TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/04 C3 255598-0/2008

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Veröffentlicht am 04.11.2008
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Spruch

C3 255.598-0/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. van Best-Obregon als Vorsitzende und den Richter Mag. Schlaffer als Beisitzer über die Beschwerde des S.H., geb. 00.00.1960, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.11.2004, FZ: 03 12.343-BAW nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.10.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien und stellte am 30.04.2003 wie folgt einen Asylantrag:

 

"Vor ca. 13 Tagen wurde ich dann von Sikhs - Terroristen auf offener Straße überfallen und zusammengeschlagen, wobei mir auch von den umstehenden Personen keine Hilfe geleistet wurde und die Sikhs erst dann von mir abließen, als ich regungslos am Boden lag. Erst nachdem die Sikhs- Terroristen verschwunden waren, wagte ich, die zuständige Polizeistelle aufzusuchen, wobei die Beamten sich jedoch weigerten, meine Anzeige aufzunehmen, mir schließlich sogar mit einer Festnahme drohten, sollte ich nicht augenblicklich die Polizeistelle verlassen.

 

Da ich sohin durch die ständige Bedrohung durch die Sikhs meines Lebens nicht mehr sicher war und auch keine Hilfe durch die Polizeibehörden erhoffen konnte, entschloss ich mich auf Anraten von Freunden, zur Flucht. Über Vermittlung eines Bekannten kam ich schließlich zu einem LKW - Fahrer, der mir anbot, mich ins sichere

......

 

In meinem Heimatland bin ich von asylrelevanter Verfolgung bedroht, und ich habe in keinem anderen Land Schutz vor Verfolgung gefunden."

 

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 15.05.2003 vor dem Bundesasylamt gab er im Wesentlichen Folgendes zu Protokoll:

 

"F: Warum haben Sie Ihr Heimatland verlassen und bringen in Österreich einen Asylantrag ein?

 

A: Ende Februar bzw. Anfang März 2002 wurden meine Familie und ich eines Nachts von Terroristen zu Hause überfallen. Da ich Schmied mit einer eigenen Werkstatt bin, hatte ich Material und auch einen größeren Geldbetrag zu Hause. Die Terroristen verlangten von mir, ihnen alles Geld zu geben, was ich gerade besaß. Den Wert beziffere ich mit ca. 400.000 Rupien, d.s. ca 8.000,-. Das war alles, was ich an Barmitteln für das Geschäft besaß. Cirka zwei Monate vorher wurde ich schon telefonisch bedroht und erpresst. Ich habe jedesmal gleich den Hörer wieder aufgelegt.

 

F: Wer waren die Terroristen ?

 

A: Das weiß ich nicht.

 

F: Haben Sie die Polizei verständigt?

 

A: Ich begab mich zur Polizei, um den Vorfall anzuzeigen. Aber anstatt mir zu helfen, wurde ich 2 bis 3 Tage eingesperrt, unter dem Vorwand, mich verhören zu wollen. Danach wollten sie, dass ich auch ihnen Geld oder Wertsachen gebe. Wenn ich das nicht tue, würden sie mich unter dem Vorwand der Flucht erschießen. Da ich der Polizei kein Geld geben konnte, haben sie eine falsche Anzeige gegen mich aufgenommen, und zwar, ich unterstütze die Terroristen mit Geld. Daher sah ich keinen anderen Weg, aus der Miesere zu entkommen, als mein Heimatland zu verlassen und irgendwo im Ausland um Asyl anzusuchen, um mein Leben zu retten. Ich habe große Angst, dass die Terroristen wieder kommen , um mehr Geld zu holen. Da ich das nicht mehr leisten kann, würden sie mich töten. Auf der anderen Seite habe ich auch Angst vor der Polizei, da ich sie nicht bestechen bzw ihren Forderungen nachkommen konnte, würden sie mich unter dem Vorwand einer Flucht erschießen.

 

F: Waren Sie jemals aktiv politisch tätig oder einer Partei zugehörig?

 

A: Ja, ich war aktiver Unterstützer der Bansilal, Chief Minister (= wie Landeshauptmann), Gründer der Haryana Vikas Party.

 

F: Hatten Sie jemals Probleme mit den Behörden Ihres Heimatlandes?

 

A: Nur wie oben geschildert mit der Polizei, sonst nicht.

 

F: Waren Sie aus Gründen der Religion, der Rasse, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt?

 

A: Nein.

 

F: Was hätten Sie zu befürchten, wenn Sie in Ihr Heimatland zurückkehren würden?

 

A: Ich habe Angst um mein Leben vor den Terroristen und Angst, auch von der Polizei ermordet zu werden.

 

F: Möchten Sie noch weitere Angaben zur Begründung Ihres Asylantrages machen?

 

A: Nein, andere Gründe gibt es nicht."

