TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/22 B4 256024-0/2008

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Veröffentlicht am 22.09.2008
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Spruch

B4 256024-0/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Florian NEWALD als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Karin WINTER als Beisitzerin über die Beschwerde der Z.S., geboren am 00.00.1971, serbische Staatsangehörige, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.11.2004, Zl. 02 28.091-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 und § 8 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG), mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Spruchpunkt II. und III. des genannten Bescheides zu lauten haben:

 

"II. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von Z.S. nach Serbien ist gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig.

 

III. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wird Z.S. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien ausgewiesen."

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Mit Schreiben vom 23.9.2002 begehrte die Beschwerdeführerin schriftlich beim Bundesasylamt die Gewährung von Asyl.

 

2. Nachdem die Beschwerdeführerin einer Ladung zu ihrer Ersteinvernahme ohne Angabe von Gründen nicht nachgekommen war, stellte das Bundesasylamt das Verfahren am 7.10.2003 gemäß § 30 Asylgesetz 1997 idF vor der AsylG-Novelle 2003 ein.

 

3. Mit Schreiben vom 14.9.2004 beantragte die Beschwerdeführerin die Fortsetzung des Verfahrens.

 

4. Mit Telefax vom 25.3.2003 übermittelte die Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, ua. fremdenpolizeiliche Niederschriften vom 5.6.2002, 26.7.2002, 21.3.2003 und 25.3.2003. In der Einvernahme am 25.3.2003 hatte die Beschwerdeführerin angegeben, sie habe in ihrer Heimat weder strafrechtliche noch politische Verfolgung zu befürchten. Sie sei wegen ihres Ehemannes ausgereist, der Alkoholiker sei und sie mit dem Umbringen bedroht habe. In den vorangegangen Einvernahmen hatte sie hingegen nur auf die schwierige Situation, die "unten" herrsche, in Zusammenhang mit dem Umstand, dass sie zwei Kinder ernähren müsse, verwiesen bzw. angegeben, dass sie "zur Arbeitsaufnahme eingereist" sei. Weiters ergibt sich aus den übermittelten Unterlagen, dass gegen die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 5.6.2002 ein Aufenthaltsverbot erlassen und sie am 21.6.2002 bzw. 9.8.2002 jeweils wegen eines Hungerstreikes aus der Schubhaft entlassen worden war.

 

5. Am 11.11.2004 beim Bundesasylamt einvernommen, gab die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen Folgendes an: Sie sei "jugoslawische" Staatsangehörige, gehöre der serbischen Volksgruppe an und sei orthodoxen Glaubens. Sie sei 1971 in K., Kosovo, geboren, wo sie bis 1980 gelebt habe. Von 1980 bis 1986 habe sie in L., Serbien, gewohnt, danach bis zu ihrer Ausreise im April 2001 in V., das ebenfalls in Serbien liege. Der geschiedene Ehemann der Beschwerdeführerin sei schwerer Alkoholiker, seit dem Tod seines Bruders im Jahr 1999 schlage er sie regelmäßig. Sie fürchte sich vor ihm und habe die Scheidung daher auch "von hier aus" erledigt. Die gemeinsamen Kinder seien bei einer ihr bekannten Frau untergebracht. Sie müsse die Kinder von hier aus ernähren und sei gekommen, um ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. An die Polizei habe sie sich nicht gewandt, denn "da wäre alles nur schlimmer gekommen", das habe "dort keinen Sinn". Konkret befragt, was sie im Falle einer Rückkehr in andere Gebiete Serbiens befürchte, gab die Beschwerdeführerin an, "nirgends woanders" zurückkehren zu können, sie "habe niemanden". Auf Vorhalt, dass dies auch für Österreich gegolten habe und ihr auch die hier gesprochene Sprache fremd gewesen sein müsse, meinte die Beschwerdeführerin, dass sie im Herkunftsstaat weniger verdienen würde als in Österreich. Schließlich gab die Beschwerdeführerin an, dass ihre Mutter und ihr Stiefvater in Z. bei Belgrad lebten. Zum Nachweis ihrer Identität legte die Beschwerdeführerin einen Personalausweis vor, der am 00.00.1997 in V. ausgestellt wurde.

