TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/30 E3 319628-1/2008

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Veröffentlicht am 30.09.2008
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Spruch

E3 319.628-1/2008-9E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. HERZOG-LIEBMINGER als Vorsitzende und den Richter Mag. HUBER-HUBER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. MITTERMAYR über die Beschwerde des S.A., geb. 00.00.1962, StA. Iran, gegen den die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.04.2008, FZ. 05 13.629-BAL sowie gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.05.2008, FZ. 05 13.629-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde werden die bekämpften Bescheide gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge auch: BF), ein Staatsangehöriger aus dem Iran, stellte am 29.08.2005 beim Bundesasylamt einen Asylantrag und begründete diesen in seinen Einvernahmen am 05.09.2005 und 20.04.2006 im Wesentlichen damit, dass er im Iran über die Tante seiner Ehegattin in Kontakt mit der christlichen Religion gekommen wäre. Er sei Taxi-Fahrer gewesen und habe während der Fahrt Propaganda für den christlichen Glauben gemacht. Einer seiner Kunden dürfte ihn bei der Taxi-Innung angezeigt haben, woraufhin er von dieser vorgeladen und für zehn Tage festgehalten und gefoltert worden sei. Die Taxi-Innung habe ihn bei Gericht angezeigt und er habe eine gerichtliche Vorladung bekommen, woraufhin er aus dem Iran geflohen sei.

 

2. Zum Beweis seiner Fluchtgründe legte der BF im Zuge seiner Einvernahme am 20.04.2006 unter anderem drei Dokumente in persischer Sprache vor und gab an, es würde sich dabei um gerichtliche Ladungen handeln.

 

Nach erfolgter Übersetzung der vorgelegten Dokumente veranlasste das Bundesasylamt eine urkundentechnische Untersuchung durch die Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau, welche zu dem Ergebnis führte, dass bei den zur Untersuchung vorgelegten Dokumenten mehrere Hinweise auf das Vorliegen von Fälschungen gegeben wären (vgl. Untersuchungsbericht vom 28.04.2006). Weiters erging das Ersuchen, die offensichtlich gefälschten Dokumente zwecks Auswertung und Erstellung eines kriminaltechnischen Untersuchungsberichtes dem Bundeskriminalamt Wien, Fachbereich 6.2.3 - Urkunden und Handschriftenuntersuchung, zu übermitteln.

 

Mit Schreiben vom 09.05.2006 beauftragte das Bundesasylamt o.g. Einrichtung mit der Erstellung eines Gutachtens zu den vorgelegten Dokumenten.

 

Der am 27.09.2006 beim Bundesasylamt einlangende Untersuchungsbericht des Bundeskriminalamtes vom 22.09.2006 führte zu dem Ergebnis, dass es sich bei den vorgelegten Dokumenten wahrscheinlich um Nachahmungsprodukte bzw. um nicht autorisiert ausgestellte Dokumente handeln würde.

 

3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.10.2006, FZ. 05 13.629-BAL, wurde dem Asylantrag des BF gemäß § 7 AsylG 1997 stattgegeben, diesem in Österreich Asyl gewährt und gemäß § 12 leg. cit. festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Begründend führte die Erstbehörde aus, dass der Beschwerdeführer einen unter § 7 AsylG 1997 zu subsumierenden Sachverhalt vorgebracht habe, diesem keine Ergebnisse des amtswegigen Ermittlungsverfahrens entgegenstehen und alle Voraussetzungen der Asylgewährung vorliegen würden. Da dem Asylantrag des Beschwerdeführers vollinhaltlich Rechnung getragen worden sei, könne gemäß § 58 Abs 2 AVG eine nähere Begründung entfallen.

 

4. Mit Aktenvermerk vom selben Tag hielt das Bundesasylamt fest, dass den Ausführungen des Beschwerdeführers Glauben geschenkt werden müsse, da seine Angaben nicht widerlegt werden könnten. Er habe Dokumente vorgelegt, deren Überprüfung durch das Bundeskriminalamt nicht eindeutig ergeben habe, dass es sich dabei um (Ver)Fälschungen handeln würde. Er habe eine Taufbestätigung der protestantischen Kirche aus Schärding vom 25.12.2005 vorgelegt, womit er bestätigt habe, dass er konvertierter Christ sei. In einer weiteren Einvernahme habe der BF die gleichen Fluchtgründe vorgebracht und auch Details geschildert. Zudem habe er Dokumente vorgelegt, die seine Glaubwürdigkeit bestätigen würden. Zudem müsse zum Iran festgestellt werden, dass für konvertierte Moslems die Gefahr einer gerichtlichen Verfolgung sehr wahrscheinlich sei. Laut Koran stehe auf den Glaubensabfall vom Islam sogar die Todesstrafe.

 

5. Oben genannter Bescheid wurde vom Beschwerdeführer am 20.10.2006 persönlich übernommen und daher rechtswirksam zugestellt. Mangels Berufung erwuchs dieser mit 04.11.2006 in Rechtskraft und war das Asylverfahren mit diesem Datum rechtskräftig abgeschlossen.

 

6. Am 01.06.2007 stellte die Ehegattin des BF und ihr gemeinsames Kind einen Antrag im Familienverfahren gemäß § 35 AsylG 2005 bei der österreichischen Botschaft in Teheran.

 

7. Am 28.12.2007 richtete das Bundesasylamt über die Dublin-Abteilung eine Anfrage an die österreichische Botschaft in Teheran und ersuchte diese insbesondere auch zu eruieren, ob die behaupteten Ladungen der Justiz tatsächlich bestehen würden.

 

Die österreichische Botschaft in Teheran antwortete auf diese Anfrage per e-mail vom 12.02.2008 und führte hinsichtlich der vom BF vorgelegten Dokumente, welche gerichtliche Ladungen darstellen würden, aus, dass es sich dabei um Fälschungen handeln würde.

 

8. Mit Schreiben vom 19.03.2008 lud das Bundesasylamt den BF "zur Einvernahme im Asylverfahren" am 08.04.2008. Der BF kam der Ladung nach und wurde an besagtem Datum "als Zeuge zu den Auslandsanträgen" seiner Ehegattin und seines Sohnes befragt. Im Zuge dessen wurde ihm vorgehalten, dass sich aufgrund einer Anfrage bei der österreichischen Botschaft in Teheran ergeben habe, dass die von ihm vorgelegten gerichtlichen Ladungen, Fälschungen seien und dass seitens des Bundesasylamtes beabsichtigt sei, dem BF den Status des Asylberechtigten bzw. die Flüchtlingseigenschaft abzuerkennen.

 

9. Am 15.04.2008 und 16.04.2008 erfolgten weitere "Einvernahmen im Asylverfahren". Im Zuge letzterer wurde dem BF zur Kenntnis gebracht, dass aufgrund der Tatsache, dass sich die Ladungen aufgrund einer Überprüfung durch die österreichische Botschaft in Teheran als Fälschungen herausgestellt hätten, von Amts wegen die Wiederaufnahme des Asylverfahrens verfügt werde.

 

10. Weiters wurde dem BF am 16.04.2008 persönlich im Amt ein Bescheid ausgefolgt, mit welchem das mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.10.2006, FZ. 05 13.629-BAL, abgeschlossene Asylverfahren des BF gemäß § 69 Abs 3 AVG iVm § 69 Abs 1 AVG von Amts wegen wieder aufgenommen wurde.

 

Begründend führte das Bundesasylamt diesbezüglich aus, dass sich ergeben habe, dass sich der Asylberechtigte den Bescheid vom 12.10.2006, Zahl 05 13.629-BAL, durch Vorlegen von gefälschten Dokumenten bzw. Urkunden (Ladungen des Gerichtes in Teheran) erschlichen habe. Der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides ist zu entnehmen, dass gegen diesen Bescheid kein ordentliches Rechtsmittel zulässig sei. Weiters wurde der Hinweis aufgenommen, dass gegen diesen Bescheid innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und/oder Verfassungsgerichtshof erhoben werden könne.

 

11. Am 29.04.2008 langte beim Bundesasylamt eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den von der österreichischen Botschaft in Teheran geführten Ermittlungen ein. Der BF bemängelte darin insbesondere die Überprüfung der von ihm vorgelegten gerichtlichen Ladungen. Aus der Botschaftsanfrage gehe nicht hervor, welche Person mit welcher Sachkenntnis die Ladungen als Fälschungen eingeordnet hätte.

 

12. Mit Bescheid vom 15.05.2008, FZ. 05 13.629-BAL, dem BF zugestellt am 19.05.2008, wies das Bundesasylamt den Asylantrag des BF vom 29.08.2005 gemäß § 7 AsylG 1997 ab (Spruchpunkt I.), erklärte dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Iran gemäß § 8 Abs 1 leg. cit. für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies diesen gemäß § 8 Abs 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran aus (Spruchpunkt III.).

 

Begründend führte die Erstbehörde aus, dass das Vorbringen des BF schon im Grunde gänzlich unglaubwürdig wäre, weil sich die von ihm vorgelegten Ladungen zweifelsfrei als Fälschungen erwiesen hätten. Aufgrund dessen würden jegliche Basis für eine Glaubwürdigkeit und jeglicher Grund für die Gewährung von subsidiärem Schutz fehlen. Sowohl bei den von der Urkundenuntersuchungsstelle in der Erstaufnahmestelle West, als auch bei den vom Bundeskriminalamt durchgeführten Untersuchungen der vom BF vorgelegten Dokumente habe sich bereits der Verdacht von Fälschungen ergeben. Letztlich hätten die Erhebungen der österreichischen Botschaft in Teheran bestätigt, dass es sich bei den vorgelegten Dokumenten um Fälschungen handeln würde.

 

13. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 29.05.2008 rechtzeitig Berufung (nunmehr: Beschwerde) wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung aufgrund einer nicht nachvollziehbaren Beweiswürdigung und Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragte unter anderem den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde aufzuheben.

 

14. Mit Einrichtung des Asylgerichtshofes wurde der gegenständliche Verfahrensakt der Gerichtsabteilung E3 zugeteilt.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

1. Am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 weiterzuführen.

 

Gemäß § 61 AsylG 2005 idgF entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichtshof waren die einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005") anzuwenden. Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die erkennende Behörde, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

2. Zur Unzulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens:

 

2.1. Gemäß § 69 Abs 3 AVG kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1 die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

 

Gemäß § 69 Abs 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

 

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

 

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

 

3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

 

§ 70 Abs 3 letzter Satz AVG bestimmt, dass gegen die Bewilligung oder die Verfügung einer Wiederaufnahme eine abgesonderte Berufung nicht zulässig ist.

 

Obwohl es sich dabei um einen verfahrensrechtlichen Bescheid handelt, kann dieser somit nicht gesondert mit Berufung angefochten werden, sondern erst gemeinsam mit der Berufung gegen den neuen Bescheid im wiederaufgenommenen Verfahren. Mittels Berufung gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Bescheid kann sowohl die neue Sacherledigung wie auch die Bewilligung (Verfügung) der Wiederaufnahme bekämpft werden; diese beiden Bescheide stehen aber in keinem untrennbaren Zusammenhang, es kann daher insbesondere auch nur die neue Sachentscheidung bekämpft werden, sodass die Entscheidung über die Wiederaufnahme rechtskräftig wird. Wird die Bewilligung (Verfügung) der Wiederaufnahme aufgehoben, fällt auch der neue Bescheid im wiederaufgenommenen Verfahren weg, und es tritt der frühere Bescheid wieder in Kraft (Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 320).

 

Das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes ist im Hinblick auf die Bedeutung der Rechtskraft von Bescheiden nach der Judikatur "streng" zu prüfen (zB VwGH 26.04.1984, 81/05/0081).

 

2.2. Das Bundesasylamt verfügte mit abgesondertem Bescheid vom 16.04.2008 von Amts wegen die Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 12.10.2006 rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens des Beschwerdeführers. Der Rechtsmittelbelehrung des die Wiederaufnahme verfügenden Bescheides ist zu entnehmen, dass gegen den Bescheid kein ordentliches Rechtsmittel zulässig sei und lediglich Beschwerde an die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts erhoben werden könne. Gegen den neuerlich in der Sache ergangenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.05.2008 brachte der BF rechtzeitig Beschwerde ein.

 

§ 70 Abs 3 letzter Satz AVG bestimmt lediglich, dass gegen die Bewilligung oder die Verfügung der Wiederaufnahme eine abgesonderte Berufung (Beschwerde) nicht zulässig ist. Aus der genannten Bestimmung geht jedoch keineswegs hervor, dass gegen derartige Bescheide überhaupt kein ordentliches Rechtsmittel zulässig wäre. Vielmehr kann ein solcher verfahrensrechtlicher Bescheid wenn schon nicht gesondert, so aber doch gemeinsam mit der Beschwerde gegen den neuen Bescheid im wiederaufgenommenen Verfahren angefochten werden.

