TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/17 B12 302239-1/2008

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Veröffentlicht am 17.11.2008
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Spruch

B12 302239-1/2008/16E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Josef Rohrböck als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn Y.I., geb. 00.00.1997, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. Mai 2006, Zl. 05 16.205-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 6. Juni 2008 zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde des Herrn Y.I. gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. Mai 2006, Zl. 05 16.205-BAG, hinsichtlich des Spruchteils I. wird gemäß § 7 AsylG abgewiesen.

 

II. Die Beschwerde der o.g. beschwerdeführenden Partei gegen den o. g. Bescheid des Bundesasylamtes hinsichtlich des Spruchteils II. wird gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen.

 

III. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides betreffend die Ausweisung der beschwerdeführenden Partei aus dem österreichischen Bundesgebiet wird ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

Herr Y. hat am 3. Oktober 2005 beim Bundesasylamt einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gestellt. Zu diesem seinen Antrag wurde Herr Y. am 5. Oktober 2005 durch das Bundesasylamt einvernommen. Dazu wurde in der diesbezüglichen Niederschrift im Wesentlichen festgehalten:

 

"(...)

 

Frage: Verstehen Sie den Dolmetscher einwandfrei?

 

A: Ja.

 

F: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, die Einvernahme durchzuführen?

 

A: Ja.

 

F: Wurden Ihnen die Orientierungsinformation, das Merkblatt zum Asylverfahren und die Informationsblätter zur Dublin II VO und zur EURODAC-VO in einer Ihnen verständlichen Sprache ausgefolgt?

 

A: Nein. (Dem AW werden die Merkblätter in türkischer Sprache ausgefolgt).

 

F: Besitzen Sie ein Telefon.

 

A: Ja. Mein Bruder hat 0676(...), der spricht deutsch und ich habe 0676(...).

 

F: Besitzen Sie einen Reisepass.

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie um einen Reisepass angesucht.

 

A: Ich habe einen Reisepass in S. beantragt, sie haben mir den Antrag abgelehnt.

 

F: Wieso.

 

A: Weil ich bei Demonstrationen teilgenommen habe und gefoltert wurde, deshalb habe ich eine Anzeige in T. erstattet. Deshalb hat man mir meinen Antrag abgelehnt.

 

F: Besitzen Sie andere Dokumente.

 

A: Nein.

 

F: Wann haben Sie sich entschlossen Ihr Heimatland zu verlassen.

 

A: Am 20.8.2005. Entschuldigung am 20.9.2005.

 

F: Haben Sie Ihr Heimatland früher schon einmal verlassen.

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie woanders um Asyl angesucht.

 

A: Nein.

 

F: Wann und wie haben Sie Ihr Heimatland verlassen, wie kamen Sie nach Österreich?

 

A: Am 28.9.2005 verließ ich meine Heimat. Schlepperunterstützt von Istanbul mit einem LKW. Man ließ mich in den Laderaum des LKW einsteigen. Sie gaben mir Verpflegung und einen Kübel. Am Freitag in der Früh, nein am Samstag in der Früh, den 1.10.2005 konnte ich in Graz aussteigen. Mein Bruder hat mich dann von dort abgeholt.

 

F: War der LKW auf einem Zug oder Schiff aufgeladen.

 

A: Nein.

 

F: Wer war aller im LKW.

 

A: Sonst niemand.

 

F: Was haben Sie bezahlt.

 

A: 3.000,--

 

F: Woher hatten Sie das Geld.

 

A: Von meiner Familie und von meinen Freunden.

 

F: Müssen Sie das Geld zurückzahlen.

 

A: Ja. Natürlich.

 

F: Wie lange fuhr der LKW vom letzten Mal anhalten bis nach Graz.

 

A: Das weiß ich nicht.

 

F: Sie haben eine Uhr. Wissen Sie es ungefähr.

 

A: Das ist die Uhr meines Bruders.

 

F: Haben Sie im Bereich der EU, in Norwegen oder in Island Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

 

A: Nur meine Geschwister, bei denen ich wohne.

 

F: Haben Sie ein strafbares Delikt begangen.

 

A: Nein.

 

F: Wurden sie festgenommen.

 

A: Ja.

 

F: Waren Sie in Haft.

 

A: Ja.

 

F: Sind Sie Mitglied einer politischen Partei.

 

A: Ja.

 

F: Hatten Sie wegen Ihrer Religion Probleme in Ihrem Heimatstaat.

 

A: AW überlegt lange. Ja. Dann sagt er nein.

 

F: Wegen der Religion hatten Sie keine Probleme.

 

A: Ja, das ist Richtig.

 

F: Sagen Bitte alle Gründe warum Sie Ihr Heimatland verlassen haben und warum Sie nach Österreich gekommen sind.

 

A: Als Kurde wurden wir unterdrückt. Ich habe gesehen dass mein Volk unterdrückt wurde, deshalb nahm ich in Istanbul bei verschiedenen Demonstrationen teil. Bei einigen Demonstrationen wurde ich festgenommen und gefoltert. Alle zwei drei Monate hat es Demonstrationen gegeben, bei denen ich teilgenommen habe. Wir hatten eine Gemeinschaftswohnung. In dieser Wohnung wohnten zwei Freunde und ich. Ein Freund wurde festgenommen, weil er Kurdische Bücher bei sich hatte. Er wurde eingesperrt. Anschließend hatten wir Durchsuchungen in unserer Wohnung. Die Polizisten wollten Informationen von mir über den inhaftierten Freund haben. Nachdem ich ihnen keine Informationen gegeben habe, haben sie mich festgenommen. Ich wurde eingesperrt befragt und gefoltert. Sie haben gekochtes Ei unter meinen Achseln gegeben. Bei den Folterungen schaute man, dass kein Spuren hinter bleiben. Später brachten sie mich zu einer Untersuchung. Da ich keine Verurteilungen hatte ließ man mich frei. Mein Leben war nicht mehr in Sicherheit, deshalb habe ich Istanbul verlassen und zu meiner Familie nach T. geflüchtet. Dort gingen rechtsorientierte Gruppen auf mich los. Sie bedrohten mich. Auch meine Familie wurde von den Rechtsgruppierungen unter Druck gesetzt. Sie haben die Fenster unseres Hauses kaputt gemacht. Deshalb schickte ich ein Schreiben an die Sicherheitsdirektion und gab an, dass ich in Istanbul und später auch in meiner Heimatstadt Folterungen und Angriffe hatte. Ich habe keine Antwort bekommen. Anschließend schickte ich an die Sicherheitsdirektion S. ein Schreiben. Von dort habe ich auch keine Antwort bekommen. Deshalb flüchtete ich wieder nach Istanbul. Dort habe ich einen Schlepper gefunden, der mir bei der Reise nach Österreich half.