 

Bei einer weiteren Einvernahme am 21.10.2004 vor dem Bundesasylamt gab er im Wesentlichen Folgendes zu Protokoll:

 

"A: Im Februar oder März 2002 habe ich einen Anruf bekommen. Es war ein anonymer Anruf. Die Leute glauben, dass wir sehr reich sind. Der Anrufer sagte, er sei ein Terrorist und er braucht Geld. Ich habe den Anruf aber nicht ernst genommen. Zwei Tage später kam wieder ein Anruf.

 

F: Was hat der Anrufer konkret gefordert?

 

A: Ich hatte kein Telefon. Der Anruf kam zu meinem Nachbarn und der holte mich. Wieder sagte der Anrufer, er sei ein Terrorist und er weiß, dass ich Geld habe. Er benötigte Geld für seine Mission.

 

F: Hat der Anrufer kein Datum oder einen Ort für eine Übergabe genannt?

 

A: Nein. Denn ich habe gesagt, dass ich kein Geld habe.

 

F: Wieviele solcher Anrufe gab es?

 

A: Fünf bis sechs.

 

F: Haben Sie sich nie an die Polizei gewandt, nachdem Sie angerufen wurden?

 

A: Ich nahm die Anrufe nicht ernst. Außerdem hatte ich Angst, dass die Polizei aus einer kleinen Sache einen Skandal macht.

 

F: Was geschah danach?

 

A: Nach ca. 15 Tagen kamen vier bis fünf Leute zu mir in der Mitternacht nach Hause gekommen. Das war im Mai 2002. Sie nahmen Sachen im Wert von 450000 Rupien mitgenommen. Es handelte sich teils um Bargeld und um Material. Am nächsten Tag ging ich zur Polizei. Die Polizei nimmt aber nicht gleich eine Anzeige entgegen. Ich ging einige Tage immer wieder zur Polizei, aber sie haben nie eine Anzeige aufgenommen. Sie haben von mir Geld verlangt, um eine Anzeige aufzunehmen. Der Postenkommandant war verärgert, weil ich Empfehlungen hatte. Jemand hat sich für mich eingesetzt.

 

F: Wer war dieser "Jemand"?

 

A: Einflussreiche Leute, die auf lokaler Ebene Einfluss haben.

 

F: Hat die Polizei nun eine Anzeige aufgenommen oder nicht?

 

A: Nein. Die Polizisten haben mich sogar geschlagen.

 

F: Wann war das?

 

A: Am vierten Tag nach dem Diebstahl.

 

F: Schildern Sie, wie Sie diesen Vorfall erlebten.

 

A: Die Polizisten sagten, ich bin selbst schuld, wenn ich Terroristen zu mir einlade. Ich wurde mit Lederriemen, die an einem Stock befestigt waren, auf den ganzen Körper geschlagen. Sie sagten dann, ich kann es mir es aussuchen, ob ich Geld bezahle oder getötet werde.

 

F: Wie lange waren Sie in diesem Wachzimmer?

 

A: 24 Stunden. Solange kann man ohne Anzeige eingesperrt werden. Danach wurde ich freigelassen, nachdem ich drei bis vier Tage Frist erbat, um Geld aufzutreiben. Nach der Freilassung begab ich mich nach New Delhi. Ich war vorher nur kurz zu Hause um mit meiner Familie alles zu besprechen und die Vorbereitungen zu treffen.

 

F: Bei einer Gegenüberstellung zu Ihren niederschriftlichen Angaben vom 15.05.2003 ergeben sich einige Ungereimtheiten. Damals gaben Sie an, Sie wären im Februar/März 2002 überfallen worden, heute sagen Sie, es wäre im Mai gewesen. Was stimmt nun?

 

A: Es war im Mai 2002, als ich überfallen wurde. Es war so, wie ich heute angebe.

 

F: Wieso haben Sie bei der Erstbefragung nicht angegeben, dass Sie von der Polizei misshandelt wurden?

 

A: Mir wurde damals gesagt, die Details werden zu einem späteren Zeitpunkt erfragt.

 

V: Sie haben am 15.05.2003 aber konkret angegeben, ca. 2-3 Tage eingesperrt gewesen zu sein. Heute sagen Sie, Sie wären nach 24 Stunden aus dem Polizeigewahrsam entlassen worden. Nehmen Sie dazu Stellung.

 

A: Es waren fast drei Tage.

 

F: Sind sichtbare Verletzungen, die von den polizeilichen Misshandlungen herrühren, hinterblieben?

 

A: Nein.

 

F: Wieso begründen Sie Ihren schriftlichen Asylantrag unter anderem damit, dass Sie von Sikh Terroristen auf offener Straße zusammengeschlagen wurden, wobei Ihnen von umstehenden Personen keine Hilfe geleistet wurde?

 

A: Ich kann nicht Deutsch. Ich habe das nicht geschrieben. Ich habe jemanden auf dem Rochus Markt getroffen, der das für mich geschrieben hat.

