TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/02 D13 319638-1/2008

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Veröffentlicht am 02.10.2008
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Spruch

D13 319638-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Dajani als Vorsitzenden und den Richter Mag. Auttrit als Beisitzer über die Beschwerde der Z.B., geb. 00.00.1975, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.05.2008, FZ. 07 12.125-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. 100/2005 idgF. als unbegründet abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. 100/2005 idgF. wird Z.B. der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation zuerkannt.

 

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl. 100/2005 idgF. wird Z.B. eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 01.10.2009 erteilt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.

 

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, reiste am 27.12.2007 gemeinsam mit ihrem Ehegatten und ihren beiden minderjährigen Kindern in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG. Hierauf wurde sie zunächst am 27.12.2007 von der Polizeiinspektion Traiskirchen erstbefragt.

 

Am 08.01.2008 und am 14.05.2008 wurde die Beschwerdeführerin vom Bundesasylamt im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen. Ihr damaliges Vorbringen wurde im Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Graz, vom 16.05.2008, FZ. 07 12.125-BAG, richtig und vollständig wiedergegeben, sodass der diesbezügliche Teil des erstinstanzlichen Bescheides auch zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erhoben wird.

 

Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 16.05.2008, FZ. 07 12.125-BAG, den Antrag auf internationalen Schutz der Asylwerberin gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und der Asylwerberin den Status der Asylberechtigten nicht zuerkannt. Weiters wurde der Asylwerberin gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation nicht zuerkannt. Unter Spruchpunkt III wurde die Asylwerberin gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. In der Begründung wertete das Bundesasylamt die Angaben der Beschwerdeführerin, wonach ihr Mann in Tschetschenien verhaftet und mehrfach bedroht worden sei, sowie sie selbst im Rahmen der Verhaftung geschlagen worden sei und im Krankenhaus behandelt werden musste, als unglaubwürdig.

 

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 29.05.2008 fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Ihrer Beschwerde legte sie die Kopie eines Arztbriefes der Kardiologie des Universitätsklinikums Graz vom 15.01.2008 und einer Übersetzung eines Auszuges eines Arztbriefes des Wissenschaftlichen Herz-Gefäß-Chirurgie-Zentrums, betreffend die Tochter K.H., sowie eines Arztbriefes des Universitätsklinikums Graz vom 29.01.2008 betreffend den Sohn K.A., vor.

 

In ihrer Beschwerde wiederholte die Beschwerdeführerin ihre bereits getätigten Angaben und wies auf die Erkrankungen der beiden Kinder hin. Die Beschwerdeführerin führte weiter aus, es ergebe sich für sie ein Abschiebungshindernis, da aufgrund der gegenwärtigen Lage in der Russischen Föderation davon auszugehen sei, dass sie im Falle einer Rückkehr zumindest einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt sein würde. Die Beschwerdeführerin machte geltend, die Inanspruchnahme einer inländischen Fluchtalternative sei derzeit nicht möglich, und verwies zu diesem Vorbringen auf eine Dokumentation zur Situation in Tschetschenien des Mitgliedes des UBAS Dr. Nowak aus dem Jahr 2003, auf zwei Gutachten zur innerstaatlichen Fluchtalternative von November 2005 sowie April 2006, sowie auf zwei Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 05.03.2004 und vom 17.09.2003.

 

Zudem verwies die Beschwerdeführerin auf die angespannte wirtschaftliche und menschliche Situation der Binnenflüchtlinge, wodurch sie auf Grund des gänzlichen Fehlens einer tragfähigen Lebensgrundlage in eine aussichtslose Lage geraten würde und somit die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK gegeben sei. Zudem greife ihre Ausweisung massiv in ihr durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf Privat- und Familienleben ein.

 

Laut telefonischer Auskunft des behandelnden Arztes der beiden Kinder der Beschwerdeführerin vom 08.09.2008 bedürfen diese aufgrund ihrer Erkrankungen einer regelmäßigen fachärztlichen Kontrolle. K.H. müsse sich zwar nach scheinbar gelungener Operation am Herzen aus heutiger Sicht in nächster Zeit keinem weiteren Eingriff unterziehen. Eine regelmäßige fachärztliche Kontrolle des weiteren Verlaufes sei, insbesondere zur Feststellung, ob weitere Eingriffe in Hinkunft notwendig werden, geboten. K.A. leide unter einer Schilddrüsenfehlfunktion, die neben einer voraussichtlich lebenslangen Dauermedikation ebenfalls einer regelmäßigen fachärztlichen Kontrolle bedürfe.

 

Aufgrund des Akteninhaltes steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der Volksgruppe der Tschetschenen.

 

Nicht festgestellt werden kann, dass die Berufungswerberin in ihrem Heimatland einer asylrechtlich relevanten Verfolgung ausgesetzt war bzw. ist.

 

Zur Kernfamilie der Beschwerdeführerin gehören ihr Ehegatte, K.M., ihre minderjährige Tochter K.H., und ihre ebenfalls minderjährigen Söhne K.A. und K.I..

 

Festgestellt wird, dass bei der Tochter der Beschwerdeführerin, K.H., ein Ventrikelseptumdefekt besteht, welcher nach einer erfolgreichen Operation weiterhin einer regelmäßigen fachärztlichen Kontrolle des weiteren Verlaufes bedarf.

 

Der Sohn der Beschwerdeführerin, K.A., leidet unter einer Schilddrüsenfehlfunktion, welche ebenfalls eine regelmäßige fachärztliche Kontrolle erforderlich macht.

 

Hinsichtlich der Länderfeststellungen zur Russischen Föderation wird auf die zutreffenden Darlegungen im erstinstanzlichen Bescheid (vgl. S. 7 bis S. 34 des Bescheides) verwiesen (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens VwGH vom 04.10.1995, 95/01/0045, VwGH vom 24.11.1999, 99/01/0280). Bis zum Entscheidungsdatum sind dem Asylgerichtshof keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen der Ländersituation bekannt geworden.

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus folgender Beweiswürdigung.

 

Die Feststellungen zur Person der Berufungswerberin ergeben sich aus ihren diesbezüglich glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren.

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesasylamt hat im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin sowie ihres Ehegatten zu ihren Fluchtgründen unter Berücksichtigung der aktuellen Länderfeststellungen keinesfalls als glaubhaft zu qualifizieren ist. Die Beschwerdeführerin hat angegeben, dass sich ihre Fluchtgründe lediglich auf die Bedrohungen ihres Ehegatten im Herkunftsstaat stützen. Soweit sie im Rahmen ihrer Einvernahme eigene Fluchtgründe, nämlich Übergriffe gegen sie selbst, behauptet, wurde vom Bundesasylamt zutreffend festgehalten, dass ihren Ausführungen ebenso wie den Ausführungen ihres Ehegatten kein Glauben zu schenken ist, zumal sich diese lediglich auf die Vorgänge im Zusammenhang mit den geltend gemachten Übergriffen gegen ihren Ehegatten stützen und gerade auch die Angaben des Ehegatten der Beschwerdeführerin zu den behaupteten Vorfällen im Rahmen einer ausreichenden Beweiswürdigung als unglaubwürdig qualifiziert wurden.

 

Die Beschwerdeführerin war daher nicht in der Lage, glaubhaft, nachvollziehbar und in Einklang mit den Zuständen im Herkunftsstaat darzulegen, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung drohe, und ihr Vorbringen substantiiert zu untermauern.

 

Die Feststellungen zu den Erkrankungen der Kinder der Beschwerdeführerin gründen sich auf die Kopie eines Arztbriefes der Kardiologie des Universitätsklinikums Graz vom 15.01.2008 und einer Übersetzung eines Auszuges eines Arztbriefes des Wissenschaftlichen Herz-Gefäß-Chirurgie-Zentrums, betreffend die Tochter K.H., sowie eines Arztbriefes des Universitätsklinikums Graz vom 29.01.2008 betreffend den Sohn K.A. (vgl AS 199-203), sowie die telefonische Auskunft des behandelnden Arztes der Kinder der Beschwerdeführerin vom 05.09.2008 (vgl. Aktenvermerk beiliegend im Akt des Sohnes der Beschwerdeführerin K.A.).

 

Die Feststellungen zur Situation in Tschetschenien stützen sich auf jene des erstinstanzlichen Bescheids und die dort angeführten Quellen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I. Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Rechtsmittelverfahren gegen einen abweisenden Bescheid. Daher ist das Verfahren der Beschwerdeführerin von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat des Asylgerichtshofes weiterzuführen.

 

Zu Spruchpunkt I

 

Wie bereits vom Bundesasylamt festgestellt, liegt ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG vor. Die Beschwerdeführerin hat jedoch auch eigene Fluchtgründe vorgebracht, die sie auf Übergriffe gegen sie im Rahmen der Verhaftung ihres Mannes stützt.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Der Status eines Asylberechtigten ist einem Fremden somit zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen. Diese liegen vor, wenn sich jemand aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ebenso liegen die Voraussetzungen bei Staatenlosen, die sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn in objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 28.03.1995, Zl. 95/19/0041; VwGH vom 27.06.1995, Zl. 94/20/0836; VwGH vom 23.07.1999, Zl. 99/20/0208; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN; VwGH vom 12.09.2002, Zl. 99/20/0505 sowie VwGH vom 17.09.2003, Zl. 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2003, Zl. 99/01/0256 mwN).

 

Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht zu "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, "The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN sowie VwGH vom 20.09.2004, Zl. 2001/20/0430). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

 

Da die Beschwerdeführerin ihre Gründe nicht hat glaubhaft machen können, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe. Das Bundesasylamt hat in der Begründung des Bescheides vom 15.02.2008, FZ. 06 13.126-BAS, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage hinsichtlich der behaupteten Flüchtlingseigenschaft klar und übersichtlich zusammengefasst und den rechtlich maßgeblichen Sachverhalt in völlig ausreichender Weise erhoben.

 

Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Auch der Beschwerde vermag der Asylgerichtshof keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffene Entscheidung in Frage zu stellen, weshalb die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof unterbleiben konnte, da der maßgebende Sachverhalt durch die Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war (vgl. § 41 Abs. 7 AsylG iVm § 67d AVG idgF).

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur außer Kraft getretenen Regelung des Art. II Abs. 2 lit. D Z 43a EGVG war der Sachverhalt nicht als geklärt anzusehen, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in entscheidenden Punkten nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will (VwGH 2.3.2006, Zl. 2003/20/0317 mit Hinweisen auf VwGH 23.1.2003, Zl. 2002/20/0533; 12.06.2003, Zl. 2002/20/0336).

 

In der Beschwerde hat die Beschwerdeführerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und keinerlei neue Ausführungen zu ihren Fluchtgründen gemacht.

 

Der Beurteilung ihrer Angaben zu ihren Fluchtgründen als unglaubwürdig ist die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde auch nicht entgegen getreten. Die Beschwerdeführerin rügt hingegen insbesondere, dass die Krankheiten ihrer Kinder nicht hinreichend im Verfahren berücksichtigt worden seien und untermauert dieses Vorbringen durch die Vorlage von Arztbriefen, welche diese Erkrankungen bestätigen.

 

Soweit sich die Beschwerdeführerin im Folgenden auf eine Reihe von Feststellungen bzw. Gutachten zur Lage in Tschetschenien stützt, ist ihr entgegen zu halten, dass diese aufgrund ihres Alters im Gegensatz zu den vom Bundesasylamt herangezogenen Quellen, welche vorwiegend aus dem Jahr 2007 stammen, keineswegs als aktuell zu bezeichnen sind. Gerade im Hinblick auf die zitierten Bescheide des Unabhängigen Bundesasylsenates ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die darin verwendeten Länderfeststellungen ausschließlich auf Quellen aus den Jahren 2002 und 2003 beruhen. Die von der Beschwerdeführerin zitierten Berichte sind daher nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit der vom Bundesasylamt herangezogenen auf unbedenklichen Quellen beruhenden Länderfeststellungen in Zweifel zu ziehen.

 

Da das Vorbringen der Beschwerdeführerin somit von der Behörde aufgrund eines mängelfreien umfassenden Ermittlungsverfahrens und einer ausreichenden Beweiswürdigung als unglaubwürdig gewertet wurde, war auf das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht mehr einzugehen.

 

Insgesamt ist somit nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Heimat einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist.

 

Auch aufgrund ihrer Familieneigenschaft war der Beschwerdeführerin kein Asyl zu gewähren, da die Beschwerde des Ehegatten der Beschwerdeführerin, K.M., in Hinblick auf Spruchpunkt I mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 02.10.2008, Zahl D13 319642-1/2008/2E abgewiesen wurde.

 

Somit war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

 

ad II.

 

Wie bereits vom Bundesasylamt festgestellt, liegt ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG vor.

 

§ 34 Abs. 1 AsylG lautet:

 

"Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von

 

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

 

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

 

3. einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz,

 

gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

 

Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, es sei denn,

 

1. dass die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat möglich ist, oder

 

2. dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

 

Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Familienangehörige sind gemäß § 2 Z 22 AsylG, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familiengemeinschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

Entscheidungsrelevante Tatbestandsmerkmale sind "die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art 8 MRK" und der Umstand, dass dieses Familienleben mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht zumutbar ist.

 

Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art 8 MRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention (vgl. EGMR, Urteil v. 13.6.1997, Fall MARCKX, Ser. A, VOL. 31, Seite 14, § 31).

 

Nach dem obzitierten EGMR-Urteil sind sowohl die Beziehungen der Eltern untereinander, als auch jeweils jener Kinder durch Art 8 MRK geschützte familiäre Bande. Bei einer diesbezüglichen Familie ergeben sich die von der MRK-Rechtssprechung zusätzlich geforderten engen Bindungen der Familienmitglieder untereinander aus ihrem alltäglichen Zusammenleben, gemeinsamer Sorge und Verantwortung füreinander, sowie finanzieller und anderer Abhängigkeit.

 

Diese Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall erfüllt.

 

Die Beschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen K.H., sowie des minderjährigen K.A., welchen mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 02.10.2008, Zahl D13 319639-1/2008/2E bzw. D13 319640-1/2008/2E der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Da überdies keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass den Kindern der Beschwerdeführerin ein Familienleben mit der antragstellenden Angehörigen in einem anderen Staat möglich wäre, war der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm. § 34 Abs. 3 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

 

ad III.

 

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen.

 

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG gilt die befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über den Antrag des Fremden vom Bundesasylamt verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

 

Der Asylgerichtshof hat der Beschwerdeführerin mit gegenständlichem Erkenntnis den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, sodass eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG zu erteilen war.

 

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
befristete Aufenthaltsberechtigung, Familienverfahren, Glaubwürdigkeit, subsidiärer Schutz
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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