TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/07 B8 302040-1/2008

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Veröffentlicht am 07.10.2008
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Spruch

B8 302.040-1/2008/7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 iVm § 75 Abs. 7 Ziffer 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008, (AsylG 2005) und 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Beisitzer über die Beschwerde des C.A., geb. 00.00.1978, StA. Republik Kosovo, vom 30.05.2006 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.05.2006, Zahl: 05 18.290-BAT, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde von C.A. wird gemäß § 7 AsylG abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 57 des Fremdengesetzes, BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG) idF BGBl. I Nr. 126/2002, wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von C.A. in die Republik Kosovo zulässig ist.

 

III. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wird C.A. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

Der Berufungswerber (in der Folge Beschwerdeführer genannt) brachte vor, Staatsangehöriger von Serbien (vormals Serbien und Montenegro) und Angehöriger der albanischen Volksgruppe aus der vormaligen Provinz Kosovo (nunmehr Republik Kosovo) zu sein, den im Spruch angeführten Namen zu führen und am 30.10.2005 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist zu sein. Er stellte am selben Tag in Österreich einen Antrag auf Gewährung von Asyl.

 

Am 07.11.2005 und am 03.04.2006 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesasylamt jeweils im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin der albanischen Sprache niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dieser Einvernahmen brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor:

 

Einvernahme am 07.11.2005:

 

Dem Asylwerber werden die anwesenden Personen vorgestellt und er wird über den Ablauf des Verfahrens in der Erstaufnahmestelle informiert.

 

Die Dolmetscherin wurde gem. § 52 Abs. 4 AVG bestellt und beeidet.

 

Meine Muttersprache ist Albanisch und ich bin damit einverstanden, dass die Einvernahme in dieser Sprache durchgeführt wird.

 

F: Wie ist die Verständigung mit der Dolmetscherin?

 

A: Die Verständigung ist gut.

 

F: Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen aus Gründen einer möglichen Befangenheit oder aus anderen Gründen Einwände?

 

A: Nein.

 

F: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, die Befragung zu absolvieren?

 

A: Ja.

 

Der Asylwerber erklärt auf Nachfrage, dass ihm die Orientierungsinformation, das Merkblatt zum Asylverfahren und die Informationsblätter zur Dublin II VO und zur EURODAC-VO ausgefolgt wurden, dass er diese Informationen zur Kenntnis genommen und verstanden hat und dass er dazu keine weiteren Fragen hat. Auf die Möglichkeit der Kontaktnahme mit und der Beiziehung zur Einvernahme von Flüchtlingsberater, Rechtsberater, Vertreter und Vertrauensperson wird der Asylwerber hingewiesen.

 

Erklärung: Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, dass Ihre Angaben im Asylverfahren vertraulich behandelt und keinesfalls an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet oder öffentlich gemacht werden. Weiters werden Sie darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben die Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren sind, dass Sie verpflichtet sind, wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zu machen und dass diesen Angaben in der Erstaufnahmestelle eine verstärkte Glaubwürdigkeit zukommt.

 

Im Besonderen weise ich darauf hin, dass Ihr Asylantrag zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden kann, wenn Sie die Asylbehörde über Ihre wahre Identität, Ihre Staatsangehörigkeit oder die Echtheit Ihrer Dokumente täuschen. Sollten Sie im bisherigen Verlauf Ihres Asylverfahrens unrichtige Angaben zu Ihrer Person oder zu Ihrem Herkunftsland gemacht haben, oder sollten Sie gefälschte oder verfälschte Dokumente vorgelegt haben, so haben Sie nun nochmals die Gelegenheit, dies bekannt zu geben oder richtig zu stellen.

 

F: Möchten Sie diesbezüglich zu Ihrer Person oder zu allfällig vorgelegten Dokumenten etwas berichtigen, ergänzen oder richtig stellen?

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie Ihren schriftlichen Asylantrag selbständig ausgefüllt?

 

A: Ja.

 

F: Laut Ihrer Geburtsurkunde wurden Sie am 00.00.1978 geboren. Warum haben Sie bei Ihrem schriftlichen Asylantrag als Ihr Geburtsdatum sodann den 00.00.1978 angegeben?

 

A: Ich habe einen Fehler gemacht, weil ich sehr müde war. Im Anschluss habe ich das Datum aber sofort korrigiert.

 

F: Haben Sie Beweismittel oder identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen können?

 

A: Ich lege meine Geburtsurkunde vor.

 

Anmerkung: Kopie des Dokumentes im Akt des Asylwerbers.

 

F: Befinden sich in Ihrem Herkunftsland noch weitere Beweismittel oder identitätsbezeugende Dokumente?

 

A: Ich habe zu Hause noch einen UNMIK-Reisepass, welcher mir im Jahre 2004 in Decan ausgestellt wurde. Weiters habe ich zu Hause noch meinen UNMIK- Personalausweis.

 

Anmerkung: Sie werden aufgefordert, sich die von Ihnen zuvor angegeben Dokumente ehebaldigst nach Österreich schicken zu lassen und dem Bundesasylamt sodann vorzulegen!

 

A: Ja.

 

F: Geben Sie bitte die konkrete Reiseroute von Ihrem Heimatland bis nach Österreich an, beginnend mit dem Tag, an welchem Sie sich letztmalig an der von Ihnen angegebenen Adresse in Ihrem Heimatland befunden haben?

 

A: Ich war zuletzt in S., Decan, aufhältig. Von dort bin ich am 28.10.2005 mit einem Bus über mir unbekannte Länder, schlepperunterstützt, nach Österreich gefahren, wo ich am 30.10.2005 illegal eingereist bin. Zweimal insgesamt musste ich eine Wegstrecke auch zu Fuß zurücklegen. Das erste Mal bin ich für ca. 6 Stunden und das zweite Mal für ca. 1 Stunde zu Fuß unterwegs gewesen. Für die Reise habe ich 3.500,-- EURO bezahlt.

 

F: Über welchen Staat reisten Sie in das EU- Gebiet ein?

 

A: Das weiß ich nicht. Der Bus war geschlossen. Ich war im hinteren Bereich des Busses versteckt.

 

F: Befinden Sie sich nun zum ersten Mal im Ausland?

 

A: Nein. Ich war bereits in Deutschland, aber nur für zwei Tage. Das war während des Krieges. Ich habe nur meine Familie nach Deutschland gebracht und kehrte sodann nach 2 Tagen wieder in meine Heimat zurück um meine im Krieg gefallenen Brüder zu finden.

 

F: Haben Sie in einem anderen Land um Asyl angesucht?

 

A: Ich kann es nicht genau sagen. Als ich meine Familie illegal nach Deutschland brachte wurden auch meine Fingerabdrücke bei der Behörde in Karlsruhe abgenommen. Wie gesagt bin ich aber nach 2 Tagen wieder in meine Heimat zurückgekehrt.

 

F: Haben Sie sich noch weitere Male im Ausland aufgehalten?

 

A: Nein. Eigentlich wollte ich auch jetzt nicht ins Ausland. Meine Freunde wurden aber umgebracht. Nun wird auch nach mir gesucht. Ich hatte keine Wahl.

 

F: Wie haben Sie mit dem Schlepper Kontakt aufgenommen?

 

A: Meine Brüder haben ihn für mich gefunden.

 

F: Wie war es Ihnen möglich nur mit Ihrer Geburtsurkunde nach Österreich zu reisen?

 

A: Wie gesagt, der Bus war geschlossen und so konnte ich einreisen.

 

F: Erhielten Sie in einem anderen Land ein Visum?

 

A: Nein.

 

F: Wurden Sie in einem anderen Land von den Behörden angehalten und untergebracht?

 

A: Nein.

 

F: Wie erfolgte die illegale Einreise in Österreich?

 

A: Ich glaube, dass ich mit dem Bus in Österreich einreiste. Ich bin mir aber nicht sicher, weil wir auch zwei Mal zu Fuß unterwegs waren.

 

F: Wen meinen Sie mit wir?

 

A: Wir waren zu 5 oder zu 6. Die Namen dieser Personen kenne ich aber nicht. Ich interessierte mich aber nicht dafür.

 

F: Welche Wegstrecken legten Sie zu Fuß zurück?

 

A: Ich weiß es nicht. Woher sollte ich das auch wissen? Es gab keine Tafeln. Ich kann nur sagen, dass wir durch Wälder und Felder gegangen sind.

 

F: Wurden auch mit dem Bus Aufenthalte abgehalten?

