TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/29 D4 232720-3/2008

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Veröffentlicht am 29.09.2008
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Spruch

D4 232720-3/2008/13E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und den Richter Dr. Kuzminski als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Mag. Pfleger über die Beschwerde des M.M., geb. 00.00.1960, StA. Georgien , gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.10.2005, FZ. 01 18.561-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.09.2008 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und M.M. gemäß § 7 AsylG 1997 i. d.F. BGBl I 126/2002 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 12 AsylG 1997 i.d.F. BGBl I 126/2002 wird festgestellt, dass M.M. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

Die beschwerdeführende Partei führt nach eigenen Angaben den im Spruch genannten Namen, ist georgischer Staatsangehöriger, gehört der armenischen Volksgruppe an, ist armenisch-apostolischen Bekenntnisses, war im Heimatstaat zuletzt in G. wohnhaft, reiste am 13.08.2001 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 14.08.2001 einen Asylantrag.

 

Vom Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, am 10.01.2002 und am 30.09.2005 im Beisein von Dolmetschern der armenischen bzw. russischen Sprache einvernommen, wurde als Fluchtgrund Folgendes angegeben:

 

Der Beschwerdeführer hätte mit seiner Gattin und den drei gemeinsamen Kindern in einem eigenen Haus in G. gelebt.

 

Er würde einer Organisation namens Krunk angehören. Dies sei eine regionale politische, jedoch nicht eingetragene und demnach nicht wählbare Partei. Im Rahmen dieser Organisation hätte er 2.000 Unterschriften gesammelt, um im Gebiet T. eine eigene armenische Autonomieverwaltung im georgischen Staat durchzusetzen. Die Unterschriftenaktion hätte vom 00.00.2000 bis 00.00.2000 gedauert. Am Morgen des 00.00.2000 sei er jedoch zu Hause von der Polizei festgenommen und in der Polizeistation XY bis 00.00.2000 angehalten worden. Er sei deshalb freigelassen worden, weil vor dem Polizeigebäude für seine Freilassung demonstriert wurde. Es sei ihm unterstellt worden, gegen den georgischen Staat vorzugehen.

 

Als zweiten Fluchtgrund führte er an, dass in XX die 62. russische Division stationiert gewesen sei. Diese hätte abgezogen werden sollen. Seitens der Organisation Krunk wurde am 14.06.2001 dagegen demonstriert, weil ihrer Ansicht nach die russischen Soldaten die einzige Verteidigung der armenischen Volksgruppe darstellen würden. Sonst hätte die Gefahr bestanden, dass NATO-Truppen - insbesondere türkische Truppen - anstelle der russischen Soldaten stationiert worden wären.

 

Im Zuge dieser Demonstration seien die russischen Panzer am Wegfahren gehindert worden. Demonstranten seien auf die Fahrzeuge geklettert und es sei zu Auseinandersetzungen zwischen den Demonstranten und der Polizei gekommen. Aus diesem Grund hätte der russische General den Abzug beendet. Einige der 5.000 Demonstranten seien während dieser Auseinandersetzung festgenommen worden, unter anderem auch der Beschwerdeführer selbst. Der Beschwerdeführer sei einen Tag in XX in der dortigen Polizeistation festgehalten worden und am folgenden Tag nach XY überstellt worden, wo er bis 00.00. 2001 in Haft gewesen sei. Während dieser Haft sei er eingeschüchtert, geschlagen und als Staatsfeind behandelt worden. Er sei aufgefordert worden, sich von seinen Aufgaben und Funktionen für Krunk zu distanzieren. Der Beschwerdeführer sei unter der Bedingung entlassen worden, seinen Wohnsitz nicht zu verlassen. Dreimal hätte man danach seine Anwesenheit in seinem Haus kontrolliert. Bei den Kontrollorganen hätte es sich um Mitarbeiter der Polizei in Zivil gehandelt, die er aus der Nachbarschaft kennen würde. Auf die Frage, warum ausgerechnet der Beschwerdeführer selbst während der Demonstration festgenommen worden sei, führte dieser aus, dass er eine jener Personen gewesen sei, die sich zwischen die Polizei und die Demonstranten gestellt hätten. Auf Anfrage gab der Beschwerdeführer an, dass er ein einfaches Mitglied der Organisation Krunk gewesen sei. Der Vorsitzende sei ein Mann namens L. gewesen.

 

Nach seiner ersten Freilassung im Jahr 2000 hätte er seine Familie nach Armenien gebracht, um diese zu schützen. Am 00.00.2001 hätte er seine Familie von K. nach Georgien zurückgeholt und am 05.08.2001 sei die Familie gemeinsam schlepperunterstützt nach Österreich geflohen. Im Falle einer Rückkehr würde ihn eine neuerliche Inhaftierung und damit verbundene Misshandlungen erwarten.

 

Mit dem nunmehr angefochtenen, oben angeführten Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.10.2005 wurde der Asylantrag im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass dem gesamten Vorbringen des Antragstellers die Glaubwürdigkeit abgesprochen werde. Insbesondere seien Ausführungen über die Organisation Krunk unglaubwürdig, da die vom Bundesasylamt eingeholten Feststellungen von ACCORD über die Organisation Krunk nicht mit den Angaben des Beschwerdeführers über die Organisation Krunk übereinstimmen würden. Diese Organisation würde in der Region Abchasien aktiv sein. Es sei auch unglaubwürdig, dass der Antragsteller auf Grund einer Demonstration freigelassen worden sei und dass er selbst im Zuge einer Demonstration von 5000 Personen als eine von wenigen Personen festgenommen worden sei.

 

Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf die Feststellungen der Erstbehörde zum Herkunftsstaat im angefochtenen Bescheid verwiesen.

 

Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist im Wesentlichen mit der Begründung Beschwerde erhoben, dass das Bundesasylamt unzulässigerweise von der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Organisation Krunk ausgehen würde. Bei diesen Organisationen würde es sich um zwei unterschiedliche Organisationen namens Krunk handeln. Eine große Anzahl von armenischen Organisationen würde den Namen Krunk tragen. Weiters wurde auf die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der Unterschriftenaktion sowie der Demonstration verwiesen. Es könne auch keine Unglaubwürdigkeit darin erkannt werden, dass der Beschwerdeführer eine von drei Personen gewesen sei, die im Rahmen einer Demonstration von 5000 Menschen festgenommen worden sei. Es wurde darauf verwiesen, dass die Vorbringen des Beschwerdeführers in beiden Einvernahmen in den wesentlichen Punkten übereinstimmen würden, detailliert, schlüssig und plausibel sein würden.

 

Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am Asylgerichtshof vom 04.09.2008, zu der sich ein Vertreter der Erstbehörde entschuldigen ließ, führte der Beschwerdeführer zu seiner Flucht im Wesentlichen Folgendes aus:

 

Er hätte von 00.00.2000 bis 00.00.2000 Unterschriften für die Errichtung einer autonomen Verwaltung der Bezirke XX und XY im Staatsverband von Georgien gesammelt. Am 00.00.2000 sei der Beschwerdeführer zu Hause von der Polizei festgenommen und zur Polizeistation in XY gebracht, dort verprügelt und bis zum 00.00.2000 angehalten worden. Um seine Freilassung zu erwirken hätte eine Demonstration vor dem Kommissariat stattgefunden.

 

Am 14.06.2001 hätte eine Demonstration der "Partei" Krunk in XX stattgefunden, um den Abzug der 62. Russischen Division der russischen Armee zu verhindern. Die Bevölkerung von XX und XY hätte befürchtet, dass nach dem Abzug der russischen Truppen NATO-Truppen, ua. auch türkische Truppen, stationiert werden hätten sollen. Die Polizei hätte versucht, die Demonstration zu unterbinden, der Beschwerdeführer selbst hätte sich zwischen der Polizei und den Demonstranten befunden und sei deshalb von der Polizei festgenommen worden. An der Demonstration hätten 5000 Personen teilgenommen. Der Beschwerdeführer sei in XX einen Tag angehalten worden und danach nach XY in die Polizeistation überstellt worden, wo er mit Gummiknüppeln misshandelt und gefoltert worden sei (das sei für die Polizei in Georgien selbstverständlich). Er sei am 00.00.2001 freigelassen worden.

 

Im Rahmen der ersten Einvernahme im Jahr 2000 sei er nach dem Grund für die Sammlung der Unterschriften gefragt worden, im Rahmen der zweiten Einvernahme im Jahr 2001 sei er gefragt worden, warum er an der Demonstration teilgenommen hätte und den Abzug der russischen Truppen verhindern hätte wollen. Zur Organisation Krunk führte der Beschwerdeführer aus, dass das Hauptziel dieser Organisation die Autonomie der Regionen XX und XY im Staatsverband von Georgien sei. Nächstes Ziel wäre eine völlige Autonomie der Region gewesen. Man hätte versucht, Krunk als Partei eintragen zu lassen, die Registrierung der Partei sei jedoch auf Grund der Ziele von Krunk seitens der georgischen Regierung abgelehnt worden und die Partei sogar verboten worden. Die Partei hätte 300 Mitglieder; die Mitgliederliste sei der Regierung bekannt, da sie mit dem Antrag auf Registrierung dem Justizministerium übergeben worden sei.

 

Der Beschwerdeführer selbst sei ein normales Parteimitglied gewesen. Der Gründer der Partei sei ein Mann namens L.. Es hätte in dieser Partei keine Führungsstruktur gegeben, die Partei würde noch immer existieren. Es würde in Abchasien auch eine Organisation mit dem Namen Krunk geben, diese hätte jedoch mit der Partei Krunk, welcher er angehören würde, nichts zu tun.

 

Er sei am 00.00.2001 unter der Bedingung, dass er nach einigen Tagen zu einer neuerlichen Einvernahme vorsprechen würde und sich nicht von seinem Wohnort entfernen würde, freigelassen worden. Es seien drei Kontrollen durch die Polizei - im Hinblick auf seinen tatsächlichen Aufenthalt an seinem Wohnort - erfolgt. Inhalt der neuerlichen Einvernahme wären seine Mitgliedschaft bei Krunk und seine weiteren Tätigkeiten für diese Organisation gewesen. Der Beschwerdeführer hätte jedoch geplant weiterhin im Interesse seines Volkes zu handeln. Aus Angst sei er zu seiner Familie nach Armenien in die Stadt K. geflohen und es sei zu keiner neuerlichen Einvernahme gekommen. Auf die Frage, warum er sich zwischen die Demonstranten und die Polizei gestellt hätte, gab der Beschwerdeführer an, dass er zu verhindern versucht hätte, dass jemand verletzt werden würde. Seine Familie hätte er bereits im Jahr 2000 nach K. geschickt und wäre fallweise von G. nach K. gependelt. Er selbst hätte am 00.00.2001 seine Familie in K. aufgesucht, wäre am nächsten Tag mit seiner Familie nach G. zurückgekehrt und am folgenden Tag hätte die Familie Georgien verlassen.

 

Es erfolgte eine Einvernahme der Ehefrau des Beschwerdeführers, die die Angaben des Beschwerdeführers bestätigte.

 

Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau gaben an, dass die beiden Töchter die Handelsschule bzw. das Gymnasium, der Sohn die Volksschule besuchen würden. Weiters sei der Sohn Mitglied im Fußball- und Tennisverein und eine Tochter wäre Mitglied in einem Schachclub. Bestätigungen über die Vereinsmitgliedschaften sowie Urkunden über diverse Platzierungen bei Wettkämpfen wurden vorgelegt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Die beschwerdeführende Partei ist georgische Staatsangehörige, gehört der armenischen Volksgruppe an, ist armenisch-apostolischen Bekenntnisses, war im Heimatstaat zuletzt in G. wohnhaft, reiste am 13.08.2001 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 14.08.2001 einen Asylantrag. Der Beschwerdeführer wurde am 00.00.1960 in G. geboren und hat bis zum Jahr 2000 mit seiner Ehefrau und den drei gemeinsamen Kindern in G. gelebt. Im Jahr 2000 brachte der Beschwerdeführer seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder in die Stadt K. nach Armenien. Er selbst pendelte zwischen G. und Armenien. Der Beschwerdeführer gehört einer Organisation namens Krunk an. Bei dieser Organisation Krunk handelt es sich um eine Partei, die auf Grund ihrer Ziele - konkret die Errichtung einer autonomen Verwaltung in den Gebieten rund um XX und XY - von der georgischen Regierung verboten wurde. Die Partei Krunk besteht aus 300 Mitgliedern, die der Regierung auf Grund einer Mitgliederliste bekannt sind.

 

Der Beschwerdeführer wurde im Rahmen einer Unterschriftenaktion für die Autonomie des oben angeführten Gebietes am 00.00.2000 zu Hause festgenommen, bis 00.00.2000 in der Polizeistation XY angehalten und im Rahmen dieser Anhaltung auch verprügelt. Man wollte den Grund für sein Mitwirken an der Unterschriftenaktion erfahren. Auf Grund einer für seine Freilassung durchgeführten Demonstration am 00.00.2000 vor der Polizeistation wurde der Beschwerdeführer freigelassen. Dieser Vorfall war die Ursache für die Übersiedlung der Familie nach Armenien.

 

Am 14.06.2001 war der Beschwerdeführer einer von 5.000 Teilnehmern einer Demonstration in XX, welche von Krunk organisiert wurde. Ziel der Demonstration war, den Abzug der 62. Russische Division der russischen Armee aus der Region zu verhindern. Der Beschwerdeführer befand sich zwischen der Polizei und den Demonstranten und wurde im Zuge von Unruhen festgenommen. Er wurde in XX einen Tag angehalten und anschließend in die Polizeistation XY überstellt. Dort wurde er mit Gummiknüppeln geschlagen, misshandelt und gefoltert. Diesmal wollte man den Grund für seine Teilnahme an der Demonstration erfahren. Am 00.00.2001 wurde er unter der Bedingung freigelassen, sich nicht von seinem Wohnsitz zu entfernen. Dies wurde auch von der Polizei dreimal kontrolliert. Außerdem wurde ihm mitgeteilt, dass er sich einer neuen Einvernahme im Hinblick auf seine künftigen Ziele und Handlungen für Krunk zu unterziehen hätte.

 

Nach der dreimaligen Kontrolle brachte der Beschwerdeführer seine Familie von Armenien nach Georgien und floh mit der Familie am 05.08.2001 nach Österreich.