 

F: War das Alles.

 

A: Es geht weiter. Ich wurde gefoltert. Mein Leben war nicht mehr in Sicherheit. Ich wurde unterdrückt. Da ich ein Kurde bin habe ich keinen eigenen Staat. Ich habe erfahren, dass es hier Menschenrechte gibt und deshalb habe ich mich entschlossen hier einen Asylantrag zu stellen. Das ist Alles.

 

F: Seit wann sind Ihre Geschwister in Österreich und welchen Status haben sie.

 

A: Seit 5 Jahren. Die Schwester studiert, der Bruder Arbeitet. Welchen Aufenthaltsstatus sie haben, kann ich nicht sagen.

 

F: Was würde mit Ihnen passieren, wenn Sie in Ihr Heimatland zurückkehren würden.

 

A: Mein Leben ist dort nicht in Sicherheit.

 

F: Wann sind Sie nach T. zurückgezogen.

 

A: Am 18.8.2005.

 

F: Wann haben Sie T. verlassen.

 

A: Am 23.9.2005.

 

F: Wann wurden Sie das letzte Mal in Istanbul gefoltert.

 

A: Entweder am 5. oder 7.7.2005.

 

F: Wie oft waren Sie eingesperrt und wie oft wurden Sie gefoltert.

 

A: Einmal wurde ich eingesperrt. Zwei Mal festgenommen. Zwei Mal gefoltert.

 

F: Können Sie diese Inhaftierung genau beschreiben.

 

A: Einmal haben sie mich festgenommen. Das war das erste Mal. Da haben sie nichts getan. As zweite Mal haben sie mich befragt, gefoltert, verleumdet und geschlagen. Nach einem Tag haben sie mich freigelassen.

 

F: Können Sie die Festnahmen und die Inhaftierung zeitlich und örtlich beschreiben.

 

A: Das weiß ich nicht so genau, das war etwa vor 5-6 Monaten.

 

F: Wurden Sie bei Demonstrationen direkt festgenommen.

 

A: Während der Demonstration wurden wir von Polizisten angehalten. Die Demonstranten liefen davon. Jeden den sie erwischt haben, haben sie mitgenommen.

 

F: Wurde Sie auch erwischt.

 

A: 2 Mal.

 

F: Wann und wo war das.

 

A: Einmal im Jahre 2002 in G. und das zweite Mal vor 5-6 Monaten in

U..

 

F: Können Sie diese Demonstrationen beschreiben.

 

A: Wir waren eine Gruppe von 10-15 Personen. Wir hatten kurdische Plakate mit, auf denen draufstand dass wir einen eigenen Staat brauchen. Wir wollten dass wir alle möglichen Rechte bekommen. Die Polizisten haben sofort die Demonstration aufgelöst. Damit sie aufgelöst ist, gingen sie mit den Stöcken oder den Gummiknüppeln gegen die Demonstranten los.

 

F: Wer hat an diesen Demos teilgenommen.

 

A: Die PKK.

 

F: Wie kannten Sie die PKK.

 

A: Nicht nur PKK ler sondern jeder Kurde oder Anhänger von Abdullah Öcalan.

 

V: Vorhin sagten Sie dass 10-15 Personen teilgenommen haben.

 

A: Ja.

 

F: Kannten Sie dabei Personen.

 

A: Ja. Das waren kurdische Freunde die von der Gegend waren. Bei manchen Demonstrationen waren wir auch 50 Personen.

 

F: Wann war die mit 50 Personen und wo.

 

A: Das müsste im Februar 2005 in S., Istanbul gewesen sein.

 

F: Waren Sie der Anführer bei diesen Demos.

 

A: Nein.

 

F: Waren Sie besonders gewalttätig.

 

A: Nein.

 

F: Wie lange hat die Demo vor 5-6 Monaten gedauert.

 

A: Nicht ganz zwei Stunden. Sie wurde aufgelöst.

 

F: Wie lange waren Sie in Haft.

 

A: 2 Tage.

 

F: Wo war das.

 

A: In G. wurde ich festgenommen. Nach zwei Tagen ist mein Freund gekommen und hat mich von dort abgeholt.

 

F: War das der Freund der bei Ihnen wohnte.

 

A: Ja.

 

F: Wie heißt er.

 

A: D.A..

 

F: Wie heißt der andere, der bei Ihnen gewohnt hat.

 

A: G.A..

 

F: Sind die beiden auch Kurden.

 

A: Ja.

 

F: Wo sind die Beiden jetzt.

 

A: D.A. ist zurzeit in Haft. Was mit G.A. ist, kann ich nicht sagen, weil wir uns vor meiner Ausreise getrennt haben.

 

F: Wo war er damals.

 

A: Er war damals mit uns in der Wohngemeinschaft.

 

F: Wieso ist A. in Haft.

 

A: Weil er mit kurdischen Büchern erwischt worden ist.

 

F: Wurde er verurteilt.

 

A: Ja. Er ist derzeit in Strafhaft.

