RS UVS Oberösterreich 1995/10/30 VwSen-420083/17/Kl/Rd

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Veröffentlicht am 30.10.1995
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Rechtssatz

Durch die Festnahme der Beschwerdeführerin und das Anlegen von Handfesseln sowie durch die Abnahme der Kennzeichentafeln und das Behalten des Zulassungsscheines durch Organe der BPD St. wurden Maßnahmen in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gesetzt. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig, sie ist aber nicht begründet.

Gemäß Art.1 Abs.2 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988, darf niemand aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Entsprechende Gründe ergeben sich aus Art.2 Abs.1 Z3 leg.cit., nämlich zum Zweck seiner Vorführung vor die zuständige Behörde wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung, bei der er auf frischer Tat betreten wird, sofern die Festnahme zur Sicherung der Strafverfolgung oder zur Verhinderung weiteren gleichartigen strafbaren Handelns erforderlich ist.

Dieser Verfassungsbestimmung entspricht die einfachgesetzliche Regelung des § 35 lit.c VStG, wonach Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen, Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zwecke ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen dürfen, wenn der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen versucht. Nach der Rechtsprechung des VfGH setzt die Festnahme einer Person gemäß § 35 VStG voraus, daß die Person auf frischer Tat betreten wird. Das Sicherheitsorgan muß sein Verhalten unmittelbar selbst wahrnehmen, daß es dieses zumindest vertretbarerweise als eine als Verwaltungsübertretung strafbare Tat qualifizieren kann. Aufgrund des erwiesenen Sachverhaltes steht fest, daß die Beschwerdeführerin sich trotz mehrmaliger Abmahnung gegen ein Organ der BPD Steyr während einer Amtshandlung aggressiv verhalten hat und auch versucht hat, diese Amtshandlung zu behindern, worauf sie auch mehrmals aufmerksam gemacht wurde. Dies stellte eine Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs.1 erster Satz SPG dar. Für diese Verwaltungsübertretung wurde die Beschwerdeführerin im übrigen auch mit Straferkenntnis vom 27.7.1995 bestraft. Aufgrund dieses aggressiven Verhaltens, also der zitierten Verwaltungsübertretung, hat das eingeschrittene Organ, nämlich RI W., die Beschwerdeführerin abgemahnt, welche weiterhin in ihrem aggressiven Verhalten verharrte und weiterhin die Amtshandlung zu behindern suchte, indem sie das Organ sogar am Ärmel festhielt, um ihn von einer weiteren Amtshandlung zurückzuhalten. Auch hat sie laut geschrien. Es war daher der obzitierte Festnahmegrund gemäß § 35 lit.c VStG gegeben. Die Beschwerdeführerin sollte auch vor die Behörde, nämlich die BPD St., vorgeführt werden.

Die Beschwerdeführerin wurde am 26.7.1995 um 20.30 Uhr festgenommen und am 27.7.1995 um 8.00 Uhr aus der Haft entlassen. Der Angehaltene ist von der Behörde unverzüglich zu vernehmen, er darf keinesfalls länger als 24 Stunden angehalten werden (§ 36 Abs.1 VStG). Diese Bestimmung wurde eingehalten.

Weil zum einen der Beschwerdeführerin schon aus der Amtshandlung und dem Einschreiten der Organe und auch aus den Abmahnungen der Sachverhalt und der Festnahmegrund bekannt war, war eine weitere Belehrung nicht mehr erforderlich. Die Beschwerdeführerin wurde auch nicht unverhältnismäßig lang angehalten, sondern ist sie vielmehr am nächsten Tag gleich morgens wieder aus der Haft entlassen worden. Es hat daher weder eine zu lange Haftdauer noch eine Unverhältnismäßigkeit des angewendeten Mittels stattgefunden. Weil kein Festnahmegrund mehr bestand, wurde sie sofort am 27.7.1995 nach einer Einvernahme zum Sachverhalt und mündlichen Verhandlung hinsichtlich der begangenen Verwaltungsübertretungen freigelassen.