 

A: Ich habe gespürt, dass der Schlepper 2 Mal angehalten hat. Während dieser Aufenthalte habe ich den Bus aber nicht verlassen.

 

F: An welchem Ort haben Sie den Bus endgültig verlassen?

 

A: Das war in Wien.

 

F: Konnten Sie während der Fahrt mit dem Bus Straßenschilder oder Wegweiser wahrnehmen?

 

A: Nein, da der Kombi geschlossen war.

 

F: Haben Sie in Österreich, im Bereich der EU, in Norwegen oder in Island Verwandte, wenn ja, solche, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

 

A: Mein Bruder C.J., 34 Jahre, befindet sich seit 7 Jahren in einem Spital, BRD. Er liegt im Koma.

 

F: Sind Sie vorbestraft oder haben Sie strafbare Handlungen begangen?

 

A: Nein.

 

F: Waren Sie jemals in Haft?

 

A: Nein.

 

F: Besteht gegen Sie in Ihrem Herkunftsland ein Haftbefehl?

 

A: Nein.

 

F: Werden Sie derzeit von den Behörden in Ihrem Herkunftsland gesucht?

 

A: Nein.

 

F: Hatten Sie jemals Probleme mit den Behörden in Ihrem Herkunftsland?

 

A: Nein.

 

F: Waren Sie jemals aktiv politisch tätig oder einer Partei zugehörig?

 

A: Ich bin seit meinem 18. Lebensjahr einfaches Mitglied der LDK.

 

F: Geben Sie bitte alle Gründe an, weswegen Sie Ihr Herkunftsland verlassen haben und in Österreich einen Asylantrag stellen!

 

A: Ich stamme aus dem Dorf S., Gemeinde Decan. Ich war befreundet mit M.Si., Sa., X., I. und Q.. Sie alle sind Brüder. Im Anschluss des Krieges wurden nach und nach 4 der insgesamt 5 Brüder umgebracht. X. wurde erst vor 2 Monaten umgebracht. Man vermutet, dass die ermordeten Brüder mit Leuten von Gllogjan (Ex- Kämpfer der UCK) Probleme hatten, weil sie selbst Kämpfer der FARK waren. Ich selbst war auch bei der FARK. Ich war ständig mit den Brüdern unterwegs. Vor 2 Monaten war ich bei meiner Tante zu Besuch. Gegen 23:00 Uhr sind unbekannte Leute in mein Haus in S. eingedrungen. Meine Familie hat mich angerufen und gesagt, dass ich nicht nach Hause kommen soll, weil diese nach mir gefragt hätten und mich suchten. Auch sagten sie, dass es keinen Sinn macht, wenn ich mich versuchen würde zu verstecken, weil sie mich sowieso überfall finden würden. Es waren insgesamt 6 Leute. Vor zwei Wochen passierte noch einmal das gleiche. Sie suchten mich erneut zu Hause auf. Zu dem Zeitpunkt war ich zwar daheim, aber ich konnte durch die Hintertüre unseres Hauses flüchten und begab mich zu meinem Onkel. Nach einer Stunde kamen dann wieder diese Männer und suchten nach mir. Ich war immer noch bei meinem Onkel zu dem Zeitpunkt. Entweder meine Schwester oder einer meiner Brüder machte deswegen auch Anzeige bei der Polizei. Die- se sagten aber, dass sie nichts machen können, weil sie nicht einmal die Mörder der zuvor genannten Brüder kennen würden. Ich hatte Angst, dass auch ich ermordet werden würde. Vielleicht dachten die Männer die nach mir suchten, dass ich etwas weiß, weil ich ständig mit diesen Brüdern unterwegs war. Vielleicht hatte es auch damit zu tun, dass ich früher für die FARK gekämpft habe. Ich weiß es nicht.

 

F: Sind immer wieder dieselben Leute in Ihr Haus eingedrungen?

 

A: Ja.

 

F: Was können Sie über diese Leute angeben?

 

A: Ich denke, dass sie diese Brüder getötet haben, mit welchen ich früher unterwegs war. Sie waren uniformiert und maskiert. So hat es mir jedenfalls meine Familie erzählt.

 

F: Welche konkreten Forderungen oder Aussagen tätigten diese Personen?

 

A: Sie fragten meine Familie, wo ich bin. Meine Familie fragte die Personen, wer sie sein würden, worauf sie keine Antwort erhielten. Sie sagten nur, dass sie etwas mit mir zu tun hätten und sie mich finden würden, egal wo ich mich auch versteckt halten würde.

 

F: Warum sollten diese Personen nach Ihnen suchen?

 

A: Ich weiß es nicht. Man sagt, dass sie nach mir suchen, weil es um die bereits ermordeten Brüder geht, mit welchen ich ständig unterwegs war.

 

F: Sie haben zuvor angegeben, dass diese Männer vielleicht nach Ihnen suchen, weil sie etwas wüssten. Wovon wären Sie in Kenntnis?

 

A: Ich weiß es auch nicht.

 

F: Sie sagten, dass 4 der 5 Brüder ermordet wurden. Wo hält sich nun diese fünfte Person auf?

 

A: Q. ist bereits mit seiner Familie in die Schweiz geflohen.

 

F: Wäre es Ihnen nicht möglich gewesen innerhalb Ihres Herkunftslandes Ihrem Problem zu entgehen?

 

A: Das geht bei uns nicht. Ich hielt mich für zwei Wochen lang versteckt. Ich wollte eigentlich nicht flüchten, aber ich hatte Angst.

 

F: Was hätten Sie im Falle einer Rückkehr in Ihr Herkunftsland zu befürchten?

 

A: Das gleiche wie den bereits ermordeten Brüdern.

 

F: Haben Sie alle Fluchtgründe angegeben?

 

A: Ja.

 

Es wird Ihnen hiermit zur Kenntnis gebracht, dass Ihr Asylverfahren zulässig ist. Das Verfahren wird in einer Außenstelle des Bundesasylamtes weitergeführt werden, diesbezüglich werden Sie eine schriftliche Ladung erhalten. Weiters teile ich Ihnen mit, dass Sie einer Betreuungseinrichtung zugewiesen werden. Diese ist gleichzeitig die Abgabestelle, an der Sie behördliche Schriftstücke zugestellt erhalten. Jede Änderung der Abgabestelle ist sofort dem Bundesasylamt mitzuteilen.

 

Anmerkung: Dem Asylwerber wird die Möglichkeit der jeder- zeitigen Inanspruchnahme der Rückkehrberatung (Info Point, Haus Nr. 13) zur Kenntnis gebracht. Der Asylwerber erklärt, dass er das zur Kenntnis genommen habe. Sie werden aufgefordert Bemühungen dahingehend anzustellen, für das weitere Verfahren jedenfalls identitätsbezeugende Dokumente, aber auch Bescheinigungsmittel bzw. Beweise für das Fluchtvorbringen beizuschaffen.

 

F: Wie haben Sie die Dolmetscherin verstanden?

 

A: Gut.

 

Die Niederschrift wird Ihnen nun vom Dolmetscher wortwörtlich rückübersetzt. Im Zuge dieser Rückübersetzung besteht die Möglichkeit, Berichtigungen, Ergänzungen oder Richtigstellungen vorzunehmen. Mit Ihrer Unterschrift bestätigen Sie, dass Ihre Angaben richtig und vollständig wiedergegeben wurden.

 

Einvernahme am 03.04.2006:

 

"Ich bin der oben angeführten Sprache mächtig. Der Leiter der Amtshandlung macht auf die Folgen falscher Angaben aufmerksam. Dem oben Angeführten wird zur Kenntnis gebracht, dass seine Antworten auf die Fragen auch Grundlage für die Entscheidung des Bundesasylamtes über die im Gegenstand angeführte Sache sind.

 

Auf konkrete Befragung gebe ich an, bei der EAST-Ost der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht zu haben. Sie wurden richtig protokolliert und mir auch rückübersetzt.

 

F: Was konkret veranlasste Sie, die Heimat zu verlassen? Bitte geben Sie bei der Schilderung auch Details wie Daten und Orte an.

 

A: Ich war Soldat beim "T.". Ich spreche von T. Z.. Er selbst wurde erschossen. Ich war Nonstop mit Mitgliedern der Familien M. und O. zusammen. Vier Mitglieder der Familie M. wurden erschossen. Es gibt nur noch einen von ihnen - von den fünf Brüdern. Er lebt in der Schweiz.

 

Ich wurde bedroht. Am Ende, als ich keinen anderen Ausweg sah, habe ich meine Heimat verlassen. Ich musste unbedingt die Heimat verlassen. Ich kam nach Österreich, um mein Leben zu retten.

 

Zwei meiner Brüder wurden im Krieg erschossen. Ich wurde von meiner Familie fortgeschickt, damit nicht noch einer stirbt. Die anderen Brüder, die noch in der Heimat verblieben sind, sind jünger und kleiner.

 

Auf konkretes Nachfragen gebe ich an, dass T. Z. ein Kommandant während des Krieges war. Er war ein UCK-Kommandant bzw. war er bei der FARK.

 

F: War er bei der FARK oder bei der UCK?

 

A: Er war bei der FARK.

 

F: Was hatte er mit der UCK zu tun?

 

A: Es gab nur eine UCK aber drei verschiedene Parteien. Verschiedene haben für die UCK gekämpft.

 

F: Kämpften Sie für die FARK oder für die UCK?

 

A: Für die FARK.

 

F: Welcher Partei gehört die FARK an?

 

A: Ich weiß es nicht. Die demokratische Liga.

 

F: Wer ist die demokratische Liga?

 

A: LDK.

 

F: Wann waren Sie Kämpfer der FARK?

 

A: 1997 und 1998. Nicht ganz zwei Jahre.

 

F: Wo haben Sie gekämpft?

 

A: Im Heimatdorf namens P.. Das liegt in der Gemeinde Decan.

 

F: Haben Sie nach 1998 noch etwas mit der FARK zu tun gehabt?

 

A: Nein. Ich brachte meine ganze Familie - meine Mutter, meine Schwester, die Schwägerin und die Brüder - nach Deutschland. Ich war nur zwei Tage in Deutschland und kehrte sofort wieder in den Kosovo zurück.

 

F: Wann verstarben Ihre beiden Brüder?

 

A: 1998 - noch bevor ich meine Familie nach Deutschland brachte.

 

F: Wie kamen die beiden ums Leben?

 

A: Sie starben im Krieg gegen die Serben. Sie waren Kämpfer für die FARK.

 

F: Was haben die Familien M. und O. mit Ihrem eigenen Fluchtgrund zu tun?

 

A: Sie waren meine Freunde. Zweimal war ich gerade mit ihnen zusammen, als auf uns geschossen wurde.

 

F: Wann war das erste Mal?

 

A: Es war am Weg von Peje nach Decan. Ich weiß nicht, wann es war. Es war vielleicht 2001.

 

Es wurde niemand verletzt. Ich weiß nicht, wer geschossen hat.

 

F: Wann war das zweite Mal?

 

A: In der Stadt Peje. Wir waren in einem Lokal. Das war 2003.

 

Es gab wieder keine Verletzten. Ich weiß auch von diesem Mal nicht, wer geschossen hat.

 

F: Gab es noch weitere Zusammenhänge dieser beiden Familien mit Ihrer Flucht?

 

A: Sie waren meine Freunde. Ich wurde bedroht, weil ich mit ihnen zusammen war.

 

F: Wann wurden Sie diesbezüglich bedroht?

 

A: Nach dem Mord von S. im Jahr 2005.

 

F: Wer ist S.?

 

A: Das ist der Sohn von M.R.. Er war einer meiner Freunde.

 

F: Wann konkret wurden Sie nun bedroht?

 

A: Im Monat 7 - es war nach dem 20. Juli.

 

F: Wie und wo wurden Sie von wem bedroht?

 

A: Ich weiß nicht, wer mich bedroht hat. Ich nehme an, dass es die Mörder meiner Freunde waren. Sie kamen zweimal zu mir nach Hause. Sie waren maskiert. Zuerst sprach meine Mutter mit ihnen. Sie fragten nach mir. Ich war im Haus. Ich flüchtete ins Dorf K. zu meiner Tante.

 

F: Weshalb wurde nach Ihnen gefragt?

 

A: Das weiß ich nicht. Ich hörte nur, dass sie nach mir gesucht hatten, weil ich mit den Familienmitgliedern der beiden genannten Familien zusammen war.

 

F: Von wem hörten Sie das wann?

 

A: Ich hörte es von anderen Dorfbewohnern. Drei Wochen vor meiner Flucht. Geflüchtet bin ich am 28.12.2005.

 

F: Woher wussten die Dorfbewohner, dass Ihr Zusammensein mit Ihren Freunden der Grund für Ihre Suche war?

 

A: Sie haben es wahrscheinlich von den Suchenden gehört.

 

F: Wann war das zweite Mal, als nach Ihnen gesucht wurde?

 

A: Das war etwa zehn Tage vor meiner Flucht. Sie haben mich wieder zu Hause gesucht. Ich war bei meiner Tante. Ich habe mich dort versteckt gehalten.

 

F: Seit wann?

 

A: Das weiß ich nicht genau. Vielleicht seit 20. bis 25.12.2005.

 

F: Wenn man Ihrem Vorbringen folgt, wären Sie zum Zeitpunkt der zweiten Suche noch nicht bei der Tante versteckt gewesen. Wie verhält sich nun die zweite Suche nach Ihrer Person zum Zeitpunkt des Versteckens?

 

A: Ich war bei der zweiten Suche jedenfalls schon versteckt bei der Tante.

 

F: Wie lange waren Sie nun schon bei Ihrer Tante, als die zweite Suche stattfand?

 

A: Ich weiß es nicht. Vielleicht drei Tage.

 

F: Weshalb begaben Sie sich gerade damals zur Tante, um sich bei ihr zu verstecken?

 

A: Ich war schon davor nicht ständig zu Hause, hielt mich einmal bei Nachbarn, dann wieder bei Verwandten auf.

 

Nach der ersten Suche war ich immer an anderen Orten aufhältig. Ich war aber auch immer wieder für ein, zwei oder drei Stunden zu Hause auf Besuch.

 

F: Wann erfuhren Sie von der zweiten Suche?

 

A: Ich weiß es nicht.

 

F: Wann ungefähr?

 

A: Es war drei Tage vor meiner Flucht.

 

F: Wie?

 

A: Meine Familie erzählte es mir, als ich nach Hause kam, um die Familie zu besuchen. Sie sagten mir, dass wieder nach mir gesucht worden sei und dass diese Männer gesagt hätten, dass es keinen Sinn habe, dass ich mich verstecke, da sie mich finden würden.

 

F: Fragten Sie nach, wann diese zweite Suche gewesen sei?

 

A: Sie teilten mir mit, dass die Männer drei Tage davor nach mir gesucht hatten.

 

F: Haben Sie eine Erklärung für das Interesse an Ihrer Person?

 

A: Ich habe keine Erklärung.

 

Die Familie M. war aber bei der LDK. Die Drohenden, die auch mich suchten, sind von der AAK.

 

F: Was stört die Anhänger der AAK an den Anhängern der LDK?

 

A: Die AAK möchte die Anhänger der LDK zwingen, dass diese auch zur AAK wechseln.

 

F: Können Sie erklären, wie es möglich sein soll, dass Sie im Dezember 2005 Probleme hatten, wenn Sie schon im Oktober 2005 nach Österreich kamen?

 

A: Alles war im Oktober. Wenn ich zuvor sagte, es sei das Monat "Dhjetor" gewesen, so meinte ich das zehnte (Dhjetor) Monat und nicht den Dezember, für den ebenfalls das Wort Dhjetor verwendet wird.

 

Vorhalt: Ihr Vorbringen ist in keiner Weise mit jenem, das Sie vor der EAST-Ost tätigten, vereinbar. Gravierende Widersprüche schließen aus, dass auch nur ansatzweise ein wahrer Kern besteht.

 

A: Meine Angaben entsprechen der Wahrheit.

 

F: Haben Sie Gründe vorzubringen, die die Abschiebung Ihrer Person unzulässig machen würden?

 

A: Ich werde umgebracht - von diesen Männern, die schon meine Freunde erschossen haben.

 

Ich möchte hinzufügen, dass vor ein paar Tagen auch einer der Familie O. erschossen worden ist.

 

F: Wollen Sie der Niederschrift etwas hinzufügen?

 

A: Nein.

 

Auf Nachfragen gebe ich an, dass alle meine Angaben der Wahrheit entsprechen.

 

Ich habe keine Verwandten in Österreich.

 

Ich habe aktuell keine sozialen Kontakte, die mich an Österreich binden würden. Ich lebe in Österreich von der Unterstützung durch die Unterstützung der Bundesbetreuung."

 

Mit erstinstanzlichem Bescheid vom 22.05.2006, Zahl: 05 18.290-BAT, wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.), weiters festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "nach Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo," gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig ist (Spruchpunkt II.) sowie der Beschwerdeführer gem. § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet "nach Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo", ausgewiesen (Spruchpunkt III).

 

Das Bundesasylamt kam in diesem Bescheid zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass es dem Beschwerdeführer im Rahmen seines Asylverfahrens nicht möglich gewesen sei, die behauptete Gefährdungslage glaubhaft zu machen. Sein Vorbringen sei vage, höchst widersprüchlich und zudem nicht nachvollziehbar gehalten.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 30.05.2006, fristgerecht Berufung (in der Folge als Beschwerde bezeichnet), in welcher der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorbringt, dass er von seinen ehemaligen Nachbarn im Kosovo erfahren habe, dass er nach wie vor gesucht werde. Seine Heimat habe er aus Angst vor asylrelevanter Verfolgung verlassen und verweise er diesbezüglich auf sein Vorbringen im Rahmen der erstinstanzlichen Einvernahme; zur Untermauerung dieses Vorbringens zitiert der Beschwerdeführer das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zur Zahl: 95/20/0288.

 

Die belangte Behörde verkenne weiters, dass auch von nichtstaatlichen Dritten verübte Verfolgungshandlungen dem Staat zurechenbar sein können, wenn er nicht willens und in der Lage ist, den betroffenen Personen wirksamen Schutz zu gewähren. Dies sei in seiner Heimat der Fall, effektive Schutzgewährung seitens der Behörden - sowohl der serbischen als auch der UNO - habe der Beschwerdeführer nicht in Anspruch nehmen können.

 

Weiters sei dem Beschwerdeführer während des erstinstanzlichen Verfahrens keine Gelegenheit gegeben worden, von den Ergebnissen der Beweisaufnahme Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen. Der belangten Behörde werde daher auch die Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör gem. § 45 Abs. 3 AVG vorgeworfen. Hätte der Beschwerdeführer diese Möglichkeit gehabt, hätte er das Bestehen einer Verfolgungsgefahr entsprechend dargelegt.

 

Zu Spruchpunkt II wird ausgeführt, dass die Zurückweisung des Beschwerdeführers in seine Heimat aufgrund der Bedrohung seines Lebens, seiner Gesundheit und Existenz nicht zulässig sei.

 

Zu Spruchpunkt III bringt der Beschwerdeführer vor, dass seine Ausweisung auf einer rechtswidrigen Grundlage erfolge, da die Behörde erster Instanz davon ausgehe, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, jedoch ein rechtmäßiger Aufenthalt des Beschwerdeführers vorliege.

 

Der Beschwerdeführer wurde vom LG St. Pölten mit Urteil vom 00.00.2007, gemäß §§ 15, 127, 128 Abs. 1/4, 129/1, 129/2 und 130 (2., 3., 4. Fall) StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 27 Monaten verurteilt.

 

Mit rechtskräftigem Bescheid der BPD Wien vom 03.04.2008 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Rückkehrverbot mit unbefristeter Gültigkeitsdauer erlassen.

 

II. Über diese Beschwerde hat der Asylgerichtshof wie folgt erwogen:

 

II.1. Festgestellt wird:

 

Auf Grundlage der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch die Behörde erster Instanz am 07.11.2005 und am 03.04.2006, der Ermittlungsergebnisse im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf Grundlage der Beschwerde vom 30.05.2006 werden folgende

Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

 

II.1.1. Zur allgemeinen Lage im Kosovo festgestellt:

 

Es werden die Feststellungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid (Seiten 13 bis 40 des angefochtenen Bescheides) zur Situation im Kosovo zum Bestandteil dieses Erkenntnisses erklärt. Entscheidungsrelevant sind insbesondere folgende Ausführungen (Seiten 26 bis 28 und 35 bis 38 des angefochtenen Bescheides):

 

"Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der internationalen Behörden

 

Verschiedenste Einheiten sind zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Kosovo abgestellt, die sich aus UN-Einheiten sowie lokalen Sicherheitsorganen zusammensetzen. Dazu gehört die

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, Interessensabwägung, Lebensgrundlage, Sicherheitslage, soziale Verhältnisse, staatlicher Schutz, strafrechtliche Verurteilung, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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