TE Vwgh Erkenntnis 2001/5/30 97/21/0144

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Veröffentlicht am 30.05.2001
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des am 28. Oktober 1948 geborenen Z in D, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 28. Jänner 1997, Zl. III - 1454-194/1996, betreffend Bewilligung nach dem Fremdengesetz oder Sichtvermerk, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Antrag vom 5. Jänner 1994 begehrte der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsbürger, bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung. Von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch im Hinblick auf diesen Antrag zum Nachweis der Mittel zu seinem Lebensunterhalt aufgefordert, brachte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 29. März 1995 vor, dass sein Lebensunterhalt auf Grund einer Zuwendung durch eine Ges.m.b.H. gesichert sei, und dass er auf Grund des Beschlusses Nr. 1/80 des nach dem Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 12. September 1963 geschaffenen Assoziationsrates vom 19. September 1980 zum Aufenthalt in Österreich berechtigt und damit in seiner Freizügigkeit EU-Staatsbürgern gleichgestellt sei. Er stelle daher den Antrag, ihm einen "gebührenfreien Sichtvermerk nach den §§ 28 ff FrG" auszustellen und - in eventu - ihm eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Aufenthaltsgesetz zu erteilen.

Im Hinblick auf einen am 12. September 1995 erfolgten Wohnsitzwechsel des Beschwerdeführers nach Dornbirn wurde der Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 13 Abs. 3 AVG von der nunmehr zuständigen Bezirkshauptmannschaft Dornbirn mit Schreiben vom 22. März 1996 aufgefordert, hinsichtlich seines Antrages auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung verschiedene Unterlagen betreffend seine Beschäftigung und Krankenversicherung binnen zwei Wochen vorzulegen. Mit Schreiben an die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 10. April 1996 begehrte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf näher angeführte Rechtsprechung des EuGH "sowohl nach §§ 28 ff. Fremdengesetz als auch nach dem Aufenthaltsgesetz über den Antrag zu entscheiden, und zwar sowohl im Wege eines Erteilungs- als auch eines Feststellungsbescheides". Selbstverständlich gelte dieser Antrag nur für den Fall, dass nicht auf Grund des Befreiungsscheines stattgebend entschieden werden sollte.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 12. April 1996 wurde der Antrag des Beschwerdeführers "auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung" im Hinblick auf die nicht erfolgte Vorlage der angeforderten Unterlagen gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen. Mit Schriftsatz an die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 26. April 1996 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Berufung und stellte darin auch den Antrag "auf Entscheidung nach §§ 28 ff Fremdengesetz durch die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn". Das fremdenrechtliche solle von dem aufenthaltsrechtlichen Verfahren "abgespalten" werden.

Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. September 1996 wurde der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 12. April 1996 gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos aufgehoben. Ein Formgebrechen im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG sei nicht vorgelegen.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 28. Jänner 1997 erging über den Antrag des Beschwerdeführers vom 5. Jänner 1994 auf Verlängerung seiner von der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn bis zum 31. Jänner 1994 erteilten Bewilligung folgender Spruch:

"Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2, 3 und 4 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, in der derzeit gültigen Fassung wird die beantragte Bewilligung nicht erteilt."

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, das Erfordernis einer Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes bestehe gemäß § 1 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes nicht für Fremde, die auf Grund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechtes, eines Staatsvertrages, unmittelbar anwendbarer Rechtsakte der Europäischen Union oder anderer bundesgesetzlicher Vorschriften in Österreich Niederlassungsfreiheit genießen. Da der Antragsteller türkischer Staatsangehöriger sei und sich seit mehreren Jahren im Bundesgebiet aufhalte und längerfristig einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, seien die Bestimmungen des Assoziierungsabkommens zwischen der EWG und der Türkei bei der Beurteilung des Antrages auf Verlängerung der Bewilligung anzuwenden, sodass der Anwendungsbereich des Fremdengesetzes "zu berücksichtigen" sei.

In der Folge wird dargelegt, dass die vom Beschwerdeführer beantragte Bewilligung im Hinblick auf gegen ihn ergangene verwaltungsbehördliche Bestrafungen sowie gerichtliche Strafurteile zu versagen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung von Parteienanbringen grundsätzlich der Inhalt des Anbringens, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes, maßgebend. Die Anwendung dieses Grundsatzes setzt allerdings voraus, dass eine der Auslegung zugängliche Parteienerklärung vorliegt und dass der Wille der Partei aus ihrem Vorbringen mit Eindeutigkeit erschlossen werden kann. Hat ein Anbringen einen unklaren oder einen nicht genügend bestimmten Inhalt, so hat die Behörde den Gegenstand des Anbringens - auch eines anwaltlich vertretenen Antragstellers - von Amts wegen zu ermitteln (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1994, Zl. 90/10/0064, m.w.N.). Geht man davon aus, dass der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall eine Reihe von unterschiedlichen Anträgen auf Erteilung einer "Aufenthaltsbewilligung", eines "Sichtvermerkes", einer "Aufenthaltsberechtigung nach dem Aufenthaltsgesetz" stellte, sowie Entscheidungen "sowohl nach § 28 ff Fremdengesetz als auch nach dem Aufenthaltsgesetz" begehrte, "und zwar sowohl im Wege eines Erteilungs- als auch eines Feststellungsbescheides", so war nicht klar, welche Entscheidungen der Beschwerdeführer letztlich anstrebte und in welchem allfälligen Verhältnis von Hauptantrag und Eventualantrag seine Anträge standen. Auch war nicht klar, ob der Beschwerdeführer den Antragsgegenstand allenfalls modifiziert hat. Ermittlungen und Feststellungen darüber hat die belangte Behörde nicht getroffen. Dadurch hat sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. Mai 2001

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Pflichten bei Erteilung des Verbesserungsauftrages Erforschung des Parteiwillens Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Parteivorbringen Erforschung des Parteiwillens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1997210144.X00

Im RIS seit

20.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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