TE Vwgh Erkenntnis 2001/5/16 96/08/0077

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Veröffentlicht am 16.05.2001
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §14;
AVG §46;
AVG §47;
AVG §56;
BAO §149;
BAO §166;
BAO §168;
BAO §87;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/08/0078

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des H in L, vertreten durch Dr. Christa Unzeitig, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Schönaugasse 44, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 25. Jänner 1996, Zl. 120.614/5-7/95, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. S in L, Slowenien; 2. A in L, Slowenien; 3. M in M;

4. J; 5. Steiermärkische Gebietskrankenkasse, Josef-Pongratz Platz 1, 8010 Graz; 6. Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien; 7. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter Straße 65, 1200 Wien;

8. Arbeitsmarktservice, Landesgeschäftsstelle Steiermark, Bahnhofgürtel 85, 8021 Graz) - hg. Zl. 96/08/0077 - und gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 21. März 1996, Zl. 5-226 Sa 120/25-93, betreffend Beitragszuschlag (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Gebietskrankenkasse, Josef-Pongratz Platz 1, 8010 Graz) - hg. Zl. 96/08/0078 -, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und des Landeshauptmannes werden abgewiesen.

Begründung

Mit Anzeige vom 25. Jänner 1993 teilte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse dem Beschwerdeführer die Nachverrechnung von Beiträgen mit und sprach mit Bescheid vom 28. Juli 1993 aus, dass die Erst- bis Viertmitbeteiligten in den in der Anzeige angeführten Zeiten auf Grund ihrer Beschäftigung im Betrieb des Beschwerdeführers, Radio- und Fernsehservice, Werkstättenbetriebs-Inhaber in L., der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen seien und für die in der Anzeige angeführten Zeiten von Amtswegen nachversichert würden sowie, dass der Beschwerdeführer verpflichtet sei, für die in der Anzeige angeführten Dienstnehmer die dort gleichfalls ausgewiesenen allgemeinen Beiträge, Sonderbeiträge, Umlagen und Zuschläge nach den gleichfalls angeführten Beitragsgrundlagen zu entrichten.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Erst- bis Viertmitbeteiligten, wie die übrigen Dienstnehmer des Beschwerdeführers, mit Aushubarbeiten für das Verlegen von Kabeln beschäftigt gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe zwar mit einem in Maribor/Slowenien ansässigen Landwirt ("FK") eine als Werkvertrag bezeichnete Vereinbarung abgeschlossen, in welcher sich dieser verpflichtet habe, Kabelverlegungsarbeiten durchzuführen, tatsächlich seien die betroffenen Arbeiter jedoch vom Beschwerdeführer selbst eingestellt und beschäftigt worden. Eine Abgrenzung der Arbeit, die von den slowenischen Arbeitern durchgeführt worden sei, zur Arbeit jener inländischen Arbeiter, die vom Beschwerdeführer angemeldet worden seien, sei nicht zu erkennen gewesen. Der Werkvertrag stelle sich daher eher als Umgehungsgeschäft im Hinblick auf sozialversicherungsrechtliche und arbeitsrechtliche Vorschriften sowie in Bezug auf Vorschriften wegen der Beschäftigung von Ausländern dar.

In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch verwies der Beschwerdeführer auf seine schon gegen die Anzeige der Beitragsnachverrechnung erhobenen Einwendungen, denen das Protokoll der Schlussbesprechung einer Finanzprüfung vom 28. Juni 1993 angeschlossen war, aus dem sich ergebe, dass die zuständige Finanzbehörde die Vereinbarungen als Werkverträge anerkannt habe.

Mit Bescheid vom 10. März 1995 gab der Landeshauptmann von Steiermark dem Einspruch keine Folge und bestätigte den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse. In der Begründung qualifizierte der Landeshauptmann die finanzbehördliche Beurteilung der Beschäftigung als Werkvertrag als falsch und ging von "Scheinwerkverträgen" aus.

Während der Beschwerdeführer den die Beitragsnachverrechnung bestätigenden Ausspruch unbekämpft ließ, bemängelte er in der nur die Versicherungspflicht betreffenden Berufung die unzureichende Auseinandersetzung mit den vertraglichen Grundlagen der Beschäftigung, die im Ergebnis als Arbeitnehmergestellungsverträge, die den Bestimmungen des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes zu unterwerfen gewesen wären, anzusehen seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab der Bundesminister für Arbeit und Soziales dieser Berufung keine Folge und bestätigte den Einspruchsbescheid im Umfang der Anfechtung. Weitere in der Berufung gestellte Anträge wies er als unzulässig zurück. In der Begründung verwies er im Wesentlichen auf die Bescheide der beiden Unterinstanzen.

Mit (nicht im Akt einliegendem) Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 8. Februar 1993 wurde dem Beschwerdeführer ein Beitragszuschlag von S 126.000,-- vorgeschrieben, weil er es unterlassen habe, in fünf Fällen für Pflichtversicherte die Versicherungsanmeldung zu erstatten und in 27 Fällen das Entgelt in beitragspflichtiger Höhe zu melden bzw. der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen.

Dem dagegen erhobenen Einspruch des Beschwerdeführers gab der Landeshauptmann von Steiermark mit dem (ebenfalls) angefochtenen Bescheid vom 21. März 1996 keine Folge, da der Einspruchswerber unter Ausserachtlassung der gebotenen Sorgfalt die - unbestritten auch die Erst- bis Viermitbeteiligten betreffenden - Meldeverstöße begangen habe.

Gegen diesen und den die Versicherungspflicht bestätigenden Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Der belangte Bundesminister hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie der belangte Landeshauptmann unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Gegenschriften haben die Zweit- und Drittmitbeteiligten (als "Stellungnahme" bezeichnet) sowie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattet, während die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt in ihrer Äusserung lediglich auf die angefochtenen Bescheide verwies.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zum Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark ist zunächst festzuhalten, dass sich die Beschwerde ausdrücklich gegen den "Bescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 21. März 1996" richtet. Das Amt der Steiermärkischen Landesregierung wird im Rubrum der Beschwerde auch als belangte Behörde bezeichnet. Dem gegenüber geht aus dem mit der Beschwerde vorgelegten angefochtenen Bescheid hervor, dass diesen der Landeshauptmann von Steiermark (gemäß § 413 Abs. 1 Z 1 ASVG zutreffender Weise) erlassen hat. Die genannte Falschbezeichnung steht aber der sachlichen Behandlung der Beschwerde nicht im Wege, weil durch die im vorgelegten Bescheid enthaltene Fertigungsklausel klar ist, dass die beschwerdeführende Partei (fälschlicher Weise) von der Identität der Behörde mit deren Hilfsapparat (dem Amt der Landesregierung) ausgeht. Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher im Beschwerdefall davon auszugehen, dass richtiger Weise der Landeshauptmann von Steiermark als belangte Behörde anzusehen ist (vgl. das Erkenntnis vom 5. März 1991, 89/08/0332 mit Hinweisen auf die Vorjudikatur). Allerdings enthält die Beschwerde keine den Beitragszuschlag bekämpfenden Argumente, weshalb sie in diesem Punkt unbegründet ist.

Die dem Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales zuordenbaren Beschwerdeausführungen beschränken sich auf die (Rechts-)Frage der Versicherungspflicht, woraus zu schließen ist, dass der Beschwerdeführer nur eine Bekämpfung des darüber absprechenden Punktes 1. im Auge hatte. Ein Eingehen auf die Spruchpunkte 2. und 3. des angefochtenen Bescheides erübrigte sich daher.

Inhaltlich verweist der Beschwerdeführer auf die seiner Ansicht nach bestehende Bindungswirkung der "rechtskräftigen Entscheidung einer Verwaltungsbehörde, nämlich des Finanzamtes Graz-Umgebung, Betriebsprüfungsabteilung", wonach der Beschwerdeführer mit den Erst- bis Viertmitbeteiligten "im Ergebnis Verträge abgeschlossen habe, die Werkverträgen gleichzuhalten sind und dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz in der geltenden Fassung zu subsumieren sind". Ohne den dieser Beurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt zu erwähnen, gesteht der Beschwerdeführer in der Folge aber zu, dass für diese Entscheidung der zuständigen Finanzbehörde "letztlich auch entscheidungswesentlich war, dass ich die Ausgaben im Rahmen der Werkverträge nicht als Aufwendungen in der Gewinn- und Verlustrechnung verbucht habe, sondern diese ordnungsgemäß im Zusammenhang mit den bestehenden Satellitanlagen 'aktiviert' habe, d. h., dass diese Auslagen im Anlagevermögen aufscheinen, was naturgemäß den Gewinn nicht nur schmälert sondern defacto erhöht, was wiederum mit einer erhöhten Steuerleistung verbunden war. Schon daraus ergibt sich, dass ich nie die Absicht gehabt haben konnte durch Nichtmeldung der genannten Personen mir finanzielle Vorteile zu verschaffen."

