TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/27 D9 249695-2/2008

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Veröffentlicht am 27.10.2008
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Spruch

D9 249695-2/2008/11E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Kanhäuser als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Stark als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Gubitzer über die Beschwerde des M.S., geb. 00.00.1964, StA. Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. Juni 2007, FZ. 02 04.572-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 7. Oktober 2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird in Anwendung des § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, in Verbindung mit § 61 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, gemäß § 7 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, sowie § 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

Der Beschwerdeführer, ein ukrainischer Staatsangehöriger ukrainischer Volkszugehörigkeit, reiste am 17. Februar 2002 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Am 18. Februar 2002 stellte er einen Asylantrag.

 

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahmen vor der belangten Behörde am 27. März 2002 und am 25. März 2004 wurde der Beschwerdeführer zu seinem Reiseweg und seinen Fluchtgründen befragt.

 

Zwischenzeitlich wurde das Verfahren mit Aktenvermerk vom 12. Februar 2003 in Folge unbekannten Aufenthalts des Beschwerdeführers seit 9. Dezember 2002 eingestellt.

 

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. April 2004, Zahl: 02 04.572-BAT, wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers in Spruchpunkt I. gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idgF abgewiesen und in Spruchpunkt II. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in die Ukraine gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt. Im Wesentlichen begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung mit der gänzlichen Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers.

 

Genannter Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 19. April 2004 durch Hinterlegung zugestellt.

 

Mit Schreiben vom 29. April 2004, eingelangt bei der belangten Behörde am selben Tag, erhob der Beschwerdeführer Berufung und verwies im Wesentlichen neuerlich auf das im Verfahren erstattete Vorbringen.

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 29. Jänner 2007, Zahl: 249.695/1E-VII/19/04, wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 14. April 2004, Zahl: 02 04.572-BAT, behoben und die Angelegenheit auf Grund des mangelhaften Ermittlungsverfahrens gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

 

Der Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates wurde dem Beschwerdeführer am 2. Februar 2002 durch Hinterlegung und der belangten Behörde im Wege des Telefax am 30. Jänner 2007 zugestellt.

 

Im Rahmen des fortgesetzten Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 23. März 2007 und am 27. März 2007 neuerlich zu seinen Fluchtgründen befragt. Am 14. Juni 2007 wurde dem Beschwerdeführer das Ergebnis einer Anfrage an die Staatendokumentation betreffend die Partei "Batkiwschina" vom 23. Mai 2007 zur Kenntnis gebracht.

 

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. Juni 2007, Zahl: 02 04.572-BAT, wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers in Spruchpunkt I. gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. BGBl. I Nr. 126/2002 (AsylG) abgewiesen und in Spruchpunkt II. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in die Ukraine gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt. Unter Spruchpunkt III. wurde der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen. Im Wesentlichen begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung neuerlich mit der gänzlichen Unglaubwürdigkeit des Vorbringens.

 

Mit Hinterlegung vom 20. Juni 2007 wurde der Bescheid vom 15. Juni 2007, Zahl: 02 04.572-BAT, dem Beschwerdeführer zugestellt.

 

Mit Schreiben vom 28. Juni 2007, eingelangt bei der belangten Behörde am selben Tag, erhob der Beschwerdeführer Berufung (nunmehr: Beschwerde).

 

Mit 1. Juli 2008 wurde die ursprünglich zuständige Berufungsbehörde, der Unabhängige Bundesasylsenat aufgelöst, an seine Stelle trat der neu eingerichtete Asylgerichtshof. Nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes wurde gegenständliches Beschwerdeverfahren dem nunmehr zuständigen vorsitzenden Richter zugewiesen.

 

Am 7. Oktober 2008 fand zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof statt, an welcher der Beschwerdeführer und dessen gewillkürter Vertreter teilnahmen. Die belangte Behörde wurde ordnungsgemäß geladen, teilte jedoch mit Email vom 18. September 2008 mit, dass die Teilnahme eines Vertreters aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei und beantragte zugleich die Beschwerde abzuweisen.

 

In der Verhandlung wurden nach ausführlicher Erörterung des Vorbringens des Beschwerdeführers die im Verfahren herangezogenen Erkenntnisquellen zur Kenntnis gebracht. Dem Beschwerdeführer und dessen Vertreter wurde eine Frist von zwei Wochen zwecks Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

 

Die Verhandlungsschrift vom 7. Oktober 2008 wurde dem Bundesasylamt am selben Tag per Email übermittelt.

 

Eine Stellungnahme des Bundesasylamtes langte innerhalb der gewährten Frist nicht ein.

 

Mit Schreiben vom 20. Oktober 2008, eingelangt am 23. Oktober 2008, übermittelte der Beschwerdeführer in Kopie ein Zeugnis über die erfolgreiche Absolvierung der "Computerführerscheinprüfung", ausgestellt durch die European Computer Driving Licence Foundation am 00.00.2006. Zu den im Verfahren herangezogenen Erkenntnisquellen teilte der Beschwerdeführervertreter mit, dass diese im Wesentlichen die innenpolitische Lage in der Ukraine richtig wiedergeben.

Ergänzend legte er vor:

 

Amnesty Report 2008

 

Länderbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. vom 5. September 2008

 

Interview auf Spiegel Online mit Poitberater Nikonow vom 15. Oktober 2008

 

Abschließend nahm der Beschwerdeführervertreter dahingehend Stellung, dass sich aus allen Berichten ergebe, dass in der Ukraine nach wie vor eine hohe Wahrscheinlichkeit bestünde, in Polizeigewahrsam genommen und einer menschenwidrigen Behandlung unterworfen zu werden.

 

II. Der Asylgerichtshof hat hinsichtlich der zulässigen Beschwerde erwogen:

 

1. Im Rahmen der Verhandlung am 7. Oktober 2008 wurden zur Beurteilung der Lage in der Ukraine im konkreten Verfahren folgende relevante Erkenntnisquellen herangezogen:

 

Deutsches Auswärtiges Amt, Innenpolitik, Stand März 2008, http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Ukraine/Innenpolitik.html, Zugriff am 13. August 2008

 

Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, März 2003

 

US Department of State, Country Reports on Human Rights Practices - 2007, Ukraine, vom 11. März 2008

 

Freedom House Nations in Transit Report 2007 - Ukraine

 

Human Rights Watch, Universal Periodic Review of Ukraine vom 05. Mai 2008

 

Commission of the European Communities, ENP Progress Report: Ukraine [SEC(2006) 1505/2] vom 4. Dezember 2006

 

Commission of the European Communities, 'Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2007': Progress Report Ukraine, 3. April 2008

 

Caritas Ukraine, Our Activity, 2007;

http://www.caritas-ua.org/index.php, Zugriff am 13. August 2008

 

U.K. Home Office, Country of Origin Information Report, vom Juni 2006

 

Ukrainian Helsinki Human Rights Union, Human Rights in Ukraine - 2007

 

International Religious Freedom Report 2005, Released by the Bureau of Democracy, Human Rights and Labor, 8. März 2006

 

ACCORD Anfragebeantwortung vom 29. August 2006 zur medizinischen Versorgung und allgemeine Informationen zum Gesundheitssystem in der Ukraine

 