 

6. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 idF BGBl. I 126/2002 ab (Spruchpunkt I.), erklärte ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG "nach Serbien Montenegro ausgenommen Kosovo" für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies sie gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. - ohne Bestimmung eines Zielstaates - aus dem Bundesgebiet aus (Spruchpunkt III.). Die Abweisung des Asylantrages begründete das Bundesasylamt im Wesentlichen damit, dass sich die Beschwerdeführerin aus wirtschaftlichen Gründen in Österreich aufhalte. Das Vorbringen, von ihrem geschiedenen Ehemann geschlagen zu werden, sei unglaubwürdig; denn ihre diesbezüglichen Angaben seien "äußerst mangelhaft und pauschal gehalten". Überdies sei die Beschwerdeführerin bereits im April 2001 nach Österreich eingereist, habe den Asylantrag allerdings erst "nach Androhung fremdenrechtlicher Maßnahmen (Aufenthaltsverbot vom 5.6.2002)" eingebracht. Gegen die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben spreche weiters, dass sie ihrem Vorbringen zufolge nicht einmal versucht habe, in anderen Teilen ihres Herkunftslandes "unterzukommen" oder sich an die Polizei zu wenden. "In eventu" führte das Bundesasylamt aus, dass die vorgebrachte Verfolgungssituation selbst bei Wahrunterstellung nicht zu einer Asylgewährung führen könne, da sie nicht von staatlichen Stellen ausgehe und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht entnommen werden könne, dass die Behörden nicht in der Lage oder nicht willens seien, Schutz zu gewähren. Außerdem bestehe in Hinblick auf die geschilderte Verfolgung "jedenfalls" eine inländische Fluchtalternative. Zur Refoulement-Entscheidung wurde überdies ausgeführt, dass sich auch aus der allgemeinen Lage keine relevante Gefährdung der Beschwerdeführerin ergebe. Zur Ausweisung hielt das Bundesasylamt fest, dass im Fall der Beschwerdeführerin "kein Familienbezug (Kernfamilie) zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich" und auch keine Anhaltspunkte für eine sonstige Integration vorlägen.

 

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte, nun als Beschwerde (vgl. dazu weiter unten) zu behandelnde (und daher in der Folge so bezeichnete) Berufung. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, die Beschwerdeführerin sei im Kosovo geboren und von "Aussehen, Aussprache, Bildung [und] Ethnie her dorthin gehörig". Der Grund für die Zerrüttung ihrer Ehe sei nicht lediglich die Grobheit des Ehemannes gewesen, sondern auch dass dieser nicht mit einer Kosovarin habe verheiratet sein wollen. Kosovaren seien in Serbien stigmatisiert und verhasst. Da sie ferner im Kosovo als "verräterische Serbin" angesehen würde, könne sie auch dahin nicht zurück. Überhaupt habe sie durch ihren Umzug nach Serbien "keine Willenserklärung Serbin werden zu wollen" abgegeben, weshalb aus ihrer Sicht eine serbische Staatsangehörigkeit "nicht mit endgültiger Sicherheit" feststehe. Zu der sie betreffenden Gefährdungssituation zitierte die Beschwerdeführerin die "UNHCR-Position zur fortdauernden internationalen Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo" vom August 2004, einen Artikel aus dem Internet mit dem Titel "Die staatliche Gemeinschaft Serbien und Montenegro" vom 23.3.2004 und einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates betreffend einen aus dem Kosovo stammenden Angehörigen der goranischen Volksgruppe im Kosovo. Weiters wurde die "Erkenntnismittelliste Serbien und Montenegro/Bundesrepublik Jugoslawien - einschließlich Kosovo" des Verwaltungsgerichtes Braunschweig vom 22.11.2004 vorgelegt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Festgestellt wird:

 

Der Asylgerichtshof schließt sich den Feststellungen an, die das Bundesasylamt zum maßgeblichen Sachverhalt getroffen hat. Denn das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst. Auch ist die Beweiswürdigung im Ergebnis nicht zu beanstanden. Ein neuer Sachverhalt wird in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht und die Argumentation des Bundesasylamtes nicht konkret gerügt.

 

Lediglich der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass noch weitere Gesichtspunkte gegen die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens der Beschwerdeführerin sprechen: Zum einen berief sie sich erst auf jene Probleme, die sie mit ihrem geschiedenen Ehemann habe, nachdem sie in drei vorangegangenen Einvernahmen bei der Fremdenpolizei, die alle ua. auch die Frage einer Gefährdung der Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat zum Gegenstand hatten, Derartiges nicht vorgebracht hatte. Zum anderen hat die Beschwerdeführerin ebenfalls widersprüchliche Angaben zum Zeitpunkt ihrer Einreise nach Österreich und den Verbleib ihres Reisepasses gemacht, was ihre persönliche Glaubwürdigkeit beeinträchtigt: Wie sich aus den von der Fremdenpolizei übermittelten Unterlagen ergibt, gab die Beschwerdeführerin am 5.6.2002 an, am 15.6.2001 in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Im Gegensatz dazu bestimmte sie am 26.7.2002 den Zeitpunkt ihrer Einreise mit 1.5.2001. Vor dem Bundesasylamt wiederum nannte sie in diesem Zusammenhang den April 2001. Bezüglich ihres Reisepasses gab sie vor dem Bundesasylamt zunächst an, dass sich dieser in "Jugoslawien" befinde. Im Zuge der weiteren Einvernahme führte sie aus, dass die Schlepperin ihr den Pass vor dem Grenzübertritt abgenommen und später nicht mehr zurückgegeben habe und sie annehme, dass sich der Pass in ihrer Heimat befinde. Aus der fremdenpolizeilichen Niederschrift vom 5.6.2002 geht hingegen hervor, dass die Beschwerdeführerin damals angeben hatte, ihr Pass befinde sich bei einer inzwischen abgeschobenen Freundin, während sie am 25.3.2003 bei der Fremdenpolizei vorgebracht hatte, dass sie über keinen Pass verfügen, da sie vor ihrem Mann geflüchtet sei; erst nach der Scheidung könne sie einen Pass beantragen.

 

Entgegen dem Beschwerdevorbringen, wonach die Staatsangehörigkeit zu Serbien "nicht mit endgültiger Sicherheit" feststehe, besteht für den Asylgerichthof kein Zweifel, dass die Beschwerdeführerin die serbische Staatsangehörigkeit besitzt: Aus dem Umstand, dass sie 1971 auf dem Gebiet der heutigen Republik Kosovo geboren wurde, lässt sich das Fehlen der serbischen Staatsbürgerschaft nicht ableiten; denn der Kosovo war damals ein Teil Serbiens (freilich im Verband Jugoslawiens). Überdies war die Beschwerdeführerin aber ab 1980 ausschließlich in (Kern)Serbien aufhältig und - wie sich aus dem oa, Personalausweis ergibt - auch dort registriert (zur Frage der Staatsbürgerschaft vgl. auch das Papier des [deutschen] Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom September 2006, Republik Serbien, Republik Montenegro, Staatsangehörigkeitsregelungen, 8f). Nur der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass nach Ansicht Serbiens, das die Unabhängigkeit des Kosovo nicht akzeptiert, auch etwa die ethnisch albanischen Einwohner der Kosovo weiterhin serbische Staatsangehörige sind.

 

2. Rechtlich folgt:

 

2.1.1. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf § 38 AsylG 1997. Diese Bestimmung spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1.7.2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieser gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 AsylG 1997 nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. dazu AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

2.1.2. Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen, jedoch mit der Maßgabe, dass einzeln aufgezählte Bestimmungen - darunter § 8 AsylG - in der Fassung der Novelle anzuwenden sind.

 

Die Beschwerdeführerin hat ihren Asylantrag vor dem 1.5.2004 gestellt; das Verfahren ist daher nach dem AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 - mit der genannten Maßgabe - zu führen.

 

2.1.3. Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG hat der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

 

2.1.4.1. Gemäß § 7 AsylG - die beiden zuvor genannten Fassungen weisen hier keinen Unterscheid auf - hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG 1997 zugrundeliegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sei, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.9.2000, 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.4.2001, 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233; VwGH 9.3.1999 98/01/0318).

 

2.1.4.2. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I. Nr. 101/2003 von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat nach § 57 Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG), zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

§ 8 Abs. 1 AsylG verweist auf § 57 Fremdengesetz; BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG), wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der der Todesstrafe verletzt würde.

 

Überdies ist gemäß § 57 Abs. 2 FrG die Zurückweisung oder die Zurückschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 78/1974).

 

Der Prüfungsrahmen des § 57 FrG ist jedoch durch § 8 Abs. 1 AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.

 

Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das jeweilige andere Bundesgesetz nunmehr auf die entsprechenden Bestimmungen des FPG verweist. Demnach wäre die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, di. § 50 FPG. Ob dies wirklich der Absicht des Gesetzgebers entspricht - da doch Asylverfahren, die am 31.12.2005 bereits anhängig waren, nach dem AsylG 1997 weiterzuführen sind - braucht nicht weiter untersucht zu werden, da sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre und da sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, insoweit auch auf § 50 FPG übertragen ließe. Angemerkt sei jedoch, dass ein Verweis des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 50 FPG nicht etwa jene Rechtslage herstellte, die dem Asylgesetz 2005 entspricht; § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (der inhaltlich dem § 8 Abs. 1 AsylG entspricht) verweist nämlich nicht auf § 50 FPG, sondern regelt den subsidiären Rechtsschutz etwas anders als § 8 Abs. 1 AsylG, er zählt auch die maßgeblichen Bedrohungen selbst auf, und zwar in einer Weise, die nicht wörtlich dem § 50 FPG entspricht (vgl. dazu den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.2.2006, Zl. 252.076/0-X/47/04).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (für viele: VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214). Bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefährdung im Sinn des § 57 Abs. 1 und 2 FrG ist die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind (vgl. VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011).

 

2.2.1. Zur Abweisung des Asylantrages der Beschwerdeführerin ist festzuhalten, dass es ihr nicht gelungen ist, eine ihrem Herkunftsstaat zurechenbare Verfolgung aus Gründen der GFK glaubhaft zu machen: Abgesehen davon, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin - wie oben aufgezeigt - unglaubwürdig ist, kann auch nicht gesagt werden, dass sie damit eine Gefährdungslage behauptet, der Asylrelevanz zukäme. Sofern in der Beschwerde ausgeführt wird, die Beschwerdeführerin sei von ihrem Ehemann (auch) aus ethnischen Gründen verlassen worden, übersieht sie, dass die Beschwerdeführerin nach ihren Angaben selbst serbischer Volksgruppenzugehörigkeit ist. Auch ist nicht ersichtlich, weshalb die Beschwerdeführerin als ethnische Serbin und Angehörige der orthodoxen Religionsgemeinschaft in Serbien, wo sie seit 1980 gelebt hat, "der verhassten Gruppe der Kosovaren" zugerechnet werden sollte.

 

2.2.2. Da es der Beschwerdeführerin somit nicht gelungen ist, eine asylrechtlich relevante Gefahr im Sinne der GFK darzutun, scheidet auch die Anwendbarkeit des § 57 Abs. 2 FrG von vornherein aus.