Der Beschwerdeführer verweist in diesem Zusammenhang auf eine rechtskräftige Entscheidung des Finanzamtes Graz-Umgebung, nennt aber als Beleg nur die im Verwaltungsakt erliegende "Niederschrift über die Schlussbesprechung" vom 28. Juni 1993. Bei einer solchen Niederschrift gemäß §§ 87f iVm § 149 Bundesabgabenordnung handelt es sich um keinen der Rechtskraft fähigen Bescheid, sondern um ein Beweismittel (vgl. das Erkenntnis vom 27. August 1991, 90/14/0185). Mangels Bescheidqualität kann die Niederschrift auch keine Bescheidwirkungen, worunter auch die Bindungswirkung fällt, entfalten (vgl.Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 451,465ff). Der Inhalt der Niederschrift ist daher für die belangte(n) Behörde(n) nicht bindend.

Diese hätte(n) aber schon auf Grund ihrer Beweiswürdigung gar nicht zu dem vom Beschwerdeführer gewünschten Ergebnis kommen können. Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen haben die Erst- bis Viertmitbeteiligten die Arbeiten ohne Zwischenschaltung des F.K. direkt für den Beschwerdeführer durchgeführt, während die Finanzbehörde davon ausging, dass der Beschwerdeführer nur mit F.K. einen "Werkvertrag" abgeschlossen und dieser die Erst- bis Viertmitbeteiligten zur Verfügung gestellt habe. Das Finanzamt berücksichtigte dabei offensichtlich ausschließlich die "Werkverträge", während den belangten Behörden weitere Ermittlungsergebnisse (etwa Aussagen der Mitbeteiligten), somit ein verbreitertes Tatsachensubstrat, zur Verfügung gestanden sind. Der Beschwerdeführer zeigt im Übrigen bereits selbst auf, dass die Finanzbehörde bei der im Rahmen des steuerrechtlichen Prüfungsverfahrens getroffenen Beurteilung von anderen Grundlagen ausgegangen ist als es die Qualifikation einer Beschäftigung als versicherungspflichtig nach dem ASVG und AlVG erfordert.

Im Anlassfall ist - dem Inhalt der Niederschrift folgend - die steuerrechtliche Beurteilung ausschließlich auf Grund der vertraglichen Konstruktion - Gegenteiliges wurde selbst in der Beschwerde nicht behauptet - erfolgt, während es für die Beurteilung einer Beschäftigung in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gemäß § 4 Abs. 2 ASVG nicht ausschließlich darauf ankommt, auf welche Weise ein Beschäftigungsverhältnis vertraglich fundiert ist und wie es von den Vertragspartnern angesehen oder bezeichnet wird, sondern auch darauf, wie die Beschäftigung tatsächlich durchgeführt wird (vgl. das Erkenntnis vom 8. Oktober 1991, 90/08/0057)..

Die vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnisse vom 1. Juli 1995, 95/09/0167 und 0168, betreffen seine Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz wegen unerlaubter Beschäftigung eines slowenischen Staatsangehörigen. Auch dieses Verfahren ist aufgrund der unterschiedlichen Beurteilungslage ohne Einfluss auf die sozialversicherungsrechtliche Qualifikation.

Weitere Argumente für seinen Standpunkt führt der Beschwerdeführer nicht ins Treffen, weshalb die Beschwerde auch in diesem Punkt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Schriftsatzaufwand auch einer mitbeteiligten Partei ist nur dann zu ersetzen, wenn sie durch einen Rechtsanwalt vertreten war, weshalb das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse abzuweisen war (vgl. das Erkenntnis vom 19. Jänner 1999, 96/08/0269). Da der belangte Landeshauptmann dem Verwaltungsgerichtshof keine Verwaltungsakten vorgelegt hat, hat er auch keinen Anspruch auf Ersatz des Vorlageaufwandes.

Wien, am 16. Mai 2001

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Beurkundungen und Bescheinigungen Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1996080077.X00

Im RIS seit

12.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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