u. a. einen Befund des SMZ Baumgartner Höhe vom 00.00.2008 vor, wonach er an fortgeschrittener HIV-Infektion, HLA-Typisierung B*07 B*45, axonaler Polyneuropathie, extrapyramidalem motorischem Syndrom, länger dauernder depressiver Reaktion, akuter polymorpher psychotischer Störung, Niereninsuffizienz sowie Pneumonie leide.

 

Bei weiteren niederschriftlichen Einvernahmen am 03.06.2008 und 06.06.2008 gab der Beschwerdeführer u. a. noch an, seine Eltern seien bereits verstorben.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der (zweite) Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und II. der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG in Verbindung mit § 23 AsylGHG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention - GFK droht.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird und wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 ist in einem Verfahren über eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung § 66 Abs. 2 AVG nicht anzuwenden. Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesasylamts im Zulassungsverfahren statt zu geben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch statt zu geben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit der Abschiebung von Kranken habe im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leide oder selbstmordgefährdet sei. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver sei, sei unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gebe. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führe die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche lägen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Bei der Ausweisung und Abschiebung Fremder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union werde auch zu berücksichtigen sein, dass dieser zur Umsetzung der Aufnahmerichtlinie verpflichtet sei. Gemäß Art. 15 dieser Richtlinie hätten die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Asylwerber die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst bzw. dass Asylwerber mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe erlangen. Dennoch könnte der Transport vorübergehend oder dauernd eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts (EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, 31246/06;

Ayegh, 07.11.2006, 4701/05; Karim, 04.07.2006, 24171/05;

Paramasothy, 10.11.2005, 14492/03; Ramadan & Ahjredini, 10.11.2005, 35989/03; Hukic, 27.09.2005, 17416/05; Kaldik, 22.09.2005, 28526/05;

Ovdienko, 31.05.2005, 1383/04; Amegnigan, 25.11.2004, 25629/04; VfGH 06.03.2008, B 2400/07; VwGH 25.04.2008, 2007/20/0720 bis 0723).

 

Im vorliegenden Fall enthält, wie bereits das Bundesasylamt feststellte, das Vorbringen zu dem zweiten Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Asylfrage keinen glaubhaften asylrelevanten Kern, der sich auf den Zeitraum nach dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens bezöge.

 

Doch hinsichtlich der Frage des subsidiären Schutzes kann ohne ein ausführliches und aktuelles medizinisches Sachverständigengutachten zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, insbesondere auch zu seiner Transportfähigkeit, sowie ohne nähere Feststellungen zu seinem sozialen Umfeld in Nigeria noch nicht beurteilt werden, ob nicht die gesundheitlichen Probleme des Beschwerdeführers insgesamt gesehen bereits jene besondere Schwere aufweisen, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten würde.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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