TE Vwgh Erkenntnis 2001/5/17 2000/16/0590

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Veröffentlicht am 17.05.2001
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E1N;
E2A Assoziierung Ungarn;
E2A E11401030;
E3R E02100000;
E3R E02200000;
E3R E02202000;
E3R E02300000;
E3R E02400000;
E6J;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
35/02 Zollgesetz;
59/04 EU - EWR;

Norm

11994N/TTE/02 EU-Beitrittsvertrag Vertrag Art2;
11997E249 EG Art249;
21993A1231(13) AssAbk Ungarn Art216;
21993A1231(13) AssAbk Ungarn Prot4 Art10;
21993A1231(13) AssAbk Ungarn Prot4 Art12 Abs1;
21993A1231(13) AssAbk Ungarn Prot4 Art12 Abs8 litb;
21993A1231(13) AssAbk Ungarn Prot4;
31992R2913 ZK 1992 Art220 Abs2 litb;
31992R2913 ZK 1992 Art220 Abs2;
31992R2913 ZK 1992 Art220;
31992R2913 ZK 1992 Art221 Abs1;
31993R2454 ZKDV 1993 Art216;
31993R2454 ZKDV 1993 Art217;
31993R2454 ZKDV 1993 Art218 Abs1 litc;
31993R2454 ZKDV 1993 Art218;
61987CJ0378 Top Hit Holzvertrieb;
61989CJ0064 Deutsche Fernsprecher VORAB;
61989CJ0080 Behn Verpackungsbedarf VORAB;
61989CJ0348 Mecanarte VORAB;
61991CJ0250 Hewlett Packard VORAB;
61991CJ0292 Weis VORAB;
61994CJ0153 Faroe Seafood VORAB;
BAO §303;
EURallg;
VwRallg;
ZollRDG 1994 §74 Abs1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):2000/16/0653 E 17. Mai 2001 2000/16/0604 E 17. Mai 2001 2000/16/0655 E 17. Mai 2001 2000/16/0654 E 17. Mai 2001 2000/16/0605 E 17. Mai 2001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der AVANTI International AG in Wien, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien I, Falkestraße 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat I der Region Innsbruck) vom 6. Juni 2000, GZ. ZRV 67/1-I1/98, betreffend nachträgliche buchmäßige Erfassung einer Einfuhrzollschuld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Für die Beschwerdeführerin als Empfängerin wurde am 28. Februar 1995 eine Schiffsladung "Arom. Kohlenwasserst. Reformat" (Kraftstoff) der Warennummer 27075010 mit einer Rohmasse von 1,089.990 kg zur Überführung in den freien Verkehr beim Zollamt Tulln angemeldet. In der Anmeldung war als Ursprungsland Ungarn (Feld 16 der Anmeldung) und im Feld 36 in kodierter Form "Abgabenbegünstigung andere Zollpräferenzen (EUR 1, ATR oder gleichwertiges Dokument)" angegeben. Der Anmeldung war als Unterlage nach Artikel 218 Abs. 1 lit. c ZK-DVO eine Rechnung mit dem Vermerk "EUR. 1 Nr. B 0419700 'LT-Certificate gültig bis 31.12.1995' " angeschlossen. Unter Anwendung des in der Anmeldung beantragten Präferenzzollsatzes Null wurde kein Zoll, aber Einfuhrumsatzsteuer von S 443.362,-- vorgeschrieben.

Mit Bescheid vom 23. Jänner 1998 setzte das Hauptzollamt Wien die gemäß Artikel 201 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 zweiter Unterabsatz ZK iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG bei der Überführung von Waren mit der genannten Anmeldung in den zollrechtlich freien Verkehr entstandene Zollschuld kraft Gesetzes in der Höhe von S 99.462,-- an Zoll und S 463.255,-- an Einfuhrumsatzsteuer fest. Die buchmäßige Erfassung des "Zollschuldbetrages" sei nur mit S 443.362,-- erfolgt. Der Differenzbetrag von S 99.462,-- an Zoll werde gemäß Artikel 220 Abs. 1 ZK buchmäßig erfasst und gemäß

Artikel 221 Abs. 1 ZK zur Entrichtung mitgeteilt. Dies mit der Begründung, im Zuge einer nachträglichen Überprüfung der "Eingangsabfertigung" sei festgestellt worden, dass eine "LT-Rechnung" neben der Seriennummer des LT-Certificates und dem Datum des Ablaufes der Gültigkeitsdauer dieser Bescheinigung auch das Ursprungsland bzw. die Ursprungsländer der erfassten Waren enthalten müsse. Nur eine so beschaffene "LT-Rechnung" stelle für sich alleine einen ausreichenden Ursprungsnachweis dar.

Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin Berufung ein und wandte sich gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Vorschreibung der Zollschuld und Einfuhrumsatzsteuer. Mit der Zollanmeldung seien eine Lieferantenrechnung, ein Analysenzertifikat des Herstellers, ein EUR. 1 "Longtime Zertifikat" und ein "Frachtbrief, Zollrevisionslisten" vorgelegt worden. Auf Grund dieser Unterlagen sei die Mitteilung des Abgabenbetrages ergangen. Einen zweiten Abgabenbescheid ohne Wiederaufnahme des Verfahrens zu erlassen, sei rechtswidrig. Sollte die Behörde die Ansicht vertreten, der Bescheid vom 23. Jänner 1998 enthalte auch einen Wiederaufnahmebescheid, dann sei der Bescheid deswegen rechtswidrig, weil ein Wiederaufnahmsgrund nicht gegeben sei. Sämtliche Unterlagen seien vorgelegt worden und die Behörde hätte diese würdigen müssen. Das Original der Lieferantenrechnung sei vom Unternehmen dem Lieferanten zurückgesendet worden, damit dieser die Rechnung mit der Anführung des Ursprungslandes ergänze. Da die Berichtigung der Rechnung einen längeren Zeitraum in Anspruch nehme, werde diese der Behörde nach Einlangen vom Lieferanten zum Beweis nachgereicht.

In einer Ergänzung der Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vor. Die Vorschreibung der Zollschuld beruhe nur darauf, dass auf der vorgelegten "LT-Rechnung" die Angabe des Ursprungslandes gefehlt habe und nach Ansicht der Behörde der Präferenzzollsatz nur dann angewendet werden könne, wenn eine mit allen Angaben versehene "LT-Rechnung" vorliege. Dieser Umstand sei der Behörde bei der Verzollung bekannt gewesen, da die Rechnung bereits bei der Verzollung der Behörde vorgelegt worden sei. Die Behörde habe diesen Mangel jedoch nicht beanstandet, weil ihr selbst anlässlich der Umstellung auf das Gemeinschaftsrecht nicht bekannt gewesen sei, dass die Anführung des Ursprungslandes auf der Rechnung notwendig sei. Es verstoße nun gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn die Behörde die Nichterfüllung von Formalvoraussetzungen zu Zollvorschreibungen nütze, wenn ihr selbst im Zeitpunkt der Einfuhr diese Formalvoraussetzungen nicht bekannt gewesen seien. Die Beschwerdeführerin habe auf die Richtigkeit des Verhaltens der Behörde nach den objektiven Gegebenheiten vertrauen dürfen, da sie dies durch Bescheide über einen längeren Zeitraum zum Ausdruck gebracht habe und die Beschwerdeführerin ihre Dispositionen danach ausgerichtet habe. Die Behörde gehe davon aus, dass trotz Nachweises des Ursprungslandes auf der Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 sowie der Bestätigung durch den Ausführer und den ungarischen Zoll der Präferenzzollsatz nicht zu gewähren sei, weil das Ursprungsland nicht nochmals zusätzlich auf der Rechnung angeführt sei. Diese formalistische Rechtsansicht sei rechtswidrig. Der EuGH habe in seinem Urteil vom 23. Februar 1995, Rs C-334/93, ausgesprochen, dass die Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 als Beweismittel für den Ursprung der Ware diene, aber andere Beweismittel in Ausnahmefällen ebenso zugelassen seien und habe dann die Anwendung des Präferenzzollsatzes ohne Warenverkehrsbescheinigung angeordnet, wenn der Ursprung der Waren mit Sicherheit feststehe, der betroffene Importeur die gebotene Sorgfalt angewendet habe und es ihm aus Gründen, auf die er keinen Einfluss gehabt habe, unmöglich gewesen sei, die Bescheinigung zu erhalten. Im Beschwerdefall sei sogar eine Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 mit Ursprungsnachweis vorhanden gewesen, daher könne umso mehr das Fehlen der nochmaligen Bestätigung auf der Rechnung nicht zu einer Vorschreibung von Zoll und der Nichtanwendung des Präferenzzollsatzes führen.

Mit Vorhalt vom 24. März 1998 forderte das Hauptzollamt Wien die Beschwerdeführerin auf, eine nachträglich ausgestellte Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 vorzulegen.

In Beantwortung des Vorhaltes ergänzte die Beschwerdeführerin die Berufungsbegründung. Die Nacherhebung des Zolls sei nach Artikel 220 ZK wegen Irrtums der Zollbehörde unzulässig.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 8. Juli 1998 wies das Hauptzollamt Wien die Berufung als unbegründet ab. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Administrativbeschwerde an den Berufungssenat.

Die belangte Behörde wies die Administrativbeschwerde als unbegründet ab. Dies mit der Begründung, die Bestimmung des Artikels 220 ZK sei als vorrangiges Recht an die Stelle jener Vorschriften der BAO getreten, die eine betragsmäßige Korrektur von Abgabenbescheiden ermöglichten. Die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens seien insofern unanwendbar geworden. Eine berichtigte Lieferantenrechnung sei nicht vorgelegt worden. Voraussetzung für die Anwendung des Präferenzzolles wäre die Angabe des Ursprungslandes auf der Rechnung gewesen. Diese habe jedoch gefehlt. Ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben liege nicht vor und die von der Beschwerdeführerin zitierte Entscheidung des EuGH vom 23. Februar 1995, Rs C-334/93, sei auf den Beschwerdefall nicht anwendbar. Die Voraussetzungen für eine Abstandnahme der nachträglich buchmäßigen Erfassung wegen Irrtums der Zollschuld lägen nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtnacherhebung des mitgeteilten Zollbetrages verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist die Rechtmäßigkeit der Nacherhebung des - anlässlich der am 28. Februar 1995 erfolgten Überführung der in der Anmeldung mit Ursprung Ungarn erklärten Ware in den freien Verkehr - nicht erhobenen Zollbetrags strittig. Die im Zeitpunkt der Überführung der Ware in den freien Verkehr maßgebende Rechtsgrundlage war das für Österreich mit dem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft am 1. Jänner 1995 in Wirksamkeit getretene Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Ungarn andererseits, Amtsblatt Nr. L 347 vom 31. Dezember 1993, S. 2. Protokoll Nr. 4 dieses Abkommens enthält die Ursprungsregeln für die Gewährung der Zollpräferenzen.

Nach Artikel 1 Z 2 lit. a und b des Protokolls Nr. 4 dieses Abkommens (Ursprungskriterien) gelten für die Zwecke des Abkommens als Ursprungserzeugnisse Ungarns

a) Erzeugnisse, die vollständig in Ungarn gewonnen oder hergestellt worden sind und

b) Erzeugnisse, die in Ungarn unter Verwendung anderer als der unter Buchstabe a genannten Erzeugnisse hergestellt worden sind, wenn diese Erzeugnisse im Sinne des Artikels 4 ausreichend be- oder verarbeitet worden sind. Dieser Voraussetzung bedarf es jedoch nicht bei Erzeugnissen, die im Sinne dieses Protokolls Ursprungserzeugnisse der Gemeinschaft sind.

