TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/29 D2 304961-1/2008

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Veröffentlicht am 29.09.2008
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Spruch

D2 304961-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Feßl als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stracker als Beisitzer über die Beschwerde der mj. M.T., geb. 00.00.2005, StA. d. Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.08.2006, FZ. 05 13.525-BAI, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Der Vater der (nunmehrigen) minderjährigen Beschwerdeführerin, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, reiste zusammen mit seinen Angehörigen am 12.08.2005 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet und stellte gemeinsam mit der Mutter und den Brüdern der Beschwerdeführerin am 13.08.2005 einen Antrag auf die Gewährung von Asyl.

 

Das Bundesasylamt trat in die inhaltliche Behandlung dieses Asylantrages ein und brachte der Vater der Beschwerdeführerin in den vor dem Bundesasylamt durchgeführten Einvernahmen - kurz zusammengefasst - folgenden Sachverhalt vor:

 

Seit dem Jahr 2000 würde er sich nicht mehr zuhause, sondern in Dagestan und Inguschetien aufhalten. Dagestan habe er dann am 29.10.2004 - mit gefälschten Dokumenten - in Richtung Polen verlassen, wo er am 02.11.2004 in Terespol eingetroffen sei. Der Grund für seine Ausreise sei der Krieg gewesen. Im ersten Tschetschenienkrieg hätten alle und auch er gekämpft. Sein Name sei auf einer Fahndungsliste gestanden. Probleme habe er bekommen, weil sein Cousin gesucht worden sei. Ein Bekannter, der bei der Polizei arbeiten würde, habe ihm gesagt, dass sein Familienname auf der Fahndungsliste stehen und dass er Probleme bekommen würde, wenn er die Heimat nicht verlassen würde. Sein Cousin namens M.A. sei ein Widerstandskämpfer gewesen und er habe den Namen "M.A." auf der Fahndungsliste gelesen. Deshalb sei er gemeinsam mit seiner Familie 2000 nach Inguschetien geflüchtet. Dort hätten sie ca. ein Jahr in einem Flüchtlingslager und danach bis zur Ausreise illegal in Dagestan bei seiner Stiefschwester gelebt. In Inguschetien und in Dagestan habe er keine Probleme mit der Polizei gehabt, weil er den Kontakt zur Polizei vermieden habe. Bei einer Rückkehr habe er Angst, dass er Probleme bekommen würde, weil er schon seit sechs Jahren nicht mehr in der Heimat gewesen sei. Ob sein Name noch auf der Fahnungsliste stehen würde oder nicht, wisse er nicht.

 

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 23.08.2006, FZ. 05 12.411-BAI, den Asylantrag des Vaters der Beschwerdeführerin gem. § 7 AsylG 1997 ab (Spruchpunkt I.), stellte zugleich fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation gem. § 8 Abs. 1 AsylG 1997 zulässig ist (Spruchpunkt II.) und wies ihn gem. § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt III.).

 

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde dazu aus, dass das Vorbringen des Antragstellers glaubwürdig sei. Es sei glaubwürdig, dass er in seiner Heimat von staatlicher Seite aus keinem den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt wurde, er weder vorbestraft sei noch einer politischen Partei angehören würde. Glaubhaft, da plausibel und nachvollziehbar seien auch die Angaben des Antragstellers, dass der Name M. A. auf einer Fahndungsliste vermerkt sei. Ebenso wie die gemachten Angaben, dass der Cousin des Antragstellers Widerstandkämpfer sei und von den Behörden gesucht werde. Weiters geglaubt werde, dass der Antragsteller von den russischen Behörden nie angezeigt oder von einem Gericht verurteilt worden wäre und dass nie jemand an ihn herangetreten bzw. er nie bedroht worden sei. Da es sich jedoch im Fall des Antragstellers um behördliche Ermittlungen wegen strafbarer Verhaltensweisen und es sich somit um Schritte zur Aufklärung eines allgemein strafbaren Deliktes handeln würde, die nicht als Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes qualifiziert werden können, könne daher auch keine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen.

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit dem am 31.08.2006 eingebrachten Schriftsatz fristgerecht Berufung (nunmehr als Beschwerde zu werten) erhoben.

 

Die nunmehrige mj. Beschwerdeführerin wurde am 00.00.2005 in Österreich geboren und ist die Tochter des oben angeführten Beschwerdeführers. Die gesetzliche Vertreterin der Beschwerdeführerin beantragte am 27.08.2005 die Gewährung von Asyl, unter dem Hinweis, dass für diese keine eigenen Fluchtgründe vorliegen würden und daher vielmehr ein Antrag auf Gewährung desselben Schutzes gestellt werde (AS 233).

 

Mit dem nunmehr angefochten Bescheid wurde der Antrag gemäß § 7 und § 8 Abs. 1 AsylG 1997 abgewiesen und gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation verfügt.

 

Mit der fristgerecht eingebrachten Berufung (nunmehr als Beschwerde zu werten) wird die Asylgewährung beantragt, dies im Wesentlichen unter Hinweis darauf, dass auf das Vorbringen des Vaters der Beschwerdeführerin verwiesen werde.

 

Der Asylgerichtshof hat über die nunmehr entscheidungsgegenständliche Beschwerde der M.T. erwogen wie folgt:

 

Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (in der Folge: AsylGHG) nimmt der Asylgerichtshof mit 1. Juli 2008 seine Tätigkeit auf. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 (in der Folge: AsylG 1997) zu Ende zu führen, wobei die Übergangsbestimmung des § 44 Abs. 1 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 i.d.F. BGBl. I Nr.101/2003 gilt. Danach werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30.04.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 i.d.F. des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 126/2002 geführt. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung sind die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a i. d.F. BGBl. I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Abs. 1 anzuwenden. Gemäß der Übergangsbestimmung des § 44 Abs. 2 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2003, werden Asylanträge, die ab dem 01.05.2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der jeweils geltenden Fassung geführt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Die Asylgewährung wurde vom Bundesasylamt hinsichtlich der Beschwerdeführerin im Wesentlichen mit der Begründung verneint, dass eine Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat nicht vorliege. Da sich die Verfolgungsbehauptungen letztlich nur auf den Vater beziehen und eine Verfolgung der minderjährigen Beschwerdeführerin aus dem Vorbringen nicht abzuleiten ist, kann dieser Argumentation im Ergebnis nicht entgegengetreten werden.

 

Das Bundesasylamt ist demnach zu Recht davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin in eigener Person die Voraussetzungen der Asylgewährung (§ 7 AsylG iVm Art. 1 Abschn. A Z 2 der GFK) nicht erfüllt.

 

Doch hat der zuständige Senat des Asylgerichtshofes mit Erkenntnis vom 26.09.2008, GZ. D2 304956-1/2008/4E den Bescheid des Vaters der nunmehrigen Beschwerdeführerin behoben und gem. § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Da es sich im vorliegenden Fall um ein sog. Familienverfahren im Sinne von § 10 AsylG idF BGBl I 101/2003 handelt, in welchem hinsichtlich aller Familienangehörigen (im Sinne von § 1 Z 6 AsylG) einheitliche Entscheidungen zu treffen sind, war auch der die mj. Tochter betreffende Bescheid zu beheben.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Familienverfahren, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
16.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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