TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/19 2000/12/0066

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Veröffentlicht am 19.07.2001
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
72/13 Studienförderung;

Norm

AVG §58 Abs2;
StudFG 1992 §13 Abs2;
StudFG 1992 §19 Abs2 Z3;
StudFG 1992 §19 Abs2;
StudFG 1992 §19 Abs3 Z2 idF 1999/I/023;
StudFG 1992 §19 Abs4;
StudFG 1992 §19 Abs6 idF 1999/I/023;
StudFG 1992 §19 Abs6 Z2 idF 1999/I/023;
StudFG 1992 §20 Abs2;
Verlängerung Anspruchsdauer Studienbeihilfe 1997 idF 1999/II/082;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde der B in W, vertreten durch Dr. Raimund Cancola, Rechtsanwalt in Wien III, Schwarzenbergplatz 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom 19. November 1999, Zl. 54.019/71-I/D/4a/99, betreffend Nachsicht wegen Studienzeitüberschreitung nach § 19 Abs. 6 Z. 2 des Studienförderungsgesetzes 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hat im Wintersemester 1992/93 an der Universität Wien das Studium der Medizin begonnen. Im Sommersemester 1998 verlegte sie ihr Studium an die Universität Graz. Am 15. Mai 1998, also im insgesamt 12. Semester, legte sie ihr erstes Rigorosum ab.

Am 19. März 1999 stellte sie einen Antrag auf Nachsicht von der Überschreitung der Studienzeit gemäß § 19 Abs. 6 Z. 2 des Studienförderungsgesetzes 1992. Im Formular kreuzte sie als wichtige Gründe für die Überschreitung Krankheit, außergewöhnliche Studienbelastungen und sonstige Gründe an. Die Beeinträchtigung des Studienerfolges habe sich daraus ergeben, dass sie im Zeitraum vom Wintersemester 1995 bis zum Sommersemester 1998 in ihrem Studienfortgang behindert gewesen sei. Im Zeitraum vom Mai 1998 bis zum Juni 1998 habe sie zwei Physiologiepraktika mangels vorhandener Plätze nicht besuchen können. Sie legte dem Antrag folgende Nachweise bei: eine Bestätigung des Hausarztes, dass sie seit 1993 ihre Eltern betreue, dazu fachärztliche Bescheinigungen über die Krankheiten der Eltern (Mutter: Bezieherin von Pflegegeld in Höhe der Pflegestufe 1 wegen Lipolymphödemen an den Extremitäten; Vater: Asthma bronchiale sowie Probleme im Halswirbelsäulen- und Schulterbereich), eine Bestätigung der Mutter, in der diese erklärte, dass die Tochter sie seit 1993 wegen Lipolymphödem an den oberen Extremitäten und den Vater wegen Asthma bronchiale, diverser Allergien, Zustand nach Autounfall im Jahre 1981 etc. betreue und sich um das Wohlbefinden der Eltern sowie Begleitung zum Arzt, ins Spital, Einkäufe, Haushalt etc. kümmere, sowie Bestätigungen über eigene Krankheiten im Herbst 1998.

Der Leiter der Studienbeihilfenbehörde entschied nach Anhörung des zuständigen Senates der Studienbeihilfenbehörde mit Bescheid vom 9. Juli 1999 über den Antrag, indem er ihn mit der Begründung abwies, dass die Voraussetzungen für eine Nachsichtserteilung nicht vorlägen. Auf Grund des Umstandes, dass der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr die Anspruchsdauer auf Studienbeihilfe für den 1. Abschnitt der Studienrichtung Medizin an der Universität Graz wegen der dort herrschenden allgemein schwierigen Studienbedingungen um ein Semester auf insgesamt sechs Semester verlängert habe, könne ein Semester der Studienzeitüberschreitung im Sinne des Antrages berücksichtigt werden. Eine neben dem Studium ausgeübte Berufstätigkeit stelle hingegen keinen wichtigen Grund im Sinne des § 19 StudFG dar und könne daher in einem Nachsichtsverfahren nicht berücksichtigt werden. Da die Beschwerdeführerin selber angegeben habe, dass sie durch die Betreuung der Eltern sowie durch ihre eigene Erkrankung ab dem Wintersemester 1995/96 am Studienfortgang behindert gewesen sei, könnten diese Umstände schon deswegen nicht ursächlich für die Studienzeitüberschreitung im