Gemäß Artikel 10 des Protokolls Nr. 4 dieses Abkommens wird der Nachweis, dass Erzeugnisse die Ursprungseigenschaft im Sinne dieses Protokolls besitzen, durch eine Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 nach dem Muster in Anhang III erbracht.

Nach Artikel 11 Abs. 4 zweiter Satz des Protokolls Nr. 4 dieses Abkommens wird die Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 von den Zollbehörden Ungarns erteilt, wenn die Ausfuhrwaren als Ursprungserzeugnisse Ungarns im Sinne des Artikels 1 Abs. 2 dieses Protokolls angesehen werden können.

Nach Artikel 11 Abs. 10 des Protokolls Nr. 4 dieses Abkommens wird die Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 bei der Ausfuhr der Erzeugnisse, auf die sie sich bezieht, von den Zollbehörden des Ausfuhrstaats ausgestellt. Sie wird zur Verfügung des Ausführers gehalten, sobald die Ausfuhr tatsächlich erfolgt oder sichergestellt ist.

Gemäß Artikel 12 Abs. 1 des Protokolls Nr. 4 dieses Abkommens (Langzeit-Certificate EUR. 1) können die Zollbehörden des Ausfuhrstaats unbeschadet des Artikels 11 Abs. 10 eine Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 ausstellen, wenn nur ein Teil der Erzeugnisse ausgeführt wird, auf die sie sich bezieht, oder ein so genanntes "LT-Certificate" für den Fall mehrerer Ausfuhren der gleichen Erzeugnisse des gleichen Ausführers an den gleichen Einführer, die innerhalb eines Zeitraums von höchstens einem Jahr nach dem Zeitpunkt der Ausstellung getätigt werden.

Wurde den Zollbehörden ein LT-Certificate vorgelegt, so wird der Ursprungsnachweis nach Artikel 12 Abs. 8 lit. b des Protokolls Nr. 4 dieses Abkommens für die eingeführten Waren während der Geltungsdauer des LT-Certificates durch Rechnungen erbracht, die folgende Voraussetzungen erfüllen: Auf jeder Rechnung hat der Ausführer die Nummer des für die betreffenden Waren ausgestellten LT-Certificates und das Ende der Geltungsdauer dieser Bescheinigung sowie das Ursprungsland bzw. die Ursprungsländer der Waren anzugeben. Die Eintragung der Nummer des LT-Certificates in die Rechnung unter Angabe des Ursprungslandes gilt als Erklärung des Ausführers, dass die Waren die Voraussetzungen dieses Protokolls zur Erlangung des präferenzbegünstigten Ursprungs im Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft und Ungarn erfüllen.

Nach Artikel 13 Abs. 1 (nachträglich ausgestellte Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1) des Protokolls Nr. 4 dieses Abkommens kann die Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 ausnahmsweise auch nach der Ausfuhr der Erzeugnisse, auf die sie sich bezieht, ausgestellt werden, wenn sie infolge eines Irrtums, unverschuldeten Versehens oder besonderer Umstände bei der Ausfuhr nicht ausgestellt worden ist.

Nach diesem Abkommen (Artikel 12 Abs. 8 des Protokolls Nr. 4) kann im Fall der Vorlage eines "LT-Certificates" der Ursprungsnachweis durch Rechnungen erbracht werden, die allerdings bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen haben. Der Ausführer hat auf jeder Rechnung auch das Ursprungsland anzugeben. Die Eintragung der Nummer des LT-Certificates in die Rechnung unter Angabe des Ursprungslandes gilt als Erklärung des Ausführers, dass die Waren die Voraussetzungen dieses Protokolls zur Erlangung des präferenzbegünstigten Ursprungs im Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft und Ungarn erfüllen. Mit der Eintragung der Nummer des LT-Certificates in der Rechnung allein, ohne Angabe des Ursprungslandes, liegt kein ausreichender Ursprungsnachweis vor, der die Anwendung des Präferenzzollsatzes nach dem Abkommen ermöglicht.

Der Anmeldung war keine Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 nach den Artikeln 10 und 11 des Abkommens angeschlossen, sondern eine Rechnung des Ausführers, in der die Nummer des nach Artikel 12 des Protokolls Nr. 4 des Abkommens ausgestellten LT-Certificates und dessen Gültigkeitsdauer aber kein Ursprungsland angegeben waren. Wegen Fehlens dieser Angabe lag keine rechtmäßige Erklärung des Ausführers über die Ursprungseigenschaft der in dieser Sendung eingeführten Ware vor. Der Ursprungsnachweis für die Erlangung des präferenzbegünstigten Ursprungs war damit nicht erbracht und die Anwendung des Präferenzzollsatzes Null aus diesem Grund rechtswidrig.

Bei der Überführung in den freien Verkehr fand eine Prüfung der Anmeldung und der vorgelegten Unterlagen durch ein Zollorgan statt, bei der die Angabe des Ursprungslandes Ungarn und die Angabe des Präferenzzollsatzes in der Anmeldung nicht beanstandet wurden. Die Abgabenvorschreibung erfolgte auf Grund der nicht beanstandeten Angaben in der Anmeldung unter Anwendung des beantragten Präferenzzollsatzes Null.

Die Beschwerdeführerin vertritt aus diesem Grund die Ansicht, eine Nacherhebung des bei der Überführung der Ware in den freien Verkehr zunächst nicht erhobenen Zolls sei wegen Irrtums der Zollbehörde auf Grund des Artikels 220 Abs. 2 lit. b ZK nicht zulässig.

Ist der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Artikeln 218 und 219 ZK buchmäßig erfasst oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden, so hat nach Artikel 220 Abs. 1 ZK die buchmäßige Erfassung des zu erhebenden Betrags oder des nachzuerhebenden Restbetrags innerhalb von zwei Tagen nach dem Tag zu erfolgen, an dem die Zollbehörden diesen Umstand feststellen und in der Lage sind, den gesetzlich geschuldeten Betrag zu berechnen sowie den Zollschuldner zu bestimmen (nachträgliche buchmäßige Erfassung).

