RS UVS Oberösterreich 1995/10/20 VwSen-280104/9/Ga/La

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 20.10.1995
beobachten
merken
Rechtssatz

Eines der wesentlichen Sachverhaltselemente einer zur Unterbrechung der Verjährung tauglichen Verfolgungshandlung ist, jedenfalls bei Übertretung von solchen Vorschriften wie hier zugrundegelegt, die Nennung des Tatortes.

Diesbezüglich geht der VwGH in ständiger Rspr (vgl etwa das Erk. vom 27.1.1995, 94/02/0407, mit Hinweisen auf Vorjudikatur) davon aus, daß bei Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften als Ort, an dem (iSd § 27 Abs.1 VStG) die Übertretung begangen wurde, jener Ort anzusehen ist, an dem die gebotene Vorkehrung gegen Gesetzesverstöße unterlassen wurde; dies ist der Sitz der Unternehmensführung.

Vorliegend besteht der Vorwurf an den Berufungswerber in einer Übertretung des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 - ArbIG. Inhalt dieses Gesetzes ist ausschließlich die Überwachung der Einhaltung des in verschiedenen Vorschriften geregelten Arbeitnehmerschutzes; § 3 Abs.1 leg.cit. überträgt die Überwachung der Arbeitsinspektion. Ist aber vor diesem Hintergrund die Überwachungsregel selbst zu den Arbeitnehmerschutzvorschriften zu zählen, so richtet sich schon aus diesem Blickwinkel der Tatort bei einer Übertretung des § 8 Abs.3 ArbIG nach dem Sitz der Unternehmensführung.

Dieses Ergebnis bestätigt aber im besonderen auch die Betrachtung des hier in Frage kommenden Straftatbestandes. Danach ist gemäß § 24 Abs.1 ArbIG wegen einer Verwaltungsübertretung mit Geldstrafe (bei Ersttäterschaft) von 500 S bis 50.000 S zu bestrafen, wer als Arbeitgeber gemäß Z1 lit.d dieser Vorschrift entgegen § 8 Abs.3 Unterlagen, Ablichtungen, Abschriften oder Auszüge nicht übermittelt.

Gemäß § 8 Abs.3 ArbIG haben Arbeitgeber dem Arbeitsinspektorat auf Verlangen die in Abs.1 genannten Unterlagen oder Ablichtungen, Abschriften sowie Auszüge dieser Unterlagen (dazu gehören jedenfalls auch Aufzeichnungen über die Arbeitszeit) zu übermitteln. Aus der Zusammenschau des Straftatbestandes und der Gebotsnorm wird somit deutlich, daß es hier nicht eigentlich um eine Vorsorgehandlung zwecks Einhaltung von Schutzvorschriften durch Arbeitnehmer bzw zur Abwendung von Gefahren für Arbeitnehmer geht. Vielmehr wird dem Arbeitgeber ein direktes Tätigwerden - ohne Drittwirkung - abverlangt. Bei einem Verstoß dagegen kommt als Tatort allein jener Ort in Frage, von dem aus der Arbeitgeber selbst die Übermittlung unterlassen hat; dies ist wiederum der Sitz der Unternehmensführung.

Die Strafverfügung als Verfolgungshandlung enthält jedoch keinen Hinweis auf den für die Unternehmensführung eingerichteten Ort, an dem der Arbeitgeber der Gebotsnorm zuwidergehandelt haben soll. Der Sitz der Gesellschaft ist nicht angegeben. Es kann auch aus der Adressierung der Strafverfügung für sich und auch nicht im Zusammenhang mit der übrigen Textierung der Strafverfügung weder abgeleitet werden, an welchem Ort der Beschuldigte sein Unternehmen betrieben hat noch daß gegen ihn der Vorwurf erhoben wird, die ihm angelastete Tat unter der angeführten Adresse begangen zu haben (vgl dazu das Erkenntnis des VwGH vom 13.7.1990, 90/19/0088). Aus allen diesen Gründen ist innerhalb der hier sechsmonatigen Verjährungsfrist gegen den Berufungswerber als Arbeitgeber keine taugliche Verfolgungshandlung gerichtet worden, denn weder die Strafverfügung noch sonstige dafür geeignet erscheinende Verfahrensschritte noch das (schon außerhalb der Verjährungsfrist erlassene) angefochtene Straferkenntis enthalten die Angabe eines Tatortes oder auch nur eine diese Angabe ausnahmsweise entbehrlich machende örtliche Umschreibung der dem Berufungswerber vorgeworfenen Verwaltungsübertretung. Als eine solche, wenigstens für den Ausschluß der Verfolgungsverjährung geeignete Hilfsfigur scheidet im Berufungsfall - anders als nach der Rspr des VwGH zB bei der Mißachtung von Regeln des Arbeitnehmerschutzes, die sich extern (nicht am Ort der Unternehmensführung) ereignet haben - die Ortsangabe zur Baustelle aus.

Zusammenfassend war das Straferkenntnis zur Gänze, weil einerseits der Schuldspruch einen nicht rechtzeitig verfolgten Sachverhalt vorwirft und andererseits eine dem Konkretisierungsgebot in örtlicher Hinsicht entsprechende Verfolgungshandlung insgesamt unterblieb, aufzuheben; gleichzeitig war die Einstellung des Verfahrens zu verfügen, weil somit Umstände vorliegen, die die Verfolgung des Berufungswerbers in dieser Sache ausschließen. Bei diesem Ergebnis kann auf sich beruhen, ob der Berufungswerber mit der von ihm relevierten, in einem Zwang zur Selbstbeschuldigung gesehenen Verfassungswidrigkeit der "Vorlagepflicht" (gemeint wohl: Übermittlungspflicht) des § 8 Abs.3 ArbIG im Recht ist. Der gerügte Verstoß gegen das Anklageprinzip (hier materiell interpretiert als 'Verbot der Selbstbezichtigung') liegt nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates auch nicht vor. Im Sinne nämlich der einschlägigen Judikatur des VfGH (vgl etwa das bei MAYER, B-VG (1994) Art. 90 Abs.2 B-VG III. zit. Erkenntnis VfSlg 11.549) ist die hier geregelte Übermittlungspflicht - an das Arbeitsinspektorat und nicht an die Strafbehörde ! - nicht von vornherein auf die Informationsbeschaffung zum Zwecke strafrechtlicher Verfolgung gerichtet, sondern soll vielmehr zunächst dazu dienen, dem Arbeitgeber bei etwaigen Zuwiderhandlungen Gelegenheit zur ungesäumten Herstellung eines rechtskonformen Zustandes zu geben, wodurch er gerade eine Strafverfolgung abwenden kann (vgl. den in diese Richtung weisenden § 9 Abs.1 und 2 iVm § 3 Abs.2 ArbIG).

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten