TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/07 E12 267226-0/2008

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Veröffentlicht am 07.10.2008
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Spruch

E12 267.226-0/2008-6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Vorsitzende und den Richter Dr. Markus STEININGER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Mittermayr über die Beschwerde des M.A., geb. 00.00.1964, StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.12.2005, FZ. 05 05.149-BAT, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Der bekämpfte Bescheid wird behoben und die Angelegenheit gem. § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Armenien und Angehöriger der dortigen Mehrheitsethnie, stellte am 12.04.2005 beim Bundesasylamt (BAA) einen Asylantrag.

 

Dazu wurde er zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahmen ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb hierauf verwiesen wird. Als Begründung für das Verlassen seines Herkunftsstaates brachte er im Wesentlichen vor, der Bürgermeister von A. - seiner Heimatstadt - habe ihm sein Geschäft wegnehmen wollen. Nachdem sein Sohn von dessen Männern entführt worden sei, habe er schließlich dem Bruder des Bürgermeisters sein Geschäft überschrieben, um seinen Sohn wieder freizubekommen. Anzeigen bei der Polizei bzw. beim zuständigen Gericht wären ergebnislos verlaufen, nachdem dort der Name des Bürgermeisters gefallen sei.

 

Bei der damaligen Wahl zum Bürgermeister habe der BF den Gegenkandidaten unterstützt. Ihm seien Manipulationen während der Wahl aufgefallen und er habe das aufgezeigt, worauf er massivst bedroht worden sei. Der Bürgermeister habe sein Geschäft deshalb haben wollen, weil er bei der Wahl den Gegenkandidaten unterstützt habe. Im Zuge der Versuche, ihm sein Geschäft abzunötigen, sei er einmal auch zusammengeschlagen worden und sei anschließend eine Woche im Krankenhaus gelegen.

 

Der Asylantrag wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 07.12.2005, FZ. 05 05.149-BAT, gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Armenien für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien verfügt (Spruchpunkt III.).

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung ging die belangte Behörde erkennbarer Weise davon aus, dass das Vorbringen des BF glaubhaft sei und legte es der weiteren Beurteilung zu Grunde. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung stellte das BAA fest, dass kein asylbegründender Sachverhalt vorliege.

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 03.01.2006 innerhalb offener Frist Berufung [jetzt Beschwerde] erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (vgl. VwGH v. 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

Im Wesentlichen wurde im Beschwerdeschriftsatz vorgebracht, dem BF sei keine Gelegenheit gegeben worden zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, entgegen der Meinung der Erstbehörde drohe ihm sehr wohl Verfolgung im Sinne der GFK und entspreche ebenso die Refoulemententscheidung nicht der gesetzlichen Lage. Mit Scheiben vom 24.01.2006 wurde eine ergänzende Stellungnahme zur Berufung nachgereicht.

 

Hinsichtlich des weiteren Verfahrensherganges bzw. des Vorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Der AsylGH hat durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und Folgendes festgestellt:

 

1. Das BAA hatte - nach dem es das Vorbringen des BF erkennbar für glaubhaft erachtete - keinen asylbegründenden Sachverhalt feststellen können. Der Bescheid leidet aber an mangelhafter Sachverhaltsermittlung und unschlüssiger Beweiswürdigung.

 

1.1. Der BF hatte Verfolgung durch den Bürgermeister seiner Heimatstadt behauptet. Dieser habe ihm sein Geschäft wegnehmen wollen und schließlich sein Ziel erreicht, als der BF dem Bruder des Bürgermeisters dieses Geschäft übertrug, um seinen entführten Sohn freizubekommen. Sein Verfolger handelte dem Vorbringen des BF nach einerseits als Geschäftsmann, war andererseits aber auch Bürgermeister und damit staatliches Organ. Dieser habe das Geschäft des BF deshalb haben wollen, weil er den Gegenkandidaten [bei der Bürgermeisterwahl] unterstützt hatte. Damit wäre aber Verfolgung aus einem asylrelevanten Grund gegeben - durch ein Organ des Staates (Bürgermeisters) aus einem asylrelevanten Motiv (andere politische Gesinnung). Insofern ist die Feststellung des BAA, der BF habe sein Heimatland aufgrund von Problemen mit einer Privatperson verlassen, jedenfalls fragwürdig.

 

Der BF hatte auch vorgetragen, er sei als Vertrauensperson für den Gegenkandidaten des Bürgermeisters zuständig gewesen. In einem Wahllokal habe er bemerkt, dass die Männer von "R." [dem späteren Bürgermeister] die Wahl manipuliert hätten. Sie hätten mehrere Stimmzettel in die Urne geworfen. Er sei selbstverständlich als Vertrauensperson dazwischen gegangen. Er sei jedoch von diesen Personen massivst bedroht worden. Diese hätten gesagt, dass er sich ruhig verhalten solle, ansonsten sie ihn töten würden. Diesbezüglich hätte der Sachverhalt weiter erhellt werden müssen und nachgefragt werden müssen, in welcher Eigenschaft er dort im Wahllokal anwesend gewesen sei (als Mitglied der Wahlkommission?) und warum niemand bei dieser erheblichen Drohung (der sonst anwesenden Personen?) eingeschritten ist. Diese Umstände wären zu eruieren gewesen, um die Plausibilität und damit die Glaubwürdigkeit seines diesbezüglichen Vorbringens beurteilen zu können. Es wäre auch nachzufragen gewesen, aufgrund welcher (weiterer?) Manipulationen "R." die Wahl gewonnen habe. Insofern - um beurteilen zu können, ob der BF aus politischen Gründen vom Bürgermeister verfolgt wurde - wäre einerseits der Sachverhalt genauer zu ermitteln gewesen und andererseits seine Angaben näher zu prüfen gewesen, ob sie plausibel und damit glaubhaft sind. In diesem Zusammenhang hätten auch die grundsätzlichen Kompetenzen eines Bürgermeisters (in einer Stadt wie A.) erhoben werden müssen, beispielsweise, ob er über Kompetenzen auf dem Gebiet des Sicherheitswesens verfügt und damit Einfluss auf die Sicherheitsorgane ausüben kann. Der Sachverhalt wurde also zu unergiebig ermittelt und ist insoweit ergänzungsbedürftig.

 

Gelangt man allerdings - nach vollständiger Sachverhaltsermittlung und Würdigung des Vorbringens des BF als glaubwürdig - zum Ergebnis, dass dennoch eine Bedrohung durch Private (aus asylrelevanten Motiven) vorliegt, so sind in diesem Falle Feststellungen dazu erforderlich, ob die (dortigen) staatlichen Maßnahmen im Ergebnis dazu führen, dass der Eintritt eines asylrechtlich relevante Intensität erreichenden Nachteils aus der von dritter Seite ausgehenden Verfolgung nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH, E v. 01.09.2005, Zl. 2005/20/0357).

 

1.2. Das Bundesasylamt führte im angefochtenen Bescheid an, dass die Polizei dem BF -gegen Übergriffe durch Private - Schutz biete, ohne aber dies mit korrespondierenden Feststellungen belegen zu können. Im bekämpften Bescheid wurden Feststellungen, insbesondere solche zur Sicherheitslage, zur Situation der Sicherheitsbehörden und der Sicherheitsorgane, nicht getroffen.

 

Stattdessen führt das Bundesasylamt aus, dass der Umstand, dass dem Beschwerdeführer die Polizei (behaupteter Weise) Hilfe nicht zu kommen lasse, nicht darauf schließen lassen könne, dass der Staat grundsätzlich nicht gewillt sei, dem Beschwerdeführer Schutz zukommen zu lassen, umso mehr auch davon auszugehen sei, dass in anderen Landesteilen (gebieten) die Polizei sehr wohl Schutz biete. Wenn aber das Vorbringen des BF als glaubhaft erachtet wird und er angibt, die Polizei habe ihm keine Hilfe zukommen lassen, so lässt das - ohne entsprechende entgegenstehende Feststellungen zum Herkunftsland des BF - eben doch darauf schließen, dass der Staat nicht gewillt ist, ihm entsprechenden Schutz zukommen zu lassen. Unklar ist auch die Aussage darüber, dass davon auszugehen sei, dass die Polizei ihm in anderen Landesteilen sehr wohl Schutz biete (man könnte daraus auch den Schluss ziehen, dass die Polizei ihm in seiner Heimatstadt eben diesen Schutz nicht bietet).

 

Ohne entsprechende Länderfeststellungen werden Wertungen, wie sie das BAA trifft, zur Spekulation.

 

Nähere Feststellungen über die dortigen Sicherheitsbehörden und -organe sind aber auch aus einem weiteren Grund erforderlich. Der BF hatte behauptet, weil er keine Dokumente habe vorweisen können bzw. keine Beweise hätte, habe die Polizei [als er Anzeige erstatten wollte] zu ihm gesagt, dass sie nichts tun könnten. Diese Aussage wäre näher auf ihre Plausibilität zu überprüfen gewesen (weil Erpresser oder Entführer regelmäßig keine Bestätigungen über ihre Taten ausstellen und auch die Aussagen der Opfer Beweise darstellen), wozu aber entsprechende Feststellungen über die dortigen Sicherheitsbehörden und Sicherheitsorgane notwendig gewesen wären.

 

1.3. Das Vorbringen wäre weiters noch im Hinblick auf die bezeichnete Geschäftsüberschreibung zu erhellen gewesen, insbesondere ob die bezeichnete Übergabe gemäß den dortigen rechtlichen Vorgaben (ev. Notariatsakt erforderlich?) erfolgte.

 

1.4. Schließlich ist noch auf einen Widerspruch in den Aussagen des BF hinzuweisen. So hatte der BF behauptet, er habe sich [mit seinem Anliegen] an einige Anwälte gewandt (vgl. Seite 11 des Bescheides), später die Frage, an wie viele Anwälte er sich gewandt habe, aber mit "zwei" beantwortet. Unter einige versteht man aber gemeinhin jedenfalls mehr als zwei und ist seine Aussage insoweit widersprüchlich. Dieser Widerspruch wurde auch nicht aufgegriffen.

 

Aufklärungsbedürftig erscheint auch die Aussage, er habe in Beslan [Anm.: in der russischen Föderation] bleiben wollen, jedoch sei es nicht möglich gewesen, in dieser Stadt zu bleiben (vgl. Bescheid Seite 7). Diese Aussage wäre näher zu hinterfragen gewesen, vor allem vor dem Hintergrund, dass anzunehmen ist, dass er dort - in der russischen Föderation - ja vor seinen Verfolgern sicher sein konnte.

 

1.5. Eine abschließende schlüssige Beurteilung des Vorbringens des BF wird erst nach Vervollständigung der Länderdokumentation möglich sein, da vorher das individuelle Vorbringen zum objektiven Sachverhalt laut Länderdokumentation nicht in Relation gesetzt werden kann.

 

1.6. Das Bundesasylamt erachtete das Vorbringen des BF als glaubwürdig, ließ eine diesbezügliche nähere Begründung aber vermissen. Aus den vorangeführten Gründen ist die Beweiswürdigung der Erstbehörde - das Vorbringen des BF sei glaubhaft - nicht schlüssig.

 

Das Bundesasylamt hat es verabsäumt, den Sachverhalt umfassend zu ermitteln und nachvollziehbar darzulegen, warum ganz konkret welcher Teil des Vorbringens aufgrund welcher Erwägung als glaubwürdig bzw. nicht glaubwürdig angenommen wird.

 

2. Im Beschwerde(Berufungs)schriftsatz rügt der BF die Nichtgewährung des Parteiengehörs und ist damit im Recht.

 

Es hätte einer Konfrontation der Partei mit dem amtswegig zu ermittelnden Sachverhalt und den diesbezüglichen Beweismitteln bedurft. Dem Berufungswerber wurde aber im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens weder mitgeteilt, wie die Behörde beabsichtige über seinen Asylantrag zu entscheiden, noch wurden ihm die entsprechenden Länderfeststellungen vorgehalten. Wenn das Ermittlungsergebnis dem Berufungswerber aber nicht vollinhaltlich zur Kenntnis gebracht worden ist, so hatte er diesbezüglich keine Möglichkeit, sich insoweit dagegen zu äußern.

 

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen. Den Parteien ist das Ergebnis der behördlichen Beweisaufnahme in förmlicher Weise zur Kenntnis zu bringen und ausdrücklich unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit zu geben, zu diesen Ergebnissen Stellung zu nehmen (VwGH 05.09.1995, Zl. 95/08/0002). Gegenstand des Parteiengehörs sind sämtliche Ergebnisse der Beweisaufnahme. Auch soweit die Behörde bestimmte Tatsachen als offenkundig behandelt, ist dies der Partei bekannt zu geben (VwGH 17.10.1995, Zl. 94/08/0269). Gemäß der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 27.02.2003, Zl. 2000/18/0040) ist die Verletzung des Parteiengehörs zwar saniert, wenn im Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt werden und die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung dagegen Stellung zu nehmen - Voraussetzung einer solchen Sanierung ist aber, dass in der erstinstanzlichen Bescheidbegründung tatsächlich alle Beweisergebnisse dargelegt werden, da ansonsten die Berufungsbehörde das Parteiengehör einräumen müsste (VwGH 25.03.2004, Zl. 2003/07/0062). Durch die genannten fehlenden Sachverhaltsermittlungen sowie die fehlenden Länderfeststellungen und die unschlüssige Beweiswürdigung ist dieses Erfordernis aber mit Sicherheit nicht erfüllt.

 

Ebenso wird darauf hingewiesen, dass die Gewährung des Parteiengehörs mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Stellungnahme des Berufungswerbers zu Folge hätte, welche wiederum ein wesentliches Bescheinigungsmittel zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes darstellen kann und von der Behörde amtswegig herbeizuschaffen sein wird.