 

Die gesamte Familie ist in Österreich ausgesprochen gut integriert.

 

Zur Lage in Georgien wird Folgendes festgestellt:

 

Georgien ist ein Staat, dessen politische und rechtliche Ausrichtung europäischen Werten folgt. Interne Konflikte, äußere Einflussnahme, Korruption und eine allgemein schwierige wirtschaftliche Ausgangssituation haben jedoch - trotz der "Rosenrevolution" im Herbst 2003 - verhindert, dass das Land seit seiner Unabhängigkeit sein eigentliches Potential bei der Demokratisierung voll entfalten konnte.

 

Unverändert notwendige Verbesserungen bei der Durchsetzung und Wahrung von Menschenrechten sind auch 2005 nicht erfolgt. Vielmehr ist, wie schon 2004, die Vorgehensweise der Regierung bei der oft selektiven Verhaftung verdächtiger Straftäter, Misshandlungen im Gewahrsam, und der zügellosen Beantragung und Verhängung von Untersuchungshaft als Verschlechterung der Lage zu beurteilen.

 

2.1. Allgemeine politische Lage

 

Georgien hat, nachdem es in den ersten Jahren seiner Unabhängigkeit beachtliche Fortschritte auf dem Weg zum demokratischen Rechtstaat erzielt hatte, mit der ¿Rosenrevolution' vom November 2003 ein neues Kapitel seiner staatlichen Entwicklung aufgeschlagen. Nach den von Wahlbetrug und administrativen Fehlern belasteten Parlamentswahlen vom 2. November 2003 und einer Protestwelle, die teilweise mehrere zehntausend Georgier auf die Straßen brachte, trat Präsident Schewardnadse bei der konstituierenden Sitzung der Parlaments am 23. November 2003 zurück. Bei den Präsidentschaftswahlen am 4. Januar 2004 wurde Oppositionsführer Saakaschwili mit 96 % der Stimmen zum Präsidenten gewählt. Am 25. Januar 2004 trat Präsident Saakaschwili sein Amt an und rief für den 28. März zu erneuten Parlamentsneuwahlen auf, da bereits kurz nach den Unruhen das Oberste Gericht Georgiens den per Verhältniswahlrecht ermittelten Teil des Parlamentswahlergebnisses vom 2. November für ungültig erklärt hatte. Die Nachwahl fand ebenfalls unter verbesserten Standards, vergleichbar der Januarwahl, statt und brachte dem Regierungsblock Saakaschwilis eine Dreiviertelmehrheit im Parlament. Insgesamt haben sich in Georgien die Achtung und der Schutz der Menschenrechte zwischen 1995 und 1997 - von einem niedrigen Niveau aus - kontinuierlich verbessert. Dem gegenüber sind in den Jahren danach nur wenige Fortschritte auf dem Weg zur Bewältigung der noch verbleibenden menschenrechtlichen Defizite erzielt worden.

 

Die Unabhängigkeit der Judikative ist auch im postrevolutionären Georgien nicht gewährleistet. Vielmehr führte die seit Mitte 2005 forcierte Reform der Instanzenzüge und die Entlassung von Richtern dazu, dass durch Personalmangel der Zugang zur Gerichtsbarkeit nur eingeschränkt gewährleistet ist. Nach Ansicht vieler Beobachter steht hinter der intransparenten, selektiven und teils offenbar unrechtmäßigen Entlassung von Richtern der Versuch, unabhängige Köpfe der Justiz, gerade auch in den obersten Instanzen, durch junge, beeinflussbare Juristen aus der Revolutionsgeneration zu ersetzen. Die Entlassung bisheriger Richter ist überschattet von öffentlichen Vorwürfen, die Regierung versuche die Judikative zu vereinnahmen.

 

Die ersten Reformen im Sicherheitsbereich waren kurz nach der Revolution erfolgt. Für die Öffentlichkeit sicht- und spürbar wurden im Jahre 2004 3.000 als korrupt geltende Verkehrspolizisten entlassen. Diese Einheit wurde insgesamt aufgelöst und durch eine neue, bürgernahe und besser besoldete ¿Patrol Police' ersetzt. 2004 kam es weiterhin zu spektakulären Verhaftungen vor laufenden Kameras, bei Nacht und häufig ohne Haftbefehl. Insgesamt sind Ermittlungstechniken und Polizeiarbeit noch nicht auf europäischen Standard gebracht. Weitergehende Reformen, gerade auch hinsichtlich der kriminaltechnischen und Ermittlungsarbeit, sind 2005 nicht erkennbar gewesen.