 

F: Wann wurde er verurteilt und wann festgenommen.

 

A: Das müsste Anfang Juli 2005. Im Juli ist das ganze geschehen. Dann habe ich Istanbul verlassen.

 

F: Wann waren die Durchsuchungen Ihrer Wohnung.

 

A: Am 7.7.2005 einmal.

 

F: Wer war dort anwesend.

 

A: Ich war alleine.

 

F: Haben Sie die Wohnung selbst durchsucht.

 

A: Während dieser zeit war mein Freund in Haft. Sie sind gekommen und haben unsere Wohnung durchsucht.

 

F: Wer ist gekommen.

 

A: 5-6 Polizisten.

 

F: In Uniform.

 

A: Ja.

 

F: Wie lange dauerte die Durchsuchung.

 

A: Eine Stunde.

 

F: Wann wurden Sie festgenommen.

 

A: Am 7.7.2005. Ich glaube gegen 21.00 Uhr.

 

F: Was passierte dann mit ihnen.

 

A: Sie haben mich nach G. gebracht und dort befragt.

 

F: Wie lange dauerte die Befragung.

 

A: Cirka 4 Stunden.

 

F: Was passierte dann.

 

A: Ich musste bis in der Früh warten, damit ich zur Gesundheitskotrolle gehen konnte. Nach der Kontrolle wurde ich zur Polizeistation gebracht. Da ich keine Verurteilungen hatte, haben sie mich freigelassen.

 

F: Habe ich richtig gehört, dass sie noch nie verurteilt wurden und deshalb freigelassen wurden.

 

A: Ja. Das ist Richtig.

 

F: Aus wie vielen Leuten bestanden die rechtsradikalen Gruppen in

T..

 

A: 10, 15 vielleicht 20.

 

F: Wie viele rechtsradikale Gruppen gibt es in T..

 

A: Ich kenne nur eine. Die sind von der MHP.

 

F: Wie und wann kamen Sie mit dieser Gruppe in Kontakt.

 

A: Nach der Rückkehr nach T. am 30.8.2005. Da ich ein Kurde bin fingen sie mich an zu foltern. Weil sie die Kurden nicht mögen. Dann bedrohten sie mich und meine Familie.

 

F: Wann und wo war das.

 

A: In T. nach dem 00.00.2005.

 

F: Wer genau hat sie gefoltert und wie wurden sie gefoltert.

 

A: Die rechtsorientierte Gruppe. Die Personen haben mir den Weg abgeschnitten, mich bedroht. Sie haben auch meine Familie bedroht, die Scheiben unserer Wohnung eingeschlagen. Das hat ca. 10-15 Tage gedauert. Dann habe ich mich entschlossen nach Istanbul zurückzukehren.

 

F: Wie konnten die Mitglieder dieser Gruppe erkennen, dass Sie Kurde sind.

 

A: Weil ich selbst in T. wohnhaft bin.

 

F: Wann war dieser Vorfall mit den Fensterscheiben.

 

A: Ich glaube am 5.9.2005.

 

F: Wissen Sie wann Sie nach Istanbul zurückgekehrt sind.

 

A: Am 25.9.2005.

 

F: Wieso geben Sie während der Befragung laufen andere Daten an.

 

A: Weil ich mich nicht so genau erinnern kann. Deshalb.

 

F: Welche Familienmitglieder wurden von den rechtsradikalen bedroht.

 

A: Vater, nur mein Vater.

 

F: Wie wurde er bedroht.

 

A: Verbal. Sie wollen uns nicht weil wir Kurden sind.

 

F: Aus welchen Mitgliedern besteht die rechtsradikale Gruppe, kenne Sie Namen.

 

A: Nein.

 

F: Wie viele Kurden wohnen in T..

 

A: Eine Menge. Ca. 50 Personen.

 

F: Wohnt Ihr Vater noch in T..

 

A: Ja.

 

F: Können Sie erklären, warum Sie Probleme hatten und Ihr Vater nicht.

 

A: Weil ich nach Hause gekommen bin. Mein Vater ist zu alt.

 

F: Bei welcher Partei sind Sie Mitglied.

 

A: Von Abdullah Öcalan. PKK und HADEP. Weil diese unsere Rechte verteidigen.

 

F: Seit wann sind Sie Mitglied bei der HADEP und bei der PKK.

 

A: Nicht bei HADEP. Mit den kurdischen Freunden sind wir gemeinsam Anfang 1999.

 

F: Sind Sie Mitglied einer politischen Partei.

 

A: Nein. Nur damit ein kurdisches Land entsteht, nahm ich bei den Demonstrationen teil.

 

F: Werden Sie in der Türkei per Haftbefehl gesucht.

 

A: Nein. Da mein Leben nicht in Sicherheit war, flüchtete ich ins Ausland.

 

F: Warum war Ihr Leben nicht in Sicherheit.

 

A: Da ich ein Kurde bin und bei Demonstrationen teilgenommen habe, wollen Sie uns dort nicht haben.

 

F: Was meinen Sie mit dort.

 

A: Überall in der Türkei. Ich habe das in Istanbul und auch in T. gespürt.

 

F: Wissen Sie wie viele Kurden in der Türkei leben.

 

A: Das weiß ich nicht.

 

F: Können Sie Ihre Aussagen beweisen.

 

A: Wie. Mit Dokumenten. Derzeit habe ich keine Beweismittel bei mir. In der Türkei habe ich Anträge, die ich bei den Behörden abgegeben habe.

 

F: Was haben Sie beantragt.

 

A: Das ich gefoltert wurde, dass mein Leben nicht in Sicherheit ist. Die Polizei hat meine Anträge nicht beantwortet. Deshalb flüchtete ich ins Ausland.

 

F: Können Sie diese Anträge dem BAA vorlegen.

 

A: Das kann ich schon aber es wird eine Weile dauern.

 

F: Wie lange.

 

A: Das weiß ich nicht. Vielleicht 4-5 Monate oder 3 Monate.

 

F: Wo befinden sich diese Anträge.

 

A: Bei der Sicherheitsdirektion.

 

F: Geben Sie die Einwilligung, dass das BAA anfragt.

 

A: Ja, diese gebe ich.

 

F: Haben Sie Kopien von diesen Anträgen.

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Befragung einwandfrei verstanden?

 

A: Ja.

 

F: Hat der Dolmetscher alles rückübersetzt, was Sie vorgebracht haben?

 

A: Ja.

 

(...)"

 

Am 12. Mai 2006 wurde Herr Y. neuerlich durch das Bundesasylamt vernommen, wobei der Niederschrift zu entnehmen ist:

 

"(...)

 

F: Beschreiben Sie ihre allgemeinen Lebensumstände in der Türkei.

 

A: Ich stamme aus T. in der Provinz S. (Region Schwarzmeer), wo ich bis zum Antritt meines Militärdienstes im Jahre 1997 im gemeinsamen Haushalt mit meinen Eltern gelebt und in der Autowerkstätte meines Vaters gearbeitet habe. Nach der Beendigung meines Militärdienstes, so Anfang 1999 bin ich nach Istanbul gezogen wo ich bis zu meiner Ausreise im September 2005 aufhältig war. Ich war auch dort in einer Autowerkstätte beschäftigt, allerdings illegal.

 

F: Warum haben Sie die Türkei verlassen?

 

A: Im Juli 2005 wurde mein Wohnungsgenosse D.A. von der Polizei mitgenommen, da man ihm beim verteilen kurdischer Bücher erwischt hatte. Als Folge davon kam es zu einer Hausdurchsuchung, bei der auch ich vorübergehend mitgenommen worden war. Da man mir aber nichts anhängen konnte wurde ich nach einem Tag wieder ohne weitere Konsequenzen freigelassen, Ich hatte trotzdem ein ungutes Gefühl und fuhr deshalb zu meinen Eltern nach T.. Doch auch dort war die Situation unerträglich, da Angehörige der MHP mich immer wieder belästigten. In der Form, dass sie mich als Kurde beschimpften und mir so ein Leben dort verunmöglichten. Sie hatten es leicht mit mir, da ich auf Grund meiner langjährigen Abwesenheit keinen Freundeskreis mehr hatte und mich somit an niemanden mehr wenden konnte. Auch meine ganze Familie wurde in ähnlichre Weise belästigt, allerdings erst nachdem ich wieder zu Hause war.

 

F: Warum sollte ihre Familie vorher in Ruhe gelassen worden sein und danach nicht mehr?

 

A: Ich habe meine Ansichten, dass auch wir Kurden Rechte haben offen ausgesprochen. Ich habe dann versucht einen Reisepass zu bekommen, dessen Ausstellung mir aber verweigert wurde. Ich denke wegen dieses Vorfalls in Istanbul beziehungsweise weil ich davor schon öfters an Demonstrationen teilgenommen habe.

 

F: Haben sie schon jemals einen Reisepass besessen?

 

A: Nein

 

F: Sie sprechen von Demonstrationsteilnahmen. Was hat es damit auf sich?

 

A: Während meines Aufenthaltes in Istanbul gab es immer wieder Veranstaltungen/Aufmärsche für die Rechte der Kurden an denen ich auch immer wieder teilgenommen habe.

 

F: Handelte es sich dabei um genehmigte Veranstaltungen?

 

A: Nein ich glaube nicht, denn die Polizei hat diese Veranstaltungen immer wieder aufgelöst.

 

F: Wer hat sie veranstaltet?

 

A: Das weiß ich nicht. Ein Freund informierte mich, dass es wieder mal so weit ist und dann bin ich eben mitgegangen.

 

F: das bedeutet Sie hatten keinerlei Funktion, waren in keinerlei Planung oder auch Durchführung diese Veranstaltungen einbezogen.

 

A: Ich habe nur teilgenommen, dass ist alles.

 

F: Wie oft haben sie an derartigen Veranstaltungen teilgenommen.

 

A: Mindestens 50-mal

 

F: Hatten diese Teilnahmen irgendwelche Konsequenzen für sie?

 

A: Wenn die Polizei diese Demos auflöste hat sie immer wieder wahllos Personen mitgenommen, Mich persönlich haben sie 2x erwischt. Ich wurde für wenige Stunden am Polizeirevier festgehalten und befragt und konnte dann immer wieder ohne weitere Konsequenzen gehen.

 

F: Können sie diese beiden Mitnahmen zeitlich einordnen?

 

A: Ich war so oft bei Demonstrationen, ich weiß es nicht genau. Ich denke jedenfalls einmal im Jahre 2002.

 

F: Und diese beiden Mitnahmen endeten jeweils mit ihrer Freilassung nach wenigen Stunden am Polizeirevier?

 

A: Ja, dass ist richtig.

 

F: War diese Mitnahme im Jahr 2002 die erste oder die letzte Mitnahme?

 

A: Das weiß ich nicht mehr.

 

V: Sie wurden 2x bei unangekündigten Demonstrationen vorübergehend mitgenommen und wurden 1x nach einer Hausdurchsuchung ebenfalls wenige Stunden am Polizeirevier befragt, All diese Vorfälle endeten ohne weitere Konsequenzen für ihre Person. Woher leiten Sie nun ab, dass Ihnen ein weiterer Verbleib in der Türkei nicht mehr möglich gewesen wäre?

 

A: Als Kurde ist es in der Türkei nicht möglich ein menschenwürdiges Leben zu führen.

 

V: Sie haben ihren Wehrdienst absolviert und waren im Wesentlichen ihr gesamtes Berufsleben beschäftigt. Worin sehen sie diese Unmöglichkeit als Kurde in der Türkei leben zu können?

 

A: Als Kurde wird man überall benachteiligt und man wird immer und überall beschimpft.

 

F: Ist nicht ihr eigentlicher Grund für das Verlassen der Türkei die Suche nach einem besseren Einkommen und die von ihnen behaupteten Vorfälle sind frei erfunden?

 

A: Nein, es ist so wie ich es sage. Ich habe in allem die Wahrheit gesagt.

 

V: In der Ersteinvernahme behaupteten sie eine Demonstrationsmitnahme datierend vom

 

Februar 2005. Warum können sie sich heute nicht mehr daran erinnern?

 

A: Ich weiß nicht, damals hatte ich es noch frische in Erinnerung.

 

F: Aber an eine Mitnahme aus dem Jahre 2002 können sie sich erinnern?

 

A: Es ist so viel in meinem Kopf. Ich weiß es nicht.

 

V: Sie behaupteten bei dieser Mitnahme für 2 Tage inhaftiert gewesen zu sein. Heute geben

 

sie an immer nur für wenige Stunden angehalten worden zu sein.

 

A: Ich habe jetzt so viel anderes im Kopf. Ich muss es vergessen haben.

 

V: Man kann wohl davon ausgehen, dass man eine gerade einmal ein Jahr zurückliegende mehrtägige Festnahme durchaus in Erinnerung behält.

 

A: Vielleicht habe ich dass auch absichtlich verdrängt.

 

F: Was würde passieren, wenn sie in die Türkei zurückkehren?

 

A: Ich weiß es nicht, aber ich habe gehört, dass man als zurückgeschobener Asylwerber mit mehrjähreigen Freiheitsstrafen bestraft wird weil man die Türkei verlassen hat.

 

F: In der Ersteinvernahme gaben sie an wegen der Belästigung durch MHP Mitglieder eine Anzeige erstattet zu haben und diese innerhalb von max. 5 Monaten dem Asylamt vorlegen zu können. Mittlerweile sind 7 Monate vergangen. Können sie diese Anzeige vorlegen?

 

A: Nein, ich habe sie nicht bekommen.

 

F: Hatten Sie während der Einvernahme Verständigungsprobleme mit der Dolmetscherin?

 

A: Nein.

 

(...)"

 

Mit Bescheid vom 17. Mai 2006, Zl.05 16.205-BAG, hat das Bundesasylamt den Asylantrag von Herrn Y. "gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl I Nr. 76/1997 (AsylG) idgF, abgewiesen" (Spruchpunkt I), festgestellt, dass "die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von Y.I. in die Türkei (...) gemäß § 8 Absatz 1 AsylG zulässig" sei (Spruchpunkt II) und zuletzt "gemäß § 8 Absatz 2 AsylG (...) Y.I. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen (Spruchpunkt III). Zu diesem Bescheid führte das Bundesasylamt begründend aus:

 

"(...)

 

Die erkennende Behörde stützt ihre Entscheidungsfindung im Wesentlichen auf die niederschriftlichen Angaben des ASt, ergänzt durch die aus dem Akt ersichtlichen Beweismittel.

 

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens gelangt die Behörde nach unten angeführter Beweiswürdigung zu folgenden

Feststellungen:

 

Zum Individualvorbringen:

 

Der ASt ist kurdischer Herkunft und stammt aus der Provinz S. aus der Region Schwarzmeer. Er hatte seit 1999 bis zu seiner Ausreise im September 2005 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Istanbul.

 

Die vom ASt fluchtbegründend genannten Umstände sind unbeachtlich des Wahrheitsgehaltes dieser Angaben nicht fähig eine asylrelevante Verfolgung zu begründen.

 

Die Flüchtlingseigenschaft des ASt war daher nicht feststellbar.

 

Eine gegen den ASt gerichtete Bedrohung im Sinne des § 50 (1) und

(2) FPG liegt nicht vor.

 

Der Asylwerber war aus dem Bundesgebiet auszuweisen.

 

Feststellungen zur allgemeinen Situation der kurdischen Bevölkerung:

 

(Quelle: Texthandbuch Türkei - August 2005, Bundesamt für Flüchtlinge und Migration)

 

Allein aus der Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheit der Kurden in der Türkei ergibt sich kein asylrelevanter Umstand.

 

Die Volksgruppe der Kurden war und ist in der Türkei keinen landesweiten staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt (so auch z. B. OVG Münster, Urteil vom 19.04.2005, Az.: 8 A 273/04.A; VGH

Kassel, Urteil vom 16.03.2005, Az.: 6 UE 2324/02.A; OVG Magdeburg,

Urteil vom 03.12.2003, Az.: 3 S 659/99; OVG Bautzen, Urteil vom 09.10.2003, Az.: 3 B 4054/98; OVG Schleswig, Urteil vom 14.01.2003,

Az.: 4 L 4/95; VGH Mannheim, Urteil vom 22.11.2002, Az.: A 12 S 174/01).

 

Es kann auch davon ausgegangen werden, dass Kurden im Osten und Südosten der Türkei keiner regional begrenzten staatlichen Gruppenverfolgung unterliegen. Dies wird von der obergerichtlichen Rechtsprechung bestätigt (vgl. z.B. OVG Münster, Urteil vom 19.04.2005, Az.: 8 A 273/04.A; OVG Hamburg, Urteil vom 26.01.2005,

Az.: 4 Bf 36/96.A; VGH Mannheim, Urteil vom 22.11.2002, Az.: A 12 S 174/01) oder offen gelassen, da eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht (vgl. z.B. OVG Berlin, Urteil vom 20.11.2003,

Az.: 6 B 11.03; OVG Greifswald, Urteil vom 16.06.2003, Az.: 3 L 99/00; OVG Lüneburg, Urteil vom 16.04.2002, Az.: 11 LB 34/02; OVG

Bremen, Urteil vom 26.01.2000, Az.: 2 A 299/98.A). Abweichende Entscheidungen des OVG Schleswig wurden durch das Bundesverwaltungsgericht aufgehoben (vgl. OVG Schleswig, Urteile vom 22.06.1995, Az.: 4 L 30/94; BVerwG, Urteile vom 30. April 1996, Az.:

9 C 170.95 u.a.).

 

Letztlich kann offen bleiben, ob Kurden im Südosten der Türkei einer unmittelbaren Gruppenverfolgung ausgesetzt waren oder sind, denn es droht jedenfalls landesweit keine politische Verfolgung, da eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht.

 

Aus Ostanatolien zugewanderte Kurden (sogen. nichtassimilierte Kurden), die sich weder aktiv noch hervorgehoben für separatistische Bestrebungen einsetzen, können in der Westtürkei grundsätzlich unbehelligt leben, es sei denn, sie sind in strafrechtlich relevanter Weise, vor allem für die PKK (KADEK/KONGRA-GEL), aktiv geworden (vgl. z.B. OVG Münster, Urteil vom 19.04.2005, Az.: 8 A 273/04.A, Urteil vom 27.06.2002, Az.: 8 A 4782/99.A; VGH Kassel, Urteil vom 05.08.2002, Az.: 12 UE 2172/99.A).

 

Auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine inländische Fluchtalternative im Westen der Türkei liegen vor. Aus dem Osten in die übrigen Landesteile zuwandernde Kurden haben dort bei generalisierender Betrachtung auf Dauer kein Leben unterhalb des Existenzminimums zu erwarten.

 

Die Westtürkei ist mittlerweile das Hauptsiedlungsgebiet der türkischen Kurden geworden - so leben etwa die Hälfte bis zwei Drittel aller Kurden im Westen und an der Südküste der Türkei (vgl. etwa Gutachten Sen/Akkaya, a.a.O.; Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 03.05.2005, a.a.O. - jeweils mit Detailangaben). Sie haben hier bedeutsame, gefestigte wirtschaftliche und soziale Strukturen aufgebaut. Zwar treffen die Neuankömmlinge in der Westtürkei auf eine sehr angespannte Arbeitsmarktlage mit einer sich - auf Grund des anhaltenden Zuzuges - verschlechternden Perspektive aller Zuwanderer. Allerdings gilt für die nach Millionen zählenden Kurden in der Westtürkei, dass sie hier einen festen Platz in der Geschäftswelt haben. Dies gilt zum Beispiel für die Bereiche der Gastronomie und des Gemüse- und Obstgroßhandels sowie die Tourismusbranche. Viele im Westen erfolgreiche Kurden bevorzugen bei der Schaffung von Arbeitsplätzen Angehörige ihrer Volksgruppe. Kurden können in den städtischen Ballungszentren immer noch leichter Arbeit finden als im Südosten mit seiner vergleichsweise schlechteren Wirtschaftslage (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 06.08.1999 an VG Schleswig; Rumpf, Gutachten vom 24.04.1997, a.a.O.; Gutachten Sen/Akkaya, a.a.O.).

 

In Anbetracht der Verhältnisse im Westen der Türkei ist mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, dass Kurden aus dem Osten der Türkei in der Westtürkei keine das Existenzminimum sichernde Lebensgrundlage finden.

 

An dieser Bewertung hat sich durch die Auseinandersetzungen nach Flucht und Festnahme des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan nichts geändert. In Zusammenhang mit Sympathiekundgebungen für Öcalan und die PKK/KONGRA-GEL kam es zwar immer wieder zu Festnahmen, vor allem wenn seitens der Protestierenden Gewalt eingesetzt wurde. Bei diesen Aktionen handelte es sich jedoch um anlassbezogene, großteils kurzzeitige Maßnahmen, gegen vermeintliche oder tatsächliche PKK-Unterstützer, darunter überdurchschnittlich häufig v. a. Jugendliche sowie Mitglieder und Anhänger der prokurdischen DEHAP. Im Südosten der Türkei hat sich die Lage inzwischen wesentlich beruhigt. Die PKK/KONGRA-GEL gilt als militärisch weitgehend besiegt, hat jedoch seit Aufhebung des "einseitig" verkündeten Waffenstillstandes zum 01.06.2004 den bewaffneten Kampf wieder aufgenommen. Anschläge richteten sich zumeist auf abgelegene Posten der Sicherheitskräfte in schwer zu kontrollierenden Bergregionen. Inzwischen gab es jedoch auch einige Attacken auf Züge. In den Großstädten und Touristenzentren bekannte sich zudem eine sich als Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) bezeichnende Gruppe zu mehren Anschlägen. Das Oberkommando der so genannten Volksverteidigungskräfte (HPG) drohte wiederholt mit einer Ausweitung ihrer nach eigenem Verständnis als Vergeltungsaktionen bezeichneten militärischen Aktionen. Eine Unterstützung durch die Zivilbevölkerung erfährt die PKK/KONGRA-GEL anders als in den neunziger Jahren nicht. Allerdings können sich im Rahmen von Militäroperationen in den Bergregionen durch zeitweilige Zugangssperren, Weideverbote und systematischen Hausdurchsuchungen Beeinträchtigungen des täglichen Lebens ergeben. Eine erneute Verhängung des Notstandes für bestimmte Provinzen ist nach derzeitiger Sachlage jedoch nicht erkennbar (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 03.05.2005, Az.: 508-516.80/3 TUR).

 

Mit der DEHAP, Nachfolgepartei der im März 2003 verbotenen HADEP, verfügten die Kurden über eine politische Interessenvertretung. Mitte August 2005 verkündete der DEHAP-Vorsitzende Bakirhan die Auflösung der Partei. Sie werde in einer neuen prokurdischen Partei aufgehen, deren Gründung von der Bewegung für eine Demokratische Gesellschaft (DTH) derzeit betriebenen werde. Der neue Name stehe noch nicht fest.

 

Zwar war die DEHAP auf Grund der 10-Prozent-Sperrklausel nicht im Parlament vertreten, stellte jedoch seit den Kommunalwahlen vom 28.03.2004 in über sechzig Gemeinden, darunter mehreren Provinzzentren im Osten des Landes, den Bürgermeister. Gegen die DEHAP läuft seit Jahren ein Parteiverbotsverfahren mit ungewissem Ausgang. Ihr wird vorgeworfen, der politische Arm der PKK/KONGRA-GEL zu sein.

 

Innenminister Aksu erklärte im Juli 2005, dass von 360.000 Personen, die in den Ost- und Südostprovinzen aus Sicherheitsgründen ihre Dörfer verlassen mussten, inzwischen 125.539 zurückgekehrt seien. Parallel dazu hätten seit einigen Wochen die Entschädigungszahlungen nach dem neuen Gesetz begonnen (vgl. Radikal vom 07.07.2005). Im Rahmen dieses seit dem 27.07.2004 geltenden Gesetzes (Nr. 5233) über die Entschädigungszahlungen verursacht durch Terror bzw. die Terrorbekämpfung gingen mehrere hunderttausend Anträge bei den für die Bearbeitung zuständigen Provinzverwaltungen ein. Die Antragsfrist für Altfälle vor Erlass des Gesetzes endet im Juli 2005. Die Prüfung der Anträge wird noch längere Zeit andauern.

 

Bei einer Rückkehr in die Türkei drohen nach alledem auf Grund der kurdischen Volkszugehörigkeit keine staatlichen Verfolgungsmaßnahmen.

 

Beweiswürdigung:

 

Vorerst ist festzuhalten, dass die vom ASt behaupteten Maßnahmen der Sicherheitsbehörden gegen seine Person, (vorübergehende Mitnahmen in der Dauer weniger Stunden, ohne weiterführende Konsequenzen), unbeachtlich des Wahrheitsgehaltes dieser Angaben, nicht die Intensität einer asylrelevanten Verfolgung erreichen.

 

Insbesondere liegen nämlich keine Auffälligkeiten vor, die ein vorrangiges / weiterführendes und vor allem landesweites Interesse der Sicherheitsbehörden des Herkunftsstaates an der Person des ASt nachvollziehbar machen würden. Die Setzung einer konkreten Maßnahme, die ein derartiges Vorgehen der Behörden plausibel machen würde (Erlassung eines Haftbefehles, Einleitung eines Verfahrens, ...) wurde nicht behauptet. Es ist daher mit der im Asylverfahren erforderlichen ausreichenden Wahrscheinlichkeit - selbst unter Annahme, dass der ASt Befragungen und kurzfristigen Mitnahmen unterlegen war - auszuschließen, dass er seitens der türkischen Behörden mit asylrechtlich relevanten Maßnahmen gegen seine körperliche Integrität zu rechnen hatten. Eine bloß entfernte / theoretische Möglichkeit einer Verfolgung rechtfertigt jedoch nicht die Gewährung von Asyl (vgl. hiezu auch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, z.B. Erkenntnis vom 22.3.2000, Zl.:

1999/01/0256).

 

Trotz der asylrechtlichen Bedeutungslosigkeit des Vorbringens ist darauf hinzuweisen, dass in Kernsequenzen des Vorbringens des ASt Widersprüchlichkeiten auftauchen bzw. absolut nicht nachvollziehbare Umstände behaupten werden, die eindeutig auf ein gesteigertes Vorbringen hindeutet.

 

Erstens ist nicht glaubhaft, dass der ASt als bloßer Mitläufer - es wurde keinerlei nähere Involvierung behauptet - an 50 Demonstrationen teilgenommen hat.

 

Zweitens ist nicht nachvollziehbar, warum der ASt sich an eine "unaufregende" vorübergehende Mitnahme aus dem Jahre 2002 erinnert, einen ähnlich gelagerten Vorfall datierend aus dem Februar 2005 - in der zweiten Einvernahme - vergessen hat, obwohl er in der Ersteinvernahme diesen Vorfall noch behauptete.

 

Drittens behauptete er in der Ersteinvernahme, dass diese Mitnahme mit einer 2-tägigen Anhaltung endete, um aber in einer weiteren Einvernahme immer nur von wenigen Stunden andauernden Festhaltungen am Polizeirevier zu sprechen.

 

Diese Widersprüchlichkeiten sind geradezu sachtypisch für ein konstruiertes Vorbringen im Asylverfahren. Es ist eben einfach schwierig, Gegebenheiten, die sich in der Realität nie ereignet haben, im Gedächtnis zu behalten.

 

Bei der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes ist von folgender Gesetzeslage auszugehen:

 

Gemäß § 75 Abs. 1 erster Satz AsylG idF BGBl I Nr. 100/2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen.

 

Zu I:

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung".

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262).

 

Vorraussetzung für Gewährung von Asyl ist, dass den vom Asylwerber vorgebrachten Argumenten entnommen werden kann, er müsse konkrete, individuell gegen ihn selbst gerichtete Verfolgung oder Furcht vor Verfolgung befürchten (vgl. Erk. des VwGH vom 15.9.1994, Zahl 94/19/0389). Derartiges konnte jedoch nicht glaubhaft gemacht werden.

 

Zu II:

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 hat die Behörde, im Falle einer Abweisung eines Asylantrages, von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

§ 8 Abs. 1 AsylG 1997 verweist auf § 57 Fremdengesetz, jetzt § 50 FPG 2005 gemäß der Verweisungsnorm des § 124 Abs. 2 FPG 2005, wobei

§ 57 FrG 1997 durch § 50 FPG 2005 ersetzt wurde, wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verletzt würden.

 

Darüber hinaus gebietet § 50 FPG 2005 die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung bzw. der Hinderung an der Einreise, wenn, ungeachtet der bereits zuvor geführten Tatbestände, das Protokoll Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verletzt werden würde bzw. damit eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes für eine Zivilperson verbunden wäre.

 

Überdies ist nach § 50 Abs. 2 FPG 2005 (vormals § 57 Abs. 2 FrG 1997, Verweisungsnorm gemäß § 124 Abs. 2 FPG 2005) die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort deren Leben oder deren Freiheit aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 1955/55, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).

 

Der im § 50 Abs. 2 FPG 2005 enthaltene Verweis auf § 11 AsylG 2005 gilt gemäß

 

§ 75 Abs. 1 AsylG 2005 für die bis zum 31. Dezember 2005 bereits anhängigen Verfahren nicht.

 

§ 8 AsylG 1997 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Vom Zweck des AsylG her ist der Begriff des "Herkunftsstaates" im Sinne des § 8 AsylG 1997 dahin zu verstehen, dass damit derjenige Staat bezeichnet wird, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers aufgrund seines Antrages zu prüfen ist (vgl. VwGH 22.04.1999, Zl. 98/20/0561; VwGH 20.05.1999, Zl. 98/20/0300).

 

Nach der Judikatur des EGMR obliegt es der betroffenen Person, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Abschiebung behauptet, so weit als möglich Informationen vorzulegen, die den innerstaatlichen Behörden und dem Gerichtshof eine Bewertung der mit einer Abschiebung verbundenen Gefahr erlauben (vgl. EGMR vom 05.07.2005 in Said gg. die Niederlande). Bezüglich der Berufung auf eine allgemeine Gefahrensituation im Heimatstaat, hat die betroffene Person auch darzulegen, dass ihre Situation schlechter sei, als jene der übrigen Bewohner des Staates (vgl. EGMR vom 26.07.2005 N. gg. Finnland).

 

Das Vorliegen eines tatsächlichen Risikos ist von der Behörde im Zeitpunkt der Entscheidung zu prüfen (vgl. EGMR vom 15.11.1996 in Chahal gg. Vereinigtes Königsreich). Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Ob die Verwirklichung der im Zielstaat drohenden Gefahren eine Verletzung des Art. 3 EMRK durch den Zielstaat bedeuten würde, ist in dieser Konstellation nach der Rechtsprechung des EGMR für sich genommen nicht entscheidend.

 

Der ASt befürchtet allfällige Sanktionen im Falle seiner Rückkehr ausschließlich aufgrund seiner Flucht aus der Türkei bzw. der damit einhergehenden Asylbeantragung im Ausland. Hiezu ist folgendes festzustellen:

 

(1) Allein die Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheit der Kurden führt bei einer Abschiebung in die Türkei nicht zu politischer Verfolgung.

 

(2) Jeder Einreisende hat sich in der Türkei einer Personenkontrolle zu unterziehen. Türkische Staatsangehörige, die im Besitz eines gültigen zur Einreise berechtigenden Reisedokuments sind, können normalerweise die Grenzkontrolle ungehindert passieren. Wenn eine Person kein gültiges Reisedokument vorweist, oder aus ihrem Reisepass ersichtlich ist, dass sie sich ohne Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland aufgehalten hat, oder wenn ersichtlich ist, dass sie abgeschoben wurde, wird sie einer eingehenderen Befragung unterzogen. Da es kein entsprechendes Zentralregister gibt, müssen Anfragen und Auskünfte zur Person von verschiedenen Stellen erst eingeholt werden. Dies kann einige Stunden dauern, währenddessen die betreffende Person auf der jeweiligen Polizeiwache festgehalten wird. Fälle, in denen eine Befragung bei Rückkehr länger als mehrere Stunden dauerte, sind in neuerer Zeit nicht mehr bekannt geworden. Entsteht der Verdacht einer Straftat, werden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Die Tatsache der Asylantragstellung ist dabei strafrechtlich nicht relevant (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.05.2004, Az.: 508-516.80/3 TUR).

 

(3) Schwierigkeiten für Abgeschobene können eintreten, wenn die Befragung oder die Durchsuchung des Gepäcks bei den Grenzbehörden oder Recherchen bei den Heimatbehörden den Verdacht der Mitgliedschaft in oder der Unterstützung der PKK (KADEK/KHK) oder anderer illegaler Organisationen begründen. Die Betreffenden werden dann der Abteilung für Terrorbekämpfung der zuständigen Sicherheitsbehörde überstellt. Es kann dabei nicht ausgeschlossen werden, dass es Fälle gegeben hat, bei denen abgeschobene Personen strafrechtlich verfolgt und in der Folge auch misshandelt wurden (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 12.08.2003, Az.:

508-516.80/3 TUR; amnesty international, Gutachten vom 19.02.1998 und vom 20.03.1998 für VG Hamburg; Rumpf, Gutachten vom 29.12.1997 für VG Augsburg; Kaya, Gutachten vom 31.05.1997 für VGH Mannheim). Eine vergleichbare Gefährdung besteht für nahe Angehörige (Ehegatten, Eltern, Kinder ab 13 Jahren oder Geschwister) von Aktivisten staatsfeindlicher Organisationen, die von den türkischen Sicherheitsbehörden mit Haftbefehl gesucht werden (vgl. VGH Kassel,

Urteil vom 24.11.2003, Az.: 6 UE 2279/97.A; OVG Münster, Beschluss vom 21.07.2003, Az.: 8 A 2855/03.A, Urteil vom 27.06.2002, Az: 8 A 4782/99.A; VGH Mannheim, Urteil vom 22.11.2002, Az.: A 12 S 174/01,

U. vom 16.07.2002, Az.: A 12 S 663/00; OVG Lüneburg, Urteil vom 24.09.2002, Az.: 2 L 3457/99; OVG Schleswig, Urteil vom 03.09.2002,

Az.: 4 L 292/94; OVG Bremen, Urteil vom 13.06.2001, Az.: 2 A 17/95.A; OVG Saarlouis, Urteil vom

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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