Nach Artikel 220 Abs. 2 lit. b ZK erfolgt außer in den Fällen gemäß Artikel 217 Abs. 1 Unterabsätze 2 und 3 ZK keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag auf Grund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat.

Gemäß Artikel  221 Abs. 1 ZK ist der Abgabenbetrag dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist.

Nach § 74 Abs. 1 ZollR-DG gilt die Mitteilung nach

Artikel 221 Abs. 1 ZK als Abgabenbescheid.

Ist der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden, dann hat eine nachträgliche buchmäßige Erfassung - unter den Voraussetzungen der Bestimmungen des Zollkodex - zu erfolgen und der Abgabenbetrag ist dem Zollschuldner mitzuteilen. Diese Verordnungsvorschriften des Rates haben nach Artikel 249 EG allgemeine Gültigkeit und sind in all ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Wenn auch die nach Artikel 221 Abs. 1 ZK an den Zollschuldner zu ergehenden Mitteilungen nach den nationalen Vorschriften des § 74 Abs. 1 ZollR-DG als Bescheide gelten, die nach den nationalen Vorschriften der Rechtskraft fähig sind, die nur unter bestimmten eingeschränkten Voraussetzungen (z.B. durch Wiederaufnahme des Verfahrens) durchbrochen werden kann, ist auf Grund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts und der damit verbundenen Nichtanwendung entgegenstehender nationaler Vorschriften eine nachträgliche buchmäßige Erfassung selbst bei Bestehen eines solchen nach nationalen Vorschriften ergangenen und rechtskräftig gewordenen Abgabenbescheides zwingend vorzunehmen. Regelungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Bestimmungen der BAO stehen der Nacherhebung auf Grund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht entgegen (vgl. auch hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2001, Zl. 99/16/0530).

In diesem Zusammenhang kann darauf hingewiesen werden, dass dies gegenüber dem vorangegangenen nationalen Zollrecht des Zollgesetzes 1988 keine Systemumstellung bedeutet, weil auch nach dem Zollgesetz 1988 im Fall einer Nacherhebung wegen einer kraft Gesetzes entstandenen Zollschuld nach § 174 Abs. 3 lit. c ZollG 1988 keine Wiederaufnahme des Verfahrens vorzunehmen war, sondern die Vorschreibung des unerhoben gebliebenen Zollbetrages nur an die Voraussetzungen des Zollgesetzes 1988 gebunden war.

Die Behauptung der angefochtene Bescheid sei deswegen rechtswidrig, weil keine Wiederaufnahmsgründe vorgelegen seien und keine Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgt sei, ist somit nicht begründet.

Die nachträgliche buchmäßige Erfassung des zu erhebenden Betrags hat nach Artikel 220 Abs. 2 lit. b ZK zu unterbleiben, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag auf Grund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat. Nach dieser Bestimmung haben die zuständigen Zollbehörden von einer Nacherhebung von Eingangsabgaben abzusehen, wenn drei Voraussetzungen nebeneinander erfüllt sind. Die ursprüngliche Nichterhebung der Abgaben muss auf einen Irrtum der zuständigen Behörden zurückzuführen sein, der Abgabenschuldner muss gutgläubig gehandelt haben, das heißt bei vernünftiger Betrachtungsweise außerstande gewesen sein, den Irrtum der zuständigen Behörden zu erkennen, und er muss alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet haben. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat der Abgabenschuldner einen Anspruch darauf, dass von einer Nacherhebung abgesehen wird. Dagegen ist der Antrag auf Absehen von einer Nacherhebung bereits dann nicht begründet, wenn eine der drei Voraussetzungen fehlt (Urteil des EuGH vom 4. Mai 1993, Rs C- 292/91, Weiß, Slg. 1993, I-2219).

Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob diese Kriterien nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls erfüllt sind (vgl. Urteil des EuGH vom 26. Juni 1990, Rs C-64/89, Deutsche Fernsprecher GmbH Marburg, Slg. 1990, I-2535).

Bei der Überführung der Waren in den freien Verkehr wurde vom Anmelder ein nicht den Bestimmungen des in Rede stehenden Abkommens ensprechender Präferenzursprungsnachweis vorgelegt. Die angenommene Anmeldung und die vorgelegten Unterlagen wurden anlässlich der Überführung der Waren in den freien Verkehr kontrolliert. Das Hauptzollamt erhob antragsgemäß unter Anwendung des Präferenzzollsatzes Null rechtswidrig keinen Zollbetrag, obwohl kein rechtmäßiger Ursprungsnachweis vorlag. Der Beschwerdefall unterscheidet sich somit von den Fällen, in denen anlässlich der Überführung in den freien Verkehr eine formell rechtmäßig, durch die Zollstellen des Ausfuhrstaates bescheinigte Ursprungserklärung mit der Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 der Einfuhrzollstelle vorgelegt wurde, und diese im Vertrauen auf die inhaltliche Richtigkeit der Ursprungserklärung den Präferenzzollsatz angewendet hat. In solchen Fällen stellt es keinen Irrtum der zuständigen Behörde dar, wenn die zuständige Behörde des Ausfuhrstaates in den Bescheinigungen EUR. 1 im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Erklärenden den Ursprung der Waren bescheinigt und die zuständige Behörde des Einfuhrstaates den in diesen Bescheinigungen angegebenen Warenursprung zunächst akzeptiert hat (Urteil des EuGH vom 14. Mai 1996, Rs C-153/94, und Rs C-204/94, Faroe Seafood Co. Ltd ua., Slg. 1996, I-2465).