ACCORD Anfragebeantwortung vom 27. Juli 2006 betreffend Situation der Juden in der Ukraine

 

Internetauszug über Lebenslauf von Herrn Alexander Valentinowitsch Turtschinow

http://asolf.spaces.live.com/Blog/cns!D4999C016034BC92!11851.entry Zugriff 6. Oktober 2008

 

Security Service Ukraine, Wikipedia; Zugriff am 21. September 2007

 

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend Thema "Batkiwschina" vom 23. Mai 2007 (Verwaltungsakt der belangten Behörde, Seite 335 bis 339)

 

Konrad Adenauer Stiftung, Im Schatten des Präsidenten: Die Parlamentswahl in der Ukraine vom 31. März 2002

 

Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde, der vor dem Asylgerichtshof durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und den in diesem Verfahren herangezogenen sowie den seitens des Beschwerdeführervertreters übermittelten Hintergrundberichten zur Lage in der Ukraine, insbesondere zu Parteienlandschaft, Polizeigewalt und Korruption, Gerichtsbarkeit sowie Grund- und medizinische Versorgung wird seitens des Asylgerichtshofes Folgendes festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer ist volljähriger ukrainischer Staatsangehöriger, seine Identität steht nicht fest.

 

Der Beschwerdeführer war keinen asylrelevanten Übergriffen ausgesetzt und drohen solche auch nicht. Die von ihm vorgebrachten Gründe seiner zweimaligen Ausreise aus der Ukraine werden mangels Glaubwürdigkeit des Vorbringens nicht festgestellt.

 

Dem Beschwerdeführer droht in der Ukraine weder eine unmenschliche Behandlung, Todesstrafe oder unverhältnismäßige Strafe bzw. eine sonstige individuelle Gefahr.

 

Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig und -willig. Es kann nicht festgestellt werden, dass im Falle der Rückkehr in die Ukraine eine Existenzgefährdung bestünde.

 

Der Beschwerdeführer leidet unter keinen Erkrankungen und verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen in und zu Österreich.

 

Auf Grundlage der herangezogenen Quellen ergeben sich folgende Länderfeststellungen:

 

Innenpolitische Lage

 

Die Ukraine erreichte im Jahr 1991 ihre staatliche Unabhängigkeit. Gemäß der Verfassung vom 28. Juni 1996 war die Ukraine ursprünglich eine Präsidialdemokratie mit Gewaltenteilung. Politik und Verwaltung waren stark auf den Staatspräsidenten als zentrale Verfassungsinstitution und Ausdruck staatlicher Macht ausgerichtet. Verfassungsgesetzliche Grundrechte wurden ebenfalls verabschiedet.

 

Am 8. Dezember 2004 wurde die Verfassung im Zuge der "Orangefarbenen Revolution" wesentlich geändert. Diese Änderungen traten zum Jahresbeginn 2006 in Kraft. Sie stärkten das Parlament, das nun weitgehend selbst die Regierung einsetzen und durch Misstrauensvotum abberufen kann. Der Präsident hat jedoch faktisch bei der Regierungsbildung weiterhin eine einflussreiche Rolle und zudem die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen das Parlament aufzulösen.

 

Die Kompetenzen der einzelnen Verfassungsorgane sind im geltenden Verfassungstext nur unzureichend abgegrenzt. Dies führte im Frühjahr 2007 zu einem Verfassungskonflikt zwischen Staatspräsident Juschtschenko und der damaligen Regierung unter Premierminister Janukowitsch, in dem sich beide Seiten gegenseitig Verfassungsbruch vorwarfen. Das Verfassungsgericht erwies sich dabei als nicht fähig, diesen Streit zu schlichten. Präsident Juschtschenko hat Anfang 2008 einen Verfassungsrat aus Politikern und Experten gebildet, der Vorschläge zu einer Verfassungsreform erarbeiten soll.

 

Die Ukraine wird zentralistisch regiert. Das Land ist in 27 Verwaltungseinheiten aufgeteilt: Dies sind die 24 Bezirke (Oblaste), deren Gouverneure vom Präsidenten ernannt und entlassen werden, außerdem die Autonome Republik Krim und die Städte Kiew und Sewastopol, die einen Sonderstatus haben. Organe der regionalen und lokalen Selbstverwaltung haben mit Ausnahme der Krim relativ geringe Kompetenzen.

 

Bei den Präsidentschaftswahlen im Herbst 2004 standen sich der damalige Premierminister Viktor Janukowitsch und der Oppositionskandidat Viktor Juschtschenko gegenüber. Nach Wahlfälschungen zugunsten von Janukowitsch kam es zu starken Protesten der ukrainischen Bevölkerung. Juschtschenko und seine Verbündete Julija Tymoschenko standen über Wochen an der Spitze einer breiten, gewaltlosen Volksbewegung. Schließlich erreichte die "Orange Revolution" eine Wiederholung der Präsidentschaftswahlen. Juschtschenko gewann am 26. Dezember 2004 und trat Anfang 2005 sein Amt als dritter Präsident der seit 1991 unabhängigen Ukraine an. Julija Tymoschenko wurde Premierministerin (bis September 2005). Als sie wegen Differenzen mit Staatspräsident Juschtschenko ihr Amt verlor, wurde ein Vertrauter Juschtschenkos, der heutige Verteidigungsminister Juri Jechanurow, Premierminister.

 

Bei den Parlamentswahlen am 26. März 2006 wurde Janukowitschs "Partei der Regionen" (PdR) deutlich stärkste Fraktion vor dem "Block Julija Tymoschenko" (BJuT) und Juschtschenkos "Unsere Ukraine" (UU). Als die Spannungen zwischen Präsident und Premierminister zunahmen, ging die Partei "Unsere Ukraine" (UU) in die Opposition und zog ihre fünf (zusätzlichen) Minister aus der Regierung zurück.

 

Im April 2007 löste Präsident Juschtschenko das ukrainische Parlament auf und ordnete Neuwahlen an. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Auflösung sind umstritten. Das vom Parlament angerufene Verfassungsgericht erwies sich als gespalten, politisch instrumentalisiert und nicht hinreichend legitimiert, weshalb es zu keiner Entscheidung imstande war.

 

Der Auflösungsbeschluss führte zu Kundgebungen, Pressegesprächen, Auslandsreisen und Verhandlungen der beiden Lager vor und hinter den Kulissen. Beide Seiten respektierten weitgehend die in der Revolution errungene Presse-, Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Die Sicherheitsbehörden agierten mit Augenmaß. Ende Mai einigten sich schließlich Präsident, Premierminister und Parlamentspräsident auf Neuwahlen am 30. September 2007.

 

Die Regierung Janukowitsch blieb im Amt.

 

Nach Einschätzung der OSZE-Wahlbeobachter entsprachen die Parlamentswahlen vom 30. September 2007 im Wesentlichen demokratischen Standards und den internationalen Verpflichtungen der Ukraine.

 

Am 18. Dezember 2007 wurde Julija Tymoschenko im dritten Wahlgang in namentlicher Abstimmung zur neuen ukrainischen Premierministerin gewählt. Als wesentliche Aufgaben ihrer Regierung nannte Premierministerin Tymoschenko die Themen Energiesicherheit, Gerichtsreform, Verbesserung des Investitionsklimas und eine aktive Sozialpolitik. Der Haushalt 2008 wurde vom Parlament noch kurz vor Jahresende verabschiedet. Von Mitte Januar 2008 an blockierte die Opposition die Parlamentsarbeit; Anlass war die Unterschrift von Parlamentspräsident Jazenjuk unter die ukrainische Bitte an die NATO um einen Mitgliedschaftsaktionsplan. Diese Blockade endete am 6. März 2008, als das Parlament mehrheitlich eine Resolution verabschiedete, dass ein Beitritt zur NATO erst nach einem Referendum möglich sei (was Staatspräsident Juschtschenko schon seit längerem zugesagt hatte). (Quelle: Deutsches Auswärtiges Amt, Innenpolitik, Stand März 2008)

 

Parlamentswahlen 2002 Wahlblock von Julija Tymoschenko

 

Mit den Sozialisten teilte Julija Tymoschenko die Fundamentalopposition gegen Kutschma. Ihr Wahlbündnis aus fünf Parteien erreichte 7,25 Prozent und kam in der Werchowna Rada auf 23 Sitze. Entstanden ist Tymoschenkos Popularität gerade in der "Tapeaffäre" um Kutschma Anfang 2001, als sie vehement gegen ihn opponierte. Zuvor hatte sie als Vizepremierministerin begonnen, den Energiesektor zu reformieren. Das stieß bei den Oligarchen um Kutschma auf wenig Gegenliebe, so dass sie wegen angeblicher Steuerhinterziehung aus dem Amt gejagt wurde und zeitweise inhaftiert war. Ihr Ruf als "Jeanne d'Arc der Ukraine" brachten ihr besonders in den westukrainischen Verwaltungsgebieten Wolyn, Iwano-Frankiwsk, Lwiw, Riwno, Ternopil, in den zentralukrainischen Oblasten Chmelnyzki und Winnyzja sowie in der Stadt Kiew die Zweitstimmen ein. Folglich gehört dieser Wahlblock, weil er sich auf die tapfere und unbeugsame Erscheinung von Julija Tymoschenko konzentriert, eher zu den charismatischen Parteien mit kleinen programmatischen Elementen. Außenpolitisch setzt Tymoschenko auf eine friedliche Koexistenz aller Staaten. In der Wirtschaftspolitik bevorzugt sie eine gemischte Ökonomie mit starken staatlichen Elementen. Die Effektivitätssteigerung der Staatsunternehmen, niedrige Steuern und geringe Zinssätze für Kredite sowie eine Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer sind Forderungen ihres Wahlbündnisses. Auch sie möchte einen Verkauf von Grund und Boden nur an die Ukrainer. (Quelle: Konrad Adenauer Stiftung, Im Schatten des Präsidenten: Die Parlamentswahl in der Ukraine vom 31. März 2002)

 

Überschattet wurde die Parlamentswahl durch den Tod des Vize-Gouverneurs Nikolaj Schkribljach im Oblast Iwano-Frankiwsk. Der zu den Vereinten Sozialdemokraten gehörende Kandidat wurde am Sonnabend vor der Wahl tot in seiner Hofauffahrt gefunden. Von den Tätern fehlt jede Spur. Dieser Vorfall war ein trauriger Höhepunkt im ukrainischen Wahlkampf. Indes kamen europäische Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), des Europarates und des europäischen Parlaments zu dem Schluss, dass die Wahl ein Fortschritt in Richtung internationaler Standards war. Vorher hatte sich Wiktor Juschtschenko über massiven Wahlbetrug beklagt. Acht bis zwölf Prozent aller Stimmzettel könnten Gegenstand von Fälschungen und Manipulationen gewesen sein, so der Oppositionspolitiker. Der Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission Mychajlo Rjabez attestierte, dass es Wahlvergehen gegeben hat, doch seien diese nicht wahlentscheidend gewesen.

 

Unmut bei den Wählern hatte es über die langen Wartezeiten gegeben. Aufgrund der gleichzeitig stattfindenden Wahlen von Gemeinde- und Kreisversammlungen sowie der Bürgermeister hielten die Wähler teils bis zu sechs Stimmzettel in der Hand. Dazu kam oft eine Unbeholfenheit der Wahlhelfer im übersichtlichen Arrangieren der Tische und Wahlkabinen. Durch eine bessere Organisation hätte viel Wartezeit verhindert werden können. In einer Beurteilung der OSZE hat das jetzt zur Anwendung gekommene Wahlgesetz einige Verbesserungen gegenüber dem alten. Für eine Kandidatur sind nun keine Unterschriften, die leicht zu fälschen sind, notwendig, sondern muss der Kandidat ein monetäres Pfand hinterlegen. Insgesamt ist die Zusammensetzung der lokalen Wahlkommissionen mit ihren Wahlhelfern transparenter. Protokolle der Wahlkommissionssitzungen sind öffentlich zugänglich. Nicht nur internationale Wahlbeobachter können teilnehmen, sondern gleichermaßen Vertreter der Parteien. Besser geregelt wurde auch der Zugang der Parteien und Kandidaten zu den Medien. Jeder Kandidat, der wollte, konnte an einer Debatte im staatlichen Fernsehen teilnehmen. Für Wahlplakate wurden staatliche Flächen zu Verfügung gestellt. Um Wahlmanipulationen zur dokumentieren, organisierten sich vielerorts Komitees und Gruppen, welche die Wähler aufforderten, Vergehen telefonisch zu melden.

 

(Quelle: Konrad Adenauer Stiftung, Im Schatten des Präsidenten: Die Parlamentswahl in der Ukraine vom 31. März 2002)

 

Alexander Valentinowitsch Turtschinow

 

Turtschinow ist seit dem 19.Dezember 2007 Erster Vize-Premierminister der Ukraine. Er gehört zu den klügeren unter den ukrainischen Politikern, sein Studium (Technologische Fakultät des Metallurgischen Instituts von Dnipropetrowsk) beendete er mit Auszeichnung und arbeitete anschließend in dem bekannten Unternehmen Kriworischstal.

 

1987 war er im der Agitations- und Propagandaabteilung des Komsomol und von 1990 bis 1991 als Chefredakteur der ukrainischen Abteilung der Presseagentur UNA-Press APN.

 

Nach der ukrainischen Unabhängigkeitserklärung (im Jahre 1992) avancierte Turtschinow zum Vorsitzenden des Komitees für Privatisierung und Demonopolisierung der Industrieproduktion bei der Verwaltung des Dnipropetrowsker Bezirkes.

 

Kurze Zeit (im Jahre 1993) war Turtschinow Kutschma-Berater.

 

1994 war er an der Gründung der Partei "Gromada" (oder "Hromada" geschrieben) beteiligt. Einer Partei, welche seinerzeit die Kandidatur auf die Präsidentschaft von Leonid Kutschma unterstützte. Auf der Liste dieser Partei wurde Turtschinow 1998 in das ukrainische Parlament gewählt.

 

Wenig später, im Jahre 1999, gründete Turtschinow gemeinsam mit Julia Timoschenko die Partei "Batkiwschtschyna", die auch heute noch fester Bestandteil des Parteienbündnisses BJUT ist. Turtschinow ist stellvertretender Vorsitzender dieser Partei.

 

Im Jahre 2002 wurde Turtschinow über die Liste des Parteienbündnisses BJUT in das ukrainische Parlament gewählt.

 

Bei den Präsidentschaftswahlen 2004 arbeitete er im Stab des heutigen Präsidenten Juschtschenko mit. Nach dessen Sieg, der überall "Orangene Revolution" genannt wird, ernannte Juschtschenko Turtschinow zum Leiter des Sicherheitsdienstes ("Sluschba Bespeky Ukrainy") mit dem Auftrag dieses Organ einer umfassenden Reform zu unterziehen.

 

Als Julia Timoschenko im September 2005 vom Amt der Premierministerin zurücktrat, verließ auch Turtschinow seinen Posten und leitete von da an den Wahlkampfstab von BJUT. Bei den Wahlen in das ukrainische Parlament 2006 wurde Turtschinow erneut gewählt und war in der nun folgenden Legislaturperiode stellvertretender Fraktionsvorsitzender.

 

Im Mai 2007 wurde Turtschinow zum stellvertretenden Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsrates der Ukraine ernannt.

 

Nach der vorgezogenen Wahl 2007 wurde Turtschinow zum ersten Stellvertreter der neuen Premierministerin Julia Timoschenko.

 

(Quelle: Internetauszug über Lebenslauf von Herrn Alexander Valentinowitsch Turtschinow

http://asolf.spaces.live.com/Blog/cns!D4999C016034BC92!11851.entry Zugriff 6. Oktober 2008)

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Der Schutz der Menschenrechte sowie das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip sind in der Verfassung verankert. Auf Grundlage der Verfassung ist das Amt der Ombudsperson für Menschenrechte beim ukrainischen Parlament als unabhängige Kontrollinstanz geschaffen worden (am 8. Februar 2007 wurde Nina Karpatschowa erneut zur Menschenrechtsbeauftragten gewählt). Die Ukraine ist Vertragsstaat der meisten Menschenrechtsabkommen des Europarates und der Vereinten Nationen.

 

Seit der "Orange Revolution" berichten die Medien auch kritisch über einzelne Fälle von Menschenrechtsverletzungen. Die Bürgergesellschaft ist deutlich lebendiger als früher. Unabhängige Menschenrechtsorganisationen können weitgehend ungehindert arbeiten und werden von der Regierung als Gesprächspartner akzeptiert.

 

Problematisch bleiben die stark verbreitete Korruption, die Zustände in den Gefängnissen (insbesondere Untersuchungshaftanstalten), schleppende Gerichtsverfahren, die Lage ausländischer Flüchtlinge und der Roma und die Zunahme fremdenfeindlicher und antisemitischer Gewalt.

 

Die politische Lähmung des Landes im vergangenen Jahr blockierte viele Gesetzesvorhaben zur Justizreform. Geplant sind eine einheitliche, transparentere Richterauswahl, die Stärkung der richterlichen Selbstverwaltung, mehr Öffentlichkeit im Strafprozess, Rechtsmittel gegen Untersuchungshaft und eine Beschränkung des Einflusses der Staatsanwaltschaft.

 

Die Ukraine ist 2007 in 108 Fällen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt worden, häufig wegen Verletzung von Prozessgrundrechten (unfaires oder zu langes Verfahren).

 

(Quelle: Deutsches Auswärtiges Amt, Innenpolitik, Stand März 2008, http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Ukraine/Innenpolitik.html, Zugriff am 15.07.2008)

 

Die schwerwiegendsten Bedenken in Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte bleiben Rechtsverletzungen im Bereich der Polizei und des Strafrechtssystems. Hierzu gehören Folter in Untersuchungshaftanstalten, schlechte Haftbedingungen sowohl in Straf- als auch in Untersuchungshaftanstalten und willkürliche und übermäßig lange Anhaltung in Untersuchungshaft. Hinzu kommen fortgesetzte gewaltsame Schikanen gegenüber Wehrpflichtigen und die Überwachung privater Kommunikation durch die Verwaltung ohne gerichtliche Kontrolle. Die Rückgabe religiösen Eigentums wurde fortgesetzt. Fälle von Gewalt gegen Juden und antisemitische Veröffentlichungen sowie vermehrte Gewalt gegen Personen nichtslawischer Abstammung wurden berichtet. Korruption in allen Regierungsbereichen und dem Militär und die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz wurden ebenfalls kritisiert. Gewalt und Diskriminierungen gegen Kinder und Frauen, häusliche Gewalt, sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz und Kinderarbeit blieben ebenso wie Fälle von Menschenhandel weiterhin problematisch. Aufgrund unzureichender Gesetzgebung im Bereich des Arbeitsrechts sind die Rechte von Arbeitnehmern, Gewerkschaften zu gründen und beizutreten oder Kollektivverträge abzuschließen, sowohl im öffentlichen Dienst wie auch im privaten Sektor eingeschränkt.

 

Die Regierung begegnete dem Problem ethnisch motivierter Angriffe mit der Gründung von Sondereinheiten im Innenministerium (MOI) und dem Inlandsgeheimdienst (SBU) und der Einrichtung einer neuen Position eines Sonderbotschafters für den Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung im Bereich des Außenministeriums. Ein erstes Gerichtsverfahren im Fall eines ethnisch motivierten Übergriffs wurde im Februar 2007 eingeleitet.

 

Es gibt keine Berichte über Fälle von politisch motiviertem Verschwinden von Menschen.

 

(Quelle: US Department of State, Country Reports on Human Rights Practices - 2007, Ukraine, vom 11.03.2008)

 

Korruption

 

Im August 2007 nahm der Ministerrat ein Dekret über einen Maßnahmenplan betreffend die Implementierung eines Konzeptes für mehr Integrität (Maßnahmenplan) an, welcher der einzige nennenswerte Entwurf blieb. Nach dem Maßnahmenplan werden einige konkrete Richtwerte, die bis 2010 erreicht werden sollen, Ziele des Konzepts und die zuständigen Staatsorgane festgelegt, und ein Zeitplan für die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen aufgestellt. Darüber hinaus werden die obersten Organe der Zentralverwaltung verpflichtet, dem Innenminister jährlich bis zum 20. Jänner des Folgejahres über den Fortschritt der in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich fallenden Teile des Planes Bericht zu erstatten. Trotz der Annahme des Maßnahmenplanes bleibt die Korruption jedoch ein vorherrschendes Element in der ukrainischen Gesellschaft.

 

Das Parlament hat ein Gesetz betreffend die Ratifizierung der UN Konvention gegen Korruption, ein Gesetz über die Ratifizierung der Strafrechtskonvention des Europarates gegen Korruption sowie ein Gesetz über die Ratifizierung des Zusatzprotokolls zur Strafrechtskonvention des Europarates gegen Korruption, die ihm vom Präsidenten im Jahr 2006 vorgelegt wurden, angenommen. Das Parlament hat in erster Lesung auch ein Gesetz über die Verantwortlichkeit von Rechtsträgern für Korruptionsvergehen angenommen, das sowohl den staatlichen als auch den örtlichen Behörden die Verantwortung für die Verfolgung von Schmiergeldfällen überträgt. Darüber hinaus wurde ein Gesetz betreffend Prinzipien der Vermeidung und Bekämpfung der Korruption sowie ein Gesetz über die Änderung einiger Gesetze der Ukraine betreffend die Verantwortlichkeit für Korruptionsvergehen angenommen.

 

(Quelle: Freedom House Nations in Transit Report 2007 - Ukraine, vom 01.06.2007)

 

Das Innenministerium ist zuständig für die Umsetzung der Gesetzgebung und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Ihm sind die Polizei sowie eigene Militärabteilungen unterstellt. Der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU untersteht unmittelbar dem Präsidenten.

 

Problematisch ist weiterhin die Korruption im Bereich der Polizei. Nach Angaben des Innenministeriums wurden in den ersten neun Monaten des Jahres 2007 gegen 35.737 Vollzugsorgane Disziplinarverfahren eingeleitet und in 495 weiteren Fällen ermittelt. Das Büro des Generalstaatsanwaltes bestätigte, dass in den ersten zehn Monaten des Jahres in 257 Fällen Ermittlungen wegen Korruption eingeleitet wurden, von denen 206 an die Gerichte weitergeleitet wurden. Die Behörden unternahmen verstärkt Anstrengungen, Polizeiübergriffe aufzuklären, und leiteten im Vergleich zu den vergangenen Jahren vermehrt Disziplinarverfahren gegen Vollzugsorgane ein.

 

In einigen Fällen wurden hohe Strafen gegen Vollzugsbeamte für die Annahme von Bestechungsgeldern verhängt. Im Mai 2007 berichtete die Zeitung Silski Visti, dass seit Jahresbeginn die Staatsanwaltschaft des Oblast Saporischschja Anklage gegen 365 Polizeibeamte wegen Amtsvergehen erhoben hat. In den meisten Fällen ging es um Rechtsverletzungen im Zuge der Entgegennahme von Geständnissen sowie im Zusammenhang mit Ermittlungen und Durchsuchungen im Zuge gerichtlicher Ermittlungsverfahren und bei Verhaftungen. Gegen weitere 358 Polizeibeamte wurden interne Disziplinarverfahren geführt, in sieben Fällen wurden Strafverfahren eingeleitet.

 

(Quelle: US Department of State, Country Reports on Human Rights Practices - 2007, Ukraine, vom 11.03.2008)

 

Auch im Bereich der Vollzugs- und Gesetzgebungsabteilungen der Regierung inklusive des Militärs ist Korruption weiterhin ein schwerwiegendes Problem. Nach Berichten des Inlandsgeheimdienstes wurden in den ersten neun Monaten des Jahres 2007 in 131 Fällen Ermittlungen wegen Bestechung eingeleitet. Medienberichten zufolge waren Mitte des Jahres 2 721 Fälle vor Gericht anhängig, in denen Beamte wegen Korruption angeklagt waren, 15% mehr als im Jahr 2006. Die Presseabteilung der Generalstaatsanwaltschaft teilte mit, dass in den ersten drei Monaten des Jahres 432 Strafverfahren gegen 474 wegen Korruption angeklagter Personen an die Gerichte weitergeleitet wurden. Davon betrafen 64 Fälle Veruntreuung von Staatseigentum in großem Ausmaß, 274 Fälle betrafen Amtsmissbrauch und 94 Fälle Bestechung. In den ersten drei Monaten des Jahres wurden 38 Beamte verurteilt, sowie 83 Verwaltungsbedienstete und 44 gewählte Beamte der Gemeinden, 23 Bedienstete der Verwaltungen der Oblaste und Bezirke, 27 Bedienstete der Steuerbehörden und sieben Zollbeamte.

 

Nach einer im März durchgeführten Umfrage eines Projekts zur aktiven Zivilbeteiligung an der Bekämpfung der Korruption in der Ukraine gaben 67% der Befragten an, in den vergangenen zwölf Monaten unmittelbar in einen unregelmäßigen Vorgang involviert gewesen zu sein, bei dem Beamte beteiligt gewesen seien, 26% gaben an, ein Bestechungsgeld bezahlt zu haben. Die Befragten gaben an, dass in den vergangenen zehn Jahren die Zahlung von Schmiergeldern im Gesundheitswesen, der Polizei, im Wohnungswesen, Zoll, bei Gerichten, Staatsanwaltschaften und in Schulen erheblich zugenommen habe, während die Praxis der Schmiergeldzahlung bei Steuerprüfungen, bei Kontrollen im Straßenverkehr und beim Erhalt von Sozialleistungen zurückgegangen sei.

 

Beamte sind gesetzlich verpflichtet, Offenlegungserklärungen über ihre finanzielle Situation abzugeben, obwohl diese meist das tatsächliche Einkommen unterschreiten. Mit dem Gesetz gegen Korruption wurden besondere Unterabteilungen des Innenministeriums, des Inlandsgeheimdienstes, der Staatsanwaltschaften und der Militärpolizei eingerichtet, die für die Bekämpfung der Korruption verantwortlich sind.

 

(Quelle: US Department of State, Country Reports on Human Rights Practices - 2007, Ukraine, vom 11.03.2008)

 

Gerichtsbarkeit

 

Die ukrainische Verfassung garantiert den Schutz von Menschen- und Bürgerrechten und -freiheiten sowie das Recht der Bürger, Entscheidungen, Maßnahmen oder Versäumnisse der Staatsregierung oder der Regierungen der Oblaste und ihrer Beamten vor Gericht anzufechten. Die Rechte, Freiheiten und Interessen der Rechtsunterworfenen gegenüber Rechtsverletzungen durch die Regierungen und Staatsbedienstete sind gesetzlich geschützt. Die Gesetzgebung gewährleistet den Zugang zu einem Gerichtsverfahren in Fällen ungesetzlichen Verwaltungshandelns oder mangelnder Umsetzung gesetzlicher Garantien und erlaubt einem möglichen Opfer von Rechtsverletzungen, eine Klage gegen Gesetze, die möglicherweise Grundrechte und -freiheiten einschränken könnten, einzureichen, ohne ihre unmittelbare Betroffenheit von solcher Gesetzgebung nachweisen zu müssen. Rechtsunterworfene können die Menschenrechtsbeauftragte des Parlaments anrufen und - nach Ausschöpfung des Instanzenzuges - Fälle an internationale Einrichtungen, wie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder den UN Menschenrechtsausschuss bringen. Die Gerichte für allgemeine Rechtssprechung teilen sich in jene die nach administrativer Ebene (Distrikte-, Regionen- und Höchstgericht), und jene die nach Spezialisierung eingerichtet sind. Die höchste Instanz ist hier das Höchstgericht. Das Verfassungsgericht interpretiert die Verfassung und Gesetze. Handelsgerichte haben ein eigenes System, das Höchstgericht kann Urteile der Handelsgerichte aufheben. Militärgerichte zählen zu den spezialisierten Gerichten.

 

Trotz verfassungsgesetzlich gewährleistetem Schutz ist die Justiz in der Praxis starkem Druck von der Exekutive und der Legislative ausgesetzt. Außerdem gilt der Justizapparat als korrupt und ineffizient. Kritisiert werden von ukrainischen Richtern unter anderem Einmischungen durch Politiker und Höchstgericht, oder versuchte Einflussnahme bei Gerichtsverhandlungen, die Regierungsmitglieder betreffen.