 

V: Das stimmt doch nicht. Der Asylantrag ist inhaltlich und formal doch nicht von einem "Mann" von der Straße verfasst, sondern offensichtlich von jemandem, der routiniert im Verfassen von Asylanträgen ist.

 

A: Es war aber so.

 

F: Warum wähnten Sie sich in einer solchen Zwangslage, dass Sie sich entschlossen, Ihr Heimatland zu verlassen. Sie hätten doch ohne weiteres in New Delhi bleiben können, wenn Sie schon nicht in K. bleiben wollten. Als Schmied hätten Sie auch dort ein Geschäft eröffnen können oder eine andere Arbeit finden können. Was sagen Sie dazu?

 

A: Der Postenkommandant sagte, ich werde in ganz Indien gesucht, wenn ich das Geld nicht zahle. Er wird mich überall finden.

 

F: Möchten Sie noch etwas zu Ihren Fluchtgründen ergänzend vorbringen oder Fragen stellen?

 

A: Ich habe alles vorgebracht."

 

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 05.11.2004, Zahl 03 12.343-BAW, den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 idgF ab und stellte fest, dass gem. § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien zulässig ist.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht "Berufung" (nunmehr "Beschwerde") .

 

Am 13.10.2008 fand beim Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes angab:

 

"VR: Aus welchem Grund haben Sie Ihr Heimatland verlassen?

 

BF: Wie gesagt war ich ein Schmied und oberhalb meines Geschäftes habe ich die Wohnräumlichkeiten gehabt. Das Problem fing damit an, dass ich telefonische Bedrohungen erhalten habe. Die Männer, die mich angerufen haben, forderten Geld von mir und haben gesagt, dass sie mich bei Nichtzahlung töten werden. Ich habe diese Bedrohungen nicht ernst genommen, aber einmal sind sie tatsächlich in der Nacht gekommen und haben sowohl Bargeld, als auch Schmuck von meinem Geschäft gestohlen. Ich habe dann eine Anzeige bei der Polizei erstatten wollen, aber sie haben nicht auf mich gehört und sagten zu mir, dass ich selbst solche Terroristen einlade und haben sogar mich festgenommen. Sie haben dann Geld von mir verlangt, aber ich hatte keines mehr. Durch die Intervention von lokalen Politikern, welche ich kannte, konnte die Freilassung bewirkt werden, da diese gesagt haben, dass ich später das geforderte Geld bezahlen werde. Ich bekam Angst vor einer nochmaligen Festnahme und habe die Flucht ergriffen. Von Delhi bin ich dann nach Moskau geflogen und in weiterer Folge nach Österreich gereist.

 

VR: Wann haben Sie diese Anrufe bekommen und wer waren diese Männer?

 

BF: Diese Drohanrufe begannen ca. im März oder Februar 2002, ich weiß nicht, wer diese Männer waren. Vielleicht waren sie Handlanger der anderen Partei.

 

VR: Welcher anderen Partei?

 

BF: Der Partei, die damals an der Macht war, die Chautala-Partei. Ich war nämlich Mitglied der Oppositionspartei, der Vikas-Partei.

 

VR: Warum glauben Sie, dass diese Männer Anhänger der Chautala-Partei waren?

 

BF: Ich habe sonst keine Feinde gehabt. Meine Stadt ist eine Kleinstadt und jeder weiß, welche politische Gesinnung die anderen Bewohner haben.

 

VR: Wie viele Drohanrufe haben Sie erhalten?

 

BF: Zwischen 5 bis 7. Die Häufigkeit war unterschiedlich.

 

VR: Haben Sie diese Drohanrufe in Ihrer Werkstatt oder Ihrer Wohnung erhalten?

 

BF: Da ich kein eigenes Telefon besaß, bekam ich diese Anrufe beim Nachbarn.

 

VR: Was haben diese Männer am Telefon zu Ihnen gesagt?

 

BF: Sie haben mich bedroht, dass ich ihnen Geld zahlen sollte, da ich Schmied bin und Geld, hätte. Wenn ich das nicht täte, würden sie mich umbringen.

 

VR: Wann genau sind Sie überfallen worden?

 

BF: Ich kann mich an das Datum nicht erinnern.

 

VR: Ungefähr. War das eine Woche, einen Monat, ein Jahr danach?

 

BF: Ich glaube, es war Anfang 2004.

 

VR: Habe ich das Jahr 2004 richtig verstanden?

 

BF: Ja, 2004.

 

VR: Wann sind Sie in Österreich eingereist?

 

BF: Im Jahr 2004.

 

VR: Von wie vielen Männern sind Sie überfallen worden?

 

BF: 5 oder 6.

 

VR: War es am Tag oder in der Nacht?

 

BF: In der Nacht.