 

Was das - wie oben gezeigt ohnehin unglaubwürdige - Vorbringen angeht, der Beschwerdeführerin drohe Gefährdung durch ihren geschiedenen Ehemann, ist bei der Prüfung einer Bedrohung iSd § 57 Abs. 1 FrG der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass es der Beschwerdeführerin möglich und zumutbar wäre, sich einer derartigen lokal begrenzten Gefährdungssituation dadurch zu entziehen, dass sie sich in einen anderen Teil Serbiens, etwa zu ihrer Mutter und ihrem Stiefvater nach Z. oder direkt in die Hauptstadt Belgrad, begibt. Diesem Argument des Bundesasylamt wird in der Beschwerde im Übrigen nicht substantiiert entgegengetreten.

 

Weiters sind derart exzeptionelle Umstände, die eine Rückführung im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen lassen könnten im Fall der Beschwerdeführerin nicht ersichtlich (vgl. zu Art. 3 EMRK z.B. VwGH 21.8.2001, 2000/01/0443). In Serbien besteht nicht eine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückführung nach Serbien - über bloß schlechte Lebensbedingungen (die keine Gefährdung iSd § 57 FrG darstellen [vgl. etwa VwGH 30.1.2001, 2001/01/0021]) hinausgehend - in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. Im Verfahren wurde Derartiges nicht vorgebracht. Überdies verfügt die Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat - in Hinblick auf ihre Mutter und ihren Stiefvater, die dort leben - über ein familiäres Netz. Es kann ferner auch nicht angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin, die gemäß ihren eigenen Angaben vor ihrer Ausreise bis zum Jahr 1999 bei der Fabrik "XY" in R. beschäftigt war, nunmehr nicht mehr arbeitsfähig wäre, zumal sie selbst angab, in Österreich (illegal) gearbeitet zu haben (vgl. überdies zur Versorgungslage in Serbien den Bericht des (dt.) Auswärtigen Amtes vom 23.4.2007 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Serbien, 18ff; USDOS: Serbia and Montenegro, Country Report on Human Rights Practices - 2007, März 2008, 26).

 

Damit liegen auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG vor.

 

2.2.3. Die Zulässigkeit der Rückverbringung der Beschwerdeführerin war jedoch auf den Herkunftsstaat "Serbien" (ohne Montenegro) einzuschränken (vgl. diesbezüglich auch das genannte Papier des [dt.] Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom September 2006, 11f).

 

2.2.4. Ob die im Kosovo geborene Beschwerdeführerin überdies die kosovarische Staatsbürgerschaft besitzt, kann bei diesem Ergebnis dahinstehen.

 

2.3.1. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG hat die Behörde dann, wenn ein Asylantrag abzuweisen ist und wenn die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern (VfGH 17.03.2005, G 78/04 u.a.). Bei einer Ausweisungsentscheidung nach § 8 Abs. 2 AsylG ist auf Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen (VfGH 15.10.2004, G 237/03 u.a., VfGH 17.03.2005, G 78/04 u.a.). Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seiner Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

2.3.2. Das Bundesasylamt hat die durch Art. 8 Abs. 2 EMRK vorgeschriebene Interessenabwägung mängelfrei vorgenommen. Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes an. Dessen Argument, dass die Beschwerdeführerin in Österreich keinen Familienbezug iS einer Kernfamilie habe und auch keine Anhaltspunkte für eine sonstige Integration vorlägen, ist die Beschwerde nicht entgegengetreten. Überdies ist die Beschwerdeführerin zum Aufenthalt in Österreich nur auf Grund des von ihr gestellten Asylantrages berechtigt gewesen (vgl. mit ähnlichen Überlegungen zu Ausweisungen nach § 33 Abs. 1 FrG z.B. VwGH 20.2.2004, 2003/18/0347; 26.2.2004, 2004/21/0027; 27.4.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 8.4.2008, NNYANZI Vereinigtes Königreich, Rs 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen).

 

2.3.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 30.06.2005, 2005/20/0108) war die Ausweisung zielstaatsbezogen auszusprechen.

 

3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung konnte abgesehen werden.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, inländische Schutzalternative, innerstaatliche Fluchtalternative, Lebensgrundlage, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, soziale Verhältnisse
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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