TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/22 S13 401488-1/2008

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Veröffentlicht am 22.09.2008
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Spruch

S13 401.488-1/2008/2E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Kirschbaum als Einzelrichterin über die Beschwerde der K.R., geb. 00.00.1964, StA.

Russische Föderation, vertreten durch: Mag. Judith Ruderstaller, Asyl in Not, Währinger Straße 59/2, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.08.2008, FZ. 08 05.764 EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG sowie § 58 Abs. 2, § 60 AVG stattgegeben. Der angefochtene Bescheid wird behoben und das Verfahren der Beschwerdeführerin zugelassen.

Text

Entscheidungsgründe

 

I. Sachverhalt, Verfahrensgang und Beschwerde

 

1. Der Sachverhalt, soweit er sich aus dem Akt des Bundesasylamtes und dort insbesondere aus dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren ergibt, sowie das Verfahren vor dem Bundesasylamt stellen sich für den Asylgerichtshof wie folgt dar:

 

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, reiste am 04.07.2008 gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern illegal in das österreichische Bundesgebiet ein.

 

Sie stellte am 04.07.2008 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Mit Bescheid 08 05.764 EAST Ost vom 21.08.2008 wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz vom 04.07.2008 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück (im Folgenden: angefochtener Bescheid).

 

Es stellte in Spruchpunkt I fest, dass gemäß Art. 16 Abs. 1 lit.c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Polen zuständig sei. In Spruchpunkt II wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen wird und dass demzufolge gemäß § 10 Abs. 4 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Polen zulässig sei.

 

2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Vertreterin fristgerecht Beschwerde.

 

In der Beschwerde beruft sich die Beschwerdeführerin im Wesentlichen darauf, dass der Bescheid mangelhaft sei, da er sich - abgesehen vom Namen auf der ersten Seite - in keinem Wort von dem ihres Mannes unterscheide. Daher fehle die Beweiswürdigung zur besonderen Beziehung zu ihrer in Österreich lebenden Cousine, zur Belastung durch eine etwaige Trennung von ihrem in Österreich lebenden Sohn, zu ihren besonderen Fluchtgründen und zum medizinischen Gutachten von Dr. H., welches im Übrigen nicht nachvollziehbar sei, da sie ein Opfer sexualisierter Gewalt sei.

 

Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt langte am 15.09.2008 beim Asylgerichtshof ein.

 

II. Begründung

 

Der Asylgerichtshof hat durch die zuständige Richterin über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

2.1. Anwendbares Recht

 

Gemäß § 73 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 (im Folgenden: AsylG), ist die geltende Fassung mit 1. Jänner 2006 in Kraft getreten. Es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren. Das vorliegende Verfahren ist seit 04.07.2008 anhängig; es ist daher nach der geltenden Fassung zu beurteilen.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem AsylG und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde tritt.

 

Die §§ 58 ff AVG regeln Form und Inhalt von Bescheiden. Danach haben Bescheide einen Spruch zu enthalten, der die normative Erledigung trifft. In der Begründung sind die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtsichtlich zusammen zu fassen. Schreibfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeiten kann der Asylgerichtshof von Amts wegen beheben.

 

2.2. Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides

 

Der angefochtene Bescheid ist wegen Verstoßes gegen § 58 Abs. 2 sowie § 60 AVG formell rechtswidrig.

 

2.2.1 Verstoß gegen § 58 Abs. 2 und § 60 AVG

 

Der angefochtene Bescheid verstößt gegen die Begründungspflicht aus § 58 Abs. 2 und § 60 AVG, da es sich beim angefochtenen Bescheid - wie in der Beschwerde richtig ausgeführt - weitgehend um eine Kopie des Bescheides ihres Ehegatten, K.U., handelt und das eigene Vorbringen der Beschwerdeführerin daher weder festgestellt und gewürdigt noch einer rechtlichen Beurteilung unterzogen wurden.

 

Dies ergibt sich u.a. daraus, dass das Einvernahmeprotokoll vom 28.07.2008 eindeutig nicht jenes ist, das sich aus dem Akt der Verwaltungsinstanz ergibt (AS 99 ff.). Ferner wird unter Punkt "B) Beweismittel" des angefochtenen Bescheides u.a. ein Wehrdienstbuch angeführt (vgl. Seite 8 des angefochtenen Bescheides) und unter "C) Feststellungen" wird "zur Person" festgestellt: "Ihre Identität steht fest. Sie heißen K.U.. Sie sind am 00.00.1964 geboren. [...]". Des Weiteren finden sich in den Feststellungen "zu Ihrem Privat- und Familienleben" die Ausführungen: "Sie sind gemeinsam mit ihrer Ehefrau K.R., 00.00.1964 geb. ... nach Österreich eingereist". Unter Punkt "D) Beweiswürdigung" findet sich bei den Feststellungen zur Person außerdem die Würdigung eine ärztlichen Gutachtens, dessen Inhalt nicht mit dem der Beschwerdeführerin, so wie es sich aus dem Akt der Verwaltungsbehörde ergibt (AS 87 ff.), übereinstimmt; insbesondere fehlt jeder Hinweis auf die Feststellungen zu sexuellen Übergriffen.

 

2.2.2. Behebung des angefochtenen Bescheids und Zulassung des Verfahrens

 

Die in Punkt 2.2.1. festgestellten inhaltlichen Fehler, Mängel und das dadurch verursachte praktische Fehlen jeglicher Begründung führen im vorliegenden Fall zur vollständigen Behebung des angefochtenen Bescheids.

 

Es ist für den Asylgerichtshof zwar offenkundig, dass das Bundesasylamt den Bescheid des Ehemannes der Beschwerdeführerin als "Vorlage" verwendet hat, aber außer den Änderung der Daten auf Seite 1 des angefochtenen Bescheides keine Anpassungen an den Sachverhalt und das Vorbringen der Beschwerdeführerin getätigt hat.

 

Der Asylgerichtshof verkennt nicht, dass aufgrund Arbeitsüberlastung und möglichst rascher Erledigung der anfallenden Akten in Verfahren gemäß der Dublin II-VO generell einzelne Fehler passieren können. Im vorliegenden Fall liegt jedoch bei einer Gesamtbetrachtung des angefochtenen Bescheids eine derartig umfassende und schwerwiegende Mangelhaftigkeit des Bescheides vor, dass eine vollständige Behebung des angefochtenen Bescheids und die Zulassung des Verfahrens der Beschwerdeführerin gemäß § 41 Abs 3 AsylG sowie § 58 Abs. 2, § 60 AVG angezeigt ist.

 

2.4. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Schlagworte
Familienverfahren, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
16.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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