TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/15 E8 301084-1/2008

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Veröffentlicht am 15.10.2008
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Spruch

E8 301.084-1/2008-14E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und den Richter Dr. BRACHER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau Schwarz über die Beschwerde des P.S., geb. 00.00.1971, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.03.2006, FZ. 05 17.962-BAT, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10.10.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG 1997, BGBl I Nr. 76/1997 idgF (AsylG) als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: "BF"), ein Staatsangehöriger der Türkei, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und moslemischen Glaubens, reiste am 22.10.2005 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 24.10.2005 einen Asylantrag, den er im Wesentlichen damit begründete, dass die Kurden in der Türkei keine Rechte hätten (AS. 7). Vorgelegt wurde vom BF ein am 06.01.2005 ausgestellter türkischer Personalausweis (AS. 13). Am 02.11.2005 wurde der BF vor der EAST Ost (AS. 27 ff) sowie am 24.03.2006 (AS. 65 ff) vor der Außenstelle Traiskirchen des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte er im Wesentlichen vor, Personen mit kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit würden in der Türkei als Menschen zweiter Klasse behandelt. Darüber hinaus sei er Mitglied der DEHAP-Partei und habe Bücher und Zeitschriften verteilt. Konkrete Vorfälle habe es deshalb nicht gegeben und habe der BF auch niemals Schwierigkeiten mit den türkischen Behörden gehabt, jedoch habe er bemerkt, dass er beobachtet worden sei. Nach seinen Rückkehrbefürchtungen befragt, gab der BF an, es könnte ihm etwas passieren, da er Kurde sei; insbesondere könnte er eingesperrt werden.

 

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.03.2006, Zahl: 05 17.962-BAT, wurde der Asylantrag des nunmehrigen BF gem. § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.); gem. § 8 Abs. 1 AsylG 1997 wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in die Türkei für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.); gem. § 8 Abs. 2 AsylG 1997 wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

 

Begründend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, dass dem Vorbringen des BF aus näher dargelegten Gründen kein Glauben zu schenken sei und von einer konstruierten Geschichte ausgegangen werden müsse.

 

3. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 11.04.2006 fristgerecht Beschwerde (AS. 145 ff). Darin bemängelt der BF zunächst, dass sowohl die Einvernahme vor der Erstaufnahmestelle, als auch jene vor der Außenstelle Traiskirchen in der türkischen Sprache durchgeführt worden sei; da dies jedoch nicht die Muttersprache des BF sei, hätten sich einige Missverständnisse ergeben bzw. würden sich Teile des Vorbringens des BF nicht im Protokoll befinden. So sei der BF auf Grund der Tatsache, dass er Mitglied der DEHAP-Partei sei und Zeitungen verteilt habe, von der Polizei festgenommen und 2 Tage lang angehalten worden, wobei er geschlagen und aufgefordert worden sei, seine Tätigkeiten für die Partei einzustellen. Nach diesen 2 Tagen sei er von seiner Familie freigekauft worden und hätte ihm die Polizei mitgeteilt, dass er weiterhin beobachtet würde. Nach seiner Enthaftung sei der BF aus Angst vor neuerlichen Übergriffen durch die türkische Polizei lediglich 2 Tage in seinem Haus geblieben und sei anschließend nach Istanbul und von dort weiter nach Österreich geflüchtet. Allgemein bringt der BF in seiner Beschwerde weiters vor, auch einfache Mitglieder und Personen, die lediglich verdächtigt werden, der DEHAP-Partei nahe zu stehen, würden verhaftet und nicht selten verurteilt, wobei ein erhöhtes Folterrisiko bestünde; diesbezüglich gibt der BF in seiner Beschwerde Zitate aus einem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Mai 2005 wieder.

 

4. Am 10.10.2008 führte der Asylgerichtshof mit dem BF und seinem Vertreter eine öffentliche mündliche Verhandlung durch (OZ 9). Dabei gab der BF in Widerspruch zu seinem Vorbringen vor dem Bundesasylamt sowie in Widerspruch zu seiner Beschwerdeschrift an, er sei wegen seiner parteipolitischen Tätigkeiten insgesamt 3 Mal festgenommen worden. So sei er zwischen 1993 und 1995 2 Mal und weiterer Folge in den Jahren nach 2000 - vermutlich 2004 - ein weiters Mal festgenommen worden. Auch gab der BF in Widerspruch zu den Angaben in seiner Beschwerde an, er habe in der Zeit von seiner letzten Festnahme - welche glaublich 2004 stattfand - bis zur Ausreise im Oktober 2005 weiterhin zu Hause in G. gelebt.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

Zur Person des BF wird festgestellt:

 

Der BF ist Staatsangehöriger der Türkei, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und moslemischen Glaubens. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Maurer. Seine beiden Eltern sowie mehrere Brüder und Schwestern sind nach wie vor in der Türkei aufhältig.