 

2.2. Asylrelevante Tatsachen

 

In der Zeit seit der "Rosenrevolution" sind dem Auswärtigen Amt keine staatlichen Repressionen gegen bestimmte Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung bekannt geworden. Sondereinsätze in Tiflis im Rahmen der Terrorismusbekämpfung jedoch zeigten aus menschenrechtlicher und rechtsstaatlicher Sicht problematisches Vorgehen gegenüber tschetschenischen Volkszugehörigen.

 

a) Die Betätigungsmöglichkeiten für die politische Opposition sowie die Versammlungs-, Vereinigungs-, Meinungs- und Pressefreiheit sind in der Verfassung verankert und unterliegen in Georgien seit den Parlamentswahlen 2003 grundsätzlich keinen Einschränkungen.

 

Während die Versammlungsfreiheit im Allgemeinen gewährleistet ist, werden nicht genehmigte Versammlungen inzwischen jedoch strikt aufgelöst, auch unter Einsatz teils unangemessener Gewalt.

 

b) Im Vielvölkerstaat Georgien leben zahlreiche ethnische Minderheiten, deren Gleichberechtigung in Art. 38 der georgischen Verfassung verankert ist. Die stärkste ethnische Minderheit stellen Aserbaidschaner mit etwa 6,5% der Gesamtbevölkerung, gefolgt von Armeniern (5,7%) und Russen (1,5%).

 

Angehörige von Minderheiten sehen sich nach eigener Einschätzung im Vergleich zum Durchschnitt der georgischen Mehrheitsbevölkerung häufig in einer schlechteren wirtschaftlichen Lage.

 

Angehörige der armenischen Minderheit werden in Georgien staatlicherseits versteckt diskriminiert. In Georgien werden sämtliche höhere Posten von ethnischen Georgiern eingenommen, und bei persönlichen Ernennungen, besonders im Bereich der Rechtspflege, lässt sich deutlich eine ethnische Diskriminierung feststellen. Die georgische Verfassung verbietet die Gründung politischer Parteien auf ethnischer oder regionaler Grundlage. Der Ausschluss bzw. die Untervertretung ethnischer Minderheiten im Parlament steht in deutlichem Gegensatz zu der sowjetischen Gepflogenheit, Minderheitenmandate zu garantieren und die Teilnahme der Minderheiten am öffentlichen Leben sicherzustellen. Diese Garantien sind durch keine alternative Politik ersetzt worden.

 

c) Angesichts der allgemein noch mangelnden Transparenz und Rechtsstaatlichkeit der Strafverfolgung kann nicht ausgeschlossen werden, dass gelegentlich Angehörige ethnischer oder religiöser Minderheiten im Strafverfahren oder im Strafvollzug schlechter behandelt werden als orthodoxe ethnische Georgier.

 

2.3. Menschenrechtslage

 

Die georgische Verfassung verbietet die Anwendung von Folter. Insbesondere in Polizeigewahrsam kommen jedoch Fälle von Gewaltanwendung (Schläge, Tritte, Elektroschocks, Verbrennungen, Bedrohung mit Schusswaffen, Gelderpressung, Erzwingen von Geständnissen) durch Polizeibeamte vor. Seit der Amtsübernahme der Regierung Saakaschwili haben derartige Meldungen durch NROen eher zu- als abgenommen. Die Schätzungen zur Anzahl von Übergriffen im Polizeigewahrsam lagen für 2004 zwischen 500 und über 1.000. In einzelnen Fällen sind auch Polizisten wegen Folter oder Misshandlung zu Haftstrafen verurteilt worden. Die Zahl solcher Fälle entsprach bisher aber nicht den politisch-deklaratorischen Absichten der Regierung und schon gar nicht der Anzahl der vermuteten Übergriffe.

 

Insbesondere bei Festnahmen, Vernehmungen und im Gewahrsam der Kriminalpolizei kam es 2005 zu Gewaltanwendung und Folterungen. Noch im Januar 2005 war z.B. bei einer Überprüfung der Polizeistation in Telawi in Ostgeorgien dort nur ein einziger Gefangener ohne offenkundige Misshandlungsverletzungen festgestellt worden. Zwischen 12. Januar und 09. Februar 2005 hat die Monitoringgruppe des Ombudsmannes allein in Tifliser Polizeistationen 137 Verletzungen der Rechte von Gefangenen dokumentiert (89 davon waren Menschenrechtsverletzungen, der Rest Verfahrensfehler).

 

In diesem Zusammenhang sind auch unklare Todesfälle im Zusammenhang mit Verhörmaßnahmen und Polizeigewahrsam zu nennen. Hier sind im Laufe des Jahres 2004 drei Fälle bekannt geworden, die alle in der ersten Jahreshälfte lagen (2003 lt. Bericht des U.S. State Departments noch 37 Fälle, 2005 keine Todesfälle in Polizeigewahrsam). Willkürliche Festnahmen sind bis 2003 gelegentlich im Zusammenhang mit dem Vorgehen der Polizei gegen unliebsame Demonstrationen vorgekommen, waren bisher jedoch stets nur von kurzer Dauer. Unmenschliche oder erniedrigende Strafen (Prügel, Schläge) sind gesetzlich nicht vorgesehen. 2004 war auffällig, dass Gerichte weitestgehend Anträgen der Staatsanwaltschaft zur Verhängung von Untersuchungshaft gefolgt sind, auch wenn weder die Schwere der Tat noch die sonstigen rechtlichen Grundlagen dies erforderten, teils nicht einmal gestatteten. Vielfach kam es auch zu Verzögerungen im Hauptverfahren, so dass die Untersuchungshaft ein- oder zweimal verlängert worden ist, in einigen Fällen auch über die gesetzlich vorgesehene Obergrenze von neun Monaten hinaus.

 

2.4. Die Besonderheiten der Lage der Armenier in Tschawachk stellen sich wie folgt dar:

 

Administrativ gliedert sich Tschawachk in die Bezirke Achalkalaki (1,235 m²; 1989: 69.103 Einwohner) und Ninotsminda (1.353 m²; 37.895 Einwohner).

 

Die Bevölkerung von derzeit knapp 100.000 besteht nach unterschiedlichen Angaben zu 90-95 Prozent aus Armeniern. In der westlich angrenzenden historischen Region Meßcheti - verwaltungsmäßig die Einheit Samzche - liegt der Anteil der armenischen Bevölkerung bei einem Drittel.

 

Durch das umstrittene Dekret Nr. 237 des damaligen georgischen Staatsrats entstanden 1994 größere Verwaltungseinheiten ("Regionen"), wobei Tschawachk seine administrative Eigenständigkeit einbüßte und gegen den Willen der armenischen Mehrheit mit den vier Bezirken von Samzche - Achalziche (1.010 m², 54.822 Einwohner), Aspindsa (825,3 m²; 13.432 Einwohner), Borschomi (1.189 m², 38.973 Einwohner) und Adigeni (799,5 m², 21.282 Einwohner) - zur neuen Gebietskörperschaft Samzche-Tschawachk zwangsvereinigt wurde. Samzche-Tschawachk wurde einem von der Zentralregierung eingesetzten Präfekten (georg. Rtsemunebuli), dessen Amtssitz sich in Achalziche befindet. Infolge dieser Maßnahme bilden die Armenier in Samzche-Tschawachk nur noch 40 Prozent einer Gesamtbevölkerung von etwas weniger als einer Viertelmillion Menschen. Es handelt sich um einen klassischen Fall von Gerrymandering, also der manipulativen Änderung von Verwaltungsgrenzen und -Zuständigkeiten, um eine starke Mehrheit politisch, gesellschaftlich und rechtlich zu minorisieren. Weiters besitzt von den zwölf georgischen Dörfern des Bezirks Achalkalaki jedes einen eigenen örtlichen Verwaltungsrat (georg. sakrebulo), während die 60 armenischen Dörfer des Bezirks unter 21 solcher Körperschaften zusammengefasst wurden.

 

Tschawachk bildet unter der Herrschaft des unabhängigen Georgien eine der ärmsten Regionen des Landes. Die Arbeitslosigkeit soll nach Schätzungen bei 30 bis 40 Prozent liegen.

 

Besonders groß waren die Spannungen zwischen den Armeniern Tschawachks und der georgischen Zentralregierung zur Zeit der nationalistischen Herrschaft Swiad Gamsachurdias (1989-1992). Die Armenier von Tschawachk reagierten mit passivem Widerstand sowie der Weigerung, in der georgischen Armee zu dienen, und lehnten nacheinander drei von der Regierung Gamsachurdias eingesetzte Präfekten ab. Tschawachk stand damals faktisch außerhalb der georgischen Jurisdiktion, denn es hatte nach selbstorganisierten Wahlen im Februar 1991 einen aus 24 Delegierten bestehenden Provisorischen Rat der Volksvertreter als Eigenregierung gebildet, dessen Exekutivorgan ein siebenköpfiges Präsidium - darunter ein Georgier - war. Eduard Schewardnadse versprach zunächst Linderung der wirtschaftlichen Not, nahm aber bald eine ähnlich kompromisslose Haltung gegen die Armenier Tschawachks ein wie gegen die Separatisten in Adschara, Abchasien sowie Südossetien. Die schon von der Regierung Gamsachurdia eingeleitete sozioökonomische Austrocknung der Region wurde von Schewardnadse fortgesetzt.

 

Von besonderer Wichtigkeit für die Beurteilung der Lebenssituation in Tschawachk war die Präsenz bzw. der Abzug der 62. russländischen Militärbasis.

 

Im Unterschied zur georgischen Zentralregierung erblickte die armenische Bevölkerung Tschawachks in der Präsenz der 62. russländischen Militärbasis in Achalkalaki einen Garanten für die eigene Sicherheit. Angesichts der extremen Schwäche des georgischen Zentralstaats befürchteten die Armenier Tschawachks insbesondere, dass nach einem russischen Abzug türkische Truppen als Teil der NATO-Strategie einmarschieren könnten oder den Einmarsch georgischer Truppen.