Hingegen konnten die Beschwerdebehauptungen über eine spektakuläre Festnahme und eine Provozierung durch die einschreitenden Organe nicht aufrechterhalten werden. Das Beweisverfahren anläßlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung hat ergeben, daß entgegen den Beschwerdebehauptungen das einschreitende Organ bemüht war, die Situation nicht eskalieren zu lassen und die Beschwerdeführerin abgemahnt hat und von einer weiteren Begehung abhalten wollte. Es wurde glaubwürdig und überzeugend dargelegt, daß die Beschwerdeführerin aggressiv herumschrie und daß sie sogar mit Körperkraft versuchte, die Amtshandlung zu stören und das Organ von der Abnahme der Kennzeichentafeln zu hindern. Auch war sie zunächst nicht gewillt, nach Ausspruch der Festnahme, in den Arrestantenwagen einzusteigen, sondern hat sich dagegen auch körperlich gewehrt. Es kann daher in der weiteren Folge im Anlegen der Handfesseln - ausdrücklich wird festgehalten, daß eine weitere Handgreiflichkeit nicht stattgefunden hat - keine Rechtswidrigkeit erblickt werden. Es kann in dem Anlegen von Handfesseln zur Durchsetzung einer gerechtfertigten Festnahme auch keine erniedrigende Behandlung gesehen werden. Im übrigen fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, daß die Beschwerdeführerin auf andere Art und Weise erniedrigend behandelt worden wäre. Sie wurde daher auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unterlassung erniedrigender Behandlung (Art.3 MRK) verletzt. Zur behaupteten Abnahme des Zulassungsscheines und der Fahrzeugschlüssel:

Die Beschwerdebehauptungen konnten nicht als erwiesen festgestellt werden, vielmehr hat das in der öffentlichen mündlichen Verhandlung durchgeführte Beweisverfahren ergeben, daß die Fahrzeugschlüssel und der Zulassungsschein sich zunächst in der Handtasche der Beschwerdeführerin befanden und daher in der Handtasche bei der Durchsuchung anläßlich der Einlieferung in das PG St. (es hat ja eine Festnahme stattgefunden) festgestellt wurden und zu den Effekten genommen wurden. Erst in weiterer Folge wurden der Zulassungsschein und die Fahrzeugschlüssel der Behörde (BPD St.) übermittelt. Diese nahm sie in Verwahrung.

Aufgrund dieses Sachverhaltes war davon auszugehen, daß eine Abnahme nicht am Ort der Amtshandlung, also an Ort und Stelle iSd KFG stattgefunden hat, sondern die Abnahme im Rahmen der Vollziehung der Festnahme bzw Anhaltung stattgefunden hat. Die Fahrzeugschlüssel wurden der Beschwerdeführerin bei ihrer Haftentlassung bzw Beendigung der mündlichen Strafverhandlung wieder ausgehändigt. Dies geht aus der Niederschrift vom 27.7.1995 hervor. Die Herausgabe des Zulassungsscheines wurde von der Beschwerdeführerin nicht beantragt. Es kann aber der belangten Behörde in der weiteren Verwahrung, welche eine Maßnahme nunmehr nach dem KFG darstellt, und daher in der Nichtaufhebung der Zwangsmaßnahme keine Rechtswidrigkeit angelastet werden, weil aus dem Gesamtzusammenhang, insbesondere aus den abgenommenen Kennzeichentafeln und dem damit im Zusammenhang stehenden Sachverhalt ersichtlich ist, daß auch weiterhin hinsichtlich der Beschwerdeführerin der Grund vorlag, daß sie das Fahrzeug ohne Lenkerberechtigung in Betrieb nehmen und lenken werde und daher eine Verwaltungsübertretung nach dem KFG begehen würde.

Zur behaupteten Abnahme der Kennzeichentafeln:

Gemäß § 102 Abs.12 KFG 1967 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht berechtigt, Personen am Lenken oder an der Inbetriebnahme eines Fahrzeuges zu hindern, wenn diese hiedurch begehen oder begehen würden eine Übertretung ua lit.d des § 64 Abs.1 erster Satz zweiter Halbsatz. Zu diesem Zweck sind, falls erforderlich, je nach Lage des Falles und Art des Fahrzeuges oder der Beladung Zwangsmaßnahmen, wie etwa Abnahme der Fahrzeugschlüssel, Absperren oder Einstellen des Fahrzeuges udgl., anzuwenden. Solche Zwangsmaßnahmen sind unverzüglich aufzuheben, wenn der Grund für ihre Anwendung weggefallen ist, im Falle der lit.d und f auch, wenn eine andere Person, bei der keine Hinderungsgründe gegeben sind, beabsichtigt, das Fahrzeug in Betrieb zu nehmen und zu lenken. Dies gilt auch für Übertretungen des Abs.5 lit.a, wenn der Besitz der vorgeschriebenen Lenkerberechtigung nicht glaubhaft gemacht werden kann oder wenn der Führerschein gemäß § 76 vorläufig abgenommen wurde (§ 102 Abs.12 lit.f leg.cit.).

Wie aktenkundig ist, von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten wurde und als erwiesen festgestellt wurde, wurde der Beschwerdeführerin die Lenkerberechtigung für die Gruppen A und B rechtskräftig mit Wirkung vom 3.9.1993 wegen Nichtvorliegens der geistigen Eignung zum Lenken eines KFZ bis zur Wiedererlangung der Eignung entzogen. Auch wurde sie bereits 14 Mal wegen des Lenkens eines KFZ ohne die erforderliche Lenkerberechtigung rechtskräftig bestraft. Auch am 26.7.1995 wurde die Beschwerdeführerin, wie das Beweisverfahren der öffentlichen mündlichen Verhandlung eindeutig ergeben hat, beim Lenken des KFZ O-XXX.XXX ohne die erforderliche Lenkerberechtigung betreten. Nach der ständigen Judikatur des VwGH wird das Fahren ohne Lenkerberechtigung als einer der gröbsten kraftfahrrechtlichen Verstöße bezeichnet (VwGH vom 11.3.1971, 1775/70). Die Beschwerdeführerin konnte keinen Führerschein vorweisen, weil sie nicht im Besitz der erforderlichen Lenkerberechtigung ist. Die Beschwerdeführerin gab auch an Ort und Stelle zu erkennen, daß sie ihr Fahrzeug unbedingt benötige und auch lenken wolle. Weil die Fahrzeugschlüssel nicht herausgegeben wurden und auch nicht der Zulassungsschein, war daher die Abnahme der Kennzeichentafeln das einzig mögliche und auch geeignete Mittel, die Beschwerdeführerin von dem weiteren Lenken ohne Lenkerberechtigung abzuhalten. Dabei wurde der Grundsatz, jeweils nur das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden, nicht verletzt.

Die Wiederausfolgung der Kennzeichentafeln hingegen wurde von der Beschwerdeführerin nicht beantragt. Die Aufhebung der Zwangsmaßnahme durch die Behörde war nicht erforderlich, da auch weiterhin der Grund hiefür gegeben war. Eine vertrauenswürdige Person, bei der die Hinderungsgründe nicht gegeben sind, wurde von der Beschwerdeführerin nicht beigebracht und auch nicht namhaft gemacht. Es kann daher in der Vorgehensweise der belangten Behörde keine Rechtswidrigkeit erblickt werden.

Das genannte Fahrzeug wurde durch eigenen Willen, durch eigenhändiges Ausfüllen und Unterschreiben einer Abmeldungserklärung am 3.8.1995 behördlich abgemeldet. Mit dieser wirksamen Abmeldung ist die Zulassung des KFZ erloschen. Mangels Zulassung kann daher dem weiteren Ansinnen der Beschwerdeführerin, ihr die geforderten Kennzeichentafeln nunmehr zu übergeben, nicht mehr nachgekommen werden. Ein diesbezüglicher Antrag an den unabhängigen Verwaltungssenat ist daher nicht mehr begründet. Im übrigen wird aber auf die Bestimmung des § 67c Abs.3 letzter Satz AVG hingewiesen, wonach der unabhängige Verwaltungssenat lediglich den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären hat, einen Gegenakt allerdings nicht setzen kann bzw. ein Verhalten der Behörde nicht auftragen kann. Vielmehr hat die belangte Behörde, wenn der für rechtswidrig erklärte Verwaltungsakt noch andauert, unverzüglich den der Entscheidung entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Es war daher der diesbezügliche Beschwerdeantrag als unzulässig zurückzuweisen. Aufgrund der Feststellung der Rechtmäßigkeit hingegen war von der belangten Behörde nichts mehr zu veranlassen.

Eine weitere Rechtsverletzung wurde weder in der Beschwerde noch im weiteren Verfahren geltend gemacht.

Einer neuerlichen Anmeldung eines PKW, also einen Neuantrag auf Zulassung eines PKW, steht aber aus dieser Sicht nichts entgegen. Insbesondere ist hiezu eine gültige Lenkerberechtigung nicht erforderlich. Auch die Eignung zum Lenken eines PKW ist hiebei nicht nachzuweisen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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