RS UVS Oberösterreich 1997/06/05 VwSen-420132/5/Kl/Ka

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Veröffentlicht am 05.06.1997
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Rechtssatz

Gemäß § 76 Abs.1 KFG 1967 haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, daß er insbesondere infolge eines übermäßigen Alkoholgenusses oder eines

außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen. Bei der vorläufigen Abnahme ist eine Bescheinigung auszustellen, in der die Gründe für die Abnahme und eine Belehrung über die zur Wiedererlangung des Führerscheins erforderlichen Schritte enthalten sind.

Gemäß § 102 Abs.12 KFG 1967 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht berechtigt, Personen am Lenken oder an der Inbetriebnahme eines Fahrzeuges zu hindern, wenn diese hiedurch begehen oder begehen würden, eine Übertretung

i) des § 102 Abs.1 dritter Satz, wenn die erforderlichen Schaublätter nicht mitgeführt, nicht ordnungsgemäß ausgefüllt oder nicht ausgehändigt werden,

j) der Verordnung (EWG) Nr.3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr ABl.Nr.L 370 vom 31.12.1995, S 8, hinsichtlich der Vorschriften über die Benutzung des Schaublattes (Art.13ff),

k) der Verordnung (EWG) Nr.3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl.Nr.370 vom 31.12.1985, S 1, hinsichtlich der Vorschriften über die zulässige Lenkzeit, einzulegende Unterbrechung und Einhaltung der erforderlichen Ruhezeit (Art.6 bis 9).

Zu diesem Zweck sind, falls erforderlich, je nach Lage des Falles und Art des Fahrzeuges oder der Beladung Zwangsmaßnahmen, wie etwa Abnahme der Fahrzeugschlüssel, Absperren oder Einstellung des Fahrzeuges udgl., anzuwenden. Solche Zwangsmaßnahmen sind unverzüglich aufzuheben, wenn der Grund für ihre Anwendung weggefallen ist, im Falle der lit.d, f oder h auch, wenn eine andere Person, bei der  keine Hinderungsgründe gegeben sind, beabsichtigt, das Fahrzeug in Betrieb zu nehmen und zu lenken.

Sowohl aus den Beschwerdeausführungen als auch aus den Gegendarstellungen der belangten Behörde und den von ihr vorgelegten Aktenteilen geht unstrittig hervor, daß der Bf bei seiner

Anhaltung gegen Bestimmungen über das Kontrollgerät bzw die Benutzung des Schaublattes verstoßen hat, was das

amtshandelnde Organ zu der Vermutung veranlaßte, daß der Bf Lenkzeiten nicht eingehalten bzw Ruhezeiten unterschritten habe, weshalb die Weiterfahrt untersagt wurde. Daß der Bf die Fahrt mit dem selben Fahrzeug fortsetzen wollte und diese Absicht auch kundtat, wurde weder in der Beschwerde vorgetragen noch geht dies aus dem Akt bzw aus der niederschriftlichen Einvernahme des einschreitenden Organs hervor. Weder aus der Beschwerde noch aus den Gegenäußerungen und dem Akt geht auch hervor,  daß der Bf ein Verhalten an den Tag gelegt hätte,  aus dem deutlich erkenntlich ist, daß er einen außergewöhnlichen Ermüdungszustand aufweist.

Liegt daher grundsätzlich ein Verstoß gegen Vorschriften über die Benutzung des Schaublattes laut EWG-Verordnung Nr. 3821/85 gemäß § 102 Abs.12 lit.j KFG vor, so kann zwar die Person am Lenken oder an der Betriebnahme eines Fahrzeuges gehindert werden, aber es ist gemäß § 102 Abs.12 letzter Absatz KFG  zu beachten, daß bestimmte Zwangsmaßnahmen, wie etwa Abnahme der Fahrzeugschlüssel, Absperren oder Einstellung des Fahrzeuges udgl. vorgesehen sind. Es ist zwar die belangte Behörde mit der Auffassung im Recht, daß es sich dabei nur um eine beispielshafte Aufzählung handelt, jedoch ist aus der Wortfolge  "udgl." ableitbar, daß sich die Maßnahmen in erster Linie auf die (weitere) Inbetriebnahme  dieses Fahrzeuges beziehen. Dies ergibt sich aus einer teleologischen Interpretation dieser Bestimmung im Hinblick auf die dort aufgeführten Übertretungen (überwiegend im Fahrzeug gelegene Mängel), bei deren näherer Betrachtung eine Führerscheinabnahme den Zweck der Maßnahme, nämlich die Verhinderung der weiteren Benutzung dieses Fahrzeugs, weitgehend  nicht erreichen oder aber eine überschießende Auswirkung erzielen würde. Insbesondere aber wird durch die lit.h in § 102 Abs.12 KFG klar, daß hier - im Gegensatz zu § 76 KFG - andere sofort hindernde Maßnahmen ergriffen werden sollen.  Im übrigen sind solche Maßnahmen unverzüglich aufzuheben, wenn der  Grund für ihre Anhaltung weggefallen ist. Weil aber anläßlich  der Anhaltung vom Beschwerdeführer umgehend sein Arbeitgeber verständigt wurde und ein Ersatzfahrer beigestellt wurde, welcher die Fahrt (Termingeschäft) fortsetzte, war schon aus diesem Grund eine Fortsetzung der Zwangsmaßnahme  betreffend  Benützung dieses Fahrzeuges nicht erforderlich. Weil aber darüber hinaus weder aus einer Äußerung des Bf noch des einschreitenden Organs ersichtlich war, daß der Bf umgehend ein anderes Fahrzeug in Betrieb nehmen wollte, noch aus den Begleitumständen Anhaltspunkte dafür vorlagen, daß auch das weitere  Fahrzeug ohne Schaublätter und ohne die erforderlichen Eintragungen im Schaublatt in Betrieb genommen werde, war auch aus dieser Sicht eine behördliche Zwangsmaßnahme nicht erforderlich. Im übrigen ist der O.ö. Verwaltungssenat der Auffassung, daß eine vorläufige Führerscheinabnahme aus den bereits oben genannten Erwägungen als Sicherungsmaßnahme in der Bestimmung des § 76 KFG unter ganz bestimmten  Voraussetzungen vorgesehen ist, weshalb diese Bestimmung als lex spezialis zu den Zwangsmaßnahmen nach § 102 Abs.12 KFG zu sehen ist. Dies hat zur Folge, daß hinsichtlich einer vorläufigen Führerscheinabnahme die Voraussetzungen nach § 76 Abs.1 KFG zu prüfen sind und vorzuliegen haben. Wie aber aus dem gesamten Beschwerdevorbringen und dem Akteninhalt sowie der Gegenschrift der belangten Behörde (darin stützt sie sich gerade nicht auf  "Übermüdung")  hervorgeht, wurde zu keiner Zeit ein deutliches Verhalten des Bf festgestellt, aus dem eine außergewöhnliche Ermüdung zu schließen ist bzw daß der Bf aufgrund dieses Ermüdungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt. Weil das Vorliegen solcher Voraussetzungen von der belangten Behörde nicht einmal behauptet wurde - sondern deren Relevanz gegenständlich verneint wurde - war daher dem  Vorbringen des Bf, daß die vorgenommene vorläufige Führerscheinabnahme am 18.3.1997 der erforderlichen Voraussetzungen entbehrte und daher rechtswidrig gewesen sei, Folge zu geben.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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