TE AsylGH Beschluss 2008/10/23 B10 400444-1/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.10.2008
beobachten
merken
Spruch

B10 400.444-1/2008/6E

 

BESCHLUSS

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 Asylgesetz 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBGl. I 2008/4, (AsylG) und 66 Abs. 4 AVG, durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Beisitzerin über die Beschwerde der M. J., geb. 00.00.1990, StA. Serbien, gegen die Erledigung des Bundesasylamtes vom 13.06.2008, AZ. 08 02.058-BAW, beschlossen:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

Text

BEGRÜNDUNG :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Die zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Serbien und hat am 28.02.2008, vertreten durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin, welche ihrerseits eine Zustellvollmacht erteilt hat, einen Asylantrag gestellt.

 

Die Ladung zur Einvernahme vor dem Bundesasylamt für den 30.04.2008 wurde sowohl der Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin als auch der Zustellungsbevollmächtigten zugestellt.

 

Mit Erledigung des Bundesasylamtes, Außenstelle Wien, vom 13.06.2008, Zahl: 08 02.058-BAW, wurde der Antrag gemäß § 3 AsylG 2005 abgewiesen sowie gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien nicht zuerkannt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 die Ausweisung der Beschwerdeführerin ausgesprochen und einer Berufung gegen den Bescheid gemäß § 38 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

Diese Erledigung wurde am 08.07.2008 der Mutter der Beschwerdeführerin als deren gesetzliche Vertreterin zugestellt. Eine Zustellung an die Zustellungsbevollmächtigte der Beschwerdeführerin ist jedoch nicht erfolgt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 61 Abs.1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes oder

 

soweit in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4,

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG und die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Zum Zustandekommen eines Bescheides ist es erforderlich, dass er erlassen wird. Erst mit seiner Erlassung erlangt ein Bescheid rechtliche Existenz (vgl. zB VwSlgNF 9018 A).

 

Die Erlassung schriftlicher Bescheide erfolgt derart, dass die schriftliche Ausfertigung den Parteien durch Zustellung - nach dem Zustellgesetz oder Sondervorschriften - übermittelt wird. (Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, Lehrbuch, 4.Auflage S 211)

 

Ohne Erlassung des Bescheides an die Partei beginnt die Rechtsmittelfrist nicht zu laufen. (Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, Lehrbuch, 4.Auflage S 253)

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG ist eine Berufung zurückzuweisen, wenn sie unzulässig ist. Eine Berufung ist unzulässig, wenn ein Bescheid nicht vorliegt (...) [Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht 6 (1995) Rz 536].

 

Gemäß § 9 Abs. 3 ZustG hat die Behörde, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

 

Gemäß § 23 Abs. 3 AsylG ist bei Zustellungen von zurück- oder abweisenden Entscheidungen, die mit einer durchsetzbaren Ausweisung (§ 10) verbunden sind, soweit dem Asylwerber zum Zeitpunkt der Zustellung faktischer Abschiebeschutz (§ 12) oder ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz (§ 13) zukommt, jedenfalls der Asylwerber als Empfänger zu bezeichnen.

 

Gemäß § 23 Abs. 4 AsylG ist, wenn der Asylwerber einen Zustellbevollmächtigten hat, in den

 

Fällen des Abs. 3 auch an diesen zuzustellen. Von der Zustellung abhängige Fristen beginnen erst mit Zustellung an den Zustellbevollmächtigten zu laufen.

 

Gemäß der Regierungsvorlage 952 XXII. GP "handelt es sich bei § 9 Abs. 3 ZustG nur um eine subsidiäre Verfahrensregel, weshalb die Regelung des § 23 AsylG 2005 kein Abgehen von den einheitlichen Verfahrensvorschriften bedeutet. Die Normierung ist erforderlich, weil nur so eine - die asylrechtliche Ausweisung sichernde - fremdenpolizeiliche Maßnahme, etwa die Verhängung von Schubhaft, oder eines gelinderen Mittels ergriffen werden kann, um zu gewährleisten, dass sich der abgewiesene Asylwerber dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörde nicht entzieht. Um jedoch zu gewährleisten, dass ein gewillkürter Vertreter voll in das Verfahren eingebunden wird, wird diesem die Entscheidung schnellst möglich zugestellt. Fristen, die an die Zustellung der Entscheidung gebunden sind - also vor allem Rechtsmittelfristen - beginnen erst mit Zustellung an den gewillkürten Vertreter zu laufen. Da mit der faktischen Durchsetzung der Ausweisung - also mit der Zurück- oder Abschiebung - gemäß § 36 Abs. 4 jedenfalls bis zum Ende der Rechtsmittelfrist zugewartet wird, erleidet der Asylwerber kein Rechtsschutzdefizit. Die Regel erreicht zielgenau den gewünschten Inhalt - eine Sicherung des Verfahrens durch und in der Verantwortung der Fremdenpolizei ist möglich, während der Asylwerber in seinem Rechtsschutz keineswegs eingeschränkt ist."

 

"In § 76 Abs. 4 FPG (früher § 61 Abs. 3 FrG 1997 bzw. § 41 Abs. 3 FrG 1993) ist eine ähnliche Regelung - wie § 23 AsylG 2005 - enthalten, wonach die Zustellung des Schubhaftbescheides auch in dem Zeitpunkt als vollzogen gilt, in dem eine Ausfertigung dem Fremden tatsächlich zugekommen ist. Diesfalls ist die Zustellung einer weiteren Ausfertigung an den Zustellbevollmächtigten unverzüglich zu veranlassen. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt zu § 41 Abs. 3 FrG die Ansicht, dass die (bloße) Zustellung des Schubhaftbescheides an den Fremden eine "rechtsverbindliche" Zustellung darstellt, während die Bestimmung betreffend Zustellung einer weiteren Ausfertigung an den Zustellbevollmächtigten als bloße Ordnungsvorschrift zu qualifizieren ist, deren Verletzung nicht die Rechtswidrigkeit der Schubhaft nach sich zieht. Diese Rechtsauffassung kann allerdings nicht auf § 23 Abs. 3 bis 5 AsylG 2005 übertragen werden. Dies im Hinblick auf § 23 Abs.4 zweiter Satz, wonach von der Zustellung abhängige Fristen erst mit Zustellung an den Zustellbevollmächtigten zu laufen beginnen. Zwar ist die an den Asylwerber persönlich erfolgte Zustellung rechtsverbindlich, dh dass der Bescheid mit der Zustellung an den Asylwerber erlassen wird. Daraus folgt, dass in der Regel gleichzeitig mit der Zustellung an den Asylwerber auch die Voraussetzungen für die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG gegeben sein werden, weshalb dieser sogleich in Schubhaft genommen werden darf. Die Rechtsmittelfristen hingegen beginnen erst mit der Bescheidzustellung an den Zustellbevollmächtigten, so wurde der Bescheid zwar erlassen, mangels Zustellung an den Zustellbevollmächtigten jedoch nicht mit der Wirkung, dass die Berufungsfrist in Gang gesetzt wurde. [Verzögert sich die Bescheidzustellung an den Zustellbevollmächtigten, so wurde der Bescheid zwar erlassen, jedoch mangels Zustellung an den Zustellbevollmächtigten mit der Wirkung, dass die Berufungsfrist noch nicht in Gang gesetzt wurde. Dies hindert den Berufungswerber jedoch nicht an der Erhebung einer - zunächst vorzeitigen - Beschwerde.]" (Feßl-Holzschuster, Asylgesetz 2005 Kommentar, S 431f).

 

"Im Einparteienverfahren kommen eine Berufung und ein Beginn der Rechtsmittelfrist vor Erlassen des Bescheides an die (einzige) Partei grundsätzlich nicht in Betracht, weil es noch keinen Anfechtungsgegenstand gibt. Jedoch wird nach der Jud des VwGH eine verfrüht eingebrachte Berufung saniert, wenn die Partei den Bescheid bereits kennt und dieser im Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungsbehörde ihr gegenüber bereits erlassen worden ist."

 

(Hengstschläger-Leeb, AVG Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz MANZ Kommentar, 3. Teilband, RZ 105, S 862

 

Eine Sanierung der (vorzeitig) eingebrachten Beschwerde kann im gegenständlichen Fall mangels bisheriger Zustellung eines Bescheides an den Zustellbevollmächtigten gemäß § 23 Abs. 4 AsylG 2005 nicht eintreten, weil die Beschwerdefrist noch nicht in Gang gesetzt wurde. Eine Heilung bezüglich der Zustellung an den Bevollmächtigten gemäß § 7 ZustG ist nicht möglich, weil eine Zustellung an den Zustellbevollmächtigten bisher nicht veranlasst wurde. Auch eine Heilung nach der Bestimmung des § 9 Abs. 3 ZustG idF BGBl. I 5/2008 erscheint im Hinblick darauf, dass es sich hiebei nur um eine subsidiäre Verfahrensregel zu § 23 Abs. 3 und 4 AsylG 2005 handelt, wo eine Zustellung sowohl an den Asylwerber als auch an den Zustellbevollmächtigten mit jeweils unterschiedlichen Wirkungen vorgesehen ist, nicht möglich, weil dadurch mit lediglich einer Zustellung an den Asylwerber regelmäßig das Auslangen gefunden werden könnte, was jedoch ausdrücklich nicht den Intentionen des Gesetzgebers entspricht.

 

Die mit Berufung (nunmehr Beschwerde) vom 21.07.2008 angefochtene Erledigung des Bundesasylamtes vom 13.05.2008, Zahl: 08 02.058-BAW, ist an den Bevollmächtigten der gesetzlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin bisher nicht zugestellt worden, sodass die Beschwerdefrist gemäß § 23 Abs. 4 AsylG 2005 noch nicht zu laufen begonnen hat. Eine Heilung gemäß § 7 bzw. § 9 Abs.3 ZustellG kann im gegenständlichen Verfahren nicht eintreten, weshalb eine Sanierung der vorzeitig eingebrachten Beschwerde - ohne Zustellung an den Zustellbevollmächtigten - letztlich nicht möglich ist.

 

Somit erweist sich die von der Beschwerdeführerin gegen die angefochtene Erledigung erhobene Beschwerde als unzulässig.

Schlagworte
verbesserungsfähiger Mangel, Zustellmangel
Zuletzt aktualisiert am
12.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten