RS UVS Oberösterreich 1991/12/18 VwSen-400008/28/Gu/Bf

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Veröffentlicht am 18.12.1991
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Verweis auf VfSlg 4143/1942, 7309/1974, 9860/1985, 10.112/1984, 10.957/1986. Rechtssatz

Die Festnahme und Anhaltung einer Person durch Organe der Bundespolizeidirektion wegen des Verdachtes der Verwaltungsübertretung durch ungestümes Benehmen setzt u.a. voraus, daß die Organe mit gutem Grund das Vorliegen des tatbestandsmäßigen Verhaltens annehmen dürfen. Feststellung der Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers am 23.2.1991 in Linz, Garinsonstraße, zwischen 15.50 und 16.10 Uhr. Beim Kostenzuspruch darf die individuelle Betrachtungsweise nicht vernachlässigt werden.

 

Während die Polizeibeamten eine Fahrzeugkontrolle vornahmen und hiebei feststellten, daß der rechte Hinterreifen des Anhängers keine ausreichende Profiltiefe und weitere Beschädigungen aufwies, näherte sich der Beschwerdeführer, der den Polizeibeamten unbekannt war. Der Unbekannte sprach die Beamten im herausfordernden Tonfall darauf an, was sie denn auf dem LKW suchten, was die Beamten zur Gegenfrage veranlaßte, ob er der Lenker des LKW-Zuges sei und aus welchem Grund er das Fahrzeug dort abgestellt habe. Der Beschwerdeführer gab zu erkennen, daß er das Fahrzeug am Vorabend, also am Freitag den 22. Februar 1991 in der Garnisonstraße abgestellt habe. Dies deshalb, weil er von Belgien kommend einen Bremsdefekt am Fahrzeug gehabt habe.

 

Die Polizeibeamten verlangten vom Beschwerdeführer die Zolldokumente.  Diesem Verlangen kam der Beschwerdeführer nach unwirschen Äußerungen in dem Sinne, daß die Zollpapiere nur den Zollbeamten etwas angingen, widerwillig nach und holte die Zollpapiere aus einer nahegelegenen Wohnung.

 

Es steht ferner fest, daß die Beamten vom Beschwerdeführer nur den Führerschein als Identitätsnachweis verlangt haben und darüber hinaus die Klärung der Identität durch andere Beweismittel wie z.B. auch Befragung der anwesenden Geschäftsfreunde nicht versucht haben.

 

Zum Vorweisen des Führerscheines war aber der Beschwerdeführer im Sinne des § 102 Abs.5 KFG nicht verpflichtet, zumal er den unter Augenschein genommenen LKW-Zug nicht unmittelbar zuvor oder zumindest in einem räumlichen oder zeitlichen Naheverhältnis, gelenkt hat.

 

Für die Betretung auf frischer Tat, einer Wesensvoraussetzung für ein Einschreiten nach § 35 VStG, kam nur ein ungestümes Benehmen in Betracht. Ausgehend davon, daß der Beschwerdeführer zum Vorweis der Zollpapiere aufgefordert wurde, welchem Verlangen er widerstrebend entsprach, und später zum Vorweis des Führerscheines verhalten wurde, war daher zu prüfen, ob sein Benehmen, das seinen (rechtmäßigen) Standpunkt untermauerte, vom Blickwinkel des einschreitenden Sicherheisorganes mit gutem Grund - und damit vertretbar - als Übertretung nach Art.IX Abs.1 Z.2 EGVG betrachtet werden durfte.

Nach Art. IX Abs.1 Z.2 EGVG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich ungeachtet vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einer Militärwache, während sich diese Personen in rechtmäßiger Ausübung des Amtes oder Dienstes befinden, ungestüm benimmt.

 

Unter ungestümem Benehmen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (z.B.  VfSlg.9229/1981, 9730/1983, 9921/84 und 10957/1986) sowie des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 14. Mai 1968, Z 1759/67, und vom 1. März 1979, Z.873/78) ein sowohl in der Sprache als auch in der Gestik der gebotenen Ruhe entbehrendes, mit ungewöhnlicher Heftigkeit verbundenes Verhalten anzusehen. Ungehörige oder allenfalls beleidigende Äußerungen - im vorliegenden Fall ohnedies nicht zutage getreten - tragen nicht in jedem Fall das Merkmal des ungestümen Benehmens in sich.

 

Mag der Beschwerdeführer auch durch Gestikulieren hervorgetreten sein, mag er seinen Standpunkt keineswegs sachlich vertreten und den Beamten klar widersprochen haben, mögen auch die Beamten über das ihnen gegenüber geradezu als anmaßend empfundene Benehmen empört gewesen sein, alle diese Umstände konnten aber nach der zitierten Rechtsprechung der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes nicht die Annahme rechtfertigen, der Beschwerdeführer benehme sich ungestüm im Sinne des Art. IX Abs.1 Z.2 EGVG. Die hartnäckige Weigerung, den unberechtigterweise verlangten Führerschein vorzuweisen, konnte keinen Auslöser und damit eine vertretbare Annahme bilden, ein ungestümes Benehmen im Sinne des Gesetzes liege vor; dies besonders nicht zu jenem Zeitpunkt, als sich der Beschwerdeführer ohnehin anschickte, den Führerschein zu holen.

 

Es war daher keine gesetzliche Grundlage für die Festnahme und die Anhaltung des Beschwerdeführers gegeben; diese Akte waren somit rechtswidrig.

 

Durch die bekämpfte Amtshandlung ist der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden.

 

Mit der vorliegenden Beschwerde, die keine Begründung für die Prozeßvoraussetzungen und keine eingehenden rechtlichen Ausführungen enthält, waren angesichts des geringeren Schwierigkeitsgrades zwei Drittel der Ansätze der Pauschalkosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - wie vom Verwaltungsgerichtshof vertreten - das sind S 16.690 als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, zuzuerkennen.

 

Auch ein Vergleich mit den AHR (Streitwert 300.000 S) und der darauf gestützten analogen Anwendung des RAT-Gesetzes (TP 3 B:

Schriftsatz 5.153 S, Verhandlung 1. Stunde 5.153 S, zwei weitere angefangene Stunden 5.153 S) vermag den Beschwerdeführer nicht besser zu stellen, sodaß auch bei der auf Grund der Verfassungsrechtslage (Art.5 Abs.5 MRK, Art.7 über den Schutz der persönlichen Freiheit 1988 umfassen hinsichtlich der vollen Genugtuung jedenfalls auch die Kosten der Rechtsverfolgung) gebotenen individuellen Betrachtungsweise der zugesprochene Betrag den notwendigen Kostenbedarf abdeckt.

Schlagworte
Verwaltungsübertretung nach Art.IX, Abs.1 Z.2 EGVG, frische Tat, Wiederholungsgefahr, Unbekanntheit einer Person, Aufforderung zum Führerscheinvorweisen, naher zeitlicher Anknüpfungspunkt zum Lenker eines Fahrzeuges, Kosten der Rechtsverfolgung, Schadenersatz, Genugtuung, Pauschalkosten.
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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