RS UVS Oberösterreich 1996/08/19 VwSen-420106/10/Kl/Rd

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Veröffentlicht am 19.08.1996
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Rechtssatz

Wie aktenkundig ist, und der Bfin durchaus bewußt ist, wurde der Bfin die Lenkerberechtigung für die Gruppen A und B rechtskräftig mit Wirkung vom 3.9.1993 wegen Nichtvorliegens der geistigen Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges bis zur Wiedererlangung dieser Eignung entzogen. Auch wurde sie wiederholt wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne die erforderliche Lenkerberechtigung rechtskräftig bestraft. Auch am 6.4.1996 war die Bf nicht im Besitz einer gültigen Lenkerberechtigung, wurde aber ohne die erforderliche Lenkerberechtigung beim Lenken des Kraftfahrzeuges SR-... betreten. Nach der ständigen Judikatur des VwGH wird das Fahren ohne Lenkerberechtigung als einer der gröbsten kraftfahrrechtlichen Verstöße qualifiziert (VwGH vom 11.3.1971, 1775/70). Sie konnte daher auch keinen Führerschein vorweisen. Wie aber sowohl aus der Aktenlage als auch aus den Ausführungen der belangten Behörde hervorgeht, wurde die Bfin im Zuge der Amtshandlung aufgrund einer Einweisung durch den Polizeiarzt in die Landesnervenklinik L in eine geschlossene Abteilung verbracht und dort untergebracht. Die Bf konnte daher nach ihrer Anhaltung weder ihr Fahrzeug weiter in Betrieb nehmen noch lenken, weshalb laut Meldung des eingeschrittenen Polizeibeamten die Abnahme der Kennzeichentafeln unterblieb. Allerdings wurden diese "im PKW versperrt und der Fahrzeugschlüssel, wie oa, der Meldung beigelegt". Wie weiters aus der Gegenschrift und dem Verfahrensakt hervorgeht, wurden die Kennzeichentafeln dann am 11.4.1996, also erst fünf Tage später, über Weisung der belangten Behörde tatsächlich abgenommen und bei der belangten Behörde hinterlegt. Da aber nach dem Sinn des § 102 Abs.12 KFG 1967 eine Ermächtigung zu Zwangsmaßnahmen nur für den Fall besteht, um Personen am Lenken oder an der Inbetriebnahme zu hindern, also wenn sie unmittelbar bei einer vorangeführten Übertretung bzw. unmittelbar vor dieser Übertretung betreten werden und eine Inbetriebnahme hintangehalten werden soll, dieser Zweck aber im gegenständlichen Fall nicht erreicht wird, weil die Bf ohnehin festgenommen wurde bzw. in eine Anstalt untergebracht wurde, war die konkrete Zwangsmaßnahme, nämlich Abnahme der Kennzeichentafeln, sowohl am 6.4.1996 als auch am 11.4.1996 unzulässig. Zweck dieser Maßnahme ist nämlich, die betreffende Person unmittelbar am Lenken des Fahrzeuges zu hindern (vgl. Grubmann, KFG, Anm. 26 zu § 102 KFG). Eine "vorsorgliche" Maßnahme im Hinblick auf eine allfällige künftige noch nicht konkret absehbare Übertretung ist hingegen von der Bestimmung gemäß 102 Abs.12 KFG 1967 nicht gedeckt. Die letztgenannte Bestimmung hat nämlich nur das Ziel, eine unmittelbare Verletzung der darin genannten kraftfahrrechtlichen Bestimmungen hintanzuhalten, weshalb aufgrund dieser Unmittelbarkeit ("Gefahr im Verzug") auch ein unverzügliches Einschreiten ohne verwaltungsbehördliches Verfahren, das ist eine faktische Amtshandlung oder Zwangsmaßnahme, erforderlich ist. Eine solche unmittelbare Gefahr, welche ein unmittelbares (verfahrensfreies) Einschreiten der Polizeiorgane erfordert, lag aber gegenständlich nicht vor. Es war daher die Kennzeichenabnahme für den PKW (mangels gesetzlicher Ermächtigung) als rechtswidrig festzustellen.

Gemäß § 67c Abs.4 AVG hat die belangte Behörde, wenn der für rechtswidrig erklärte Verwaltungsakt noch andauert, unverzüglich den der Entscheidung entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Einer weiteren Anordnung durch den unabhängigen Verwaltungssenat bedarf es nicht bzw. ist eine solche Anordnungsbefugnis nicht im Gesetz vorgesehen. Es war daher der entsprechende Antrag der Bf auf Anordnung der Wiederausfolgung der Kennzeichentafeln als unzulässig zurückzuweisen.

Auch die übrigen Anträge der Bf betreffend die Niederschrift vom 25.4.1996, die Anzeige vom 6.4.1996, das Gutachten des Polizeiarztes vom 23.4.1996 sowie den Antrag auf Sachwalterbestellung vom 26.4.1996 waren zurückzuweisen, zumal es sich dabei um keine Akte der verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt handelt, sondern vielmehr um Schritte in einem ordentlichen Verwaltungsverfahren, welche nach Abschluß des jeweiligen Verwaltungsverfahrens mit Rechtsmittel gegen die jeweils ergangene Entscheidung anzufechten sind. Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sind nämlich lediglich subsidiäre Rechtsmittel, die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur der Schließung einer Lücke im Rechtsschutzsystem, nicht aber der Eröffnung einer Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein und desselben Rechts dienen. Es sind daher die jeweiligen Verfahrensschritte bzw Verfahrensanordnungen mit einem Rechtsmittel gegen die endgültige Entscheidung im jeweiligen Verfahren anzufechten (Nichterteilung der Lenkerberechtigung: eine diesbezügliche Berufung gegen den ablehnenden Bescheid wurde ohnehin durch die Bf eingebracht; Ablehnung der Wiederausfolgung der Kennzeichentafeln mittels Bescheid: dagegen kann Berufung eingebracht werden). Hinsichtlich des Antrages auf Sachwalterbestellung wird hingegen, weil diesbezüglich eine Gerichtszuständigkeit gegeben ist, die Bf auf den Zivilrechtsweg (Außerstreitverfahren), verwiesen. Ebenso ist der Feststellungsantrag der Bf betreffend die Ablehnung der Erteilung einer Lenkerberechtigung der Gruppe B unzulässig, weil dagegen ein ordentliches Rechtsmittel in einem ordentlichen Ermittlungsverfahren möglich ist und dieses Rechtsmittel auch tatsächlich von der Bf bereits in Anspruch genommen wurde.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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