TE Vwgh Beschluss 2001/6/22 2001/13/0157

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Veröffentlicht am 22.06.2001
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §308 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über den Antrag des Dr. RG in P, vertreten durch Wolczik, Knotek, Wurst, Winalek, Rechtsanwälte in Baden, Pergerstraße 12, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 31. Oktober 2000, Zl. RV/559- 15/05/99, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Antrag wird stattgegeben.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde u. a. eine Berufung des Wiedereinsetzungswerbers gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 12., 13. und 14. Bezirk und Purkersdorf, St. Nr. 843/9237, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1992 bis 1995 als unbegründet ab.

Gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gegen diesen Bescheid richtet sich der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag, in dem vorgebracht wird, dieser Bescheid sei am 3. November 2000 zugestellt worden. Der Wiedereinsetzungswerber habe seinen rechtsfreundlichen Vertreter mit der Einbringung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beauftragt. Am 11. Dezember 2000, also innerhalb der Frist zur Erhebung der Beschwerde, sei die Beschwerde von Frau M., einer sehr zuverlässigen und tüchtigen Kanzleikraft "getippt", im Aktenverwaltungsprogramm "Advokat für Windows" gespeichert, die Leistung verzeichnet und dem Vertreter des Wiedereinsetzungswerbers zur Unterschrift vorgelegt worden. Die zum Schriftsatz in den vorgesehenen Ausfertigungen gehörenden Beilagen seien kopiert, alle Unterlagen in ein Kuvert und in die Ablage zur Postabfertigung gegeben worden. Frau M. habe die Frankierung mit der Frankiermaschine durchgeführt und am selben Tag - weil sie an diesem Tag zur Post ging - das Porto im Aktenordner des Advokatprogrammes eingegeben. Das Formular für die rekommandierte Briefsendung sei von ihr ausgefüllt und nach der Verschließung des Kuverts außen an das Kuvert mit einer Büroklammer geheftet worden. Im Fristenbuch und im Computer sei die Frist gelöscht worden.

Nach der Verständigung des Vertreters des Wiedereinsetzungswerbers durch den Wiedereinsetzungswerber, dass der Schriftsatz beim Verwaltungsgerichtshof nicht eingelangt sei, habe der Vertreter des Wiedereinsetzungswerbers feststellen müssen, dass sich die Kopie des Schriftsatzes im Akt befinde, was darauf hindeute, dass das Kuvert samt Inhalt mit den Originalen des Schriftsatzes kuvertiert worden sei. Das Advokatprogramm ergebe auch, dass das korrekte Porto und die Kopien (für die Beilagen) als Barauslagen verzeichnet worden seien. Allerdings habe eine Nachschau im Akt ergeben, dass der Einschreibebeleg nicht an der Kopie des Schriftsatzes angeheftet worden sei, was jedoch regelmäßig bei eingeschriebenen Briefsendungen spätestens zwei Tage nach der Absendung des Poststückes erfolge. Eine Nachfrage beim Postamt habe ergeben, dass ein Einschreibekuvert an den Verwaltungsgerichtshof an diesem Tag beim Postamt nicht eingelangt sei. Auch das Fehlen des Einschreibebelegs deutet darauf hin, dass das Kuvert nicht abgegeben worden sei. Dieser unerklärliche Vorgang sei der erste derartige Vorfall in der Kanzlei des Vertreters des Wiedereinsetzungswerbers. Die Kanzleikraft, Frau M., habe sich im Zuge der Arbeiten in der Kanzlei des Vertreters des Wiedereinsetzungswerbers stets als zuverlässig und tüchtig erwiesen und Anordnungen stets gewissenhaft befolgt und auch die Poststücke zuverlässig kuvertiert und zum Postamt gebracht. Frau M. sei schon seit 1. April 1998 in der Kanzlei des Vertreters des Wiedereinsetzungswerbers tätig und werde vom Vertreter des Wiedereinsetzungswerbers stichprobenartig kontrolliert, darunter, ob die Kanzleikräfte auch tatsächlich alle Aufgabescheine auf die richtigen Schriftstücke heften.

Ausgehend von diesem mit Rücksicht auf eine dem Wiedereinsetzungsantrag beigefügte eidesstättige Erklärung der erwähnten Kanzleikraft vom Verwaltungsgerichtshof als bescheinigt angesehenen Sachverhalt erweist sich der Wiedereinsetzungsantrag als berechtigt:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei gleichzusetzen ist (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 656 f).

Das im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft gemachte Versehen, welches zur Versäumung der Beschwerdefrist geführt hat, ist als ein solches zu beurteilen, an welchem den Rechtsvertreter des Wiedereinsetzungswerbers ein Verschulden mehr als minderen Grades nicht angelastet werden kann. Ein Versehen eines sonst verlässlichen Kanzleiangestellten bei der Abfertigung von Schriftstücken nach ihrer Unterfertigung und Kontrolle durch den Rechtsanwalt, also bei der Kuvertierung, dem Beschriften des Kuverts und der Postaufgabe, ist - sofern nicht ein eigenes Verschulden des Rechtsanwaltes hinzutritt - nicht seinem Verschulden gleichzusetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. November 2000, Zl. 99/17/0394, m.w.N.).

Damit gleicht die vorliegende Fallgestaltung jenen Fällen unterlaufener Abfertigungsfehler verlässlicher Mitarbeiter von Parteienvertretern, in denen der Gerichtshof das Unterlaufen solcher Fehler als geeigneten Grund anzusehen pflegt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 28. März 2001, Zl. 2001/13/0041, m.w.N.).

Dem Antrag war deshalb stattzugeben.

Wien, am 22. Juni 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001130157.X00

Im RIS seit

03.12.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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