1. Studienabschnitt gewesen sein, weil im Wintersemester 1995/96 die Anspruchsdauer auf Studienbeihilfe bereits überschritten gewesen sei. Auch ohne Vorliegen dieses Behinderungsgrundes wäre daher ein rechtzeitiger Abschluss des 1. Rigorosums nicht möglich gewesen. Außerdem sei im Studienförderungsgesetz nur die Pflege und Erziehung von Kleinkindern bis zu deren dritten Lebensjahr als Nachsichtsgrund geregelt. Die Pflege und Betreuung sonstiger naher Angehöriger könne nur dann berücksichtigt werden, wenn es sich dabei um ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne der Bestimmung des § 19 Abs. 2 Z. 3 StudFG handle. Aber selbst wenn man davon ausgehe, dass im Fall der Beschwerdeführerin tatsächlich ein solches unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis vorliege, könne dies an der abweisenden Entscheidung des Antrages nichts ändern. Auf Grund der Art der Erkrankung der Eltern sei nämlich nicht davon auszugehen, dass diese einer Betreuung rund um die Uhr bedürften. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass der Betreuungsaufwand für die Eltern ein solches Maß angenommen habe, wie es der Betreuungsaufwand für ein Kleinkind darstelle. Wenn nun aber die Pflege und Betreuung eines Kleinkindes in einem Zeitraum von sechs Semestern im Ausmaß von maximal zwei Semestern berücksichtigt werden könne, so könne auch die Betreuung sonstiger naher Angehöriger über denselben Zeitraum keine Studienverzögerung im Ausmaß von mehr als zwei Semestern bewirkt haben. Es könne daher die Studienverzögerung in einem Ausmaß von höchstens zwei Semestern auf diesen Umstand zurückgeführt werden. Die ab dem 11. Semester vorliegende eigene Erkrankung der Beschwerdeführerin könne deswegen nicht berücksichtigt werden, weil sie bei Auftreten dieser Erkrankung die Studiendauer für den 1. Studienabschnitt bereits bei weitem überschritten gehabt habe. Somit bestehe keine Kausalität zwischen der Studienzeitüberschreitung und ihrer Erkrankung. Im Ergebnis sei somit ein Semester der Studienzeitüberschreitung - bei Berücksichtigung der Betreuung der Eltern drei Semester der Studienzeitüberschreitung - auf wichtige Gründe im Sinne des Studienförderungsgesetzes zurückzuführen. Dies entspreche nicht dem überwiegenden Ausmaß der Studienzeitüberschreitung von insgesamt acht Semestern.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 26. August 1999 Berufung an die belangte Behörde. Sie verwies darin neuerlich auf ihre Krankheit und auf die psychische Belastung durch die Pflege ihrer Eltern. Da ab dem 5. Semester ihr Stipendium weggefallen sei, habe sie arbeiten gehen müssen, was ebenfalls zur Verzögerung des Studiums geführt habe.

Die belangte Behörde entschied darüber mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. November 1999 und bestätigte den Bescheid der Studienbeihilfebehörde. Nach Darstellung des Sachverhaltes und der Rechtslage führte sie aus, dass zu prüfen sei, ob die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Gründe das überwiegende Ausmaß ihrer Studienzeitüberschreitung bewirkt hätten und ob es sich dabei um wichtige Gründe im Sinne des Studienförderungsgesetzes handle. Für eine positive Erledigung des Antrages müssten mindestens vier Semester der insgesamt acht Semester betragenden Studienzeitüberschreitung auf solche Gründe zurückzuführen sein. Die Beschwerdeführerin habe neben ihrem Studium seit dem Jahr 1993 ihre kranken Eltern gepflegt. Gemäß § 19 Abs. 6 Z. 2 StudFG könne dieser Umstand nur insofern als Nachsichtsgrund berücksichtigt werden, als er für die Beschwerdeführerin ein unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis darstelle. Auf Grund der nachgewiesenen Erkrankung der Eltern sei davon auszugehen, dass der Pflegeaufwand, der für die Eltern aufzubringen sei, nicht höher sei als jener, der für ein Kleinkind bis zu drei Jahren aufgewendet werden müsse. Für einen derartigen Pflegeaufwand sehe das Studienförderungsgesetz maximal zwei Semester einer Studienzeitüberschreitung als gerechtfertigt an. Die eigene Erkrankung der Beschwerdeführerin, die erst im

10. Semester bereits nach Überschreitung der doppelten Studienzeit zuzüglich eines Semesters aufgetreten sei, könne mangels Kausalität nicht als Grund für die Überschreitung der Studienzeit berücksichtigt werden. Der Studienverlauf der Beschwerdeführerin stelle sich wie folgt dar:

"1992/93

Keine Prüfungen

1993

Keine Prüfungen

1993/94

Keine Prüfungen

1994

Anatomie 2 x negativ

1994/95

Anatomie pos., Chemie pos., Chemie 8 x davor nicht erschienen

1995

Biologie pos., davor 3 x angemeldet und entschuldigt

1995/96

Physik pos., davor 1 x neg., 3 x nicht erschienen

1996

Biochemie pos., davor 1 x neg., 2 x abgemeldet

1996/97

Histologie 2 x neg.

