TE AsylGH Beschluss 2008/10/22 S10 401959-1/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.10.2008
beobachten
merken
Spruch

S10 401959-1/2008/2Z

 

B E S C H L U S S

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. ROSENAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn H.A., geb. 00.00.1963, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.09.2008, Zahl: 08 06.528 - EAST OST, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Text

BEGRÜNDUNG

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

1.1. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 29.09.2008, GZ: 08 06.528 - EAST OST, den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers (in der Folge BF), ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 (in der Folge AsylG) als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 7 der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates (in der Folge Dublin II VO) Griechenland zuständig sei. Gleichzeitig wurde der BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Griechenland zulässig sei.

 

1.2. Der nähere erstinstanzliche Verfahrensgang ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:

 

1.2.1. Der BF stellte am 26.07.2008 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes zurückgewiesen wurden.

 

1.2.2. Im Zuge der niederschriftlichen Befragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Polizeiinspektion Traiskirchen - EAST Ost am 26.07.2008 gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari an, sein Heimatland Afghanistan vor ca. 15 Jahren verlassen zu haben. Seither hätte er sich im Iran in der Stadt I. gemeinsam mit seiner Familie - Frau und 3 Kinder im Alter von 10, 14 und 16 Jahren - aufgehalten. Er sei illegal vom Iran ausgereist (einen Reisepass habe er noch nie besessen), da die iranische Regierung alle Afghanen nach Afghanistan zurückschicken wolle. Als Schiit habe er aber große Angst vor den Taliban in Afghanistan, deswegen sei er geflüchtet. Er sei schlepperunterstützt mit einem LKW nach Nimaki in Griechenland (nahe Athen) gefahren. Dort hätte er nicht um Asyl angesucht, sondern es seien ihm lediglich die Fingerabdrücke abgenommen worden und er hätte eine Ausreiseaufforderung bekommen und hätte das Land verlassen müssen.

 

Er hätte kein Visum gehabt, sondern sei illegal gereist. Er fürchte, von den Taliban umgebracht zu werden.

 

Im Weiteren beschrieb er ausführlich Umstände und Route seiner Reise über die Türkei nach Europa, die vor ca. 1 Jahr begonnen habe.

 

1.2.3. Am 30.07.2008 wurde dem BF nachweislich mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, da Dublin Konsultationen mit Griechenland seit 29.07.2008 geführt würden. Da Griechenland das Wiederaufnahmeersuchen vom 29.07.2008 unter Bezug auf Art. 10 Abs. 1 Dublin II VO nicht beantwortete (Fristversäumnis), wurde in einem Schreiben an den Mitgliedstaat Griechenland vom 03.09.2008 festgehalten, dass die Zuständigkeit für die Führung des Asylverfahrens gemäß Art. 18 Abs. 7 Dublin II VO bei Griechenland liegt.

 

1.2.4. Bei seiner Einvernahme am 23.09.2008 in der Erstaufnahmestelle Ost zur Wahrung des Parteiengehörs brachte der BF im Beisein eines Rechtsberaters und eines Dolmetsch für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes vor:

 

Er bestätigte seine Angaben bei der Erstbefragung und brachte ergänzend vor, dass er zur Volksgruppe Sadat gehöre. Auf Nachfrage nach Beweismitteln gab er an, dass er welche gehabt hätte, aber die griechische Polizei hätte es ihm genommen und ins Wasser geschmissen. Auf Vorhalt, dass beabsichtigt sei, seinen Asylantrag zurückzuweisen, da Griechenland für die Führung des Verfahrens zuständig sei, gab der BF an, es sei ihm lieber, dass man ihn hier hinrichte, anstatt ihn nach Griechenland zurückzuschicken. Es gäbe keinen Arzt, keine Unterstützung, sie hätten auf der Straße geschlafen, es gäbe keine Sicherheit. Er habe sich 8 Monate im Geheimen aufgehalten, er hätte sich versteckt, deswegen wolle er auf keinen Fall nach Griechenland zurückgehen. Es sei ihm lieber, hier getötet zu werden, als nach Griechenland zurückgeschickt zu werden. Er sei einmal von der Polizei festgenommen und geschlagen worden, dann sei er davongelaufen.

 

Der Rechtsberater des BF gab an, dass, da Griechenland sich verschwiegen hätte, mit Sicherheit anzunehmen sei, dass mit dem BF in Griechenland kein Asylverfahren durchgeführt werde und er ohne Asylverfahren in die Heimat abgeschoben werde. Es werde daher der Selbsteintritt beantragt.

 

1.2.5. Die Erstbehörde traf im angefochtenen Bescheid Feststellungen zur Person des BF, zur Begründung des Dublin-Tatbestandes, zum Privat- und Familienleben des BF und zur Lage im Mitgliedsstaat Griechenland, insbesondere zum Asylverfahren im Allgemeinen, zum Refoulement-Schutz, zum Zugang zum Asylverfahren, zur Anerkennungsquote und zur Versorgung.

 

Festgestellt wurde weiters, dass keine Umstände, die gegen eine Ausweisung und Überstellung des Beschwerdeführers nach Griechenland sprechen, ermittelt werden konnten. Nach Ansicht der Erstbehörde war unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen aus dem Blickwinkel der Art. 3 und Art. 8 EMRK von der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO kein Gebrauch zu machen.

 

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass die Angaben des BF betreffend die vorgebrachte Situation in Griechenland als bloße Schutzbehauptung zur Manifestierung seiner Ausreise aus Griechenland gewertet werde. Er habe nicht genügend substantiiert vorgebracht und somit glaubhaft gemacht, dass für ihn im Falle der Ausweisung bzw. Überstellung nach Griechenland tatsächlich ein persönliches "real risk" bestehen würde, dort einem unter Art. 3 EMRK verpönten Tatbestand zu unterliegen.

 

1.2.6. Gegen diesen Bescheid hat der BF fristgerecht mit Schriftsatz vom 02.10.2008 Beschwerde erhoben und beantragt, ihn zum Asylverfahren wegen Verletzung von Art. 3 EMRK zuzulassen sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

 

In der Begründung dazu wird im Wesentlichen das Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren wiederholt und dann auf mehrere vorgelegte Berichte zur aktuellen Situation in Griechenland verwiesen. Insbesondere bei einer Pressekonferenz der "Ärzte ohne Grenzen" am 30.09.2008 sei bekannt geworden, dass die Situation in einem Auffanglager für Migranten auf der Insel Lesbos sehr problematisch sei und "Ärzte ohne Grenzen" daher ihre Arbeit dort nun beenden würden.

 

Das Verfahren sei mangelhaft, da bei Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens die Behörde feststellen hätte müssen, dass in Griechenland vielfach kein Zugang zum Asylverfahren gegeben sei, daher ein "real risk" der Verletzung der in Art. 3 EMRK normierten Grundrechte bestehe und daher Österreich von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO Gebrauch machen müsse.

 

2. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

2.1. Anzuwendendes Recht:

 

Mit Datum 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 4/2008) und auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz am 26.07.2008 gestellt, weshalb § 5 AsylG idgF zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 37 Abs. 1 AsylG hat der Asylgerichtshof einer Beschwerde gegen eine mit einer zurückweisenden Entscheidung (§§ 4 und 5 AsylG oder § 68 Abs. 1 AVG) verbundene Ausweisung binnen einer Woche ab Beschwerdevorlage die aufschiebende Wirkung zuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die Ausweisung lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (in der Folge EMRK), Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Nach der Literatur ist hier auch Art. 8 EMRK maßgeblich (Vogl/Taucher/Bruckner/Marth/Doskozil, Fremdenrecht 6. Anm. zur - analogen - Regelung des § 37 Abs 1 AsylG, 155, Frank/Anerinhof/Filzwieser, AsylG 2005, K3 zu § 37 Abs 1 AsylG, 512 und K8 zu § 38 AsylG, 522f; vgl auch Fahrner/Premiszl, Das Fristensystem im "Dublin-Verfahren" nach dem Asylgesetz 2005, Migralex 2/06, 69f).

 

Gemäß § 37 Abs. 2 AsylG ist bei der Entscheidung, ob einer Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung nach § 5 verbunden ist, die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, auch auf die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Art. 19 Abs. 2 und 20 Abs. 1 lit. e der Dublin II VO und die Notwendigkeit der effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts Bedacht zu nehmen ("effet utile").

 

2.2. Rechtlich folgt daraus:

 

Die unter Punkt 1.2.6. genannten Aspekte sind nach derzeitigem Wissenstand des Asylgerichtshofes noch nicht hinreichend geklärt; beim derzeitigen Stand des Verfahrens ist daher bei einer sofortigen Durchsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung des Beschwerdeführers eine Verletzung der in der EMRK gewährleisteten Rechte nicht auszuschließen.

 

Bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes erscheint die Anwesenheit des Beschwerdeführers in Österreich für den Fall der Notwendigkeit weiterer Befragungen seiner Person vorteilhaft. Aufgrund der dem Asylgerichtshof hier zur Entscheidung zukommenden knappen Entscheidungsfristen liegt im konkreten Fall derzeit auch keine unzulässige Beeinträchtigung des "effet utile" der Dublin II VO vor.

 

Der Asylgerichtshof war im daher Ergebnis gehalten, gemäß § 37 Abs. 1 AsylG vorzugehen.

 

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG entfallen.

Schlagworte
aufschiebende Wirkung
Zuletzt aktualisiert am
13.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten