TE AsylGH Beschluss 2008/12/04 E12 400438-1/2008

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Veröffentlicht am 04.12.2008
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Spruch

GZ. E12 400.438-1/2008-6E

 

BESCHLUSS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Vorsitzende und den Richter Dr. Markus STEININGER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. MITTERMAYR über die Beschwerde des B.E., geb. am 00.00.2007, StA. Armenien, vertreten durch die Mutter und gesetzliche Vertreterin B.L., diese vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. HEITZMANN GMBH, 6010 Innsbruck, Müllerstraße 3, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.06.2008, FZ. 07 02.214-BAI, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde von B.E. vom 30.06.2008 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.06.2008, Zl. 07 02.214-BAI, wird diese gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 63 Abs. 5 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Der mj. Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Armenien, ist das in Österreich nachgeborene Kind der B.L. und des G.V., beide Asylwerber in Österreich (FZ: 06 11.093-BAI, 06 06.418-BAI; bzw. E12 400.439, E12 400.437). Die Mutter und gesetzliche Vertreterin des BF stellte für ihren Sohn am 01.03.2007 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz. Diese wurde in ihrem eigenen Verfahren erstbefragt und zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahmen ist im ebenso angefochtenen Bescheid der Mutter vollständig wieder gegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird. Eigene Fluchtgründe wurden für den BF dabei nicht vorgebracht.

 

Mit Schreiben vom 20.11.2007 zeigte die Rechtsanwaltskanzlei Dr. HEITZMANN GMBH, 6010 Innsbruck, Müllerstraße 3, dem Bundesasylamt an, dass sie die rechtsfreundliche Vertretung von Frau B.L. übernommen habe und berief sich dabei auf die gemäß § 10 AVG erteilte Vollmacht.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 17.06.2008, Zahl: 07 02.214-BAI, gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien verfügt (Spruchpunkt III.).

 

Die Zustellung erfolgte an die Mutter und gesetzliche Vertreterin des BF (am 20.06.2008) und nicht auch an die rechtsfreundliche Vertretung.

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 30.06.2008 Berufung [Beschwerde] erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen. Die Beschwerde erfolgte durch die Mutter und gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers selbst, wobei die Schriftsatzerstellung erkennbar durch die Rechtsberatung der Caritas erfolgte (vgl. Briefumschlag der Berufung [Beschwerde] des Vaters G.V., FZ: 06 06.418-BAI bzw. E12 400.437).

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Der AsylGH hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) fest.

 

III. Rechtliche Beurteilung

 

Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:

 

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 22 (1) AsylG 2005 ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Nach § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Falle bloß mündlicher Verkündigung mit dieser.

 

Gegenständlich erfolgte die Bekanntgabe des Vollmachtsverhältnisses für die Mutter und gesetzliche Vertreterin des BF am 20.11.2007. Der mit 17.06.2008 datierte Bescheid wurde an die Mutter und gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers adressiert und von dieser auch am 20.06.2008 übernommen.

 

Im vorliegenden Fall ist nun zu klären, ob das Vollmachtsverhältnis der gewillkürten Vertretung für die Mutter und gesetzliche Vertreterin des BF auf den BF selbst Auswirkungen zeitigt bzw. ob ein Vollmachtsverhältnis der gewillkürten gesetzlichen Vertretung für den BF abgeleitet werden kann.

 

Nach der Judikatur des VwGH ist in dieser Hinsicht - ob die Vollmacht eines Machtgebers auch für andere schwebende oder erst später anhängig werdende Rechtsangelegenheiten gelte - "entscheidend, ob ein so enger Verfahrenszusammenhang besteht, daß von derselben Angelegenheit oder Rechtssache gesprochen werden kann. Ist dies nicht der Fall, dann kommt es darauf an, ob eine Parteienerklärung vorliegt, die so gedeutet werden kann, daß auch das jeweilige weitere oder andere Verfahren von der Vertretungsbefugnis des für das Erstverfahren Bevollmächtigten erfasst sein soll. Ist nach einem dieser beiden Gesichtspunkte die Vertretungsbefugnis zu bejahen, so endet sie mit der Beendigung des betreffenden Verfahrens, sofern die Vollmacht nicht vorher gekündigt wird, wobei die Kündigung der Vollmacht der Behörde mitgeteilt werden muß, um ihr gegenüber wirksam zu sein (vgl. im besonderen zur Kündigung einer Zustellungsvollmacht z.B. den hg. Beschluß vom 6. April 1951, Slg. N.F. Nr. 2027/A).

 

2.4.1. Was nun die Zustellung von verwaltungsbehördlichen Erledigungen an den in einem anderen Verfahren ausgewiesenen Prozeß- und Zustellungsbevollmächtigten anlangt, so geht die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts - ähnlich wie die der ordentlichen Gerichte in der selben Rechtsfrage (vgl. EvBl 1947/281 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OGH vom 21. Oktober 1913, Slg. 6613, SpR 226, sowie EvBl 1950/429) - von einem engen Begriff der "selben Angelegenheit" aus. Nur in besonderen Verfahrenskonstellationen wird im gegebenen Zusammenhang auch ein Verfahren als von der Zustellungsvollmacht miterfaßt angesehen, das unter dem Gesichtspunkt der §§ 66 Abs. 4, 68 Abs. 1 AVG 1950 nicht als dieselbe Sache bezeichnet werden könnte." (vgl. VwGH v. 18.06.1990, 90/10/0035).

 

Die Mutter und gesetzliche Vertreterin des BF hatte im Zuge ihrer Einvernahme angegeben, ihr in Österreich nachgeborener Sohn habe keine eigenen Fluchtgründe. Nach der Bestimmung des § 34 Abs. 4 AsylG 2005 sind die Verfahren von Familienangehörigen unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Die Entscheidung des Antrages des mj. Beschwerdeführers hängt also unabdingbar (v.a. weil er keine eigenen Fluchtgründe hatte) mit der Entscheidung über den Antrag seiner Mutter zusammen.

 

Es ist daher davon auszugehen, dass es sich beim Antrag der Mutter und gesetzlichen Vertreterin um internationalen Schutz und dem Antrag, den sie für ihren in Österreich nachgeborenen Sohn stellte, um die "selbe Angelegenheit" iS der obigen Ausführungen (das Verfahren des Sohnes ist vom Verfahren der Mutter quasi nicht trennbar - es besteht also ein extrem enger Verfahrenszusammenhang und liegt hier eine solche besondere Verfahrenskonstellation [vgl. VwGH v. 18.06.1990, 90/10/0035] vor) handelt und ist daher Vollmacht für den BF selbst im selben Umfang wie für seine Mutter ableitbar.

 

Das Vertretungsverhältnis gilt folglich auch für den BF selbst.

 

Die Anzeige des Vertretungsverhältnisses des Rechtsvertreters für die Mutter des Beschwerdeführers bei der Behörde erster Instanz bewirkte daher auch für den mj. BF, daß die rechtsfreundliche Vertretung als Zustellungsbevollmächtigte des mj. Beschwerdeführers namhaft gemacht wurde, da eine allgemeine Vertretungsvollmacht im allgemeinen, d.h. wenn nicht der Empfang von Schriftstücken ausgeschlossen ist, die Zustellungsbevollmächtigung einschließt.

 

Ein Bescheid muß, damit er Wirkungen nach außen erzeugen kann, rechtswirksam erlassen werden. Als Form der Erlassung kommen nur die mündliche Verkündung, die Zustellung und die Ausfolgung einer schriftlichen Ausfertigung an mindestens eine Verfahrenspartei in Frage. Gegenüber einer Partei, an die ein Bescheid nicht rechtsgültig ergangen ist, können die Rechtswirkungen, insbesondere die Rechtskraft, die Unanfechtbarkeit und die Vollstreckbarkeit nicht eintreten. Zustellungen schriftlicher Bescheide bzw. schriftlicher Ausfertigungen mündlich verkündeter Bescheide sind - wie alle Zustellungen - gemäß § 21 AVG nach dem Zustellgesetz vorzunehmen.

 

Zufolge der Anordnung des § 9 Abs. 3 erster Satz Zustellgesetz hat die Behörde, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt gemäß § 9 Abs. 3 zweiter Satz Zustellgesetz (idF BGBl I 2008/5) die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

 

Ab dem Vorliegen einer Zustellungsbevollmächtigung hat die Behörde nur mehr an den Zustellungsbevollmächtigten und nicht mehr an den Vertretenen zuzustellen; wird statt dessen an den Vertretenen selbst zugestellt, dann ist diese Zustellung unwirksam (vgl. hiezu das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Februar 1958, Slg. N. F. Nr. 4557/A).

 

Vorliegendenfalls wurde an den Beschwerdeführer im Wege seiner Mutter als gesetzliche Vertreterin und nicht an den gewillkürten Vertreter (als Vertreter der gesetzlichen Vertreterin) zugestellt. Diese Zustellung ist aber unwirksam. Dem Akteninhalt ist auch nicht zu entnehmen, dass das Vollmachtsverhältnis in der Zwischenzeit gelöst wurde, ebenso nicht, dass dem Zustellungsbevollmächtigten das Dokument in der Zwischenzeit zugekommen wäre; die Berufung [Beschwerde] wurde ja erkennbarer Weise von der Rechtsberatung der Caritas verfasst und nicht vom rechtsfreundlichen Vertreter. Daher scheidet auch eine Heilung dieses Zustellmangels (iSd § 9 Abs. 3 ZustellG) aus.

 

Der gegenständliche Bescheid hätte ausschließlich der damaligen Rechtsvertretung der Mutter und gesetzlichen Vertreterin des Beschwerdeführers zugestellt werden dürfen. Aus der Zustellverfügung, die auf den Namen des Beschwerdeführers (bzw. seiner Mutter als gesetzlicher Vertreterin) lautet und keinen Hinweis auf ein gewillkürtes Vertretungsverhältnis enthält, ergibt sich unmissverständlich, dass die Erstbehörde an die gesetzliche Vertreterin des BF direkt zustellen wollte. Diese sollte also Empfängerin des gegenständlichen Bescheides sein und ist es schließlich auch geworden. Da es ausschließlich vom Willen der Behörde abhängt, wer Empfänger einer behördlichen Erledigung ist (VwSlg 10327/A), liegt im gegenständlichen Verfahren sohin eine verfehlte Zustellverfügung vor. Eine Heilung gemäß § 9 Abs. 3 Zustellgesetz kam nicht in Betracht.

 

Weil daher ein Bescheid noch nicht wirksam erlassen wurde, war die Beschwerde dagegen zurückzuweisen. Vom BAA wird das Verfahren fortzusetzen sein.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Familienverfahren, Fristversäumung
Zuletzt aktualisiert am
11.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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