1997

Histologie, davor 2 x abgemeldet

1997/98

Physiologie nicht erschienen

1998

Physiologie positiv (15. Mai 1998)

 

Ende des ersten Studienabschnittes"

Auf Grund der Angaben in der Berufung sei anzunehmen, dass sowohl die Pflege und Betreuung der erkrankten Eltern als auch die Berufstätigkeit neben dem Studium den schleppenden Prüfungsverlauf verursacht hätten. Die Berufstätigkeit könne jedoch nach den Bestimmungen des Studienförderungsgesetzes nicht als Grund für die Überschreitung der Studienzeit berücksichtigt werden. Berücksichtige man ein Semester, das durch Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr für die Studienrichtung Medizin an der Universität Graz im

1. Studienabschnitt gewährt worden sei, sowie zwei Semester für die Betreuung und Pflege der Eltern, so ergäben sich drei Semester, die von der Studienzeitüberschreitung nachgesehen werden könnten. Bei einer Studienzeitüberschreitung von mehr als sieben Semestern müssten jedoch mindestens vier Semester auf wichtige Gründe im Sinne des Studienförderungsgesetzes zurückgeführt werden können. Dies sei jedoch nicht der Fall. Somit seien die Voraussetzungen für eine Nachsichtserteilung nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführerin hat darauf unaufgefordert mit einer Äußerung geantwortet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 19 Abs. 6 Z. 2 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305/1992, (StudFG) in der Fassung BGBl. I Nr. 23/1999, hat der Leiter der Studienbeihilfenbehörde auf Antrag des Studierenden und nach Anhörung des zuständigen Senates der Studienbeihilfenbehörde bei Vorliegen wichtiger Gründe im Sinne der Z. 1 oder der Abs. 2, 3 und 4 die Überschreitung der zweifachen Studienzeit des ersten Studienabschnittes zuzüglich eines Semesters (§ 20 Abs. 2 und § 21 Abs. 2) oder die Überschreitung der Studienzeit des zweiten und dritten Studienabschnittes um mehr als zwei Semester (§ 15 Abs. 2) nachzusehen, wenn das überwiegende Ausmaß der Studienzeitüberschreitung auf die genannten Gründe zurückzuführen und auf Grund der bisherigen Studienleistungen zu erwarten ist, dass der Studierende die Diplomprüfung (das Rigorosum) innerhalb der Anspruchsdauer ablegen wird.

§ 19 Abs. 2 StudFG (Stammfassung) lautet:

"Wichtige Gründe im Sinne des Abs. 1 sind:

1.

Krankheit des Studierenden, wenn sie durch fachärztliche Bestätigung nachgewiesen wird,

2.

Schwangerschaft der Studierenden und

3.

jedes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis, wenn den Studierenden daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft."

Gemäß § 19 Abs. 3 Z. 2 StudFG in der Fassung BGBl. I Nr. 23/1999 (in der bis zum 31. August 1999 geltenden Fassung § 19 Abs. 4) bewirken die Pflege und Erziehung eines Kindes vor Vollendung des dritten Lebensjahres, zu der der Studierende während seines Studiums gesetzlich verpflichtet ist, die Verlängerung der Anspruchsdauer um insgesamt höchstens zwei Semester je Kind, ohne dass es eines weiteren Nachweises über die Verursachung der Studienverzögerung bedarf.

Im Erkenntnis vom 24. Jänner 1996, Zl. 94/12/0179, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass § 19 Abs. 3 Z. 2 StudFG 1992 (nach der damals anzuwendenden Stammfassung § 19 Abs. 4 StudFG 1992) einen an sich unter die Generalklausel fallenden Sonderfall in der Weise regle, dass für diesen Fall ohne weiteren Nachweis über die Ursache ebenfalls eine Verlängerung der Anspruchsdauer bewirkt werde. Dies sei einerseits im Hinblick auf die Erfahrung erfolgt, dass mit der Obsorge für ein Kleinkind eine erhebliche Beeinträchtigung für die Betreuungsperson verbunden sei, andererseits im Hinblick auf die Vereinfachung des Ermittlungsverfahrens. Pflegeleistungen könnten daher nicht nur unter den in § 19 Abs. 3 Z. 2 StudFG 1992 genannten Voraussetzungen als wichtige Gründe im Sinne des § 19 Abs. 2 StudFG 1992 berücksichtigt werden. § 19 Abs. 3 Z. 2 StudFG 1992 sei vielmehr als Zurechnungs- und Nachweisregelung für ein spezifisches Ereignis zu sehen.

