TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/03 A12 224271-0/2008

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Veröffentlicht am 03.10.2008
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Spruch

A12 224.271-0/2008/17E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des C.A., geb. 00.00.1984, StA. v.

Guinea, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.09.2001, Zahl:

00 17.448-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.01.2005 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde von C.A. wird stattgegeben und C.A. gemäß § 7 AsylG 2003 Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg.cit. wird festgestellt, dass C.A. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.1. Der Berufungswerber ist Staatsangehöriger von Guinea. Er reiste am 11.12.2000 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte noch am selben Tag einen Asylantrag gemäß § 3 AsylG. Die niederschriftliche Einvernahme des im Betreff Genannten fand am 15.03.2001 vor dem Bundesasylamt statt.

 

Der Antragsteller brachte im Wesentlichen vor, dass 2000 sein Elternhaus durch Militärangehörige zerstört worden sei; dies aus dem Grunde, dass sein Vater verdächtigt worden sei, in seinem Haus Rebellen zu empfangen. Er selbst sei zum genannten Zeitpunkt nicht im Haus gewesen. Seinen Vater habe er nicht mehr wiedergesehen. Selbst habe er das Land verlassen, da er befürchtete, ebenfalls von Militärangehörigen festgenommen oder umgebracht zu werden.

 

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.09.2001, Zl. 00 17.448-BAT, wurde der Antrag gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gleichzeitig festgestellt, dass gemäß § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Berufungswerbers nach Guinea zulässig ist (Spruchpunkt II.).

 

3. Gegen diese Entscheidung erhob der im Betreff Genannte fristgerecht und zulässig Beschwerde.

 

II. Am 12.01.2005 fand vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der im Betreff Genannte sowie eine Dolmetscherin für die französische Sprache teilnahmen. Das Bundesasylamt wurde ordnungsgemäß geladen, verzichtete jedoch auf eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.

 

Beweis wurde erhoben durch Einvernahme des Berufungswerbers als Partei und Einsicht in die Verwaltungsakte.

 

Anlässlich der mündlichen Verhandlung bestätigte der Asylwerber seine vor dem Bundesasylamt vorgebrachten Verfolgungsbehauptungen.

 

III. Zur Person des Berufungswerbers wird folgendes festgestellt:

 

Der Antragsteller ist Staatsangehöriger von Guinea sowie Angehöriger der Volksgruppe der S.. Der Antragsteller spricht muttersprachlich Peul sowie Französisch.

 

Das Elternhaus des Antragstellers in der guineischen Hauptstadt Conakry wurde 2000 von Militärangehörigen angegriffen und zerstört. Über das Schicksal seiner Eltern befindet sich der Antragsteller in Unkenntnis. Dem Vater des Antragstellers wurde zum vormaligen Zeitpunkt unterstellt, an einer sich gegen den vormaligen Präsidenten Guineas richtenden Rebellion beteiligt gewesen zu sein. Einen Tag nach dem Überfall auf das Elternhaus des Antragstellers verließ dieser, aus Furcht selbst Opfer militärischer Gewalt zu werden, seinen Herkunftsstaat.

 

Zur politischen und menschenrechtlichen Situation in Guinea werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Guinea ist eine Republik mit starker Machtkonzentration auf Seiten des Präsidenten. Innenpolitisch neigt die Regierung unter Führung des Staatspräsidenten Lansana Conte dazu, die Tätigkeit der Oppositionsparteien, insbesondere der Partei RPG, einzuschränken. Im November 2001 kam es nach einer Volksabstimmung zu einer Verfassungsänderung dahingehend, dass der nunmehrige Präsident Conte bei Präsidentschaftswahlen neuerlich kandidieren und das Amt des Staatspräsidenten solcher Art zeitlich unbegrenzt ausüben kann. Auf Grundlage dieser Verfassungsänderung wurde Conte im Dezember 2003 neuerlich zum Staatspräsidenten gewählt. Die Wahl wurde jedoch von den meisten Oppositionsgruppen boykottiert. Es kam in verschiedenen Fällen zu Übergriffen der Sicherheitskräfte gegen Privatpersonen; die Verantwortlichen werden vielfach nicht zur Rechenschaft gezogen.

 

Die allgemeine politische Situation in Guinea ist durch das Bemühen der Regierung gekennzeichnet, ein Übergreifen der Auseinandersetzungen in Liberia und (in mittlerweile eingeschränktem Ausmaß auch) in Sierra Leone auf das Staatsgebiet von Guinea zu verhindern. Die Armee konnte die betroffenen Landesteile (Südosten von Guinea ) weitgehend unter Kontrolle bringen.

 

In den Jahren 2000 und 2001 erfolgten Übergriffe durch RUF (Revolutionary United Front) Rebellen aus Sierra Leone und bewaffneter Gruppen aus Liberia, diese forderten hunderte Tote sowohl auf Seiten der Zivilisten als auch der Sicherheitskräfte forderten. Im Dezember 2000 wurde Guekedou und Kissidougou attackiert, etwa 100 Zivilisten wurden getötet und Tausende vertrieben. Im Februar 2001 wurde Guekedou bei einem neuerlichen Angriff der RUF fast vollständig zerstört.

 

Durch die RUF wurde unter anderem das Krankenhaus, die Verwaltung und die Wasser- und Energieversorgung der Stadt zerstört.