Im Beschwerdefall wurde von der Ausfuhrzollstelle bei der konkreten Ausfuhr keine Ursprungserklärung bescheinigt und der Einfuhrzollstelle wurde anlässlich der Überführung der Waren in den freien Verkehr auch kein formell rechtmäßiger Ursprungsnachweis als erforderliche Unterlage nach Artikel 218 Abs. 1 lit. c ZK-DVO vorgelegt, auf die die Zollbehörde hätte vertrauen können, weil die wesentliche Erklärung auf der Rechnung durch die Angabe des Ursprungslandes, fehlte. Der Präferenzzollsatz wäre daher bei Anwendung der Bestimmungen des Abkommens mangels Vorliegens der Voraussetzungen durch Einschreiten des die Anmeldung kontrollierenden Zollorgans zu versagen gewesen. Der in der Anmeldung kodierte und unbeanstandet gebliebene Präferenzzollsatz Null wurde aber trotz der Kontrolle der Anmeldung und der vorgelegten Unterlagen auf Grund eines leicht erkennbaren Fehlers der Zollstelle zu Unrecht angewendet. Es kann daher entgegen der Auffassung der belangten Behörde im Beschwerdefall davon ausgegangen werden, dass ein Irrtum der Zollbehörde vorlag.

Weitere Voraussetzung für das Absehen von der Nacherhebung nach Artikel 220 ZK ist, dass der Abgabenschuldner alle geltenden Bestimmungen für die Zollerklärung beachtet haben muss.

Nach Artikel 218 Abs. 1 lit. c ZK-DVO sind der Zollanmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr die Unterlagen, die für die Anwendung einer Präferenzregelung oder einer anderen Sonderregelung, die für die angemeldeten Waren gilt, erforderlich sind, beizufügen.

Das Ursprungsland war in der Rechnung entgegen den Bestimmungen des in Rede stehenden Abkommens nicht angegeben. Es lag somit keine Erklärung des Ausführers, dass die Waren die Voraussetzungen des Protokolls Nr. 4 dieses Abkommens zur Erlangung des präferenzbegünstigten Ursprungs im Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft und Ungarn erfüllen, vor. In der Anmeldung wurde dennoch durch die Kodierung im Feld 36 die Anwendung des Präferenzzollsatzes begehrt. Es fehlte aber die für die Anwendung einer Präferenzregelung dem genannten Abkommen entsprechende Unterlage. Die Angabe in der Anmeldung im Feld 36 stand im Widerspruch zu den vorgelegten Unterlagen. Es ist daher von einer unrichtigen Anmeldung auszugehen und es wurden daher nicht alle Bestimmungen für die Zollerklärung beachtet.

Wie der EuGH in dem Urteil vom 23. Mai 1989, Rs C-378/87, Top Hit, Slg. 1989, I-1359, entschieden hat, setzt die Beachtung der geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung voraus, dass der Zollanmelder den Zollbehörden alle Angaben macht, die nach den Gemeinschaftsvorschriften oder den nationalen Regelungen, die diese Vorschriften gegebenenfalls ergänzen oder umsetzen, für die beantragte Zollbehandlung der fraglichen Wahl erforderlich sind. Diese Verpflichtung kann indes nicht über die Vorlage von Daten und Dokumenten hinausgehen, die der Abgabeschuldner vernünftigerweise kennen oder sich beschaffen kann (Urteil des EuGH vom 27. Juni 1991, Rs C-348/89, Mecarnate-Metalurgica De Lagor LDA, Slg. 1991, I-3277).

Die Beschwerdeführerin stand in Handelsbeziehungen mit dem ausländischen Ausführer. Ein LT-Certificate wird nach Artikel 12 Abs. 1 des Protokolls Nr. 4 des Abkommens ausgestellt, wenn mehrere Ausfuhren der gleichen Erzeugnisse des gleichen Ausführers an den gleichen Einführer innerhalb eines Zeitraums von höchstens einem Jahr getätigt werden sollen. Dieses LT-Certificate allein reicht jedoch für die Anwendung des Präferenzzollsatzes bei der Überführung der Waren in den freien Verkehr nicht aus, sondern es bedarf zusätzlich der Erklärung des Ursprungslandes auf der Rechnung anlässlich jeder Aus- bzw. Einfuhr für die konkrete Sendung.

Es handelt sich dabei um ein spezielles Verfahren, den Ursprungsnachweis ohne Bescheinigung der vom Ausführer abzugebenden Ursprungserklärung durch die ausländische Zollstelle anlässlich jeder einzelnen Ausfuhr, wie bei einer Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 nach Artikel 10 des Abkommens erbringen zu können. Ein solches LT-Certificate ersetzt jedoch den anlässlich der im Zeitraum der Gültigkeit vorgenommenen Einfuhren erforderlichen Ursprungsnachweis nicht, sondern ermöglicht dem Ausführer den Ursprungsnachweis allein durch die Angaben in der Rechnung in der Art zu erbringen, dass in der der Anmeldung als Unterlage beigefügten Rechnung das Ursprungsland erklärt wird und es keiner weiteren Mitwirkung der ausländischen Zollstelle bei dem Zustandekommen der Ursprungserklärung bedarf. Die Ausstellung eines LT-Certificates und die Anwendung eines solchen Verfahrens setzt spezielle Kenntnisse des Zollrechts einschließlich der Präferenzregelungen und das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses voraus. Dies sowohl beim Ausführer als auch beim Importeur, der mit diesem Ausführer in längerfristigen Geschäftsbeziehungen steht und Interesse an der Anwendung des Präferenzzollsatzes, der die Vorlage eines rechtmäßigen Ursprungsnachweises anlässlich der Einfuhr voraussetzt, hat.

Bei dieser Ursprungserklärung auf der Rechnung handelt es sich um Angaben des Ausführers, deren Erfordernis der Abgabenschuldner vernünftigerweise kennen und die er sich vom Ausführer - wenn die Ursprungsvoraussetzungen erfüllt sind - auch beschaffen konnte (vgl. das bereits erwähnte Urteil des EuGH vom 27. Juni 1991, Rs C-348/89, Mecanarte-Metalurgica de Lagoa LDA, Slg. 1991, I-32779).

