TE AsylGH Erkenntnis 2009/01/16 S5 403853-1/2009

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Veröffentlicht am 16.01.2009
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Spruch

S5 403.853-1/2008/2E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des Z.I., geb. 00.00.1980, StA. der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.12.2008, Zahl: 08 12.348-EAST West, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Russland, stammt aus Tschetschenien und ist eigenen Angaben zufolge Anfang Dezember 2008 über Moskau per Bahn nach Polen gereist (Aktenseite 31 f). Er ist sodann am 09.12.2008 illegal ins österreichische Bundesgebiet weitergereist, wo er am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Der Antragsteller reiste von seinem Herkunftsstaat kommend gemeinsam mit seiner Ehegattin D.M., 00.00.1989 geb., StA. der Russischen Föderation, in das österreichische Bundesgebiet ein und beantragte dessen Ehegattin ebenfalls die Gewährung internationalen Schutzes vor österreichischen Behörden.

 

Des Weiteren gab der Antragsteller vor der Behörde erster Instanz zu Protokoll, vor seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet in keinem anderen EU-Staat die Asylgewährung beantragt zu haben (Aktenseite 31).

 

Mit E-mail vom 12.12.2008 ersuchte Österreich Polen um Übernahme des Asylwerbers. Polen hat sich mit Fax vom 17.12.2008, datiert 15.12.2008 (Aktenseite 89) bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 03.10.2008 erklärte der Antragsteller nach Vorhalt, dass Polen zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass er in Polen bereits einen Antrag auf Asylgewährung gestellt hat und wisse er nicht, wie über diesen entschieden worden sei; des Weiteren gab der Antragsteller zu Protokoll, dass er sich nach Österreich begeben habe, da die medizinische Behandlung in Österreich gut sei und verwies er gleichzeitig darauf, dass er Probleme mit seinem Fuß habe, in seinem Herkunftsstaat dreimal operiert worden sei, jedoch der linke Fuß, aufgrund einer Sehnenschwäche, schwächer sei als der rechte Fuß.

 

Er habe Polen verlassen, weil die medizinische Behandlung hier (gemeint: in Österreich) besser sei als in Polen. In Polen sei er jedoch niemals in medizinischer Behandlung gestanden, weil er eine Sympathie für Polen hege. Verfolgungen, Bedrohungen oder Ähnliches in der Republik Polen stellte der Antragsteller ausdrücklich in Abrede (AS 113 f).

 

Der Antrag auf internationale Schutzgewährung wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.12.2008, Zahl: 08 12.348-EAST West, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen ausgeführt, seinen Herkunftsstaat verlassen zu haben, da ihm aufgrund der Tatsache das er Invalide sei, ständig die Lebensgefahr drohe. Polen habe er deshalb Richtung Österreich verlassen, da die medizinische Versorgung in Österreich gut sei und er eben ein krankes Bein habe.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Polen hat auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, den Asylwerber wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

In casu liegt aufgrund der bereits erfolgten Asylantragstellung in Polen ein "Wiederaufnahmeverfahren" vor, sodass sich die Zuständigkeit Polens zur Prüfung des Asylantrages aus Art. 16 Abs. 1 lit. c ergibt, was Polen auch ausdrücklich anerkannt hat. Polen hat akzeptiert, den Asylwerber im Rahmen der Verpflichtungen aus dem Dubliner Übereinkommen zur Prüfung seines Asylantrages zu übernehmen, und war es ihm nach eigener Angabe möglich, in Polen einen Asylantrag zu stellen. Zweifel am Zugang des Antragstellers zu einem Verfahren, in dem er seine Antragsgründe würde geltend machen können, liegen daher nicht vor.

 

Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Akzeptanz Polens zur Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl. auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.

 

Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.

 

Gänzlich nicht hat der nunmehrige Beschwerdeführer dargetan, dass er in der Republik Polen eine Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK befürchte.

 

In diesem Zusammenhang ist weiters auf die erstinstanzlichen Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides zu verweisen, denen zu entnehmen ist, dass seit 2004 keine Fälle bekannt sind, dass Tschetschenen aus Polen abgeschoben worden wären und dass Tschetschenen in Polen regelmäßig subsidiärer Schutz (tolerated stay) gewährt wird (Seite 8 ff des angefochtenen Bescheides). Ebenso geht aus den erstinstanzlichen Länderfeststellungen hervor, dass für Personen, denen subsidiärer Schutz gewährt wurde, das Recht auf Sozialhilfeleistungen und der Zugang zu umfassenden Familienleistungen und auch zum Arbeitsmarkt besteht (Seite 11 des angefochtenen Bescheides) wie auch dass grundsätzlich jedem Asylwerber, der nicht in der Lage ist, für seinen Aufenthalt in Polen selbst aufzukommen, eine umfassende Versorgung gewährt wird, wobei hierzu eine umfassende medizinische Versorgung, Unterkunft und ausreichende Verpflegung gehören (Seite 12 des angefochtenen Bescheides), sodass letztlich nicht zu befürchten ist, dass der Asylwerber in Polen in eine existentielle Notlage geraten müsste. Umstände, die darauf schließen ließen, dass der Asylwerber in Polen selbst einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sind vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Länderfeststellungen nicht vorhanden.

 

Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, dass sich im Verfahren nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass der Beschwerdeführer an einer lebensbedrohenden Krankheit (im Endstadium), die überdies in Polen nicht behandelbar wäre, leidet, sodass nach der strengen Judikatur des EGMR zu Art. 3 EMRK seine Überstellung nach Polen nicht einmal ansatzweise eine für eine Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK (eine Verletzung seiner Rechte gem. Art. 8 EMRK wurde seitens des Asylwerbers nicht behauptete und liegen hierfür auch keine Anhaltspunkte vor, da der Asylwerber keine Verwandtschaft in Österreich hat) relevante Gravität erreicht.

 

Im nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde hinlänglich fundiert festgestellt, dass die Republik Polen jedenfalls auch hinreichende medizinische Versorgung zur Verfügung stellt (S. 13 f des angefochtenen Bescheides), weshalb davon auszugehen ist, dass auch das seitens des Antragstellers aufgezeigte medizinische Problem in Polen einer adäquaten Versorgung und Behandlung zugeführt werden kann.

 

Der bloß vorliegende Wunsch sich aufgrund einer bestehenden Antipathie zu Polen lieber in Österreich behandeln zu lassen, vermag an dieser Tatsache nichts zu ändern.

 

Zur ergangenen Ausweisungsentscheidung ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer sich im österreichischen Bundesgebiet zum Entscheidungszeitpunkt mit seiner Ehegattin aufhält und wird auf die gleichzeitig erlassene Entscheidung betreffend das angestrengte Verfahren auf internationale Schutzgewährung der Ehegattin verwiesen.

 

Weitere familiäre Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet bestehen nicht. Die Überstellung nach der Republik Polen indiziert sohin einhergehend mit der Tatsache des lediglich kurzen Aufenthaltes des Antragstellers im österreichischen Bundesgebiet keinerlei Verletzung des Art. 8 EMRK.

 

Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich der allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, gesundheitliche Beeinträchtigung, medizinische Versorgung, Sicherheitslage
Zuletzt aktualisiert am
28.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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