 

VR: Wie lange sind Sie dann von der Polizei festgehalten worden?

 

BF: Ca. 5 bis 6 Tage.

 

VR: Ihr Vorbringen stimmt 1. mit Ihrem schriftlichen Asylantrag vom 30.04.2003 nicht überein, sowie mit Ihrem Vorbringen vor dem BAA vom 15.05.2003. Bei Ihrem schriftlichen Asylantrag haben Sie etwas ganz anderes angegeben, nämlich, dass Sie von Sikh-Terroristen auf offener Straße überfallen worden seien und die Polizei keine Anzeige entgegen nehmen wollte und Ihnen mit einer Festnahme gedroht hätte, und Sie daher aus Furcht das Land verlassen hätten. Weiters bei Ihrer Einvernahme vor dem BAA vom 15.05.2003 gaben Sie an, dass Sie im Februar/ März 2002 von den Terroristen überfallen worden seien und dass die Drohanrufe auch von Terroristen ausgegangen seien, sowie dass Sie von der Polizei 2 bis 3 Tag eingesperrt worden seien. Weiters gaben Sie in Ihrer niederschriftlichen Einvernahme vom 21.10.2004 an, dass Sie lediglich 24 Stunden von der Polizei festgehalten worden seien, sowie die Männer bereits 15 Tage nach den Drohanrufen zu Ihnen nach Hause gekommen seien und dies im Mai 2002 gewesen sei. Nehmen Sie dazu bitte Stellung.

 

BF: Ich kann mich an die Daten nicht so genau erinnern.

 

VR: Ihr gesamtes Vorbringen stimmt überhaupt nicht überein. VR wiederholt Vorhalt.

 

BF: Ich habe vergessen, den Überfall auf offener Straße heute zu erwähnen. Ich möchte auch angeben, dass mich die Polizei mindestens 5 Mal in der Polizeistation sitzen gelassen hat.

 

VR: Was meinen Sie damit?

 

BF: D.h., nach diesem Überfall in meinem Geschäft wollte ich Anzeige bei der Polizei erstatten. Dort haben sie mich den ganzen Tag warten lassen. Dann sollte ich Geld bezahlen. Das haben sie ungefähr 5 Tage lang gemacht.

 

VR: Aber da waren Sie doch nicht inhaftiert?

 

BF: Ich war nicht inhaftiert, aber ich saß dort und wartete, dass meine Anzeige aufgenommen wird.

 

VR: Aber es macht einen Unterschied aus, ob Sie warten oder einmal für 5 bis 6 Tage oder 2 bis 3 Tage angehalten werden?

 

BF: Einige Male haben sie mich auch zu sich geholt und sagten, ich sollte dort sitzen. Das war für mich wie eine Festnahme.

 

VR: Weiters gaben Sie in Ihrem schriftlichen Asylantrag vom 30.04.2003 an, dass die Polizei lediglich mit einer Festnahme gedroht hat.

 

VR: Das war für mich wie Festnahmen, da mich die Polizei immer wieder zu sich geholt hat und ich musste den Tag dort verbringen. Sie haben mich damit bedroht, dass sie eine fingierte Anzeige gegen mich erstatten werden, falls ich das geforderte Geld nicht zahlen sollte. Wenn man das zusammenzählt, waren das 5 bis 6 Tage für mich.

 

VR: In Ihrer n.E. vom 21.10.2004, gaben Sie an, dass Sie den Asylantrag nicht selbst geschrieben hätten, dass das auch nicht stimmt. Was stimmt nun?

 

BF: Doch, das stimmt, dass ich von Sikh-Terroristen auf der Straße überfallen wurde, sie hatten Turbane und Bärte. Die Männer, die mich im Geschäft beraubt haben, haben auch Turbane getragen und hatten das Gesicht hinter einem Tuch versteckt.

 

VR: Ihre Erklärungen sind für mich absolut unglaubwürdig.

 

BF: Durch den Stress habe ich alles durcheinander gebracht."

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien und verließ 2002 mit seinem eigenen Reisepass sein Heimatland und stellte am 30.04.2003 einen Asylantrag.

 

Zu Indien:

 

Indien ist ein demokratischer Rechtsstaat mit einem Mehrparteiensystem, der mit Einschränkungen gut funktioniert. Die Parteienlandschaft ist vielfältig. Die Presse ist im Wesentlichen frei. Verfassungs- und Rechtsordnung garantieren die grundlegenden Menschenrechte und Freiheiten. Die Justiz ist unabhängig. Die Verfahrensdauer ist allerdings häufig extrem lang; Korruption im Einzelfall kann nicht ausgeschlossen werden. Es gibt menschenrechtsverletzende Übergriffe von Polizei- und Sicherheitskräften, eine Systematik ist dabei nicht erkennbar.

