TE Vwgh Erkenntnis 2001/5/16 98/08/0171

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Veröffentlicht am 16.05.2001
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §1151;
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs1;
ASVG §4 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der W GmbH & Co KG in K, vertreten durch Pichler & Weber, Rechtsanwälte & Strafverteidiger Kommanditpartnerschaft, 8750 Judenburg, Burggasse 61, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 16. April 1998, Zl. 120.549/1-7/98, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. S in K, 2. Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8011 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1,

3. Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 4. Arbeitsmarktservice Steiermark, Landesgeschäftsstelle, 8020 Graz, Bahnhofgürtel 85, 5. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin gab am 21. Jänner 1993 der Arbeitsmarktsverwaltung eine offene Stelle für einen technischen Angestellten mit Praxis (Kurzbeschreibung: Bautechnik, Kalkulieren, Zeichnen, Büroarbeit, Führerschein B, Außendienst) bekannt. Dem Erstmitbeteiligten wurde noch am selben Tag diese offene Stelle durch das Arbeitsamt (Vermittlungsvorschlag) bekannt gegeben.

Im Zuge einer Baustellenkontrolle des Landesarbeitsamtes Wien auf einer Baustelle in Wien 22 wurde der Erstmitbeteiligte angetroffen, der sich als für die Beschwerdeführerin arbeitender Baukaufmann ausgab. Er teilte hiebei mit, dass er an Baubesprechungen mit der Bauleitung teilnehme und auch noch andere Baustellen für die Beschwerdeführerin betreue.

Auf Grund einer Mitteilung des Landesarbeitsamtes führte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Beitragsprüfung bei der Beschwerdeführerin durch. Hiebei wurde u.a. von der Beschwerdeführerin ein Vertrag zwischen ihr und dem Erstmitbeteiligten mit folgendem Inhalt vorgelegt:

"Betrifft: WERKVERTRAG

Es wird zwischen der Firma (Beschwerdeführerin) und Herrn (Erstmitbeteiligter) vereinbart, dass Herr (Erstmitbeteiligter) Fahrten erledigt, wobei er an keine bestimmte Dienstzeit und keinen bestimmten Dienstort gebunden ist.

Es werden von der Firma (Beschwerdeführerin) betrieblich notwendige Fahrten vorgegeben und Herr (Erstmitbeteiligter) kann sich aus gesundheitlichen Gründen aussuchen, welche Fahrten von ihm erledigt werden.

Es wird vereinbart, dass kein Dienstverhältnis im Sinne der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen besteht, der Werkvertragsnehmer bekommt lediglich Reisespesen im Sinne der Bundesbediensteten.

Die Abrechnung erfolgt monatlich, wobei der Werkvertragnehmer verpflichtet ist, eine Abrechnung seiner erbrachten Leistungen zu erbringen."

Mit Bescheid vom 3. November 1996 stellte - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund der für die Beschwerdeführerin verrichteten Tätigkeit als Angestellter im Zeitraum vom 25. Jänner 1993 bis 7. September 1993 der Kranken- , Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung nach § 1 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. Abs. 2 ASVG bzw. § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei. Der Landeshauptmann von Steiermark hat den von der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch mit Bescheid vom 23. Oktober 1997 abgewiesen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Berufungsbescheid wurde der Abspruch über die Versicherungspflicht bestätigt. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Gesetzeszitaten ergänzend zum eingangs dargestellten Sachverhalt aus, der Erstmitbeteiligte sei vom 25. Jänner bis 7. September 1993 bei der Beschwerdeführerin durchgehend an fast allen Arbeitstagen beschäftigt gewesen. Er sei regelmäßig von 6 Uhr bis 17 Uhr tätig gewesen; Aufträge, welche Baustelle er am nächsten Tag zu betreuen habe, habe er jeweils kurzfristig erhalten.

Aus den Niederschriften und den Reiserechnungen des Erstmitbeteiligten ergebe sich, dass er vorrangig mit der Führung von Baustellen als Bauleiter und mit den damit verbundenen administrativen Aufgaben betraut gewesen sei.

Während die Beschwerdeführerin im Einspruch davon gesprochen habe, dass der Erstmitbeteiligte nur fallweise an Baubesprechungen teilgenommen habe, und dies auch nur dann, wenn er gerade zufällig bei der Baustelle gewesen sei, werde in der Berufung davon gesprochen, dass sich der Erstmitbeteiligte im Rahmen seiner persönlichen Gestaltungsfreiheit seine Anwesenheit auf den von ihm zu betreuenden Baustellen einzuteilen gehabt habe und aus der Eigenheit des Baugewerbes eine Anwesenheit von verantwortlichen Personen auf einer Baustelle zu bestimmten Zeiten notwendig sei. Da die Durchführung von betrieblich notwendigen Fahrten durch den Erstmitbeteiligten wohl nicht die Betreuung von Baustellen inkludiere und des Weiteren man den Betreffenden, der nur betriebsnotwendige Fahrten durchführe, auch nicht als eine verantwortliche Person auf einer Baustelle qualifizieren könne, sei die Behörde der Ansicht, dass der Erstmitbeteiligte eigentlich vorrangig mit der Führung von Baustellen als Bauleiter und mit den damit verbundenen administrativen Aufgaben beschäftigt gewesen sei. Die unbestrittene Tatsache der ausnahmslos persönlich erbrachten Arbeitsleistung spreche in hohem Maße für die persönliche Arbeitspflicht. Der Hinweis im Vertrag auf den gesundheitlichen Aspekt habe in der Praxis offenbar keine Rolle gespielt. Die Formulierung sei nach Ansicht der Behörde so gewählt worden, um die Versicherungspflicht auszuschließen, nicht aber einem realen Regelungsbedürfnis der Vertragsparteien zu entsprechen. Der Hintergrund und das Motiv für diesen Vertragstext sei in dem Bestreben des Erstmitbeteiligten gelegen, weiterhin trotz Beschäftigung eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nehmen zu können. Das äußere Erscheinungsbild spreche sehr stark für ein Dienstverhältnis, wobei keine Indizien hervorgekommen seien, die auf eine andere Vereinbarung schließen lassen.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, ein wesentliches Merkmal des Werkvertrages sei darin gelegen, dass bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses festgelegt werde, welche konkreten Leistungen der Unternehmer zu erbringen habe. Aus dem vorliegenden Werkvertrag sei ersichtlich, dass Vertragsgegenstand die Durchführung von "betrieblich notwendigen Fahrten" gewesen sei, wobei sich der Erstmitbeteiligte aus gesundheitlichen Gründen hätte aussuchen können, welche Fahrten er erledige. Der Vertragsgegenstand sei in keinerlei Hinsicht konkretisiert. Ein Werkvertrag liege somit nicht vor.

Der Erstmitbeteiligte habe seine Aufträge zumeist am Vortag erhalten. Dabei müsse ihm mitgeteilt worden sein, auf welcher Baustelle er sich an welchem Tag einzufinden habe. Dass der Erstmitbeteiligte noch dazu zu einer bestimmten Uhrzeit auf der Baustelle habe sein müssen, ergebe sich aus der Berufung selbst. Ein weiteres Indiz für die persönliche Abhängigkeit des Erstmitbeteiligten sei die persönliche Arbeitspflicht. Diese ergebe sich nicht nur daraus, dass es sehr genaue Vorgaben von der Beschwerdeführerin über den Arbeitsort und die Arbeitzeit gegeben habe, sondern auch daraus, dass der Erstmitbeteiligte, wie aus den Reiserechnungen ersichtlich sei, fast täglich für die Beschwerdeführerin tätig geworden sei und auch laufend den Kontrollen durch die Beschwerdeführerin unterlegen sei. Der Erstmitbeteiligte habe seine Arbeiten persönlich, ort-, zeit- und weisungsgebunden zu erbringen gehabt. Die dislozierte Tätigkeit des Erstmitbeteiligten habe keine enge Einbindung in den Betrieb ermöglicht. Hinsichtlich der Arbeitsmittel sei davon auszugehen, dass der Erstmitbeteiligte jahrelang selbst in dem betreffenden Gewerbe gearbeitet habe. Daraus sei der Schluss zu ziehen, dass er die Arbeitsmittel der Beschwerdeführerin einfach nicht benötigt habe. Diese Vorgangsweise schließe jedoch das Vorliegen eines Dienstvertrages nicht aus. Der Ersatz von Reisespesen spreche für die persönliche Abhängigkeit des Erstmitbeteiligten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Rahmen der geltend gemachten Rechtswidrigkeit des Inhaltes führt die Beschwerdeführerin aus, im vorliegenden Fall würden die Elemente, die für das Vorliegen eines Werkvertrages sprechen, bei weitem überwiegen. Auch wenn sich aus dem konkreten Vertragszweck keine Anhaltspunkte dafür ergäben, wie oft und wann der Erstmitbeteiligte die ihm aufgetragenen Tätigkeiten hätte ausüben sollen, könne nicht von einem Dienstverhältnis ausgegangen werden. Die Häufigkeit bzw. Regelmäßigkeit ergebe sich im konkreten Fall aus der Notwendigkeit der dem Erstmitbeteiligten übertragenen Baustellenbesuche sowie den im Einzelfall darauf abzielenden Vereinbarungen. Aus dem Umstand, dass der Erstmitbeteiligte die ihm übertragenen Aufträge immer persönlich ausgeführt habe, könne nicht geschlossen werden, dass eine Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers bestanden habe. Dies vor allem auch dann, wenn ein Auftragnehmer vom Recht, die Arbeitsleistungen an Dritte weiterzugeben, nicht Gebrauch mache. Wenn die belangte Behörde davon ausgehe, dass die an den Erstmitbeteiligten erteilten Aufträge, sich zu bestimmten Zeiten auf einer bestimmten Baustelle einzufinden, die Annahme einer persönlichen Abhängigkeit rechtfertigen, so sei dem entgegenzuhalten, dass auch im Falle eines Werkvertrages der Werkvertragsnehmer Anweisungen von seinem Auftraggeber betreffend die von ihm zu erbringenden Leistungen erhalten müsse. Der bloße Ersatz von Aufwendungen könne wohl als Argument für das Vorliegen eines Werkvertrages herangezogen werden.

Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen. In seinem Erkenntnis vom 20. Mai 1980, Slg. Nr. 10.140/A, hat sich der Verwaltungsgerichtshof grundlegend mit der Abgrenzung des Dienstvertrages vom freien Dienstvertrag einerseits und vom Werkvertrag andererseits beschäftigt und - in Übereinstimmung mit der in diesem Erkenntnis zitierten Lehre - ausgeführt, dass es entscheidend darauf ankommt, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen Anderen (den Dienstgeber) verpflichtet (diesfalls liegt ein Dienstvertrag vor) oder ob er die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt (in diesem Fall läge ein Werkvertrag vor), wobei es sich im zuletzt genannten Fall um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt, während es im Dienstvertrag primär auf die rechtlich begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers, also auf eine Bereitschaft zu Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit (in Eingliederung in den Betrieb des Leistungsempfängers sowie in persönlicher und regelmäßig damit verbundener wirtschaftlicher Abhängigkeit von ihm) ankommt. Vom Dienstvertrag ist jedoch überdies der "freie Dienstvertrag" zu unterscheiden, bei dem es auf die geschuldete Mehrheit gattungsmäßig umschriebener Leistungen, die von Seiten des Bestellers laufend konkretisiert werden, ohne persönliche Abhängigkeit ankommt.

Im Beschwerdefall kommt - ungeachtet der Bezeichnung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages - die Annahme eines Werkvertrages nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes schon deshalb nicht in Betracht, weil nach den Feststellungen der Erstmitbeteiligte mit der Führung von Baustellen als Bauleiter mit den damit verbundenen administrativen Aufgaben betraut wurde. Diese Betätigung bestand nach den Feststellungen nicht in der Herstellung eines Werkes als einer in sich geschlossenen Einheit, sondern wies vielmehr den Charakter von Dienstleistungen auf (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. Oktober 1996, 94/08/0052, und vom 19. Jänner 1999, 96/08/0350). Die Beschwerdeführerin bestreitet auch nicht die Feststellungen der belangten Behörde, wonach der Erstmitbeteiligte nicht bloß "betrieblich notwendige Fahrten" (etwa im Sinne von Transportleistungen), sondern auf den von ihm aufzusuchenden Baustellen der beschwerdeführenden Partei koordinierende und administrative Tätigkeiten, die denen eines Baustellenleiters entsprechen, zu verrichten hatte. Das von der Beschwerdeführerin aus Anlass der Beitragsprüfung als "Werkvertrag" präsentierte Dokument entsprach daher schon aus diesen Gründen offenkundig nicht der von den vertragsschließenden Parteien in Wahrheit getroffenen Vereinbarung, sodass der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden kann, wenn sie die von der beschwerdeführenden Partei gewünschten Feststellungen aus diesem "Werkvertrag" nicht getroffen hat.

Ob bei dieser Beschäftigung im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Arbeitsempfänger gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen, hängt davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Beschäftigung (z.B. auf Grund eines Werkvertrages oder eines freien Dienstvertrages) - nur beschränkt ist. Unterscheidungskräftige Kriterien dieser Abgrenzung sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit endverbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht, während das Fehlen anderer, im Regelfall freilich auch vorliegender Umstände, wie z. B. die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Arbeitsempfängers, dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt. Erlaubt allerdings im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch an sich nicht unterscheidungskräftige Kriterien von maßgebender Bedeutung sein (vgl. neben den von der belangten Behörde zitierten Erkenntnissen etwa aus der ständigen Rechtsprechung das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 96/08/0200).

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die von der belangten Behörde getroffenen Tatsachenfeststellungen, indem sie die Beweiswürdigung der Behörde angreift.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist -

die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie u.a. den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. Unter Beachtung der nämlichen Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1996, 94/08/0256).

Die Beschwerdeführerin führt ihre Rüge aber nicht ausreichend aus, weil sie nicht aufzeigt, welche Feststellung und warum sie unrichtig sein soll und welche Feststellung stattdessen zu erfolgen hätte.

Soweit die Beschwerdeführerin in ihren Ausführungen von einem "zweifellos bestehenden Recht zur Weitergabe dieser Tätigkeit" spricht, nennt sie kein Beweismittel, worauf sich diese Feststellung gründen könnte. Der seinem gesamten Wortlaut nach festgestellte Werkvertrag kann dafür nicht ins Treffen geführt werden. Die dort getroffene Formulierung "kann sich aus gesundheitlichen Gründen aussuchen, welche Fahrten von ihm erledigt werden", lässt weder auf eine generelle Vertretungsbefugnis, noch auf ein Ablehnungsrecht schließen (vgl. auch hiezu das Erkenntnis vom heutigen Tag, 96/08/0200). Die belangte Behörde konnte schon deshalb von einer persönlichen Arbeitspflicht des Erstmitbeteiligten ausgehen, weil nach den Umständen des Vertragsabschlusses (Meldung eines freien Arbeitsplatzes beim Arbeitsamt, Zuweisung an den Erstmitbeteiligten als Arbeitssuchenden) zu vermuten ist, dass die Beschwerdeführerin dem Erstmitbeteiligten den Abschluss eines Arbeitsverhältnisses anbieten wollte. Zur Annahme der persönlichen Arbeitspflicht bedarf es keiner ausdrücklichen Vereinbarung, wenn dieselbe nach den Umständen der Beschäftigung zu vermuten ist und weder Gegenteiliges ausdrücklich bei Vertragsabschluss vereinbart wurde, noch aus der tatsächlichen Durchführung des Vertragsverhältnisses das Bestehen einer solchen Vereinbarung zweifelsfrei deutlich wird (vgl. das Erkenntnis vom 16. April 1991, 90/08/0117).

Soweit die Beschwerdeführerin meint, auf Seiten des Erstmitbeteiligten lägen - in der Beschwerde allerdings nicht näher bezeichnete - Umstände vor, die die belangte Behörde zur Feststellung veranlassen hätten müssen, dass auf Seiten des Erstmitbeteiligten nicht ein Dienstverhältnis sondern ein Werkverhältnis vorliege, ist sie daran zu erinnern, dass die Sozialversicherung nach dem ASVG und dem AlVG als Pflichtversicherung eingerichtet ist. Der Dienstnehmer wird durch die Erfüllung eines rein objektiven Tatbestandes versichert, sein darauf oder dagegen gerichteter Wille ist nicht entscheidend. Den Parteien eines Vertrages, mit dem die Erbringung von Arbeiten bzw. Werkleistungen vereinbart wird, steht es zwar (im Rahmen der in Betracht kommenden zivilrechtlichen Normen) frei, ihre Rechtsbeziehungen entweder als Arbeitsverhältnis i.S.d. § 1151 ABGB und damit als ein Beschäftigungsverhältnis i.S.d. § 4 Abs. 2 ASVG oder als (keine Pflichtversicherung begründendes) Rechtsverhältnis (z.B. als Werkvertragsverhältnis oder freies Dienstverhältnis) auszugestalten; es steht ihnen aber kein isolierter Zugriff auf die Rechtsfolge "Arbeitsverhältnis" bzw. "versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis" dahin zu, diese ungeachtet der inhaltlichen Vertragsgestaltung ausschließen zu können. Der Ausschluss zwingender arbeitsrechtlicher bzw. sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen ist vielmehr für den Fall des Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses wirkungslos, für den Fall des Nichtvorliegens eines Arbeitsverhältnisses bzw. Beschäftigungsverhältnisses aber überflüssig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1995, Slg. Nr. 14216/A, m.w.N.).

Ausgehend von den Feststellungen der belangten Behörde trifft auch die Annahme zu, bei der Beschäftigung des Erstmitbeteiligten hätten die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber jenen der selbstständigen Ausübung der Erwerbstätigkeit überwogen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das auf den Ersatz von Schriftsatzaufwand gerichtete Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse war mangels anwaltlicher Vertretung abzuweisen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 26. Jänner 1998, 94/17/0385).

Wien, am 16. Mai 2001

Schlagworte

Besondere Rechtsprobleme Verhältnis zu anderen Normen Materien Sozialversicherung Zivilrecht Vertragsrecht Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit Dienstnehmer Begriff Wirtschaftliche Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998080171.X00

Im RIS seit

30.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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