TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/13 D13 300283-1/2008

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Veröffentlicht am 13.10.2008
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Spruch

D13 300283-1/2008/11E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Dajani als Vorsitzenden und den Richter Mag. Auttrit als Beisitzer über die Beschwerde der mj. D.T., geb. 00.00.2006, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.03.2006, FZ. 06 01.773-BAS, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und mj. D.T. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass mj. D.T. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

I.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den am 08.02.2006 im Rahmen eines Familienverfahrens (§ 34 AsylG) gestellten Antrag auf internationalen Schutz der minderjährigen Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und der Beschwerdeführerin den Status der Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation nicht zuerkannt (Spruchpunkt II). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet in die russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III).

 

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Vater als gesetzlichen Vertreter am 23.03.2006 fristgerecht Berufung und verwies darin auf die Berufungsschrift ihres Vaters.

 

Mit "Erkenntnis" des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 09.01.2007, Zahl 300.283-C1/1E-II/04/06 wurde der "Beschwerde" der Asylwerberin vom 23.03.2006 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.03.2006, FZ. 06 01.773-BAS, stattgegeben und der Asylwerberin (irrtümlich bezeichnet mit dem Vornamen "T.") gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß Abs. 5 dieser Gesetzesstelle wurde festgestellt, dass der Asylwerberin damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 11.04.2007, Zahl

 

300.283-C1/5E-II/04/06, wurde das "Erkenntnis" dahingehend berichtigt, dass der Vorname der Beschwerdeführerin zu lauten habe:

"T.".

 

Gegen diesen Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates erhob der Bundesminister für Inneres mit Schriftsatz vom 16.03.2007 Amtsbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 26.06.2008, Zahl 2007/20/0484-5, wurde der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, da auch der Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates, mit welchem dem Vater der Beschwerdeführerin Asyl gewährt worden war, aufgehoben worden war.

 

II. Der Asylgerichtshof hat dazu erwogen:

 

1. Aufgrund des Akteninhaltes steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Die Beschwerdeführerin wurde am 00.00.2006 in Österreich geboren und ist die minderjährige, unverheiratete Tochter des D.H., welchem mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 13.10.2008, Zahl: D13 262510-0/2008/28E, gemäß § 7 AsylG Asyl gewährt wurde. Der Asylantrag der Beschwerdeführerin wurde im Rahmen eines Familienverfahrens gemäß § 34 AsylG eingebracht.

 

2. Diese Feststellungen ergeben sich aus den Asylakten der minderjährigen Beschwerdeführerin und ihres Vaters.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I. Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Durch die Behebung des Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 09.01.2007, Zahl 300.283-C1/1E-II/04/06, mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2008, Zahl 2007/20/0484-5, ist dieses Verfahren wieder in das Stadium vor Erlassung des behobenen Berufungsbescheides zurückgetreten. Da das seinerzeit verfahrensführende Senatsmitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates nicht zum Richter des Asylgerichtshofes ernannt wurde und es sich um ein Verfahren gegen einen abweisenden Bescheid handelt, ist das gegenständliche Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, von dem nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung zuständigen Senat zu führen.

 

Da dem Vater der minderjährigen Beschwerdeführerin Asyl gewährt wurde, ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG Asyl zu gewähren ist.

 

Wie bereits vom Bundesasylamt festgestellt, liegt ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG vor.

 

§ 34 Abs. 1 AsylG lautet:

 

"Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von

 

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

 

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

 

3. einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz,

 

gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

 

Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, es sei denn,

 

1. dass die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat möglich ist, oder

 

2. dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

 

Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Familienangehörige sind gemäß § 2 Z 22 AsylG, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familiengemeinschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

Entscheidungsrelevante Tatbestandsmerkmale sind "die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art 8 MRK" und der Umstand, dass dieses Familienleben mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht zumutbar ist.

 

Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art 8 MRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention (vgl. EGMR, Urteil v. 13.6.1997, Fall MARCKX, Ser. A, VOL. 31, Seite 14, § 31).

 

Nach dem obzitierten EGMR-Urteil sind sowohl die Beziehungen der Eltern untereinander, als auch jeweils jener Kinder durch Art 8 MRK geschützte familiäre Bande. Bei einer diesbezüglichen Familie ergeben sich die von der MRK-Rechtssprechung zusätzlich geforderten engen Bindungen der Familienmitglieder untereinander aus ihrem alltäglichen Zusammenleben, gemeinsamer Sorge und Verantwortung füreinander, sowie finanzieller und anderer Abhängigkeit.

 

Diese Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall erfüllt.

 

Wie den oben getroffenen Feststellungen zu entnehmen ist, ist die Beschwerdeführerin die unverheiratete minderjährige Tochter des D.H.. Diesem wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 13.10.2008, Zahl: D13 262510-0/2008/28E, Asyl gewährt. Da im gegenständlichen Fall dem Vater der Beschwerdeführerin Asyl gewährt wurde und überdies keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dem Vater der Beschwerdeführerin ein Familienleben mit der antragstellenden Angehörigen in einem anderen Staat möglich wäre, war der Beschwerdeführerin gemäß § 34 Abs. 2 AsylG Asyl zu gewähren.

 

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennungen des Status eines Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Familienverfahren
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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