TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/14 A12 240867-0/2008

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Veröffentlicht am 14.11.2008
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Spruch

A12 240.867-0/2008/33E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. BENDA als Einzelrichter über die Beschwerde des O.W.C.F.O., geb. 00.00.1986, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 1.8.2003, Zahl: 02 33.905-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.8.2004, 3.10.2006 und 14.3.2007 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Nigeria und laut eigenen Angaben am 25.11.2002 ins Bundesgebiet eingereist. Am selben Tag hat er einen Asylantrag gestellt und wurde hieraufhin am 27.6.2003 vom Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen (Aktenseiten [folgend kurz AS] 37-39 des Verwaltungsaktes des Bundesasylamtes [folgend kurz: VdB]). Sein damaliges Vorbringen wurde im Bescheid des Bundesasylamtes vom 1.8.3003, Zahl: 02 33.905-BAW, im Wesentlichen wiedergegeben, sodass der diesbezügliche Teil des erstinstanzlichen Bescheides auch zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides erhoben wird.

 

Im Wesentlichen zusammengefasst behauptete der Asylwerber im Rahmen seiner damaligen Einvernahme, dass "seine Leute" ihn dazu verwenden würden, Geld zu verdienen. Er habe einen Buckel, weshalb er 1994 geopfert werden hätte sollen. Man habe ihn gefangen nehmen wollen, weshalb er beschlossen habe, zu flüchten.

 

Das Bundesasylamt hat den Antrag des Asylwerbers mit Bescheid vom 1.8.3003,

 

Zahl: 02 33.905-BAW, abgewiesen und unter einem festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Begründend führte das Bundesasylamt - unter Darlegung näherer Erwägungen - aus, dass das Vorbringen des Asylwerbers zur individuellen Bedrohungssituation nicht glaubhaft sei.

 

Gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes erhob der Asylwerber fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde genannt).

 

Am 30.8.2004 fand vor dem unabhängigen Bundesasylsenat als (vormals zuständiger Rechtsmittelinstanz) eine mündliche Verhandlung gem. § 67 d AVG statt, bei welcher der Asylwerber, ein Vertreter des Magistrats Wien als gesetzlicher Vertreter des damals minderjährigen Asylwerbers sowie ein Dolmetscher für die englische Sprache teilnahmen.

 

In der Folge wies der unabhängige Bundesasylsenat die Berufung mit Bescheid vom 1.9.2004, Zahl: 240.867/0-V/13/03, gem. §§ 7, 8 AsylG 1997 ab. Begründend wurde ausgeführt, dass dem Vorbringen des Asylwerbers jegliche Glaubwürdigkeit zu versagen sei.

 

Gegen diesen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates erhob der Asylwerber Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, welcher den angefochtenen Bescheid mit Erkenntnis vom 30.8.2005, Zahl:

2004/01/0550-6, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behob und begründend hierzu im Wesentlichen ausgeführte, dass es der unabhängige Bundesasylsenat unterlassen habe, sich mit den tatsächlichen Verhältnissen in Nigeria betreffend Personen mit einer evidenten Behinderung, konkret einem ausgeprägten Rundrücken, zu befassen.

 

Mit Schreiben vom 7.2.2006 ersuchte der unabhängige Bundesasylsenat in der Folge im Wege einer Botschaftsanfrage die Österreichische Botschaft Abuja/Nigeria, Ermittlungen in Bezug auf die Situation von Personen mit körperlicher Behinderung in Nigeria im Allgemeinen anzustellen (vgl. im Detail ho. Botschaftsanfrage vom 7.2.2006).

 

Mit Schreiben vom 27.6.2006 übermittelte die Österreichische Botschaft Abuja/Nigeria dem unabhängigen Bundesasylsenat die entsprechenden Ermittlungsergebnisse.

 

Am 3.10.2006 sowie am 14.3.2007 fanden vor dem unabhängigen Bundesasylsenat weitere mündliche Verhandlungen gem. § 67 d AVG statt, bei welchen der Asylwerber, sein gewillkürter Vertreter sowie ein Dolmetscher für die englische Sprache teilnahmen.

 

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 3.10.2006 legte der Asylwerber ein Schreiben der "Judges Chamber - Edo State of Nigeria", datiert mit 28.8.1994 vor. Zusammengefasst wird in jenem Schreiben "bestätigt", dass die Angaben des Asylwerbers zur behaupteten Bedrohungssituation der Wahrheit entsprechen.

 

Mit Schreiben vom 4.10.2006 ersuchte der unabhängigen Bundesasylsenat die Österreichische Botschaft in Abuja Erhebungen in Bezug auf die im vorgelegten Schreiben des Asylwerbers genannte "Judges Chamber" zu tätigen, insbesondere zu ermitteln, ob eine solche Institution überhaupt existent ist (vgl. im Detail ho. Botschaftsanfrage vom 4.10.2006).

 

Mit E-mail vom 9.11.2006 übermittelte die Österreichische Botschaft Abuja/Nigeria dem unabhängigen Bundesasylsenat die entsprechenden Ermittlungsergebnisse.

 

Mit Stellungnahmen vom 17.5.2006 (ho. OZ 11), 6.3.2007 (ho. OZ 31), 1.10.2007 (ho.

 

OZ 28), 21.1.2008 (ho. OZ 30), brachte der Asylwerber unter Bezugnahme auf (unter einem) vorgelegte Zeitungsartikel nigerianischer Tageszeitungen sowie diverse Länderberichte, u. a. den Länderbericht Nigeria vom August 2004, ÖRK/ACCORD sowie eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom 14.3.2006 vor, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria aufgrund seiner körperlichen Behinderung Verfolgungshandlungen von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.

 

Weiters legte der Asylwerber mit Schreiben vom 27.11.2006 (ho. OZ 17) ein "Bestätigungsschreiben" vor, worin seitens der Rechtsanwälte des Vaters des Asylwerbers der Wahrheitsgehalt der Aussagen des Asylwerbers bestätigt wird.

 

Fest steht, dass der Asylwerber an einer körperlichen Behinderung, konkret einem sogenannten "Rundrücken" leidet (vgl. AS 87 des VdB). Die vom Asylwerber geltend gemachten Bedrohungssituationen, konkret im Jahr 1994 bzw. 2000 von Kriminellen zum Zwecke seiner Ermordung entführt worden zu sein, können dagegen nicht als maßgeblicher Sachverhalt festgestellt werden.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 75 Abs. 1, erster Satz, AsylG 2005 (Übergangsbestimmung) sind alle am

 

31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt.

 

Gemäß § 44 Abs. 3 AsylG 1997 sind die §§ 8, 15, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 auf Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt wurden, anzuwenden.

 

Dies gilt jedoch - bei verfassungskonformer Interpretation - nur für Verfahren hinsichtlich derer bereits das Bundesasylamt § 44 Abs. 3 AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 101/2003 angewendet hat.

 

Gem. § 124 Abs. 2 des ebenfalls mit 1.1.2006 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen wird, an deren Stelle die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

 

Zu der vom Asylwerber behaupteten Bedrohungssituation, konkret in Nigeria aufgrund seiner körperlichen Behinderung Verfolgungen ausgesetzt gewesen zu sein, ist auszuführen, dass seinen Angaben die Glaubwürdigkeit zu versagen ist:

 

Generell ist zur Glaubwürdigkeit von Angaben und Behauptungen im Asylverfahren auszuführen, dass diese grundsätzlich nur dann als glaubhaft qualifiziert werden können, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist; der Asylwerber sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. seine Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d.h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen.

 

Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der Asylwerber den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der Antragsteller nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen.

 

Diesen Anforderungen werden die Angaben des Asylwerbers nicht gerecht.

 

Zunächst fällt auf, dass der Asylwerber im Asylverfahren schon in Bezug auf seine engsten Familienangehörigen massiv widersprüchliche Angaben erstattete und sichtlich bestrebt war, sein wahres familiäres Umfeld zu verschleiern:

 

Während er etwa vor dem Bundesasylamt noch behauptet hatte, zwei Schwestern und einen Bruder zu haben (AS 33 des VdB), gab der Asylwerber widersprüchlich hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat am 30.8.2004 auf die Frage, ob er Geschwister habe, zunächst an, zwei Brüder zu haben. Auf Nachfrage korrigierte er sich jedoch dahingehend, dass er einen Bruder und eine Schwester habe (UBAS-Protokoll vom 30.8.2004, Seite 3). Es ist evident, dass sich diese drei unterschiedlichen Versionen der Angaben zu seinen Geschwistern nicht in Einklang bringen lassen, sondern sich gegenseitig ausschließen und wird klar, dass der Asylwerber diesbezüglich unwahre Angaben zu Protokoll gegeben hat, da nach menschlichem Ermessen auszuschließen ist, dass jemand nicht wissen sollte, wie viele Geschwister er hätte bzw. welchen Geschlechtes diese wären. Diese Überlegung muss in casu umso mehr gelten, als der Asylwerber bis zu seiner Ausreise behauptetermaßen mit seinen Geschwistern an derselben Adresse gewohnt haben will (AS 33 des VdB u. UBAS-Protokoll vom 30.8.2004, Seite 3). Als ebenso widersprüchlich erweisen sich die Angaben des Asylwerbers in Zusammenhang mit seinen Eltern, da er zunächst im Rahmen seiner Asylantragstellung im Formblatt handschriftlich angegeben hatte, weder Vater noch Mutter zu haben (AS 5 des VdB), er allerdings bei der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat auf die Frage nach dem Wohnort seiner Eltern angab, seine (beiden!) Eltern würden in U. leben, sich umgehend korrigierte und erklärte, "nicht wirklich eine Mutter" zu haben, da diese gestorben sei (UBAS-Protokoll vom 3.10.2006, Seite 2). Unterschiedlich fallen auch seine Angaben hinsichtlich des Alters seiner Eltern aus, da er erstinstanzlich etwa bezüglich seines Vaters noch behauptet hatte, dass dieser 82 Jahre alt sei (AS 33 des VdB), vor dem unabhängigen Bundesasylsenat am 14.3.2007 jedoch erklärte, sein Vater sei "etwas über 50 Jahre" alt (UBAS-Protokoll vom 14.3.2007, Seite 4). Gänzlich widersprüchlich lauten auch die Altersangaben in Bezug auf seine Mutter, da der Asylwerber, der in der Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat vom 14.3.2007 zuvor noch erklärt hatte, dass seine Mutter gestorben sei, in derselben Verhandlung an späterer Stelle wörtlich angab: "Ich weiß es nicht genau, wie alt sie jetzt ist." (!) (UBAS-Protokoll vom 14.3.2007, Seite 5), und er erst später nach nochmaliger Aufforderung, das Alter seiner Mutter anzugeben, plötzlich behauptete, dass diese gestorben sei, als er noch ein kleines Kind gewesen sei (wie oben). Es ist der allgemeinen Lebenserfahrung zufolge völlig undenkbar, das jemand, dessen Mutter tatsächlich bereits gestorben sein sollte, auf die Frage nach deren Alter nicht umgehend angeben würde, dass diese bereits verstorben wäre, sondern stattdessen erklären würde, nicht zu wissen, wie alt seine Mutter im Moment sei, da diese Aussage unzweifelhaft indiziert, dass die gemeinte Person noch am Leben ist (!). Letztlich führte der Asylwerber im Asylverfahren auch hinsichtlich seines eigenen Namens unterschiedliche Varianten ins Treffen, da er erstinstanzlich und auch noch im Rechtsmittelverfahren behauptet hatte, den Familiennamen O. zu führen, er allerdings in der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat am 14.3.2007 erklärte, mit Nachnamen "Om." zu heißen (UBAS-Protokoll vom 14.3.2007, Seite 4). Insgesamt verdeutlichen diese einander gravierend widersprechenden Aussagen des Asylwerbers, die auch nicht auf bloße Missverständnisse zurückzuführen sind, dass dieser vor den Behörden Angaben offenbar erstattet, wie es ihm gerade opportun erscheint, sodass vor diesem Hintergrund im Besonderen angezeigt erscheint, auch seine Angaben zum Fluchtgrund kritisch zu hinterfragen.

 

Dass es sich auch bei der vom Asylwerber präsentierten Fluchtgeschichte um keine selbst erlebten Umstände handelt, wird schließlich wiederum anhand von massiven Ungereimtheiten innerhalb seiner Angaben offensichtlich:

 

So hatte der Asylwerber etwa vor dem Bundesasylamt auf die Frage nach seinen Fluchtgründen angeführt, dass sich alle fluchtauslösenden Ereignisse im Jahr 1994 zugetragen hätten (AS 37 des VdB), wohingegen er in der Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat am 30.8.2004 behauptete, das fluchtauslösende Erlebnis habe vor zwei Jahren stattgefunden, seinen diesbezüglichen Angaben zufolge sich der seine Ausreise auslösende Vorfall etwa im Jahr 2002 zugetragen müsste (UBAS-Protokoll vom 30.8.2004, Seite 3). Wiederum anders lautet seine im Rahmen der Berufungsverhandlung vom 3.10.2006 ins Treffen geführte Version, derzufolge die für seinen Ausreisentschluss letztlich maßgebliche Bedrohungssituation im Jahr 2000 stattgefunden haben soll (UBAS-Protokoll vom 3.10.2006, Seite 5 f.).

 

Auch finden sich in inhaltlicher Hinsicht schwerwiegende Widersprüche in seinem die eigentlichen Fluchtgründe betreffenden Vorbringen, da der Asylwerber erstinstanzlich einerseits zwar angegeben hatte, dass ihn die "Dorfbewohner" verfolgen würden (AS 37 des VdB), er an anderer Stelle aber anführte, dass ihn seine Familie im Falle seiner Rückkehr töten würde (AS 39 des VdB). Mit letzteren Angaben übereinstimmend brachte der Asylwerber auch im Berufungsschriftsatz vor, dass er für seine Familie aufgrund seiner körperlichen Behinderung eine gute Einnahmequelle dargestellt habe und sich durch seine Flucht "ihrem unheilvollen Einfluss" entzogen habe (AS 75 des VdB). Es wird angesichts dieser insgesamt völlig widersprüchlichen Angaben vollends klar, dass es sich beim gesamten Vorbringen des Asylwerbers um ein erfundenes Konstrukt handelt, dessen Details dieser über das gesamte Asylverfahren hinweg nicht stimmig zu reproduzieren vermochte, da andernfalls diese unterschiedlichen Versionen in Bezug auf die Eckpfeiler seiner Fluchtgeschichte nicht erklärbar wären. Sein im Rahmen der Berufungsverhandlung vom 3.10.2006 hinsichtlich dieser unterschiedlichen Angaben erfolgter Erklärungsversuch, demzufolge er gegenüber seinem gesetzlichen damaligen Vertreter, mit dessen Hilfe die Berufung verfasst worden sei, nie gesagt habe, dass er von seiner Familie gegen Geld zur Schau gestellt worden sei, er die Angaben in der Berufung niemals getätigt habe und er vielleicht "das Englisch nicht gut verstanden" habe (UBAS-Protokoll vom 3.10.2006, Seite 8), können schon deshalb nicht überzeugen, da auszuschließen ist, dass der die Berufung ehemals verfassende Referent des Jugendamtes (als damaliger gesetzlicher Vertreter des Asylwerbers) ganze Textblöcke gleichsam "dazu erfinden" würde und die vom Asylwerber geltend gemachten Verständigungsschwierigkeiten lediglich geringe Unschärfen bei der Übersetzung, nicht aber dem angeblich Gemeinten derartig entgegenstehende Angaben erklären könnten. Der Eindruck der Unglaubwürdigkeit der vom Asylwerber behaupteten Bedrohungssituationen (konkret die angeblichen Entführungen bzw. Entführungsversuche) wird überdies auch dadurch verstärkt, dass der Asylwerber im Rahmen der Berufungsverhandlung vom 30.8.2004 auf die konkrete Frage nach seinen Fluchtgründen lediglich angab, dass ihm die Leute seines Vaters erzählt hätten, dass sie ihn wegen seines Handicaps (seines Rundrückens) töten würden und er auf folgende Aufforderung des Verhandlungsleiters, seine Angaben zu konkretisieren wiederum nur erklärte, dass ihn sein Vater gewarnt habe, sodass er mit Hilfe eines Freundes flüchten habe können (UBAS-Protokoll vom 30.8.2004, Seite 2), er allerdings von den angeblichen Entführungsversuchen kein Wort erwähnte, sondern diese erst später ins Treffen führte. Es ist keineswegs objektiv nachvollziehbar, dass eine Person, die derartiges wie eine Entführung tatsächlich erlebt und aufgrund dieser Umstände letztlich ihr Heimatland verlassen hätte, dies nicht bei der Frage nach den Ausreisegründen umgehend bei erster Gelegenheit als primären Fluchtgrund vorbringen sollte, sondern stattdessen lediglich vom Hörensagen erfahrene, die eigene Person betreffende Drohungen vorbringen würde, sodass dem Vorbringen des Asylwerbers hinsichtlich der angeblichen Entführungsversuche seiner Person letztlich jegliche Glaubwürdigkeit zu versagen war.

 

Zu den vom Asylwerber vorgelegten Schreiben der "Judges Chamber - Edo State of Nigeria", worin im Wesentlichen der Wahrheitsgehalt der Angaben des Asylwerbers bestätigt wird, ist auszuführen, dass die Botschaftsermittlungen ergeben haben, dass eine solche Institution ("Judges Chamber") nicht existiert, sodass diesem Schriftstück schon von vornherein jegliche Beweiskraft abzusprechen war.

 

Hinsichtlich des vorgelegten "Bestätigungsschreibens" der Rechtsanwälte des Vaters des Asylwerbers ist anzumerken, dass auch diesem Schreiben - unabhängig von der Frage der Echtheit des Schriftstücks - bereits deshalb keine materielle Beweiskraft zukommen kann, da der Asylwerber selbst angegeben hat, dass jene Anwälte den Wahrheitsgehalt der behaupteten Geschehnisse nicht in ihrer Eigenschaft als Zeugen - sohin aus eigener Wahrnehmung - bescheinigt, sondern lediglich über Auftrag des Vaters bestätigt hätten, dass ein bestimmter, ihnen berichteter Sachverhalt (den sie selbst sohin nicht erlebt haben!) tatsächlich stattgefunden haben soll (UBAS-Protokoll vom 14.3.2007, Seite 3 f.).

 

Bei einer Abwägung jener Gründe, die für die Glaubwürdigkeit der vorgebrachten Bedrohungssituation sprechen - dies sind letztlich die Behauptung des Asylwerbers, dass seine Geschichte wahr ist und jene Länderberichte bzw. Zeitungsartikel, denen zufolge derartige wie vom Asylwerber behauptete Verbrechen gegen körperlich behinderte Personen tatsächlich vorkommen - und jener Gründe, die gegen die Glaubwürdigkeit der konkreten Bedrohungssituation sprechen, überwiegen die für eine erfundene Geschichte sprechenden Argumente deutlich.

 

Ad 1.)

 

Gemäß § 7 Asylgesetz 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Rechtlich folgt aus dem Umstand, dass dem gesamten Vorbringen des Asylwerbers die Glaubwürdigkeit zu versagen war, dass seine Flüchtlingseigenschaft nicht festgestellt und ihm kein Asyl gewährt werden konnte.

 

Ad 2.)

 

Gemäß § 8 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 hat die Behörde, im Falle einer Abweisung eines Asylantrages, von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Zurückweisung,

 

Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

§ 8 AsylG 1997 verweist durch die Übergangsbestimmung des § 124 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) auf § 50 FPG.

 

Gemäß § 50 Abs. 1 FPG ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974) es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Gemäß § 50 Abs. 3 FPG dürfen Fremde, die sich auf eine der in Abs. 1 oder Abs. 2 genannten Gefahren berufen, erst zurückgewiesen oder zurückgeschoben werden, nachdem sie Gelegenheit hatten entgegenstehende Gründe darzulegen. Die Fremdenpolizeibehörde ist in diesen Fällen vor der Zurückweisung vom Sachverhalt in Kenntnis zu setzen und hat dann über die Zurückweisung zu entscheiden.

 

Der Prüfungsrahmen des § 50 Abs. 1 FPG wurde durch § 8 AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.

 

Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 FPG wurde bereits unter Spruchpunkt I geprüft und verneint.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Asylwerbers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der

 

Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (für viele: VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (VwGH 23.6.1994, 94/18/0295) und muss die drohende Maßnahme von einer bestimmten Intensität sein, ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 MRK zu gelangen.

 

Hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Vorliegens einer drohenden Gefahr im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG ist es erforderlich, dass der Fremde, die für diese ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe, konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.6.1997, 95/21/0294), und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 5.4.1995, 93/18/0289).

 

Dem Asylwerber ist es nicht gelungen, eine konkrete aktuelle Bedrohungssituation in Nigeria glaubhaft zu machen, wobei diesbezüglich auf die obige Beweiswürdigung verwiesen wird.

 

Es wird nicht verkannt, dass derartige Ritualmorde, wie sie der - als unwahr befundenen - Fluchtgeschichte des Asylwerbers zu Grunde liegen, in Nigeria durchaus tatsächlich vorkommen, jedoch kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit erkannt werden, dass konkret der Asylwerber im Falle seiner Rückkehr Gefahr laufen würde, einem derartigen Verbrechen zum Opfer zu fallen. Zu betonen ist, dass sich auch die vom Asylwerber vorgelegten Länderberichte in Bezug auf die Häufigkeit derartiger Vorfälle als widersprüchlich erweisen (vgl. etwa ho. OZ 11), da Menschenopfer etwa laut "Operational Guidance Note" zu Nigeria des UK Home Office vom Dezember 2005 einerseits als "extrem selten" dargestellt werden, andere Quellen allerdings von "epidemischen Ausmaßen" solcher Verbrechen berichten (ho. OZ 11, Seite 2 u. 3). Auch ist in diesem Zusammenhang auf die Stellungnahme der Österreichischen Botschaft Abuja/Nigeria vom 27.6.2006 zu verweisen, aus welcher sich ergibt, dass aktuell keine Gefahr für Leib und Leben für Personen mit körperlicher Behinderung in Nigeria besteht und behinderte Personen nicht gezielt Opfer von Verbrechen werden. Weiters ist jenem Botschaftsermittlungsergebnis zu entnehmen, dass solche Personen insofern unterschiedliche Behandlungen durch ihre Mitmenschen erfahren, als man ihnen regelmäßig mit Mitleid und Anteilnahme begegnet. Jener Stellungnahme der Österreichischen Botschaft ist überdies zu entnehmen, dass Personen mit körperlichen Behinderungen durchaus auch reale Möglichkeiten haben, am nigerianischen Arbeitsmarkt eine Arbeit zu finden, sofern sie für die konkret gewünschten Berufe qualifiziert sind, sodass letztlich auch nicht zu befürchten ist, dass der Asylwerber im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria in eine existentielle Notlage geraten würde.

 

Es sind weiters keine Umstände amtsbekannt, dass in Nigeria eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre und besteht im Gebiet Nigerias kein solcher landesweiter internationaler oder innerstaatlicher Konflikt, dass für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt verbunden wäre.

 

Über eine Ausweisung des Asylwerbers war in verfassungskonformer Interpretation des § 44 Abs. 3 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 seitens der Berufungsbehörde nicht abzusprechen.

 

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, non refoulement, Sicherheitslage
Zuletzt aktualisiert am
13.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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