 

Aufgrund der oa. Erwägungen ist letztlich festzustellen, dass das Bundesasylamt seine neuerliche Entscheidungsfindung auf im Sinne der oa. Ausführungen aktuelle und nachvollziehbare und umfassende Quellen zu stützen haben wird, deren nicht notorisch bekannten Teile dem Berufungswerber im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis zu bringen sein werden.

 

III. Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:

 

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof anhängige Verfahren über Beschwerden gegen Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates sind von diesen mit der Maßgabe weiterzuführen, dass als belangte Behörde der Asylgerichtshof gilt.

 

Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gem. § 75 (1) des Asylgesetzes 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Da das gegenständliche Verfahren zu obgenanntem Zeitpunkt anhängig war, ist es sohin nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 idgF zu Ende zu führen.

 

Nunmehr wurde durch den oben zitierten § 23 AsylGHG das AVG, und damit mangels anderslautenden Bestimmungen im BV-G, VwGG und AsylG 2005 auch § 66 AVG für anwendbar erklärt. Zu den allgemein im Verfahren vor dem Asylgerichtshof anzuwendenden Vorschriften vergleiche das hg. Erkenntnis vom 12.08.2008, C5 251.212-02/2008.

 

Das erkennende Gericht ist berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278), weshalb im gegenständlichen Fall im bereits genannten Umfang auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen wird.

 

Ebenso ist das erkennende Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Auch der AsylGH (vorher UBAS) ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084). Eine kassatorische Entscheidung darf von der Berufungsbehörde nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa VwGH v. 14.03.2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG siehe VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084).

 

Im Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 führte der VwGH zur Frage der Gesetzmäßigkeit der Ermessungsübung im Sinne des § 66 Abs. 2 und 3 AVG folgendes aus:

 

"Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet, wobei der belangten Behörde die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" zukommt (Art. 129c Abs. 1 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.

 

Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes - freilich immer unter ausreichender Bedachtnahme auf das Interesse der Partei an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch einzubeziehen. Unter dem Blickwinkel einer Kostenersparnis für die Partei ist dabei vor allem auch zu beachten, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstelle in den Bundesländern erfolgt, während der unabhängige Bundesasylsenat (jetzt AsylGH) - anders als bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern, für die Vergleichbares auf Landesebene gilt - als zentrale Bundesbehörde in Wien eingerichtet ist (vgl. auch zu das bereits erwähnte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl.2000/20/0084)."

 

Auch wenn der AsylGH eine Außenstelle in Linz einrichtete, ist auszuführen, dass aufgrund des organisatorischen Aufbaues des AsylGH und des Bundesasylamtes, sowie aufgrund des Aufenthaltsortes des BF und der Geschäftsverteilung des AsylGH für das Jahr 2008 eine Weiterführung des Verfahrens durch den AsylGH im Sinne des § 66 (3) AVG nicht mit einer Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht im erforderlichen Ausmaß ermittelt und gründen sich die Feststellungen des Bundesasylamtes zu seinem Fluchtvorbringen auf eine unschlüssige Beweiswürdigung. Es wird daher Sache des Bundesasylamtes sein, die gebotenen Ermittlungstätigkeiten (incl. die fehlenden Länderfeststellungen) im bereits erörterten Umfang nachzuholen.

 

Enthält - wie im gegenständlichen Fall - der Bescheid eine nicht auf den sonstigen Inhalt abgestimmte schlüssige Beweiswürdigung, so führt dies in weiterer Folge dazu, dass auch die hierauf aufbauenden Feststellungen letztlich auf einem mangelhaften Verfahren fußen und das Ermittlungsverfahren in seiner Gesamtheit als mangelhaft anzusehen ist. Hätte das Bundesasylamt die Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung erkannt, hätte es weitere Erhebungen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes getätigt, wozu auch eine weitere Befragung des BF, bzw. eine Konfrontation des BF mit dem Ergebnis der Erhebungen erforderlich gewesen wäre.

 

Im Rahmen der nachzuholenden Ermittlungstätigkeiten wird das Bundesasylamt auch den BF ein weiteres Mal zu befragen haben. Ebenso wird es dem BF das Ermittlungsergebnis zur Kenntnis zu bringen und ihm die Gelegenheit einzuräumen zu haben, sich hierzu zu äußern und ihm hinsichtlich der der Entscheidung zu Grunde liegenden Quellen das Parteiengehör zu gewähren haben. In weiterer Folge wird das BAA das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer schlüssigen Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen zu haben, welche als Basis für die rechtliche Beurteilung dienen.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
28.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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