 

(Quelle: US Department of State, Country Reports on Human Rights Practices - 2007, Ukraine, vom 11.03.2008)

 

Zu den wesentlichen Schwächen des ukrainischen Justizsystems gehören die mangelnde öffentliche Akzeptanz gerichtlicher Entscheidungen sowie des Gerichtssystems insgesamt, die unzureichende Finanzierung der Justiz sowie das ineffiziente und intransparente Verfahren der Richterernennung. Diese Probleme blieben im Jahr 2007 unangetastet. Das gesamte Justizsystem geriet durch die Entlassung des Generalstaatsanwaltes im Mai 2007 sowie durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichtes, wonach das Recht des Präsidenten, Gerichtsvorsitzende und deren Stellvertreter zu ernennen und zu entlassen, aufgehoben wurde, ins Ungleichgewicht und führte zu breiten medialen Diskussionen über die Notwendigkeit einer Reform des Justizwesens. Durch die bevorstehenden Wahlen und den darauf folgenden Prozess der Regierungsbildung blieben jedoch substantielle Initiativen aus.

 

(Quelle: Freedom House Nations in Transit Report 2007 - Ukraine, vom 01.06.2007)

 

Auch im Bereich der Gerichtsbarkeit kam es zu Fällen von Korruption. Nach Pressemitteilungen des Inlandsgeheimdienstes wurden in den ersten neun Monaten des Jahres 2007 24 Strafverfahren gegen Richter eingeleitet und 49 Fälle der Staatsanwaltschaft zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens übermittelt. Im Ergebnis wurden vier Gerichtsbedienstete zu Geldstrafen verurteilt und in 30 Fällen wurden Verwarnungen an den Richterrat, die Vorsitzenden der Berufungsgerichte und den Hohen Justizrat erteilt.

 

Richter genießen Immunität vor Strafverfolgung und dürfen nicht ohne Zustimmung des Parlaments angehalten oder verhaftet werden. Am 15. Februar 2007 stimmte das Parlament der Ausstellung eines Haftbefehls gegen den Richter Oleh Pampura zu, der der Forderung eines Bestechungsgeldes in Höhe von USD 6.000,- für die Reduzierung einer Haftstrafe beschuldigt wurde. Zum Zeitpunkt der Abstimmung war der Aufenthaltsort des Richters unbekannt.

 

(Quelle: US Department of State, Country Reports on Human Rights Practices - 2007, Ukraine, vom 11.03.2008)

 

Free access to justice is a constitutional right and the foundation of just legal proceedings. The principle of free access to justice entails the duty of the courts to not refuse to examine cases within their jurisdiction in order to defend a person's violated rights, liberties or interests; convenient location of courts and a sufficient number of courts and judges in the country. There is a serious problem with the number of judges: over 800 vacancies remain unfilled and for over 400 judges their first five-year term has ended and they are awaiting indefinite appointment.

 

(Quelle: Human Rights Watch, Universal Periodic Review of Ukraine vom 5. Mai 2008)

 

Haftbedingungen

 

Die ukrainischen Gefängnisse entsprechen nicht internationalen Standards. Zu den größten Problemen zählen Überbelegung der Zellen, Gewalt zwischen den Insassen, Misshandlung der Insassen durch Gefängniswärter, und mangelnde medizinische Versorgung. Die sanitären Einrichtungen und die Lebensmittelversorgung haben sich in den letzten Jahren hingegen leicht verbessert. 2007 kamen zwei Gefängnisinsassen durch Gewalt der Sicherheitsbehörden ums Leben.

 

Sowohl das UN Komitee gegen Folter, also auch das Europäisches Komitee zur Verhütung von Folter kritisierten die Misshandlungen und Folter, die bei Verhaftungen und in ukrainischen Haftanstalten vorkommen.

 

(Quellen: Commission of the European Communities, 'Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2007': Progress Report Ukraine, 3.4.2008;

 

Human Rights Watch, World Report 2008: Ukraine, 31.1.2008;

 

U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices 2007: Ukraine, 11.3.2008)

 

Das Strafvollzugssystem besteht aus 183 Einrichtungen, dazu gehören 138 Strafkolonien, 33 Untersuchungshaftanstalten, zwei Anstalten für chronisch Alkoholkranke und 10 Strafvollzugsanstalten für Minderjährige. Die staatliche Strafvollzugsbehörde teilte mit, dass mit 1. Dezember 2007 150.950 Personen in Strafvollzugsanstalten und

33.424 Personen in den Untersuchungshaftanstalten angehalten wurden. Nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen kommt es aufgrund von Reformen im Strafvollzug und durch die Einrichtung mobiler Überwachungseinheiten im Innenministerium trotz anhaltend unzureichendem Standard zu einer stetigen Verbesserung der Haftbedingungen.

 

Nach Angaben des Innenministeriums bestanden mit Oktober 2007 487 Polizeianhaltezentren für vorübergehende Anhaltungen, in welchen

197.586 Personen festgehalten wurden. Die Bedingungen in diesen Polizeianhaltezentren und in Untersuchungshaftanstalten sind schlechter als in anderen Gefängnissen niedriger Sicherheitsstufe. Bisweilen gibt es ungenügende oder nicht vorhandene Sanitätseinrichtungen und medizinische Versorgung. Das Innenministerium bestätigte, dass mit 25. Oktober 2007 in diesen Anstalten 13 Todesfälle zu berichten waren, darunter fünf Selbstmorde. Das Büro der Menschenrechtsbeauftragten berichtete von 98 Todesfällen in Untersuchungshaftanstalten in den ersten zehn Monaten des Jahres aus verschiedenen Ursachen, unter anderem auf Grund von schlechten Haftbedingungen, was einen Anstieg im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren darstellt.

 

Die Überfüllung und die schlechten Haftbedingungen in Untersuchungshaftanstalten haben Fälle von Tuberkulose unter den Häftlingen massiv ansteigen lassen. Nach Angaben der Gefängnisleitungen wurden die Infektionsraten allerdings durch eine verpflichtende Untersuchung aller Insassen gesenkt und auch NGOs sehen in der Installation von Röntgengeräten in einer Reihe von Gefängnissen eine positive Entwicklung. Laut Berichten der staatlichen Strafvollzugsbehörde hat sich die Zahl der an Tuberkulose erkrankten Personen im Vergleich zum Vorjahr halbiert. Während der vergangenen fünf Jahre konnte die Zahl der Todesfälle aufgrund von Tuberkulose um 25% gesenkt werden. Während in Polizeianhaltezentren und in Strafvollzugsanstalten das Auftreten von Tuberkulose reduziert werden konnte, steht in Untersuchungshaftanstalten keine umfassende Behandlung von Tuberkulose zur Verfügung.

 

Im Oktober 2006 wurde von einem Kiewer Bezirksgericht der Familie einer Frau, die in einer Untersuchungshaftanstalt an einer Lungenentzündung verstorben war, Schadenersatz zugesprochen, da ihre Behandlung unzureichend gewesen wäre.

 

Gefangene und Angehaltene haben das Recht, Beschwerden an die Menschenrechtsbeauftragte betreffend ihre Haftbedingungen einzubringen. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen werden diese jedoch häufig vom Aufsichtspersonal zensiert oder abgeschreckt. Nach Angaben einer Menschenrechtsorganisation in Charkow erhielt die Strafvollzugsbehörde im ersten Halbjahr 2007 fast 500 Beschwerden, von denen 164 Schläge oder Körperverletzungen betrafen, die Strafvollzugsbehörde habe jedoch keinerlei Vorkommnisse anerkannt.

 

(Quelle: US Department of State, Country Reports on Human Rights Practices - 2007, Ukraine, vom 11.03.2008)

 

Ombudsmann

 

Rund ein Drittel der Beschwerden im Büro des Ombudsmanns für Menschenrechte beziehen sich auf unfaire Gerichtsverhandlungen. Darunter das Nicht-Einhalten von Gerichtsregeln, ungesetzliche Handlungen der Richter, und die lange Dauer der Gerichtsverfahren. Vor allem die Gerichte in Zaporizhzhya, Zakarpattia, Ivano-Frankivsk, Mykolayiv, Poltava, Kharkiv, Chernihiv oblasts und Sevastopol werden beschuldigt, den verurteilten Personen die Einsicht in ihre Akte zu verwehren, um nicht berufen zu können. Das Höchstgericht stimmte nach einem diesbezüglichen Protestschreiben des Ombudsmanns zu, dass das Justizgesetz in allen Gerichten gleich ausgelegt werden sollte.

 

Mit 10. Oktober 2007 waren 63.839 Beschwerden im Büro des Ombudsmanns eingegangen: 53,8% bezogen sich auf Bürgerrechtsverletzungen, 18,6% auf Sozialrechtsverletzungen, 15,4% auf Verletzungen wirtschaftlicher Rechte, 11,2% auf Verletzungen von Persönlichkeitsrechten. Nur 0,9% der Beschwerden standen mit politischen Rechten in Zusammenhang.

 

(Quelle: U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices 2007: Ukraine, 11.3.2008;)

 

Rückkehrfragen

 

Citizens who wished to travel abroad generally were able to do so freely. Exit visas were required for citizens who intended to take up permanent residence in another country, but there were no known cases of exit visas being denied to citizens during the year. The government could deny passports to individuals in possession of state secrets; such individuals could appeal the denial of a passport.

 

The law prohibits forced exile, and the government did not employ it.

 

(Quelle: U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices 2007: Ukraine, 11. 3. 2008;)

 

A new system of registration was introduced during the year 2005, replacing most elements of the propyska system that inhibited the free movement of individuals. Human rights groups stressed that a major difference between the new system and the propyska system is that a person may live, work, and receive services anywhere in the country. There was no indication that individuals were denied access to services because they were not registered in the locality where they resided.

 

(Quelle: U.K. Home Office, Country of Origin Information Report, vom Juni 2006)

 

Es sind keine Berichte bekannt, wonach in die Ukraine abgeschobene oder freiwillig zurückgekehrte Asylwerber wegen Stellung eines Asylantrags behelligt worden wären. Um neue Dokumente zu beantragen, müssen sich Rückkehrer in den Ort, an dem sie zuletzt gemeldet waren, begeben. Ohne ordnungsgemäße Dokumente können sich - wie auch bei anderen Personengruppen - faktische Schwierigkeiten bei der Wohnungs- und Arbeitssuche oder der Inanspruchnahme des staatlichen Gesundheitswesens ergeben.

 

(Quelle: Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, Stand März 2003)

 

Grundversorgung

 

Im Jänner 2007 wurde ein staatliches Programm für wirtschaftliche und soziale Entwicklung verabschiedet, mit dem vor allem das Sozialversicherungs- und Pensionssystem reformiert werden sollten. Vier Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze.

 

Die Arbeitslosenrate ist auf 6,8% gefallen. Der Mangel an Facharbeitern und ein großer informeller Wirtschaftsmarkt stellen jedoch immer noch große Herausforderungen dar.

 

(Quelle: Commission of the European Communities, 'Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2007': Progress Report Ukraine, 3.4.2008)

 

Die Caritas Ukraine hat zahlreiche Projekte, welche die Unterstützung sozial schwacher Bürger zum Ziel haben. Seit kurzem gehört zu dem weiten Spektrum an Hilfestellungen auch Unterstützung bei der Rückkehr von ukrainischen Flüchtlingen. Bislang beschränkt sich diese Hilfe jedoch auf ein Projekt in der Hauptstadt Kiew, das ausschließlich Rückkehrer aus Belgien betrifft.

 

(Caritas Ukraine, Our Activity, 2007;

http://www.caritas-ua.org/index.php, Zugriff am 16.04.2008 )

 

Darüber hinaus werden die seitens der belangten Behörde getroffenen Feststellungen in Bezug auf die Partei "Batkiwschina" (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23. Mai 2007 (Verwaltungsakt der belangten Behörde, Seite 335 bis 339)) zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erklärt (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens VwGH 4. 10. 1995, Zl. 95/01/0045, 24. 11. 1999, Zl. 99/01/0280).

 

1. 2. Der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wurde bereits im Bescheid der belangten Behörde festgestellt. Auf Grund der in der öffentlich mündlichen Beschwerdeverhandlung dargelegten Sprachkenntnisse (ukrainisch) und detaillierten Ortskenntnisse schließt sich der zur Entscheidung berufene Senat dieser Feststellung an. Die Identität des Beschwerdeführers konnte mangels Vorlage von unbedenklichen Identitätsdokumenten nicht festgestellt werden.

 

Die Feststellungen zum Ausreisegrund des Beschwerdeführers beruhen auf dem insgesamt unglaubwürdigen Vorbringen im Rahmen des Asylverfahrens.

 

Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des/der Asylwerbers/Asylwerberin durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 25. 03. 1999, Zl. 98/20/0559).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des/der Asylwerbers/Asylwerberin die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des/der Asylwerbers/Asylwerberin für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner/ihrer Angaben von Wichtigkeit ist (VwGH 24. 06. 1999, Zl. 98/20/0453; VwGH 25. 11. 1999, Zl. 98/20/0357); dies unbeschadet der behördlichen Anleitungs- und Manuduktionspflicht, sondern als von der Mitwirkungspflicht des/der Asylwerbers/Asylwerberin mit umfasst. Das Bundesasylamt bzw. der Asylgerichtshof ist demnach nicht verpflichtet, Asylwerber/Asylwerberinnen derart anzuleiten, dass ein Antrag von Erfolg gekrönt sein muss (VwGH 8. 7. 1993, Zl. 92/01/0715) oder Unterweisungen dahingehend zu erteilen, wie ein Vorbringen auszuführen ist, damit einem Antrag allenfalls stattgegeben werden kann (VwGH 2. 2. 1994, Zl. 93/01/1219, 23. 3. 1994, Zl. 93/01/1186).

 

Die belangte Behörde geht in ihrem Bescheid im Wesentlichen kurz zusammengefasst zu Recht von der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers aus. Unbeschadet der bereits im erstinstanzlichen Verfahren aufgezeigten Widersprüche in den Aussagen vor der belangten Behörde gelangte der Asylgerichtshof im Laufe der öffentlichen mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung, dass die Angaben des Beschwerdeführers bezüglich der angeblichen Gründe für seine Ausreise aus der Ukraine unglaubwürdig waren.