Es kann im Beschwerdefall somit nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet hat, weil kein dem Abkommen entsprechender Ursprungsnachweis vorlag und im Widerspruch dazu die Präferenzbegünstigung in der Anmeldung angegeben wurde.

Bei der Frage, ob die Beschwerdeführerin den Irrtum der Zollbehörde erkennen konnte, sind alle Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung insbesondere die Art des Irrtums, der Berufserfahrung des betroffenen Wirtschaftsteilnehmers und der Sorgfalt, mit der er gehandelt hat, zu beurteilen (vgl. Urteil des EuGH vom 1. April 1993, Rs C-250/91, Hewlett Packard France, Slg. 1993, I-1819).

Hinsichtlich der Art des Irrtums ist darauf hinzuweisen, dass die Regelungen, welche Angaben im Fall ausgestellter LT-Certificate in der Rechnung zu machen sind, einfach sind und leicht verstanden werden können. Bei einer Nachkontrolle der Anmeldung wurde der Fehler in der Anmeldung und die Nichterhebung des Zolls allein auf Grund der schon bei der Überführung der Waren in den freien Verkehr vorgelegten Unterlagen entdeckt und es bedurfte keiner weiteren Ermittlungen, um die Nacherhebung des Zolls vorzunehmen. Artikel 12 Abs. 8 des Protokolls Nr. 4 des Abkommens regelt unmissverständlich, dass bei Vorliegen eines LT-Certificates auch das Ursprungsland in der Rechnung anzugeben ist. Entscheidend ist nur, dass die Vorschriften gelesen wurden und im Bedarfsfall präsent sind.

Die Beschwerdeführerin ist ein Mineralölkonzern, der Mineralölprodukte einführt und daher über einschlägige zollrechtliche einschließlich zollpräferenzrechtliche Erfahrung bei der Einfuhr solcher Produkte verfügt. Zu dem Vorbringen, die Zollbehörde habe irrtümlich den Präferenzzollsatz zunächst gewährt und es könne von den Wirtschaftsteilnehmern keine bessere Kenntnis des Zollrechts verlangt werden, als von den Zollbeamten, hat das Gericht erster Instanz mit Urteil vom 5. Juni 1996, Rs T-75/95, Günzler Aluminium GmbH, Slg. 1996, II-0497, ausgeführt:

"Zu dem Vorbringen, man könne von einem Importeur nicht verlangen, dass er über umfangreichere Kenntnisse verfüge als die Zollbeamten, genügt der Hinweis, dass der Gerichtshof dieses Argument bereits zurückgewiesen hat, weil die Aufstellung eines solchen Grundsatzes dazu führen würde, dass eine Nacherhebung praktisch immer ausgeschlossen wäre, weil sich stets notwendigerweise ein zuständiger Beamter geirrt hat, der die Sach- und Rechtslage nicht voll durchschaute. Artikel 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1697/79 wäre gegenstandslos, da er unumgänglich voraussetzt, dass die Abgaben auf Grund eines Irrtums der zuständigen Behörden selbst nicht erhoben worden sind (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 26. Juni 1990, Rs C-64/89, Deutsche Fernsprecher GmbH Marburg, Slg. 1990, I-2535)."

Die Beschwerdeführerin stützt ihre Argumentation weiters auf das Urteil des EuGH vom 16. Juni 1992, Societe Cooperative Belovo, Rs C-187/91, Slg. 1992, I-4937. Nach diesem Urteil ist hinsichtlich der Art des Irrtums zu unterscheiden, ob die betreffende Regelung verwickelt oder im Gegenteil so einfach ist, dass eine Prüfung der Umstände einen Irrtum leicht erkennbar macht. Der wiederholte Irrtum der zuständigen Behörden sei ein Anhaltspunkt dafür, dass das zu lösende Problem verwickelt sei und der Wirtschaftsteilnehmer nicht gegen seine Sorgfaltspflicht verstoßen habe.

Für die Beschwerdeführerin wurden wiederholt Waren in den freien Verkehr unter den gleichen Umständen wie im Beschwerdefall überführt. Es traten anlässlich dieser Überführungen die gleichen Fehler durch die Zollbehörden auf. Der wiederholte Irrtum der Zollbehörden ist aber nur ein Anhaltspunkt für das Vorliegen eines schwierigen Problems und das Fehlen einer Verletzung der Sorgfaltspflicht. Die Bestimmungen über die Erbringung des Ursprungsnachweises im Fall von ausgestellten LT-Certificaten sind jedoch klar und auch bei einmaligem Lesen leicht verständlich. Die aufgetretenen Fehler dürften - wie die Beschwerdeführerin selbst vorbrachte - vor allem auf Übergangsschwierigkeiten der Zollbehörden und auch der Wirtschaftsteilnehmer anlässlich des Beitritts der Republik Österreich zu den Europäischen Gemeinschaften am 1. Jänner 1995 zurückzuführen sein. Von einem verwickelten Problem kann jedoch keine Rede sein und Sorgfaltspflichtverletzungen anlässlich der Überführungen der Waren in den freien Verkehr auf Seite der Zollbehörde entschuldigen Sorgfaltspflichtverletzungen der Wirtschaftsteilnehmer nicht.