 

Die Sicherheitsbefürchtungen wurden durch die Sorge um einen weiteren Rückgang des Lebensstandards verstärkt. Bisher war die 62. Militärbasis der einzige nennenswerte Arbeitgeber in der Region. Ein Viertel der Bevölkerung lebte von der Militärbasis. 30 bis 40 Prozent der bis zu dreitausend Angehörigen der russischen Militärbasis waren örtliche Armenier. Des weiteren bot die Militärbasis eine dem georgischen Gesundheitswesen qualitativ überlegene Gesundheitsversorgung und einen wichtigen Importeur, denn sie führte Waren aus Russland ein, die auf den örtlichen Märkten, wo die Währungen Russlands und Armeniens mehr galten als die Georgiens, weiterverkauft wurden. Auch georgische Kenner der Situation in Tschawachk warnten vor einem Abzug der Russen. Sie befürchteten den zivilen Ungehorsam der dortigen Armenier und vor allem, dass die zurückbleibenden örtlichen Militärangehörigen zu schwer bewaffneten armenischen Paramilitärs werden könnten.

 

Die Truppen der 62. russischen Militärbasis wurden nunmehr am 1.10.2007 abgezogen.

 

Beweis wurde erhoben durch die Einvernahme des Beschwerdeführers durch die Behörde erster Instanz am 10.01.2002 und am 30.09.2005, sowie durch die Befragung des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung des Asylgerichtshofes vom 4.9.2008, weiters durch Einsicht in den Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien des Deutschen Auswärtigen Amtes vom April 2006, Country Reports on Human Rights Practices 2007 des US Department of State vom 11. März 2008, Anfragebeantwortungen von ACCORD vom 7. Mai 2008, Anfragebeantwortungen von ACCORD vom 20. Mai 2008, Gutachten des länderkundlichen Sachverständigen Dr. Siegfried LAMMICH vom 23.11.2006, Feststellungen zu Georgien des BAA vom 15.05.2007, Fact Finding Mission des BAA und des UBAS von 2004 Punkt 4. Georgien, Länderbericht der Konrad Adenauer Stiftung, Parlamentswahlen in Georgien: Erdrutschsieg für Saakaschvillis Partei vom Mai 2008-09-03, Anfragebeantwortung des Polizeiattachees für Georgien über die aktuelle Sicherheitslage und Gutachten der länderkundlichen Sachverständigen Dr. T.S. vom 15.07.2003.

 

III. Beweiswürdigung:

 

Der Beschwerdeführer erweckt in der mündlichen Beschwerdeverhandlung einen persönlich glaubhaften Eindruck. Die zentralen fluchtauslösenden Ereignisse vermochte der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof detailreich, engagiert und anschaulich zu schildern. Er antwortete auf die ihm gestellten Fragen gewissenhaft und detailreich und überzeugend, sodass in einer Zusammenschau sämtlicher Angaben ein detailreiches nachvollziehbares und geschlossenes Bild der fluchtauslösenden Vorfälle entstand. Ungereimtheiten in den Angaben konnten während der Beschwerdeverhandlung nicht festgestellt werden.

 

Zu den Ausführungen des Bundesasylamtes hinsichtlich der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers, da seine Angaben über die Organisation Krunk nicht den vom Bundesasylamt eingeholten Informationen über Krunk entsprechen würden, sowie dass es nicht glaubwürdig sei, dass der Antragsteller auf Grund einer Demonstration freigelassen, sowie dass er selbst im Zuge einer Demonstration von 5000 Personen als eine von wenigen Personen festgenommen worden sei, wird festgestellt, dass die vom Bundesasylamt über Krunk eingeholten Informationen ausschließlich eine armenische Organisation in Abchasien betreffen. Die vom Beschwerdeführer glaubhaft geschilderte Organisation Krunk hat ihren Tätigkeitsbereich in der Region T..

 

Beim Kranich (Krunk) handelt es sich um ein Symbol der Armenier für deren Rückkehr in ihre Heimat. Dieser Name wird deshalb auch von mehreren armenischen Organisationen in Georgien verwendet.

 

Auch kann in den Aussagen des Beschwerdeführers über die Demonstration für seine Freilassung im Jahr 2000, sowie über seine Festnahme während der Demonstration im Jahr 2001 keine Unglaubwürdigkeit festgestellt werden. Die Aussagen des Beschwerdeführers waren in sämtlichen erstinstanzlichen Einvernahmen sowie in der Einvernahme beim Asylgerichtshof gleichlautend, klar, konkret und hinreichend detailliert. Der Beschwerdeführer schilderte den Sachverhalt in sämtlichen Einzelheiten. Er war in der Lage diejenigen Vorfälle, die zur Ausreise geführt haben, konkret zu beschreiben. Das Vorbringen des Beschwerdeführers und auch die Aussage seiner Ehefrau entsprechen den getätigten Länderfeststellungen und ist auch mit den politischen historischen Geschehnissen und den bereits erfolgten Misshandlungen in Einklang zu bringen. Es erscheint somit keineswegs mit den allgemeinen Verhältnissen in Georgien unvereinbar.