 

Der Beschwerdeführer schilderte im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde, sowie in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof angebliche fluchtauslösende Ereignisse, denen insgesamt die Glaubwürdigkeit versagt werden muss.

 

Der Beschwerdeführer gab an, seit 1996, 1997 Mitglied der Partei "Gromada" gewesen zu sein. In der Nachfolgepartei "Batjkiwschina" hätten sodann auf Grund seiner politischen Aktivität seine Probleme mit der Miliz begonnen. Zu diesem Zeitpunkt hätte er seinen Lebensunterhalt ausschließlich nur mehr durch seine politischen Aktivitäten, er sei Mitglied des Organisationskomitees und Finanzreferent der Partei gewesen, erzielt. Zuvor sei er nach Ableistung eines sechsmonatigen, verkürzten Militärdienstes auf Grund seiner Ausbildung als Funker ca. sechs Jahre in einem "radioelektronischen" Betrieb als Ingenieur beschäftigt gewesen, welcher verschiedene Funkgeräte für das Militär produziert habe. Danach sei er dem Innenministerium dienstzugeteilt, für Ausrüstung und Installation des Ministeriums mit Funkgeräten zuständig gewesen und schließlich Leiter einer Militärabteilung der Miliz geworden (Niederschrift der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung, Seite 4).

 

Die erste Anhaltung durch die Miliz sei im Jänner 2001 gewesen. Der Beschwerdeführer sowie Herr B. und W.P. seien als Mitglieder des Organisationskomitees der Bewegung gegen Kutschma - ca. 15 Busse hätten sich von I. nach Kiew begeben - in Kiew festgenommen worden. Der Beschwerdeführer sei zwei Tage in Polizeigewahrsam gewesen und über die finanziellen Hintergründe, insbesondere bezüglich Financiers befragt worden. W.P. hätte der Beschwerdeführer gut gekannt, er sei Offizier bei der Miliz gewesen; Herrn B. nicht so gut, obwohl er im selben "radioelektronischen" Betrieb gearbeitet hätte (Niederschrift der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung, Seite 4 bis 6). In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in sämtlichen erstinstanzlichen Einvernahmen sonstige Mitglieder des Organisationskomitees weder erwähnte noch in Verbindung mit seiner politischen Tätigkeit angab. In der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23. Mai 2007 (Verwaltungsakt der belangten Behörde, Seite 335 bis 339), welche dem Beschwerdeführer im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 14. Juni 2007 vorgehalten und als integrierender Bestandteil des Bescheides der belangten Behörde aufgenommen wurde, werden die nunmehr seitens des Beschwerdeführers in der öffentlich mündlichen Beschwerdeverhandlung namentlich genannten Personen, B. und P.als Mitglieder der leitenden Behörde der Stadtorganisation der Partei "Allukrainische Vereinigung "Batkiwschina"" erwähnt. Der Name des Beschwerdeführers, welcher von sich aus behauptete, als Finanzreferent und im Rahmen des Organisationskomitees tätig gewesen zu sein, scheint in jener im Herbst 2001 gewählten Namensliste hingegen nicht auf. Auch auf Grund des persönlichen Eindrucks im Zuge der öffentlich mündlichen Beschwerdeverhandlung gelangte der zur Entscheidung berufene Senat zu der Erkenntnis, dass die nunmehrige Einbindung der genannten Personen in das Vorbringen des Beschwerdeführers konstruiert und als gesteigert, somit als nicht glaubhaft zu bewerten ist. Daran vermag auch das Vorbringen in der Beschwerde, wonach der Beschwerdeführer "bekräftigt, Mitglied des Stadtkomitees der Partei in I." gewesen zu sein, nichts zu ändern, würde doch in einem solchen Fall sein Name in jener Liste aufscheinen.

 

Die zweite Festnahme sei im März 2001 erfolgt. Der Beschwerdeführer hätte die Proteste gegen Kutschmar organisiert und sei deshalb in I. drei Wochen inhaftiert gewesen. Es sei ihm vorgeworfen worden, die gesellschaftliche Ordnung verletzt zu haben. Misshandelt sei er im Zuge dieser Anhaltung nicht worden, aber bedroht. Nach drei Wochen sei er ohne Bekanntgabe von Informationen wieder frei gelassen worden; als Grund vermeinte der Beschwerdeführer, dass sich die Demonstrationen zu diesem Zeitpunkt wieder beruhigt hätten (Niederschrift der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung, Seite 5 bis 6). Gänzlich im Widerspruch zu diesen Angaben steht das Ergebnis der Anfrage an die Staatendokumentation (Verwaltungsakt der belangten Behörde, Seite 335 bis 339), wonach im Zuge der Aktion "Ukraine ohne Kutschma" kein Mitglied der Partei "Allukrainische Vereinigung "Batkiwschina"" geschädigt wurde. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde darauf verweist, dass "Gegner des damaligen Kutschma-Regimes sehr wohl Anfeindungen und Übergriffen ausgesetzt waren" ist auf die Einschränkung der Information auf Parteimitglieder der Stadt I. hinzuweisen. Die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers manifestiert sich jedoch auch durch seine diesbezüglichen Behauptungen in Bezug auf sein Familienleben. So gab der Beschwerdeführer sowohl in den Einvernahmen vor der belangten Behörde als auch im Rahmen der öffentlich mündlichen Beschwerdeverhandlung an, im gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern gelebt zu haben. Von seinen polizeilichen Anhaltungen hätte er seinen Eltern jedoch nichts erzählt, vielmehr hätte er ihnen gegenüber angegeben, auf Dienstreisen gewesen zu sein. Über Vorhalt der beisitzenden Richterin, wonach bei Dienstreisen Koffer gepackt werden und es doch üblich wäre, den Eltern zu sagen, dass man drei Wochen an einem bestimmten Ort ist, antwortete der Beschwerdeführer: "Ich habe nicht immer für die Dienstreisen einen Koffer mitgehabt. Außerdem hatte meine Mutter ein schwaches Herz" Auf die ergänzende Frage: "Sie haben auf eine dreiwöchige Dienstreise keine Kleidung zum Wechseln mitgenommen? Außerdem haben Sie die Haft nicht ankündigen können? Der Unterschied wäre Ihren Eltern doch aufgefallen." gab der Beschwerdeführer zögernd und lapidar an: "Meine Eltern waren gewohnt, dass ich öfter weg war" (Niederschrift der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung, Seite 8 bis 9).

 

Trotz diesen Anhaltungen hätte der Beschwerdeführer sodann seine politischen Aktivitäten wieder aufgenommen und seien bis zur Vorbereitung der Wahlkampagne für die Parlamentswahlen keine Vorkommnisse gewesen (Niederschrift der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung, Seite 6). Glaublich am 00.00.2002 sei er am Weg von zu Hause von der Miliz festgenommen und auf eine Polizeistation gebracht worden. Man habe wissen wollen, wie die Partei finanziert werde; der Beschwerdeführer sei im Zuge dieser Anhaltung bedroht, geschlagen und misshandelt worden. Er sei mit Handschellen an ein Leitungsrohr gekettet, mit einem Gummistock am Kopf und überall am Körper und mit einem Buch am Kopf geschlagen worden. (Niederschrift der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung, Seite 7). Im Widerspruch hiezu gab der Beschwerdeführer in seinem handschriftlic

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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