 

Nicht festgestellt werden kann, dass der BF jemals Mitglied der DEHAP-Partei war und in dieser Funktion Bücher und Zeitschriften verteilt hat. Folglich kann auch nicht festgestellt werden, dass der BF auf Grund seiner behaupteten politischen Aktivitäten in das Blickfeld der türkischen Behörden gelangte und kann auch insbesondere nicht festgestellt werden, dass der BF einmal (laut Version in der Beschwerdeschrift) bzw. dreimal (laut Version in der Beschwerdeverhandlung) festgenommen wurde. Es kann auch keinerlei sonstiges Bedrohungsszenario für den BF im Falle seiner Rückkehr in die Türkei festgestellt werden.

 

2. Zur Lage in der Türkei werden auf Basis der nachfolgend genannten und in der Verhandlung vorgehaltenen Quellen zusammengefasst folgende Feststellungen getroffen:

 

Allgemeine politische Lage:

 

Die Türkei verbindet Elemente einer modernen, westlichen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft mit einem lebendigen und in der türkischen Gesellschaft tief verwurzelten Islam, mit ausgeprägtem Nationalismus, Klientelstrukturen und zum Teil noch traditionellen Lebensformen, insbesondere in ländlichen Gegenden. Die Türkei betrachtet sich als Modell eines laizistischen Staates mit überwiegend islamischer Bevölkerung.

 

Bei den Parlamentswahlen vom 22.07.2007 hat die regierende AKP von MP Erdogan mit knapp 46,62 % der abgegebenen Stimmen (340 Sitze) einen historischen Sieg errungen, Wahlverlierer ist die CHP von Oppositionsführer Baykal mit 20,88 % (112 Sitze). Als weitere Partei zog die MHP (14,27%, 71 Sitze) sowie 26 unabhängige Kandidaten (davon 22 von der kurdennahen DTP) ins Parlament ein. Die Regierung Erdogan kann sich weiterhin auf eine stabile Parlamentsmehrheit stützen. Es wird erwartet, dass sie den Reformkurs fortführt.

 

Am 28.08.2007 wurde der bisherige Außenminister Abdullah Gül im dritten Wahlgang mit 339 (von 267 erforderlichen) Stimmen zum elften Staatspräsidenten der Türkei gewählt. Die vorgezogenen Parlamentswahlen, die anschließende Wahl des Präsidenten und die zügige Regierungsbildung haben zu einer Beruhigung und Konsolidierung der innenpolitischen Lage geführt. Sowohl Staatspräsident Gül als auch Ministerpräsident Erdogan kündigten eine Fortsetzung der Reformpolitik an.

 

Politische Opposition:

 

Das türkische Verfassungsgericht hatte früher in zahlreichen Fällen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Parteien zu verbieten. Die Schließungsverfahren richteten sich entweder gegen islamistische Parteien, z.B. 1998 die "Wohlfahrts-Partei" (Refah Partisi), 2001 die "Tugend- Partei" (Fazilet Partisi), oder pro-kurdische Parteien, z. B. DEP, HADEP. Mit dem Reformpaket vom 11.01.2003 hat die AKP-Regierung Reformen des Parteien- und Wahlgesetzes beschlossen sowie Partei- und Politikverbote erschwert.

 

Trotzdem wurde 2003 ein Verbotsverfahren gegen die kurdisch orientierte "Demokratische Volkspartei" (DEHAP), die Nachfolge- bzw. Schwesterpartei der HADEP, eingeleitet. Sie hat sich am 19.11.2005 selbst aufgelöst. Die DEHAP stand aufgrund einer mit der PKK und Abdullah Öcalan sympathisierenden Haltung vieler ihrer Mitglieder in der türkischen Öffentlichkeit im Verdacht, Verbindungen zur PKK zu unterhalten. Ihre Nachfolge trat die am 25.10.2005 gegründete "Partei für eine demokratische Gesellschaft" (DTP) an, zu der sich viele führende kurdische Politiker zusammengeschlossen haben und die zumindest teilweise noch mit der PKK symphatisiert. Ziel der DTP sei die friedliche Lösung des Kurdenkonflikts, verlautet aus der Partei, an deren Spitze einige der ehemaligen kurdischen Parlamentsabgeordneten stehen, die enge Kontakte zur Menschenrechtspreisträgerin Leyla Zana unterhalten.

 

Viele türkische Bürger kurdischer Abstammung sind bzw. waren Anhänger oder Mitglieder der die Interessen von Kurden vertretenden Parteien DTP, DEHAP (bis zu ihrer Selbstauflösung) bzw. HADEP (bis zu ihrem Verbot). Dem Auswärtigen Amt wurden zahlreiche Anfragen zu Mitgliedschaften von Asylbewerbern in der HADEP vorgelegt, auch zu Mitgliedschaften, die schon viele Jahre zurückliegen. Abgesehen davon, dass solche Mitgliedschaften in der HADEP nicht mehr in zuverlässiger Weise überprüft werden können, ist kein Fall bekannt geworden, in dem die einfache Mitgliedschaft in der HADEP oder in der DEHAP - ohne besondere, z.B. strafrechtlich relevante Verdachtsmomente - zu Repressalien gegen die Betreffenden geführt hätte.

 

Kurden:

 

Fachleute gehen davon aus, dass ungefähr ein Fünftel der Gesamtbevölkerung der Türkei von 72 Millionen - also ca. 14 Millionen Menschen - (zumindest teilweise) kurdischstämmig ist. Im Westen der Türkei und an der Südküste leben die Hälfte bis annähernd zwei Drittel von ihnen: ca. 3 Millionen im Großraum Istanbul, zwei bis drei Millionen an der Südküste, eine Million an der Ägäis-Küste und eine Million in Zentralanatolien. Ca. sechs Millionen kurdischstämmige Kurden leben in der Ost- und Südost-Türkei, wo sie in einigen Gebieten die Bevölkerungsmehrheit bilden. Kurden leben auch im Nord-Irak, Iran, in Syrien und Georgien. Nur ein Teil der kurdischstämmigen Bevölkerung in der Türkei ist auch einer der kurdischen Sprachen mächtig.

 

Allein aufgrund ihrer Abstammung sind und waren türkische Staatsbürger kurdischer und anderer Volkszugehörigkeit nie staatlichen Repressionen unterworfen. Über erhöhte Strafzumessung in Strafverfahren liegen dem Auswärtigen Amt keine Erkenntnisse vor. Aus den Ausweispapieren, auch aus Vor- oder Nachnamen, geht in der Regel nicht hervor, ob ein türkischer Staatsbürger kurdischer Abstammung ist (Ausnahme: Kleinkindern dürfen seit 2003 kurdische Vornamen gegeben werden). Die meisten Kurden sind in die türkische Gesellschaft integriert, viele auch assimiliert. In Parlament, Regierung und Verwaltung sind Kurden ebenso vertreten wie in Stadtverwaltungen, Gerichten und Sicherheitskräften. Ähnlich sieht es in Industrie, Wissenschaft, Geistesleben und Militär aus. Innenminister Aksu z.B. ist kurdischer Abstammung. Er hat Reden auf kurdisch gehalten, allerdings nicht bei offiziellen Anlässen.

 

Die Tatsache, dass "Separatismus" und "Mitgliedschaft in einer bewaffneten Bande" kurdischstämmigen Türken weit öfter als anderen Türken vorgeworfen wurden, liegt daran, dass Verbindungen mit und Unterstützung der Terrororganisation PKK sich nahezu ausschließlich aus kurdischstämmigen Kreisen rekrutierte.

 

Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis

 

Die in der Vergangenheit von Schwerfälligkeit, Ineffizienz, Unberechenbarkeit und Strenge geprägte türkische Strafjustiz hat sich verbessert. Im Strafrecht- und Strafprozessrecht kam es in den vergangenen Jahren zu umfassenden gesetzgeberischen Änderungen und Novellierungen. In der Rechtspraxis wurden ebenfalls wesentliche Verbesserungen festgestellt, ohne dass dabei aber das Tempo der anderen gesetzgeberischen Reformen erreicht werden konnte. Bei allen Mängeln, die der türkischen Justiz noch anhaften (z.B. lange Verfahrensdauer), sind Bestrebungen unverkennbar, rechtstaatliches Handeln durchzusetzen. Einzelne Vorkommnisse und Entscheidungen von Justizorganen lassen bisweilen an dieser Einschätzung zweifeln. Es zeigt sich jedoch, dass sich im Gegensatz zu früher staatsanwaltliches Unrecht nicht halten lässt, sondern revidiert wird. Dies erfordert bisweilen jedoch beträchtliche Gegenwehr der Betroffenen.

 

Bereits seit Inkrafttreten des neuen tStGB und der tStPO am 01.06.2005 wurden einige für Inhaftierte, Angeklagte und Beschuldigte günstigere Vorschriften beim Vergleich zwischen altem und neuem tStGB angewendet, auch beim Strafmaß. Dies hatte u.a. bereits zur Folge, dass Ende 2004/Anfang 2005 über 12.000 Straftäter aus der Haft entlassen wurden (Aussetzung der Haftvollstreckung), weil die über sie verhängten Strafen höher waren als die Höchststrafe nach dem neuen tStGB. Entsprechende Vergünstigungen gelten für Angeklagte und Beschuldigte. Verurteilungen bei Meinungsdelikten haben deutlich abgenommen.

 

Durch Gesetz vom 07.05.2004 wurde die Auflösung der Staatssicherheitsgerichte (SSG) beschlossen. Die Aufgabe, über Taten zu urteilen, die früher in die Zuständigkeit der SSG fielen, haben die "Gerichte für schwere Straftaten" (vergleichbar Große Strafkammer beim LG) übernommen. Die Zahl der entsprechenden Kammern wurde erhöht. Viele Richter der SSG wurden an "Gerichte für schwere Straftaten" versetzt. Eine Neuerung ist, dass das bisher bestehende System spezieller "Staatsanwaltschaften bei den SSG" - früher berüchtigt als harte Ermittler und Ankläger nach dem Grundsatz: "im Zweifel gegen den Beschuldigten" - nicht auf die neuen Gerichte übertragen wurde. Es gibt nur noch eine einheitliche Staatsanwaltschaft. Sonderzuständigkeiten für bestimmte Delikte sind jedoch weiterhin möglich. Die Rechte der Verteidigung wurden dadurch gestärkt, dass bisher bestehende Sonderregelungen für eingeschränkte Akteneinsicht aufgehoben wurden. Bei der Bewertung der SSG ist zu berücksichtigen, dass diese aufgrund von Gesetzesänderungen bereits 2002 bis 2004 nahezu identische strafprozessuale Vorschriften wie die ordentlichen Strafkammern angewandt haben.

 

Todesstrafe:

 

Das türkische Parlament hat mit Wirkung vom 09.08.2002 die Todesstrafe (außer im Kriegsfall und bei unmittelbarer Kriegsbedrohung, s.u.) abgeschafft und beschlossen, bestehende Todesurteile in (schwere) lebenslange Freiheitsstrafen umzuwandeln. Am 07.05.2004 hat das türkische Parlament auch in der Verfassung alle Bezüge auf die Todesstrafe, die zuvor bereits völkerrechtlich und einfachgesetzlich abgeschafft worden war, gestrichen.

 

Sippenhaft:

 

In der Türkei gibt es keine "Sippenhaft" in dem Sinne, dass Familienmitglieder für die Handlungen eines Angehörigen strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden. Die nach türkischem Recht aussagepflichtigen Familienangehörigen - etwa von vermeintlichen oder tatsächlichen PKK-Mitgliedern oder Sympathisanten - werden allerdings zu Vernehmungen geladen, z.B. um über den Aufenthalt von Verdächtigen befragt zu werden. Werden Ladungen nicht befolgt, kann es zur zwangsweisen Vorführung kommen.

 

Haftbedingungen:

 

Die materiellen Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen älterer Bauart (Unterbringungskapazität von bis zu 100 Häftlingen in Massenzellen) entsprechen bei weitem nicht internationalen Standards. Es existieren noch zwei Gefängnisse älterer Bauart mit Massenzellen - Bayrampasa in Istanbul und ein Gefängnis in Izmir (Stand: August 2006). 22 neue Gefängnisse waren 2006 im Bau, von denen einige inzwischen eröffnet wurden (E-Typ in Usak, demnächst eines in Antalya). Ziel der Justizverwaltung ist es, die Zahl der Haftanstalten in den nächsten Jahren auf 250 zu reduzieren.

 

Die neuen sog. F-Typ-Gefängnisse haben einen mitteleuropäischen Standard und können in vielerlei Hinsicht als vorbildlich bezeichnet werden (Zellengröße, Hygiene, Betätigungsmöglichkeiten für Gefangene, ärztliche Betreuung). Die Kritik auch türkischer Menschenrechtsorganisationen wegen der Gefahr einer Isolationshaft kann vom Auswärtigen Amt nach einer eingehenden Untersuchung von F-Typ-Gefängnissen und den Haftbedingungen nicht nachvollzogen werden. Der Anti-Folter-Ausschuss des Europarates hat die Türkei mehrfach besucht. In seinen veröffentlichten Berichten kommt das Komitee - wie auch eine Ad-hoc-Delegation des Europaparlaments - zu dem Ergebnis, dass die Haftbedingungen in den F-Typ Gefängnissen europäischen Standards genügen. Ende Januar 2007 hat das Justizministerium die Änderung der Strafvollzugsordnung für die F-Typ-Gefängnisse angeordnet. Danach sollen die Gefangenen in 10er-Gruppen 10 Stunden pro Woche Gelegenheit haben, zusammen zu kommen. Die Zusammenstellung der Gruppen erfolge durch die Gefängnisleitung. Für jeden Gefangenen werde unter Hinzuziehung eines Psychologen ein eigener Strafvollzugsplan aufgestellt.

 

Rückkehrer:

 

Ist der türkischen Grenzpolizei bekannt, dass es sich um eine abgeschobene Person handelt, wird diese nach Ankunft in der Türkei einer Routinekontrolle unterzogen, die einen Abgleich mit dem Fahndungsregister nach strafrechtlich relevanten Umständen und eine eingehende Befragung beinhalten kann. Abgeschobene können dabei in den Diensträumen der jeweiligen Polizeiwache vorübergehend zum Zwecke einer Befragung festgehalten werden. Gleiches gilt, wenn jemand keine gültigen Reisedokumente vorweisen kann oder aus seinem Reisepass ersichtlich ist, dass er sich ohne Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland aufgehalten hat. Die Einholung von Auskünften kann je nach Einreisezeitpunkt und dem Ort, an dem das Personenstandsregister geführt wird, einige Stunden dauern. In neuerer Zeit wurde dem Auswärtigen Amt nur ein Fall bekannt, in dem eine Befragung bei Rückkehr länger als mehrere Stunden dauerte.

 

Besteht der Verdacht einer Straftat, werden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Wehrdienstflüchtige haben damit zu rechnen, gemustert und ggf. einberufen zu werden (u.U. nach Durchführung eines Strafverfahrens). Es sind mehrere Fälle bekannt geworden, in denen Suchvermerke zu früheren Straftaten oder über Wehrdienstentziehung von den zuständigen türkischen Behörden versehentlich nicht gelöscht worden waren, was bei den Betroffenen zur kurzzeitigen Ingewahrsamnahme bei Einreise führte.

 

Das Auswärtige Amt hat in den vergangenen Jahren Fälle, in denen konkret Behauptungen von Misshandlung oder Folter in die Türkei abgeschobener Personen (vor allem abgelehnter Asylbewerber) vorgetragen wurden, im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten durch seine Auslandsvertretungen überprüft. Dem Auswärtigen Amt ist seit vier Jahren kein einziger Fall bekannt geworden, in dem ein aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrter abgelehnter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt wurde. Auch die türkischen Menschenrechtsorganisationen haben explizit erklärt, dass aus ihrer Sicht diesem Personenkreis keine staatlichen Repressionsmaßnahmen drohen. Misshandlung oder Folter allein aufgrund der Tatsache, dass ein Asylantrag gestellt wurde, schließt das Auswärtige Amt aus.

 

Diese Feststellungen beruhen auf folgenden Quellen:

 

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei, 25.10.2007

 

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei, 11.01.2007 (hinsichtlich der mittlerweile aufgelösten HADEP)

 

Fortschrittsbericht Türkei der EU-Kommission vom 06.11.2007

 

U.S. Department of State, Turkey, International Religious Freedom Report 2008, 19.09.2008

 

Home Office, Country of Origin Information Report, Turkey, 31.12.2007

 

Home Office, Operational Guidance Note, Turkey, 02.10.2008

 

3. Beweiswürdigung:

 

3.1. Den vom BF geschilderten Fluchtgründen war aus folgenden Erwägungen jegliche Glaubwürdigkeit abzusprechen:

 

3.1.1. Zunächst ist anzuführen, dass der BF bei beiden Einvernahmen vor dem Bundesasylamt ausdrücklich und mehrfach in Abrede stellte, in seiner Heimat jemals festgenommen worden zu sein. So gab er etwa in seiner Einvernahme vom 02.11.2005 an, er sei weder vorbestraft, noch sei er im Gefängnis gewesen oder von den heimatstaatlichen Behörden erkennungsdienstlich behandelt worden (AS. 31). In seiner Einvernahme vom 24.03.2006 beantwortete der BF die Frage, ob er jemals Schwierigkeiten mit den türkischen Behörden gehabt habe, mit "Nein" (AS. 65). An anderer Stelle gab der BF - als er konkret hinsichtlich der behaupteten Verteilung von Büchern und Zeitschriften befragt wurde - an, er hätte deshalb keine Schwierigkeiten bekommen, man habe ihn jedoch beobachtet (AS. 65). Den einzigen Bezug zu einer möglichen Inhaftierung stellte der BF her, als er zu seinen Rückkehrbefürchtungen gefragt wurde, wobei der BF angab, es könnte sein, dass er wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden eingesperrt würde (AS. 65). In völligem Widerspruch zu diesen Angaben führte der BF in seiner Beschwerdeschrift aus, dass er wegen der Verteilung von Zeitungen festgenommen und 2 Tage lang von der Polizei angehalten worden sei, wobei er auch geschlagen und aufgefordert worden sei, seine Tätigkeiten für die DEHAP-Partei einzustellen (AS. 147). Nach 2 Tagen sei er freigelassen worden, da er von seiner Familie freigekauft worden sei; aus Angst vor neuerlichen Übergriffen durch die türkische Polizei sei der BF jedoch lediglich 2 Tage in seinem Haus geblieben und anschließend nach Istanbul und von dort weiter nach Österreich geflüchtet (AS. 147).

 

Zu diesen Angaben wiederum steht das Vorbringen des BF in der Beschwerdeverhandlung in elementarem Widerspruch: So gab der BF in der Beschwerdeverhandlung an, er sei insgesamt 3 Mal festgenommen worden (Verhandlungsschrift Seite 3). Die ersten beiden Male hätten sich zwischen 1993 und 1995 ereignet; die letzte Festnahme habe sich in den Jahren "nach 2000", vermutlich im Jahr 2004, ereignet.

 

Bereits diese eklatanten Widersprüche zwischen den Angaben des BF vor dem BAA, in seinem Beschwerdeschriftsatz sowie den Angaben in der Beschwerdeverhandlung zeigen deutlich, dass die vom BF geschilderten Vorfälle nicht der Wahrheit entsprechen können. Was den Einwand in der Beschwerde betrifft, wonach von der Festnahme des BF in den Einvernahmeprotokollen des Bundesasylamtes deshalb nichts zu finden ist, da der BF auf Türkisch einvernommen wurde - wobei jedoch seine Muttersprache Kurdisch sei - und es deshalb zu Missverständnissen gekommen wäre, so ist anzumerken, dass der BF auf mehrfaches Nachfragen des vorsitzenden Richters, wie er sich die protokollierten Angaben vor dem Bundesasylamt erklären könne, nichts in diese Richtung vorbrachte. Hätten die groben Widersprüche tatsächlich ihren Ursprung in sprachlichen Problemen des BF vor dem Bundesasylamt, so kann davon ausgegangen werden, dass der BF dies dem vorsitzenden Richter - so wie er es bereits in seinem Beschwerdeschriftsatz geltend gemacht hat - mitteilen hätte können. Im Übrigen ist auch zu betonen, dass aus zahlreichen Angaben des BF vor dem BAA hervorgeht, dass er nicht festgenommen worden ist, was schon für sich bedeutet, dass die Ursache für die Widersprüchlichkeiten nicht einzelne sprachlich bedingte Missverständnisse sein können.

 

3.1.2. Auch in zeitlicher Hinsicht widersprechen sich die Angaben des BF in seinem Beschwerdeschriftsatz und in der Beschwerdeverhandlung grundlegend. So führt der BF in seinem Beschwerdeschriftsatz aus, er habe sich nach seiner Enthaftung lediglich 2 Tage zu Hause aufgehalten und sei anschließend nach Istanbul und von dort weiter nach Österreich geflüchtet (AS. 147). In der Beschwerdeverhandlung hingegen gab er an, die letzte Festnahme habe sich glaublich im Jahr 2004 ereignet; aus der Türkei ausgereist sei er jedoch erst am 24.10.2005 (Verhandlungsschrift Seite 3), wobei er die gesamte Zeit von seiner Festnahme im Jahr 2004 bis zur seiner Ausreise im Oktober 2005 weiterhin in seinem Heimatdorf G. gelebt habe. Auch dies zeigt ganz deutlich, dass die vom BF in seinem Beschwerdeschriftsatz geschilderte Festnahme, in deren Anschluss er sogleich binnen 2 Tagen sein Heimatdorf verlassen habe, nicht stattgefunden haben kann.

 

3.1.3. Ebenso bestehen grobe Widersprüche im Vorbringen des BF, was die Gründe seiner Enthaftung aus der letzten Inhaftierung anbelangt. So gab der BF in seinem Beschwerdeschriftsatz an, er sei von seiner Familie freigekauft worden (AS. 147), während er in der Beschwerdeverhandlung keinen Grund für seine Enthaftung angeben konnte und er lediglich ausführte, ihm sei nicht mitgeteilt worden, warum er nun freigelassen werde (Verhandlungsschrift Seite 4).

 

3.1.4. Die offensichtliche Unglaubwürdigkeit des BF zeigte sich auch, als der vorsitzende Richter den BF näher hinsichtlich seiner politischen Tätigkeiten und über sein politisches Wissen befragte. So gab er etwa auf die Frage an, wann er Mitglied der DEHAP geworden sei, "zwischen 1993 und 1995" (Verhandlungsschrift Seite 5). Diesbezüglich ist vom Asylgerichtshof zu betonen, dass DEHAP erst im Oktober 1997 gegründet wurde und somit in dem vom BF genannten Zeitraum noch gar nicht existierte. Auf Nachfragen des vorsitzenden Richters, wann DEHAP gegründet worden sei, gab der BF lediglich an, dies wisse er nicht. Ebenso wenig konnte der BF in der Beschwerdeverhandlung die "Vorgänger-Partei" der DEHAP, nämlich die "Demokratische Volkspartei" (HADEP), benennen (Verhandlungsschrift Seite 5). Schließlich fragte der vorsitzende Richter den BF, ob die DEHAP-Partei noch immer aktiv sei, was der BF bejahte. Diesbezüglich ist vom Asylgerichtshof anzumerken, dass sich DEHAP am 19.11.2005 selbst aufgelöst hat, wovon der BF ebenso in Unkenntnis war. Zusammenfassend mangelt es dem BF auch an grundlegendstem politischem Wissen, sodass es nach Ansicht des Asylgerichtshofes ausgeschlossen werden kann, dass der BF in der Türkei jemals politisch aktiv war.

 

3.1.5. Was die vom BF erstmals gegen Ende der Beschwerdeverhandlung erwähnten Verwandten, welche PKK-Kämpfer gewesen seien und deretwegen der BF unter Druck gesetzt worden sei, anbelangt, so ist dem BF auch diesbezüglich die Glaubwürdigkeit abzusprechen. So wurde der BF vor dem Bundesasylamt mehrfach gefragt, ob er sämtliche Ausreisegründe angeführt habe oder ob er noch irgendetwas vorbringen wolle. Diesbezüglich seien lediglich einige Beispiele angeführt:

"Frage: Haben Sie sonst Probleme in ihrem Heimatland? Antwort: Nein (AS. 33)." Frage: Wollen Sie weitere Fluchtgründe angeben oder Ihr Vorbringen ergänzen? Antwort: Nein. ... Frage: Wollen Sie sonst noch irgendwelche Angaben tätigen? Antwort: Nein. Frage: Hatten Sie ausreichend Möglichkeit, Ihr Vorbringen dazulegen? Antwort: Ja.

Frage: Haben Sie noch Fragen zu Ihrem Asylverfahren oder möchten Sie von sich aus noch etwas ergänzend vorbringen? Antwort: Nein, ich habe keine Fragen" (AS. 35). Vor diesem Hintergrund ist der Einwand des BF in der Beschwerdeverhandlung, er habe über die Probleme wegen seiner Verwandten deshalb nicht berichtet, weil er nicht danach gefragt worden sei, äußerst unglaubwürdig.

 

3.1.6. Abschließend ist festzuhalten, dass sich der BF nach Ansicht des Asylgerichtshofes einer konstruierten Geschichte bedient hat. Auch machte der BF persönlich sowohl auf den vorsitzenden, als auch auf den beisitzenden Richter einen höchst unglaubwürdigen Eindruck und versuchte vielfach, den Fragen auszuweichen, indem er angab, er könne sich nicht erinnern.

 

3.2. Die Feststellungen zur Lage in der Türkei beruhen auf den angeführten Quellen, an deren Seriosität und Plausibilität der Asylgerichtshof keine Bedenken hegt. Die vom Vertreter des BF in der Beschwerdeverhandlung dargestellten, nicht näher belegten Zwischenfälle im Zusammenhang mit Militäroperationen der türkischen Armee vermögen das von den Länderberichten vorgezeichnete Lagebild nicht entscheidungswesentlich zu erschüttern.

 

III. Rechtlich folgt daraus:

 

1. Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 werden alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende geführt. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005, hinzugefügt durch Art. 2 Z. 54 Asylgerichtshofgesetz AsylGHG 2008, sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. In analoger Anwendung dieser Bestimmung tritt an die Stelle des Begriffes "Berufungswerber" der Begriff "Beschwerdeführer".

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat das erkennende Gericht, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

2. Nichtgewährung von Asyl gem. § 7 AsylG

 

2.1. Gemäß § 7 AsylG 1997 hat der Asylgerichtshof Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG 1997 zugrunde liegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sei, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

2.2. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, ist das Vorbringen des BF unglaubwürdig und somit nicht der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen. Eine Asylgewährung aus den vom BF geschilderten Fluchtgründen kommt folglich nicht in Betracht.

 

Weiters führt allein die Zugehörigkeit des BF zur Volksgruppe der Kurden laut dem dem Asylgerichtshof vorliegenden Berichtsmaterial nicht dazu, dass der BF im Sinne einer Gruppenverfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen zu erwarten hätte. Schließlich führt auch die Asylantragstellung im Ausland nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu Verfolgungshandlungen seitens der türkischen Behörden (vgl. dazu Verhandlungsschrift S. 10).