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 19. Oktober 2000, Rs C- 15/99, Hans Sommer GmbH & Co KG, entschieden (Punkt 2. des Urteiltenors), dass die Zollbehörde eines Mitgliedstaates von einer Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet, absehen muss, wenn anlässlich einer Außenprüfung betreffend Einfuhren in einem früheren Zeitraum die Nichteinbeziehung der Spesenpauschale in den Zollwert bei gleichartigen Kaufgeschäften von derselben Behörde nach Überprüfung nicht beanstandet worden ist und nicht erkennbar ist, dass der Wirtschaftsteilnehmer, der alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet hat, Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses der Prüfung haben konnte. Die Beschwerdeführerin erachtet diese Voraussetzungen im Beschwerdefall unter Hinweis auf die Entscheidung des FG Bremen vom 12. April 1994, EFG 1994,1057, ZfZ 1995,55f, die vor dem mit dieser Entscheidung in Zusammenhang stehenden Urteil des EuGH vom 19. Oktober 2000 ergangen ist, als gegeben.

In dem der Vorabentscheidung durch den EuGH vorangegangenen Verwaltungsverfahren war strittig, ob bestimmte Spesen und "Abwicklungskosten" zum Transaktionswert gehören oder nicht. In den Zollwertanmeldungen wurden diese nicht erklärt. Bei einer ersten Kontrolle beanstandeten die Zollbehörden dies nicht. Nach einer weiteren Kontrolle gelangte die Behörde zu der Auffassung, die Spesenpauschale sei als in den Zollwert einzubeziehender Bestandteil des Kaufpreises anzusehen. Dieser dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegte Fall unterscheidet sich vom Beschwerdefall wesentlich. Strittig war, ob bestimmte Spesen und "Abwicklungskosten" Bestandteil des Transaktionswertes gewesen sind. Es handelte sich dabei um die Kosten der Analysen zum Nachweis der Konformität der eingeführten Waren mit den nationalen Rechtsvorschriften des Einfuhrmitgliedstaates, die der Importeur dem Käufer zusätzlich zum Preis der Waren in Rechnung stellte. Vor diesen Einfuhren, die zum Gegenstand der Vorabentscheidung gemacht wurden, hat eine Außenprüfung der Zollbehörde stattgefunden. Dem Betriebsprüfer war der Sachverhalt bereits erfolgter Einfuhren offen gelegt worden und dieser beanstandete die Nichteinbeziehung der "Abwicklungskosten" in den Transaktionswert nicht.

Im Beschwerdefall wurde in der Rechnung das Ursprungsland nicht angegeben und damit keine Ursprungserklärung durch den Ausführer abgegeben. Dies blieb anlässlich der Annahme der Anmeldung und Überführung der Waren in den freien Verkehr durch einen Fehler des Zollorgans unbemerkt. Die mögliche Kontrolldichte durch einen Betriebsprüfer anlässlich einer Außenprüfung und einer Kontrolle der Anmeldung und Unterlagen im Einzelfall anlässlich einer Überführung der Waren in den freien Verkehr am Amtsplatz oder im Wege der Hausbeschau ist unterschiedlich und damit bestehen auch Unterschiede im Vertrauensschutz bei den Entscheidungen anlässlich einer Außenprüfung und einer Kontrolle der Anmeldung. Die Ursprungserklärung ist weiter eine materielle Voraussetzung für die Anwendung des Präferenzzollsatzes. Es ist keine strittige Frage, ob der Präferenzzollsatz auch dann angewendet werden kann, wenn eine Ursprungserklärung nicht vorliegt oder welchen Inhalt eine solche Ursprungserklärung haben muss. Kein Importeur kann gutgläubig aus Einfuhrfällen, bei denen

der Präferenzzollsatz auch ohne Ursprungsnachweis angewendet

wurde, ableiten, dass ein Ursprungsnachweis für die Anwendung des Präferenzzollsatzes auch in den weiteren Einfuhrfällen nicht erforderlich wäre, sind doch der Inhalt und die Form der Ursprungsnachweise durch Vorschriften verbindlich festgelegt, die durch solche die Anmeldung kontrollierenden Zollorgane nicht abgeändert werden können. Die Beschwerdeführerin konnte mit der von ihr herangezogenen Rechtsprechung des EuGH eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzeigen.

Nach dem von der Beschwerdeführerin ferner herangezogenen Urteil des EuGH vom 23. März 1995, Rs C-334/93, Bonapharma Arzneimittel GmbH, Slg. 1995, I-0319, kann nach Protokoll Nr. 3 über die Bestimmung des Begriffs "Erzeugnisse mit Ursprung in" oder "Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeitung der Verwaltungen, das dem Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Österreich beigefügt ist, mit dem eine Präferenzregelung für die Erzeugnisse mit Ursprung in Österreich oder der Gemeinschaft eingeführt worden ist, dahin ausgelegt werden, dass von der Vorlage der in diesem Titel II vorgesehenen Nachweise für den Ursprung der Waren in Österreich oder in der Gemeinschaft abgesehen werden kann, wenn dieser Ursprung auf Grund objektiver Beweise, die von den Betroffenen nicht manipuliert oder gefälscht worden sein können, mit Sicherheit feststeht, wenn ferner feststeht, dass sowohl der Importeur als auch der Exporteur die gebotene Sorgfalt angewandt haben, um die im Protokoll vorgesehenen Nachweise zu erhalten, und wenn es diesen Personen aus Gründen, auf die sie keinen Einfluss haben, insbesondere wegen eines wettbewerbswidrigen Verhaltens anderer Beteiligter, das sowohl gegen den Zweck als auch gegen den Wortlaut des Abkommens verstößt, unmöglich ist, diese Nachweise vorzulegen.

Diese Voraussetzungen sind im Beschwerdefall nicht gegeben.

Der Ursprung steht nicht auf Grund anderer objektiver Beweise fest und es wäre - bei Vorliegen der Voraussetzungen - dem Ausführer keineswegs unmöglich gewesen, die Erklärung abzugeben.

Im Übrigen kann eine Ursprungserklärung auch nachträglich im verwaltungsbehördlichen Abgabenverfahren noch vorgelegt werden (vgl. die Möglichkeit der nachträglich ausgestellten Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 in Artikel 13 des Protokolls Nr. 4 des Abkommens). Die Behauptung der Beschwerdeführerin, der ungarische Ausführer wäre auf Grund der ungarischen Rechtslage gehindert gewesen, die Rechnung zu korrigieren, ist keine Begründung dafür, dass die Ursprungserklärung in Form der Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 nach Protokoll Nr. 4 des Abkommens nicht auch nachträglich hätte erbracht werden können. Dazu wurde die Beschwerdeführerin mit Vorhalt der Abgabenbehörde erster Rechtsstufe vom 24. März 1998 ausdrücklich eingeladen.

In einem Strafverfahren hat der EuGH mit Urteil vom 7. Dezember 1993, Rs C-12/92, Strafverfahren gegen Edmond Huygen und andere, Slg. 1993, I-6381, entschieden, dass das Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Österreich - das im Rahmen des mit ihm bezweckten freien Handelsverkehrs eine Präferenzregelung für Erzeugnisse mit Ursprung in Österreich oder Gemeinschaft einführt - beigefügte Protokoll Nr. 3 über die Bestimmung des Begriffes "Erzeugnisse mit Ursprung in" oder "Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen dahin auszulegen ist, dass der Ausfuhrstaat, wenn er ersucht wird, die Ursprungsbescheinigung EUR. 1 zu überprüfen, und den wirklichen Ursprung der Ware nicht festzustellen vermag, daraus folgern muss, dass die Ware unbekannten Ursprungs ist und dass die Bescheinigung EUR. 1 demnach zu Unrecht ausgestellt und der Präferenztarif zu Unrecht gewährt worden ist. Sind jedoch die Zollbehörden des Ausfuhrstaats wegen der Unmöglichkeit, den im Protokoll vorgesehenen gewöhnlichen Beweis für den Ursprung der Ware zu erbringen, nicht in der Lage, die im Protokoll vorgesehene nachträgliche Überprüfung ordnungsgemäß vorzunehmen, so ist der Einfuhrstaat hinsichtlich der Nachforderung der nicht gezahlten Zölle nicht endgültig an das negative Ergebnis der nachträglichen Überprüfung gebunden, sondern er darf andere Beweise für den Ursprung der Ware berücksichtigen.

Auch dieser Fall ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin mit dem Beschwerdefall nicht vergleichbar. In diesem Strafverfahren ging es um die Ursprungseigenschaft einer noch vor dem Inkrafttreten des Abkommens im Jahre 1970 nach Österreich aus Deutschland eingeführten Maschine, die im Jahre 1985 unter Vorlage von einer durch die österreichische Zollverwaltung ausgestellte Bescheinigung EUR. 1 mit Ursprung "Westdeutschland" nach Belgien unter Anwendung des Präferenzzollsatzes eingeführt wurde. Der seinerzeitige Exporteur in Deutschland konnte im Jahre 1987 keinen konkreten Beweis für den Ursprung der Ware mehr erbringen.

Für den Standpunkt der Beschwerdeführerin ist wegen des offenkundig nicht vergleichbaren Sachverhaltes des Beschwerdefalles mit der zuletzt angeführten Entscheidung nichts zu gewinnen.

Zur Frage der Einhaltung der Sorgfalt der Beschwerdeführerin wird darauf hingewiesen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil des EuGH vom 28. Juni 1990, Erwin Behn Verpackungsbedarf GmbH, Rs C-80/89, Slg. 1990, I-2659) ein Abgabenschuldner, der sichergehen möchte keine Zölle nachzahlen zu müssen, die einschlägigen Vorschriften und Bekanntmachungen zu studieren hat. Die betreffenden Gemeinschaftsvorschriften sind von ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt an das einschlägige positive Recht, auf dessen Unkenntnis sich niemand berufen kann. Der Irrtum der Zollbehörde hätte von einem aufmerksamen Wirtschaftsteilnehmer durch die Lektüre des Amtsblatts, in dem die Bestimmungen des Abkommens veröffentlicht sind, erkannt werden können. In Anbetracht der tatsächlichen Umstände des Beschwerdefalls ist von einer fehlenden Sorgfalt der Beschwerdeführerin auszugehen. Die Behauptung, auf Grund des kurz zuvor erfolgten Beitritts der Republik Österreich zu den Europäischen Gemeinschaften am 1. Jänner 1995 habe sie noch keine Erfahrung im Umgang mit den gemeinschaftsrechtlichen Zollvorschriften gehabt, rechtfertigt die Unkenntnis der Rechtsvorschriften nicht.

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Voraussetzungen für ein Absehen von der Nacherhebung des Zollbetrages nach

Artikel 220 Abs. 2 lit. b ZK nicht vorliegen.

Ob und unter welchen Voraussetzungen die Nacherhebung von Einfuhrabgaben aus Gründen des Vertrauensschutzes ausscheidet, regelt die Generalklausel des Artikels 220 Abs. 2 ZK abschließend. Diese gemeinschaftsrechtliche Vorschrift hat Vorrang vor dem aus den nationalen Rechtsvorschriften ableitbaren Grundsatz von Treu und Glauben. Im Übrigen geht Artikel 220 Abs. 2 ZK in seinen Grundzügen auf die Grundsätze von Treu und Glauben zurück (vgl. hg. Erkenntnis vom 15. März 2001, Zl. 99/16/0448).

Da keine vernünftig Zweifel über die Anwendung des Gemeinschaftsrechts bestehen, erübrigt sich im Sinne der Rechtsprechung des EuGH die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens (vgl. Urteil des EuGH vom 6. Oktober 1982, Rs C-283/81, CILFIT, Slg. 1982, I-3415).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Im Hinblick auf die Entscheidung in der Hauptsache erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Mai 2001

Gerichtsentscheidung

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Schlagworte

Rechtsgrundsätze Treu und Glauben erworbene Rechte VwRallg6/2Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2Gemeinschaftsrecht Verordnung unmittelbare Anwendung EURallg5/1Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000160590.X00

Im RIS seit

03.12.2001

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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