 

Es kommt immer wieder zu Übergriffen von Sicherheitskräften, die oft straflos bleiben. Gemäß dem US Department of State wurden im Jahr 2005 fünf Personen durch die Sicherheitskräfte getötet. Sowohl zivile als auch militärische Sicherheitskräfte foltern und misshandeln Zivilisten. Die Gefängnisbedingungen gelten als unmenschlich und lebensbedrohend. Es kommt zu willkürlichen Verhaftungen und zu sehr langen Anhaltungen vor Durchführung des Strafprozesses, dies trotz des in der Verfassung verankerten Verbotes willkürlicher Verhaftung und Anhaltung.

 

Wiewohl die Verfassung Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Bestrafung verbietet, ist gemäß Human Rights Watch die Anwendung von Folter durch die

 

Sicherheitskräfte zur Erlangung eines Geständnisses an der Tagesordnung. Viele Betroffene berichten davon, gefesselt an Händen oder Füssen aufgehängt und geschlagen worden zu sein.

 

Wenige Opfer bringen diese Misshandlungen durch die Polizei vor Gericht vor. Von den Richtern sollen diese Beschwerden ignoriert worden sein.

 

V. Beweiswürdigend wird festgestellt:

 

Die Feststellungen zur Person des Berufungswerbers ergeben sich aus seinen Angaben im Verfahren und der im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Dokumente.

 

Der Antragsteller hat seine Verfolgungsbehauptung vor dem Bundesasylamt und dem Unabhängigen Bundesasylsenat im Wesentlichen übereinstimmend vorgebracht und es war ihm möglich, aufgetretene Unschärfen zu bereinigen. Sein Auftreten und das Beantworten der an ihn gerichteten Fragen war glaubhaft und vermittelte er vor der Berufungsbehörde den Eindruck, die geschilderten Vorkommnisse tatsächlich erlebt zu haben. Seine Angaben stehen auch in Einklang mit den getroffenen Feststellungen zur Situation in der Russischen Föderation und ist somit der negativen Beurteilung einer Verfolgungsgefahr des im Betreff Genannten in seinem Heimatland nicht zu folgen. Der Asylwerber hat in der mündlichen Berufungsverhandlung seine Erlebnisse und die damit verbundene Bedrohungssituation im Wesentlichen gleichlautend beschrieben, wie gegenüber der belangten Behörde. Aufgrund der dazu vorgelegten Beweismittel, widerspruchsfreien Angaben und detaillierten Beantwortung sämtlicher an ihn gerichteten Fragen auf eine logisch nachvollziehbare Weise ist letztlich davon auszugehen, dass die von ihm ins Treffen geführten Ereignisse tatsächlich erfolgt sind.

 

VI . Rechtliche Beurteilung:

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 75 Abs. 7 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

1.

 

Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

2.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

3.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Gem. § 75 Abs. 1 erster Satz, AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 101/2003 werden Asylanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetztes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt. Nach § 44 Abs.3 AsylG sind die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 5 und 6,36,40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 auch auf solche Verfahren anzuwenden.

 

Gem. § 124 Abs. 2 des ebenfalls mit 1.1.2006 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen wird, an deren Stelle die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt des aus Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. Zurechnungssubjekt der Verfolgungsgefahr ist der Heimatstaat bzw. bei Staatenlosen der Staat des vorherigen gewöhnlichen Aufenthaltes. Daher muss die Verfolgungsgefahr (bzw. die wohlbegründete Furcht davor) im gesamten Gebiet des Heimatstaates des Asylwerbers bestanden haben (VwGH 9.3.1999, 98/01/0370; VwGH 14.10.1998, 98/01/262).

 

2. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Guinea mit Verfolgung durch guineische Behörden rechnen müsste. Die dargestellte Bedrohung der Freiheit, der körperlichen Integrität und des Lebens des Antragstellers weist unzweifelhaft asylrelevante Intensität auf.

 

3. Die für den Asylwerber bestehende Verfolgungsgefahr geht von den Sicherheitskräften Guineas aus, in deren Blickfeld er aufgrund seiner Familienzugehörigkeit gelangt ist. Aufgrund der Tatsache, dass dem leiblichen Vater des Antragstellers konspirative, sich gegen die staatlichen Autoritäten richtende Tätigkeit unterstellt wurde und die Kernfamilie des Antragstellers bereits Sanktionen zu erdulden hatte, war davon auszugehen, dass sich der Antragsteller jedenfalls in wohlbegründeter Furcht vor auch ihn selbst treffender politisch motivierter Verfolgung befindet. Die diesbezügliche Einschätzung wird durch die obigen Feststellungen zur Allgemeinsituation in Guinea bekräftigt.

 

4. Zu einer möglichen inländischen Fluchtalternative ist festzuhalten, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (vgl. VwGH vom 8.10.1980, Slg Nr 10.255/A). Die für den Berufungswerber bestehende Verfolgungsgefahr geht von staatlicher Seite aus. Da das Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben hat, dass die Ausübung der Staatsgewalt durch Guinea auf ein bestimmtes geographisches Gebiet beschränkt ist, gibt es keine Landesteile im Heimatstaat des Berufungswerbers, in denen der von ihm zu befürchtende Schaden nicht eintreten kann.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung, Familienverband, gesamte Staatsgebiet, politische Gesinnung, Verfolgungsgefahr
Zuletzt aktualisiert am
10.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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