 

Die Feststellungen zur Lage in Georgien ergeben sich aus den zuvor zitierten Unterlagen.

 

Da die Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Situationsdarstellungen zu zweifeln. Auch seitens der Parteien wurden hinsichtlich der herangezogenen Quellen keine Einwände erhoben.

 

IV. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 61 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes, soweit nicht etwas anders in § 61 Abs 3 AsylG vorgesehen ist.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG sind beim Unabhängigen Bundesasylsenat am 01.07.2008 anhängige Verfahren, in denen bis zu diesem Zeitpunkt keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, vom dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat des Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 75 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetztes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt.

 

Da gegenständlicher Asylantrag am 14.08.2001 gestellt wurde, war er nach der Rechtslage des AsylG 1997 idF 126/2002 unter Beachtung der Übergangsbestimmungen, woraus sich die gegenständliche Zuständigkeit ergibt, zu beurteilen.

 

Gemäß § 7 Asylgesetz 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung."

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in

 

dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen.

 

Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (zB VwGH vom 19.12.1995, 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998, 98/01/0262).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung ausgeführt, dass als Fluchtgründe unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes nur solche Maßnahmen in Betracht kommen, die einen weiteren Verbleib im Heimatland aus objektiver Sicht unerträglich erscheinen lassen (VwGH vom 16.09.1992, 92/01/0544, VwGH vom 07.10.2003, 92/01/1015, 93/01/0929, u.a.).

 

Die vom Asylwerber vorgebrachten Eingriffe in seine vom Staat zu schützende Sphäre müssen in einem erkennbaren zeitlichen Zusammenhang zur Ausreise aus seinem Heimatland liegen. Die fluchtauslösende Verfolgungsgefahr bzw. Verfolgung muss daher aktuell sein (VwGH 26.06.1996, Zl. 96/20/0414). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

 

Trotz der problematischen Situation von Angehörigen der armenischen Volksgruppe in Georgien, kann aus der Sicht des Asylgerichtshofes nicht von einer ganz pauschalen, generellen Verfolgung nur allein wegen der Zugehörigkeit zur armenischen Ethnie ("Gruppenverfolgung") gesprochen werden, sondern ist weiterhin jeder konkrete Einzelfall umfassend an Hand der in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Verfolgungsgründe zu prüfen (z.B. UBAS vom 24.1.2007, Z. 254.119/0-VIII/22/04, UBAS vom 27.1.2007, Zl. 256.753/5E-VIII/22/05 u.a.).

 

Der Beschwerdeführer hat die Verfolgung durch den georgischen Sicherheitsapparat bzw. durch georgische Behörden geltend gemacht.

 

Ein Zusammenhang zu den in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Verfolgungsgründen ergibt sich beim Beschwerdeführer aus der Verfolgung durch die georgische Staatsgewalt, welche den Beschwerdeführer als Mitglied einer verbotenen, auf die Autonomie einer - großteils von Mitgliedern der armenischen Volksgruppe bewohnten - Provinz abzielenden Partei mehrmals mit Misshandlungen und Folter während Einvernahmen zu bereits erfolgten Geschehnissen (Unterschriftenaktionen, Demonstrationen) unter Druck gesetzt hat. Eine weitere Unterdrucksetzung erfolgte durch die Ankündigung weiterer Einvernahmen, im Rahmen derer jedenfalls mit weiteren physischen und psychischen Misshandlungen zu rechnen hatte.

 

Der Beschwerdeführer wurde durch diese Handlungen jedenfalls Ziel einer Verfolgung, sowohl aus ethnischen als auch aus politischen Gründen.

 

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Georgien mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Eingriffe von sehr hoher Intensität in seine zu schützende persönliche Sphäre (Leben, Gesundheit, Freiheit) drohen, und zwar aus zwei in der GFK angeführten Verfolgungsgründen.

 

Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer keinesfalls mit einem effektiven staatlichen Schutz rechnen kann - im Gegenteil erfolgt die Verfolgung durch Vertreter staatlicher Einrichtungen - ist nicht davon auszugehen, dass für den Beschwerdeführer die Möglichkeit besteht in irgendeinem Teil der Republik Georgien Schutz vor der gegenständlichen Verfolgung zu finden, weshalb die Annahme einer innerstaatlichen Flucht- bzw. Schutzalternative ausscheidet.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Demonstration, gesamte Staatsgebiet, Haft, Misshandlung, politische Gesinnung, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
19.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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