 

Der die Wiederaufnahme verfügende Bescheid des Bundesasylamtes enthält daher fälschlicherweise die Erklärung, dass gegen diesen kein Rechtsmittel zulässig sei. Richtigerweise wäre der BF dahingehend zu belehren gewesen, dass er binnen zwei Wochen ab Zustellung des neuerlich in der Sache ergehenden Bescheides auch die per gesonderten Bescheid von Amts wegen verfügte Wiederaufnahme des Verfahrens bekämpfen könne.

 

Zumal der BF aber ohnehin in der rechtzeitigen Beschwerde gegen den neuen, im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Bescheid auch die von Amts wegen verfügte Wiederaufnahme bekämpft hat, ist die falsche Rechtsmittelbelehrung in dem die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid im gegenständlichen Verfahren unbeachtlich.

 

In Anbetracht des vom BF in der Beschwerde gestellten Beschwerdeantrages, die Rechtsmittelbehörde möge den angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes aufheben, sowie der ins Treffen geführten Beschwerdebegründung, der Bescheid werde unter anderem wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, ergibt sich aus der Beschwerdeschrift, dass mit dieser auch die mit abgesonderten Bescheid vom 16.04.2008 verfügte amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens bekämpft wird, zumal der BF in der gegenständlichen Beschwerde die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz nach erfolgter Wiederaufnahme seines abgeschlossenen Asylverfahrens moniert.

 

Der die Wiederaufnahme verfügende Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.04.2008 gilt daher aufgrund der rechtzeitig erhobenen Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.05.2008 als mitangefochten.

 

2.3. Im gegenständlichen Fall hat der BF zum Beweis dafür, dass er in seinem Herkunftsland von den staatlichen Behörden verfolgt wird, drei Dokumente in persischer Sprache vorgelegt, bei denen es sich seinen Angaben zufolge um gerichtliche Ladungen handeln würde.

 

Da das Bundesasylamt offensichtlich Zweifel an der Echtheit dieser vorgelegten Dokumente hatte, veranlasste es - nach erfolgter Übersetzung - eine urkundentechnische Untersuchung durch die Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau, welche zu dem Ergebnis führte, dass bei den zur Untersuchung vorgelegten Dokumenten mehrere Hinweise auf das Vorliegen von Fälschungen gegeben wären.

 

Eine weitere, zu den vorgelegten Dokumenten in Auftrag gegebene Untersuchung durch das Bundeskriminalamt ergab, dass es sich dabei wahrscheinlich um Nachahmungsprodukte bzw. um nicht autorisiert ausgestellte Dokumente handeln würde (s. Untersuchungsbericht des Bundeskriminalamtes Wien, Fachbereich 6.2.3 - Urkunden und Handschriftenuntersuchung).

 

Obwohl das Bundesasylamt aufgrund dieser Ermittlungsergebnisse Zweifel an der Echtheit der vom BF vorgelegten Dokumente und in weiterer Folge auch an der Glaubwürdigkeit der Fluchtgründe des BF haben musste, legte es den vom BF im Verfahren vorgebrachten Sachverhalt als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde, gab dem Asylantrag des BF mit Bescheid vom 12.10.2006 statt und gewährte diesem in Österreich Asyl. Mit Aktenvermerk vom selben Tag hielt das Bundesasylamt fest, dass den Ausführungen des Beschwerdeführers Glauben geschenkt werden müsse, da seine Angaben nicht widerlegt werden könnten. Er habe Dokumente vorgelegt, deren Überprüfung durch das Bundeskriminalamt nicht eindeutig ergeben habe, dass es sich dabei um (Ver)Fälschungen handeln würde.

 

Erst nachdem die Ehegattin des BF und ihr gemeinsamer Sohn am 01.06.2007 einen Antrag im Familienverfahren gemäß § 35 AsylG 2005 bei der österreichischen Botschaft in Teheran gestellt hatten, richtete das Bundesasylamt am 28.12.2007 über die Dublin-Abteilung eine Anfrage an die österreichische Botschaft in Teheran und ersuchte diese, insbesondere auch zu eruieren, ob die behaupteten Ladungen der Justiz tatsächlich bestehen würden. Zu den vom BF vorgelegten Dokumenten, welche gerichtliche Ladungen darstellen würden, führte die Botschaft in ihrer Antwort-E-Mail vom 12.02.2008 aus, dass es sich dabei um Fälschungen handeln würde.

 

Die amtswegige Wiederaufnahme des Asylverfahrens des BF begründete das Bundesasylamt damit, dass sich der Asylberechtigte den Bescheid vom 12.10.2006, Zahl 05 13.629-BAL, durch Vorlegen von gefälschten Dokumenten bzw. Urkunden (Ladungen des Gerichtes in Teheran) erschlichen habe. Sowohl bei den von der Urkundenuntersuchungsstelle in der Erstaufnahmestelle West, als auch bei den vom Bundeskriminalamt durchgeführten Untersuchungen der vom BF vorgelegten drei Dokumente in persischer Sprache, welche seinen Angaben zufolge gerichtliche Ladungen darstellen würden, habe sich bereits der Verdacht von Fälschungen ergeben. Letztlich hätte sich aufgrund der Erhebungen der Österreichischen Botschaft in Teheran zweifelsfrei bestätigt, dass es sich bei den vorgelegten Dokumenten um Fälschungen handeln würde.

 

2.4. Unter Erschleichung ist ein vorsätzliches - nicht bloß kausales oder bloß fahrlässiges - Verhalten der Partei im Zuge des Verfahrens zu verstehen, das darauf abzielt, einen für sie günstigen Bescheid zu erlangen (VwSlg 944 A; VwGH 07.07.1992, 90/08/0164). Es kann sich um die Aufstellung unrichtiger Behauptungen oder um das Verschweigen relevanter Umstände handeln (VwSlgNF 1557 A, 2887 A; VwGH 29.06.1989, 89/09/0020; 21.11.2001, 97/08/0579).

 

Von einem Erschleichen kann - nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - jedoch nicht gesprochen werden, wenn falsche Angaben gemacht werden, die die Behörde im Zuge eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens als solche hätte erkennen können (VwSlgNF 4455 A; VwGH 25.04.1995, 94/20/0779).

 

Obwohl das Bundesasylamt aufgrund der zweimaligen kriminaltechnischen Untersuchung der vom BF vorgelegten Dokumente, welche Verdachtsmomente auf das Vorliegen von Fälschungen zu Tage brachten, Zweifel an deren Echtheit und in weiterer Folge auch an der Glaubwürdigkeit der Fluchtgründe des BF haben musste, legte es den vom BF im Verfahren vorgebrachten Sachverhalt als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde, gab dem Asylantrag des BF mit Bescheid vom 12.10.2006 statt und gewährte diesem in Österreich Asyl. Die Erstbehörde führte, obwohl sie Zweifel an der Echtheit der angeblichen gerichtlichen Ladungen hatte, keine weitergehenderen Ermittlungen durch, insbesondere veranlasste sie keine Überprüfung der Dokumente durch die Österreichische Botschaft in Teheran. Hätte das Bundesasylamt im ursprünglichen Asylverfahren diese angezeigten Ermittlungsschritte gesetzt, respektive die vom BF vorgelegten Dokumente einer Untersuchung durch die Österreichische Botschaft in Teheran zugeführt, hätte sie bereits im ursprünglichen Asylverfahren erkennen können, dass der BF gefälschte Beweismittel zur Untermauerung seines Fluchtvorbringens vorgelegt hat.

 

Im Lichte oben angeführter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann daher nicht davon gesprochen werden, dass sich der BF den positiven Asylbescheid vom 12.10.2006 iSd § 69 Abs 1 Z 1 AVG erschlichen hätte.

 

Die Verfügung der amtswegigen Wiederaufnahme des mit 04.11.2006 rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens des Beschwerdeführers gemäß §§ 69 Abs 3 iVm 69 Abs 1 AVG war daher mangels Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes nicht zulässig und waren sohin im gegenständlichen Verfahren sowohl der die Wiederaufnahme verfügende Bescheid sowie der Sachbescheid des Bundesasylamtes ersatzlos zu beheben und tritt in weiterer Folge dadurch der Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.10.2006, Zl. 05 13.629-BAL, mit welchem dem BF Asyl gewährt wurde, wieder in Kraft.

 

Sohin war insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs 7 AsylG iVm § 67d Abs 4 AVG unterbleiben.

Schlagworte
Bescheidbehebung, Urkundenfälschung
Zuletzt aktualisiert am
21.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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