 

Zu Menschenrechtsverletzungen kommt es im besonderen Maße in den Unruhegebieten. Besonders gefährdet sind sozial niedrige Schichten und auch Frauen. Berichte über politische Gefangene gibt es nicht.

 

Im Mai 2004 wurde die von der hindunationalen BJP geführte NDA ("National Democratic Alliance") Koalitonsregierung durch eine Koalition der UPA ("United Progressive Alliance") unter Führung der Kongress-Partei abgelöst. Ein wichtiges Ziel der neuen Regierung ist die Stärkung des Säkularismus und der Harmonie zwischen den Religionsgruppen. Sie zeigt sich auch an der Verbesserung der Menschenrechtslage interessiert. So wurde im September 2004 das umstrittene Terrorbekämpfungsgesetz POTA außer Kraft gesetzt. Was die Provinz Punjab anbelangt, so ist, nachdem der Terrorismus im Punjab, der sich die Unabhängigkeit von "Khalistan" auf die Fahnen geschrieben hatte, in den 1980er Jahren niedergeschlagen wurde, die terroristische Gewalt im Punjab seit 2000 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen, die Situation hat sich normalisiert. Ein Anschlag auf ein Kino in Neu Delhi im Mai 2005, der der Babbar Khalsa zugeschrieben wird, hat zu keiner weiteren Gewalt geführt.

 

Die Kongresspolitikerin Pratibha Patil wurde zur neuen Präsidenten Indiens gewählt und am 25. Juli vereidigt. Sie besiegte ihren Gegenkandidaten, den bisherigen Vizepräsidenten Bhairon Shekhawat.

 

Am 24.09.2007 wurde Rahul Gandhi zum Generalsekretär der regierenden Kongresspartei ernannt. Mitglieder der Akali Dal und der Kongresspartei die sich vor Verfolgung durch die Mitglieder der jeweils anderen Partei fürchten können sich an die zuständigen staatlichen Stellen wenden bzw. können sich in einem anderen Landesteil niederlassen (vgl. UK Home Office, Operational Guidance Note India, 20.02.2007, Abschnitt 3.10.6).

 

Die Sikhs, 60 % der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen. Die Angehörigen der verschiedenen militanten Gruppen haben Punjab verlassen und operieren aus anderen Bundesstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland. Laut Berichten von Menschenrechtsorganisationen ist es im Zuge der Bekämpfung der Militanz zwischen 1984 und 1994 zu ungesetzlichen Maßnahmen und Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei gekommen, der in der Vergangenheit vor allem extralegale Tötung, willkürliche Verhaftung, Inhaftierung ohne richterliche Kontrolle, Folter und Verschwindenlassen vorgeworfen wurde. Bis 2001 zählte Amnesty International 500 Ermittlungsverfahren gegen Polizeikräfte und 75 Verurteilungen sowie weitere 2555 unbearbeitete Strafanträge von Menschenrechtsgruppen und Privatpersonen. Ein Bericht einer Kommission unter dem ehemaligen Richter Nanavati zu dem Pogrom gegen Sikhs 1984 (ca. 3000 Tote) wurde am 9. August 2005 veröffentlicht. Er entlastet die damalige Regierungsspitze, erhebt aber den Verdacht, dass einzelne Mitglieder der Congress-Partei des Schürens von Gewalt verdächtig seien. In Folge der Veröffentlichung ist einer der Beschuldigten von seinem Amt als Unionsminister zurückgetreten. PM Singh versprach am 10. August 2005, die Verdächtigen rechtlich zu belangen.

 

Grundsätzlich gibt es im Punjab keine Sicherheitsprobleme mehr.

 

Was Angehörige der Sikhs betrifft: Sikhs gelten als mobile und unternehmerische Gemeinschaft. In ganz Indien sind Sikhs in verschiedenen Berufen (Kraftfahrer, Mechaniker, Inhaber von Restaurant, Hotels oder Reisebüros etc.) und im öffentlichen Dienst sowie in der Armee anzutreffen. Bedürftigen Sikhs wird zumindest vorübergehend in den in ganz Indien verbreiteten Sikh-Tempeln (Gurudwara) Nahrung und Unterkunft gewährt. Sikhs aus dem Punjab könnten sich gegebenenfalls problemlos in Bundesstaaten wie Rajasthan, Haryana oder Uttar Pradesh niederlassen, außerdem in den Metropolen Delhi oder Bombay.

