TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/10 S5 402459-1/2008

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Veröffentlicht am 10.11.2008
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Spruch

S5 402.459-1/2008/2E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des T.S. alias Sh., geb. 00.00.1982, StA. der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.10.2008, Zahl: 08 08.795-EAST West, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Russland, stammt aus Tschetschenien und ist eigenen Angaben zufolge über Weißrussland mit dem Zug am 16.9.2008 nach Polen gereist, wo er am selben Tag einen Asylantrag gestellt hatte (vgl. Aktenseite 15 f. sowie Eurodac-Treffer Aktenseite 5). Er ist sodann am 18.9.2008 illegal ins österreichische Bundesgebiet weitergereist, wo er am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

Mit E-mail vom 22.9.2008 ersuchte Österreich Polen um Übernahme des Asylwerbers.

 

Polen hat sich mit Fax vom 26.9.2008, datiert 24.9.2008 (Aktenseite 83) bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 3.10.2008 erklärte der Antragsteller nach Vorhalt, dass Polen zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass er Angst gehabt habe, in Polen zu bleiben, da Polen nahe bei Russland wäre und daher nicht so sicher wie Österreich sei. Er würde von den Behörden seines Heimatlandes gesucht (Aktenseite 99).

 

Der Asylwerber legte weiters ein Konvolut an Dokumenten in russischer Sprache vor, u. a. einen Auszug aus einem Gerichtsverhandlungsprotokoll sowie einen Beschluss über die Ablehnung eines Strafverfahrens gegen seine Person in Zusammenhang mit seiner "Teilnahme an gesetzwidrigen bewaffneten Formierungen" (vgl. die Übersetzung aus dem Russischen, Aktenseite 135).

 

Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.10.2008, Zahl: 08 08.795-EAST West, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen geltend gemacht, dass das Bundesasylamt zu Unrecht den von ihm ins Treffen geführten Problemen im Falle einer Überstellung nach Polen keinen Glauben geschenkt habe. Er könne in Polen nicht mit dem Schutz der polnischen Behörden rechnen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Polen hat auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, den Asylwerber wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, darunter auch Feststellungen zum polnischen Asylverfahren und dessen Praxis sowie zur Versorgungslage von Asylwerbern in Polen sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Lediglich zur Verdeutlichung sei nochmals betont, dass der Asylwerber mit seinen bloß unkonkreten Einwendungen, wonach Polen aufgrund seiner Nähe zu Russland "nicht sicher" sei, nicht ansatzweise ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK dartun konnte. Soweit der Asylwerber angibt, in Russland behördlich gesucht zu werden, ist darauf zu verweisen, dass vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Feststellungen keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Polen ihm entsprechenden Schutz versagen würde, sofern ihm im Heimatland unmenschliche Behandlung oder aber asylrelevante Verfolgung drohen würde. In diesem Zusammenhang ist weiters auf die erstinstanzlichen Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides zu verweisen, denen zu entnehmen ist, dass seit 2004 keine Fälle bekannt sind, dass Tschetschenen aus Polen abgeschoben worden wären und dass Tschetschenen in Polen regelmäßig subsidiärer Schutz (tolerated stay) gewährt wird (Seite 17 des angefochtenen Bescheides). Ebenso geht aus den erstinstanzlichen Länderfeststellungen hervor, dass für Personen, denen subsidiärer Schutz gewährt wurde, das Recht auf Sozialhilfeleistungen und der Zugang zu umfassenden Familienleistungen und auch zum Arbeitsmarkt besteht (Seite 14 des angefochtenen Bescheides) wie auch dass grundsätzlich jedem Asylwerber, der nicht in der Lage ist, für seinen Aufenthalt in Polen selbst aufzukommen, eine umfassende Versorgung gewährt wird, wobei hierzu eine umfassende medizinische Versorgung, Unterkunft und ausreichende Verpflegung gehören (Seite 12 des angefochtenen Bescheides), sodass letztlich nicht zu befürchten ist, dass der Asylwerber in Polen in eine existentielle Notlage geraten müsste. Umstände, die darauf schließen ließen, dass der Asylwerber in Polen selbst einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sind vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Länderfeststellungen nicht vorhanden.

 

Hinsichtlich der Dokumente, die der Asylwerber zur Untermauerung der Glaubwürdigkeit seiner Fluchtgründe vorgelegt hat, ist auszuführen, dass die Beurteilung der vom Asylwerber geltend gemachten Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates auf deren mögliche Asylrelevanz im gegenständlichen Verfahren, welches allein die Frage der Zuständigkeit zur Prüfung der gegenständlichen Asylanträge auf der Grundlage der Dublin II VO zum Inhalt hat, außer acht zu bleiben hat.

 

Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, dass sich im Verfahren nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass der Beschwerdeführer an einer lebensbedrohenden Krankheit (im Endstadium), die überdies in Polen nicht behandelbar wäre, leidet, sodass nach der strengen Judikatur des EGMR zu Art. 3 EMRK seine Überstellung nach Polen nicht einmal ansatzweise eine für eine Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK (eine Verletzung seiner Rechte gem. Art. 8 EMRK wurde seitens des Asylwerbers nicht behauptete und liegen hierfür auch keine Anhaltspunkte vor, da der Asylwerber keine Verwandtschaft in Österreich hat) relevante Gravität erreicht.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, real risk
Zuletzt aktualisiert am
05.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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