 

Folglich ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids abzuweisen.

 

3. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei

 

3.1. § 124 Abs. 2 FPG 2005 besagt, dass - soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetztes 1997 verwiesen wird, - die entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes and deren Stelle treten.

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (vormals § 57 FrG 1997, nunmehr § 50 FPG 2005); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 1997 ist Fremden, deren Asylantrag aus anderen Gründen als den Asylausschlussgründen (§ 13) abgewiesen wurde, von jener Asylbehörde mit Bescheid eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, von der erstmals festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig ist.

 

Gemäß § 50 Abs. 1 FPG 2005 ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Gemäß § 50 Abs. 2 FPG 2005 ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Gemäß Art 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Die bloße Möglichkeit, einer dem Art 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG 1997 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH E vom 27.02.1997, Zl. 98/21/0427).

 

Der Fremde hat das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG 1997 glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH E vom 02.08.2000, Zl. 98/21/0461; VwGH E vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

3.2. Wie bereits bezüglich der Abweisung des Asylantrages ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit des BF aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten aktuell bedroht wäre, weshalb kein Fall des § 50 Abs. 2 FPG 2005 vorliegt.

 

3.3. Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in dessen Herkunftsstaat Artikel 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt würde oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes gegeben ist (§ 50 Absatz 1 Fremdenpolizeigesetz).

 

Diesbezüglich ist wiederum festzuhalten, dass das Vorbringen des BF zu seinen Fluchtgründen der rechtlichen Beurteilung mangels Glaubwürdigkeit nicht zugrunde zu legen ist.

 

Im Übrigen stellt sich die Situation laut einschlägigem Berichtsmaterial nicht dermaßen dar, dass quasi jeder, der in die Türkei abgeschoben wird - mag es sich auch um einen Angehörigen der Volksgruppe der Kurden handeln -, dort mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit einer dem Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre.

 

Aufgrund der getroffenen Feststellungen deutet bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Umstände auch nichts darauf hin, dass der BF im Falle einer Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt wäre, zumal dort solche Konflikte nicht bestehen.

 

3.4. Darüber hinaus ist anzumerken, dass es sich beim BF um einen arbeitsfähigen Mann handelt, der in der Türkei bereits als Maurer gearbeitet hat und dort über ein Netz von Angehörigen, darunter seine Eltern und Geschwister, verfügt. Es bestehen keinerlei Hinweise darauf, dass der BF in eine Notlage geraten würde, die seine Verbringung in die Türkei im Sinne des Art 3 EMRK unzulässig machen würde.

 

Der BF hat schließlich auch weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen könnte.

 

Die Abschiebung des BF in die Türkei stellt somit keine Verletzung von Art 2 oder 3 EMRK dar und ist folglich die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

 

4. Zulässigkeit der Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei gemäß § 8 Abs 2 AsylG

 

4.1. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG hat die Behörde den Bescheid mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen wird und die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

Der gegenständliche Asylantrag ist abzuweisen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat für zulässig zu erklären. Es liegt daher bei Erlassung dieses Erkenntnisses kein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet mehr vor.

 

Bei Ausspruch der Ausweisung kann ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens vorliegen (Art. 8 Abs 1 EMRK).

 

4.2. Der BF gab an, über keine familiären Bindungen in Österreich zu verfügen. Seine Ausweisung stellt folglich keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben gem. Artikel 8 Abs 1 EMRK dar.

 

4.3. Ist im gegenständlichen Fall ein Eingriff in das Familienleben des BF zu verneinen, so bleibt noch zu prüfen, ob mit der Ausweisung ein Eingriff in dessen Privatleben einhergeht und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Artikel 8 Absatz 2 EMRK).

 

4.4. Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat, unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) auch in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

 

4.5. Im Fall des am 22.10.2005 illegal nach Österreich eingereisten BF hat das bisherige Verfahren keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen in Österreich ergeben bzw. wurden solche auch nicht behauptet. Aber auch eine anderweitige Aufenthaltsverfestigung, die die Annahme einer Prävalenz der hier bestehenden Bindungen gegenüber jenen zum Herkunftsstaat rechtfertigen würde, wird durch den bisherigen, verhältnismäßig kurzen Aufenthalt in Österreich kontraindiziert. Ein Eingriff in das Privatleben des BF kann daher im Falle einer Ausweisung in die Türkei nicht festgestellt werden, weshalb es einer Interessenabwägung im Sinne des Artikel 8 Absatz 2 EMRK nicht bedarf.

 

Folglich war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides abzuweisen.

 

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, Lebensgrundlage, non refoulement, soziale Verhältnisse, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
07.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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