 

Die indische Verfassung enthält eine Garantie zum Schutz von Minderheiten vor Diskriminierungen wegen ihrer Zugehörigkeit zu besonderen Religionen, Rassen, Kasten Geschlecht oder Geburtsort (Art. 15). Minderheiten haben das Recht auf eigene Bildungseinrichtungen sowie auf Pflege ihrer eigenen Sprache, Schrift und Kultur (Art. 29 und 30). Unter eine besondere gesetzliche Regelung fallen die anerkannten religiösen Minderheiten der Muslime, Sikhs, Christen, Buddhisten und Parsen, deren Vertreter in einer staatlichen Nationalen Minderheiten-Kommission sitzen. Die seit 1978 bestehende Kommission wurde 1992 neu konstituiert. Um benachteiligte Minderheiten stärker in das öffentliche Leben zu integrieren und um die Chancengleichheit zu erhöhen, erfahren die unterste Schicht der Kastenordnung ("Dalits") sowie die so genannte Stammesbevölkerung ("Adivasis") eine positive Diskriminierung, die auch in der Verfassung niedergelegt ist (Art. 46).

 

Trotz aller staatlichen Bemühungen werden Minderheiten im öffentlichen und im privaten Bereich weiter benachteiligt, besonders deutlich auf dem Lande. Glaubwürdigen Berichten zufolge sind einige Minderheiten, Muslime und in einzelnen Fällen Christen weiterhin diskriminierenden Praktiken durch Polizei und Strafjustiz ausgesetzt. Oft schreiten Polizei und Ordnungskräfte bei Gewalttaten gegen Minderheiten nicht oder nicht mit der gebotenen Tatkraft ein. So gibt es Berichte aus

 

Bihar und Uttar Pradesh, wonach staatliche Organe tatenlos zusehen, wenn von Großgrundbesitzern ausgehaltene Banden gegen Landlose vorgehen.

 

(Quelle: Auswärtiges Amt, "Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien", Stand Oktober 2006, vgl. auch UK Home Office, India Country Report, April 2006, Abschnitt 6.529-6.541)

 

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern. Volle Bewegungsfreiheit ist gewährleistet. Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem für indische Bürger. Die Bürger besitzen in der Mehrzahl keine Ausweise. Wer sich verfolgt fühlt, kann sich demnach in einem anderen Landesteil niederlassen.

 

Die indische Verfassung garantiert indischen Staatsangehörigen das Recht auf Bewegungsfreiheit im Staatsgebiet sowie das Recht auf Niederlassung und Aufenthalt in jedem Teil des Landes. Diese Rechte unterliegen gewissen Einschränkungen im öffentlichen Interesse. Es gibt keine Überprüfungen von Personen, die neu aus einem Teil von Indien in einen anderen Teil von Indien ankommen, auch wenn es sich um einen Sikh aus dem Punjab handelt. Die lokalen Polizeidienststellen haben weder die Ressourcen noch die sprachlichen Fähigkeiten, um Hintergrundüberprüfungen über Personen, die aus anderen Teilen von Indien eintreffen, durchzuführen. Es gibt kein allgemeines Meldewesen und häufig haben die Menschen auch keine Identitätsausweise.

 

Auch bei strafrechtlicher Verfolgung ist in der Regel ein unbehelligtes Leben in ländlichen Gebieten in anderen Teilen Indiens möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss. In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. In Neu Delhi wurden Separatisten aus dem Punjab nach mehreren Jahren friedlichen Aufenthaltes aufgespürt und verhaftet.

 

Allerdings besteht die Gefahr, von staatlichen Behörden (strafrechtlich) verfolgt zu werden, in der Regel für hochrangige Führungspersonen separatistischer Bewegungen oder militanter Organisationen ("high profile activists") oder ihre Familienangehörige und weniger für "low profile activists".

 

Nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts hat das Stellen eines Asylantrags allein keine nachteiligen Konsequenzen für abgeschobene indische Staatsangehörige. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden unter Einschluss einer Überprüfung, ob der Rückkehrer auf der unionsweiten Suchliste steht - keine Probleme von Seiten des indischen Staates zu befürchten. Auf diese Liste werden jedoch nur Personen gesetzt, die im Verdacht schwerwiegender Delikte stehen, worunter nicht jedes schwere Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches zu verstehen ist, sondern nur solche Delikte die die öffentliche Sicherheit in gravierender Weise zu bedrohen geeignet sind, wie insbesondere Anschläge auf Politiker und sonstige terroristische Akte. Gesuchte Personen werden allerdings den Sicherheitsbehörden übergeben.

 

In Indien lebt etwa ein Viertel der Bevölkerung unter dem veranschlagten Existenzminimum der Vereinten Nationen. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine das Überleben sichernde Nahrungsversorgung auch der untersten Schichten der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder Privater angewiesen.

 

Diese Ausführungen gründen sich auf folgende Berichte, die in das Verfahren eingeführt wurden:

 

Auswärtiges Amt, "Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien", 19.11.2006

 

UK Home Office, India Country Report, April 2005

 

UK Home Office, Bericht zur allgemeinen, politischen und menschenrechtlichen Situation (Operational Guidance Note India), Februar 2007

 

UK Home Office, COI Report India, 30.09.2007

 

Human Rights Watch, Country Summary India, January 2007

 

US Department of State, India, Country Report on Human Rights Practices - 2005, 08.03.2006; 2006-06.03.2007

 

Mag. Christian Brüser, Gutachten Indien, Oktober 2003, Punkt 7 (Interne Fluchtalternative und Möglichkeit der Existenzsicherung außerhalb der engeren Heimat)

 

Mag. Christan Brüser, Gutachten Teil B vom 13.11.2007 zu Zahl:

207.131

 

BAA Staatendokumentation, Länderfeststellungen zu Indien, März 2006.

 

Die getroffenen Feststellungen zur Person ergeben sich aus dem diesbezüglich glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers. Die Feststellungen zur allgemeinen Lage ergeben sich aus den oben angeführten Quellen, deren Inhalt nicht zu bezweifeln ist und auch vom Beschwerdeführer nicht ausreichend konkret bestritten wurde.

 

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen hingegen konnten nicht als Sachverhalt festgestellt werden, da das diesbezügliche Vorbringen aufgrund der eklatanten Widersprüche nicht glaubhaft war:

 

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15.03.2003 gab der Beschwerdeführer an, dass Ende Februar/ Anfang März 2002 er und seine Familie von Terroristen überfallen worden seien, sowie cirka 2 Monate vorher er Drohanrufe erhalten habe, und er von der Polizei, als er Anzeige wegen des Überfalls erstatten habe wollen, für 2-3 Tage eingesperrt worden sei. Bei seiner weiteren Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 21.10.2004 gab dieser hingegen an, dass er im Februar oder März 2002 Drohanrufe erhalten habe und ca. 15 Tagen später, was im Mai 2002 gewesen sein soll, überfallen worden sei, und er anschließend von der Polizei lediglich 24 Stunden eingesperrt worden sei. In der Beschwerdeverhandlung vor dem Asylgerichtshof gab der Beschwerdeführer wiederum etwas anderes an, nämlich, dass er im Jahr 2004 überfallen und von der Polizei für 5-6 Tage eingesperrt worden sei. In seinem schriftlichen Asylantrag vom 30.04.2003 sprach der Beschwerdeführer von einem gänzlich anderen Fluchtgrund, so sei er von Sikh-Terroristen auf offener Straße überfallen und zusammengeschlagen worden, sowie sei ihm von der Polizei lediglich mit einer Festnahme gedroht worden, falls er die Polizeistelle nicht augenblicklich verlasse. Auf diese gravierenden Widersprüche aufmerksam gemacht, gab der Beschwerdeführer lediglich an, dass er sich an Daten nicht so genau erinnern könne, er weiters den Überfall auf offener Straße vergessen habe zu erwähnen, sowie er bei der Polizei einige Male habe sitzen bleiben müssen, was für ihn wie Festnahmen gewesen seien. Nicht nur, dass diese Erklärungen nicht nachvollziehbar sind, stehen diese auch in Widerspruch zu seinen Erklärungen vor dem Bundesasylamt vom 21.10.2004, wonach er im Mai 2002 überfallen und von der Polizei fast 3 Tage eingesperrt worden sei. Weiters gab der Beschwerdeführer bei dieser Einvernahme vom 21.10.2004 auf die Frage des Bundesasylamtes: "Wieso begründen Sie ihren schriftlichen Asylantrag unter anderem damit, dass Sie von Sikh Terroristen auf offener Straße zusammengeschlagen worden seien.." Folgendes an: " Ich kann nicht Deutsch. Ich habe das nicht geschrieben. Ich habe jemanden auf dem Rochus Markt getroffen, der das für mich geschrieben hat." Die Erklärungen des Beschwerdeführers vermochten sohin diese gravierenden Widersprüche nicht zu beseitigen.

 

In der Beschwerde wurde den vom Bundesasylamt aufgezeigten Widersprüchen nicht entgegengetreten und konnte der Beschwerdeführer die aufgezeigten Widersprüche in der mündlichen Verhandlung nicht entkräften, sondern sind im Gegenteil weitere gravierende Widersprüche hinzugekommen, sodass einzig und allein der Schluss zulässig ist, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend einer Bedrohungssituation in Indien nicht der Tatsache entspricht.

 

Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Gemäß § 75 Abs. 7 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 (AsylG 2005) sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 23 des Asylgerichtshofgesetzes, BGBl. I 4/2008 (AsylGHG), sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG 1997), zu Ende zu führen. Da das gegenständliche Verfahren zu obgenanntem Zeitpunkt anhängig war, ist es sohin nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30.April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 geführt. Da der gegenständliche Asylantrag bereits vor obgenanntem Zeitpunkt gestellt worden war, ist das Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 anzuwenden. § 44 Abs. 3 idF BGBl. I Nr. 101/2003 findet - im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation - nur in jenen Fällen Anwendung, die am 01.05.2004 beim Bundesasylamt anhängig waren.

 

Zu Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides:

 

Gemäß § 7 Asylgesetz 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiverweise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorherigen Aufenthalts zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende pro futuro zu erwartende Verfolgungsgefahr dar. Es liegt in der Natur der Sache, dass die vom Asylwerber geltend gemachte Furcht nicht nur objektivierbar sein und von ihm nicht bloß behauptet, sondern auch glaubhaft gemacht werden muss. Dabei steht die Vernehmung des Asylwerbers als wichtigstes Beweismittel zur Verfügung.

 

Aus dem festgestellten Sachverhalt folgt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Bedrohungssituation nicht den Tatsachen entspricht, sodass nicht glaubhaft gemacht werden konnte, dass der Asylwerber Flüchtling im Sinne der GFK ist.

 

Es bestehen auch keine ausreichenden Hinweise dafür, dass sich aus der allgemeinen Situation allein etwas für den Beschwerdeführer gewinnen ließe, zumal keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen, dass der Beschwerdeführer schon allein auf Grund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu fürchten habe. Wenngleich nicht verkannt wird, dass es in Indien zu Menschenrechtsverletzungen kommen kann, ist hiebei auch die Anzahl der dort lebenden Personen in Betracht zu ziehen (über 1 Milliarde Menschen), womit sich aber die Anzahl der berichteten Übergriffe relativiert, sodass auch unter Berücksichtigung dieser Berichte über Menschenrechtsverletzungen keine asylrelevante bzw. im Bereich des § 50 FPG relevante Verfolgungsgefahr betreffend den Beschwerdeführer auf Grund der allgemeinen Situation allein mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit erkannt werden kann.

 

Aus den Feststellungen ergibt sich weiters, dass es dem Asylwerber möglich wäre, etwaigen Repressionen auszuweichen, zumal sich aus dem Vorbringen des Asylwerbers jedenfalls nicht ergibt, dass er selbst eine exponierte Persönlichkeit wäre, die landesweit gesucht würde, was sich auch daran erweist, dass der Asylwerber laut seinen eigenen Angaben mit seinem eigenen Reisepass ausreiste und lässt sich auch sonst seinem Vorbringen entnehmen, dass die vom Asylwerber behaupteten Probleme regional begrenzt sind. Da es Existenzmöglichkeiten für den Asylwerber außerhalb seines Heimatgebietes gibt, ist es ihm auch zumutbar, sich in einen anderen Teil Indiens zu begeben. Da sohin die Voraussetzungen für das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative gegeben sind, kommt auch aus diesem Grunde die Gewährung von Asyl nicht in Betracht.(vgl. VwGH 24.01.2008, 2006/19/0985)

 

Da sohin keine Umstände vorliegen, wonach es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat in asylrelevanter Weise bedroht wäre, ist die Abweisung des Asylantrages durch das Bundesasylamt im Ergebnis nicht zu beanstanden.

 

Zu Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides:

 

Gemäß § 8 AsylG 1997 hat die Behörde im Falle einer Abweisung eines Asylantrages, von amtswegen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

§ 8 AsylG verweist auf § 57 Fremdengesetz (FrG). Gem. § 124 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl I Nr. 100/2005, treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

 

Gem. § 50 Abs.1 FPG ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Überdies ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG die Zurückweisung oder die Zurückschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 1955/55, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 1974/78).

 

Der Prüfungsrahmen des § 50 FPG wurde durch § 8 AsylG auf den Herkunftsstaat beschränkt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (für viele: VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (VwGH 23.6.1994, Zl. 94/18/0295) und muss die drohende Maßnahme von einer bestimmten Intensität sein, ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 MRK zu gelangen.

 

Wie die Beweiswürdigung ergeben hat, ist das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich einer ihn selbst betreffenden Verfolgungsgefahr zur Gänze unglaubwürdig, weshalb auf Grund des konkreten Vorbringens des Beschwerdeführers auch keinerlei Bedrohung im Sinne des § 50 Abs.1 und 2 FPG erkannt werden kann.

 

Aus der allgemeinen Situation allein ergeben sich aber auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr im Sinne des § 50 Abs.1 und 2 FPG bedroht wäre. Auf die bereits oben zu Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides getätigten und auch hier einschlägigen Ausführungen wird verwiesen.

 

Auch hier ist die bereits oben getätigte Alternativbegründung zu Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides einschlägig (innerstaatliche Fluchtalternative), weshalb auf diese verwiesen wird und auch aus diesem Grunde eine Schutzgewährung im Sinne des § 50 FPG nicht in Betracht kommt.

 

Da sohin keine Gründe für die Annahme bestehen, dass der Beschwerdeführer im Heimatland im Sinne des § 50 FPG bedroht wäre, ist die durch das Bundesasylamt ausgesprochene Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien nicht zu beanstanden.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, innerstaatliche Fluchtalternative, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
24.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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