TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/02 D8 304581-1/2008

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Veröffentlicht am 02.10.2008
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Spruch

D8 304581-0/2008/8E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Gollegger als Vorsitzende und den Richter Mag. Kanhäuser als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Thurner über die Beschwerde der M.E., geb. 00.00.2004, StA. Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. Juli 2006, FZ 04 18.288-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23. September 2008 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und M.E. gemäß § 7 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997-AsylG), BGBl. I Nr. 76/1997, Asyl gewährt. Gemäß § 12 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003, wird festgestellt, dass M.E. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Die Beschwerdeführerin, eine ukrainische Staatsangehörige, ist das am 00.00.2004 in Österreich nachgeborene Kind der M.S.. Sie brachte am 10. September 2004 - vertreten durch ihre Mutter - einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes ein.

 

2. Das Bundesasylamt wies den Antrag mit Bescheid vom 27. Juli 2006, Z 04 18.288-BAW, gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I 76/1997 idF BGBl. I 101/2003, ab (Spruchpunkt I.) und stellte in Spruchpunkt II. fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Ukraine gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. zulässig sei. Da der Kindsvater, ein österreichischer Staatsangehöriger, in Österreich lebt, wurde vom Bundesasylamt nicht über eine Ausweisung abgesprochen.

 

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin - vertreten durch ihre Mutter - fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde) eingebracht.

 

Der Asylgerichtshof führte am 23. September 2008 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die Mutter der Beschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin teilnahm. Ein Vertreter des Bundesasylamtes ist der Verhandlung entschuldigt ferngeblieben.

 

3. Der erkennende Senat des Asylgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 02. Oktober 2008,

 

Z D8 304580-0/2008/9E, der Mutter der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG Asyl gewährt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1.1 Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungs-verfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in den dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesasylamtes, Einvernahme der gesetzlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin in der am 23. September 2008 durchgeführten mündlichen Verhandlung und der Erörterung der in der Verhandlung eingeführten Länderdokumente.

 

1.2 Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest. Sie trägt den Namen M.E., ist am 00.00.2004 geboren. Sie ist die minderjährige Tochter der M.S. und des Y.H., österreichischer Staatsangehöriger.

 

1.3 Die Identität der Beschwerdeführerin konnte aufgrund der Vorlage und im erstinstanzlichen Akt einliegenden unbedenklichen Geburtsurkunde festgestellt werden.

 

2. Rechtliche folgt daraus:

 

2.1 Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetzes, BGBl. I 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I. 100/2005, außer Kraft.

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes

 

(B-VG), BGBl. 1/1930 (WV) idF BGBl. I 2 /2008, ab 01. Juli 2008 die beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiter zu führen. An die Stelle des Begriffs "Berufung" tritt gemäß § 23 des Asylgerichtshofgesetzes (AsylGHG), BGBl. I 4/2008, mit Wirksamkeit ab 01. Juli 2008 der Begriff "Beschwerde". Der Asylgerichtshof tritt in sämtlichen Verfahren, somit auch in jenen Verfahren, die nach dem AsylG 1997 weiterzuführen sind, an die Stelle des unabhängigen Bundesasylsenates (vgl. dazu AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

Gemäß § 22 Abs. 1 des Art. 2 des Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetzes, BGBl. I 100/2005 in der Fassung BGBl. I 4/2008 (AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008), ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

zurückweisende Bescheide

 

wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5;

 

wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG und

 

die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG,

 

BGBl. 1/1930 dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 -VwGG, BGBl. 10, nichts anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft. Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 - AsylG), BGBl. I 76/1997 tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft

 

(§ 73 Abs. 2 AsylG 2005).

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I 4/2008, sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen.

 

§ 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen. Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997, BGBl. I 76/1997 idF BGBl. I 101/2003, werden Asylanträge, die ab dem 1. Mai 2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I 76/1997 in der jeweils geltenden Fassung geführt.

 

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren, das gemäß

 

§ 61 Abs. 1 AsylG 2005 idF 2008 von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat zu entscheiden ist.

 

2.2 Gemäß § 3 Abs. 1 1. Satz AsylG 1997, BGBl. I 76/1997, begehren Fremde, die in Österreich Schutz vor Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) suchen, mit einem Asylantrag die Gewährung von Asyl.

 

Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich infolge von vor dem 01. Jänner 1951 eingetretenen Ereignissen aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl. I 76/1997, hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung

 

(Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in

 

Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG 1997 zugrundeliegenden, in

 

Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 19.04.2001, 99/20/0273).

 

2.3 Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 1997, BGBl. I 76/1997 idF BGBl. I 101/2003, stellen Familienangehörige (§ 1 Z 6) eines Asylberechtigen, eines subsidiär Schutzberechtigten oder eines Asylwerbers einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Für Ehegatten gilt dies überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den ersten Asylantrag eingebracht hat. Gemäß § 10 Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Asylberechtigten mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist. Gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 1997 hat die Behörde Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Dies ist entweder die Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz, wobei die Gewährung von Asyl vorgeht, es sei denn alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Antragsteller erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Gemäß § 1 Z 6 AsylG 1997 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes, minderjähriges Kind (Kernfamilie) eines Asylwerbers oder eines Asylberechtigten ist.

 

2.4 Im vorliegenden Fall wurde der Mutter der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl. I 76/1997, Asyl gewährt. Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführerin die Fortsetzung des bestehenden Familienlebens mit ihrer Mutter in einem anderen Staat möglich wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Es war daher schon aus diesem Grund spruchgemäß Asyl zu gewähren. Gemäß § 12 AsylG 1997, BGBl. I 76/1997 idF

 

BGBl. I 101/2003, war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Beschwerdeführerin damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Familienverfahren
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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