Gemäß § 18 Abs. 5 StudFG (Stammfassung) kann der zuständige Bundesminister für einzelne Studienrichtungen und Studienzweige an jenen Universitäten die Anspruchsdauer um ein Semester je Studienabschnitt verlängern, an denen

1.

infolge Platzmangels generelle Zugangsbeschränkungen zu Lehrveranstaltungen (§ 10 Abs. 4 AHStG) bestehen,

2.

die Frist über die Begutachtung von Diplomarbeiten oder Dissertationen (§ 26 Abs. 9 AHStG) generell nicht eingehalten wird oder

3.

mehr als die Hälfte der Studienbeihilfenbezieher die Anspruchsdauer gemäß Abs. 1 überschreiten, wobei die Gründe für diese Überschreitung im Bereich der Universitäten gelegen sein müssen.

Gemäß der auf Grund § 18 Abs. 2 StudFG 1992 erlassenen Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst über die Verlängerung der Anspruchsdauer für den Bezug von Studienbeihilfe, BGBl. II Nr. 59/1997, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 82/1999, wird die Anspruchsdauer für den Bezug von Studienbeihilfe (§ 18 Abs. 1 StudFG) sowohl an der Universität Wien als auch an der Universität Graz im ersten Studienabschnitt der Studienrichtung Medizin um ein Semester verlängert.

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung zum Teil auf diese Verordnung gestützt. Die darin gewährte Zuerkennung eines zusätzlichen Semesters hat jedoch nur für die Anspruchsdauer Bedeutung, nicht hingegen für die Nachsicht von der Überschreitung der Studienzeit gemäß § 19 Abs. 6 StudFG. Die den Studienfortgang behindernden Verhältnisse an der Universität, die zur Erlassung der Verordnung geführt haben, sind allenfalls als wichtige Gründe gemäß § 19 Abs. 2 Z. 3 StudFG zu berücksichtigen.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob und in welchem Umfang die von der Beschwerdeführerin gemäß § 19 Abs. 2 StudFG geltend gemachten wichtigen Gründe für die Nachsichterteilung anzuerkennen sind.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Erteilung der Nachsicht von der Überschreitung der Studienzeit im Sinne des § 19 StudFG sowie auf Durchführung eines ordnungsgemäßen und gesetzmäßigen, der Erforschung der materiellen Wahrheit dienenden Verwaltungsverfahrens verletzt.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bringt sie vor, dass die Begründung der belangten Behörde, der Pflegeaufwand für beide Eltern sei nicht höher als jener für ein Kleinkind bis zu drei Jahren, unschlüssig und nicht nachvollziehbar sei; die belangte Behörde berücksichtige nicht, dass zwei Elternteile und nicht ein Kleinkind zu betreuen gewesen seien, darüber hinaus habe die belangte Behörde dem Umstand keine Rechnung getragen, dass die Pflege der Eltern über die gesamte Dauer hinweg immer denselben Aufwand erfordere, während die Pflege eines Kleinkindes durch die natürliche Entwicklung des Kindes im Laufe der Zeit leichter werde. Überdies habe die belangte Behörde nicht berücksichtigt, dass die Pflege der Eltern bereits im Jahr 1993 begonnen habe und somit bis zum Ende des 1. Studienabschnittes fünf Jahre gedauert habe. Weiters sei die belangte Behörde davon ausgegangen, dass die Erkrankung der Beschwerdeführerin nicht als Grund für die Überschreitung der Studienzeit berücksichtigt werden könne, da die Erkrankung erst im

10. Semester, bereits nach Überschreitung der doppelten Studienzeit zuzüglich eines Semesters aufgetreten sei. Die Krankheit sei aber sehr wohl kausal für die Verlängerung der Überschreitung der Studienzeit gewesen. Sachlich gerechtfertigt wäre die Entscheidung der belangten Behörde nach Auffassung der Beschwerdeführerin nur dann gewesen, wenn sämtliche für die Erteilung der Nachsicht relevanten Ereignisse erst nach Überschreitung der doppelten Studienzeit zuzüglich eines Semesters eingetreten wären.

Als Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerdeführerin geltend, dass sich die belangte Behörde gerade bei einer so knappen Entscheidung (Fehlen nur eines Semesters, um die Nachsicht erteilen zu können) eingehender mit dem Vorbringen und den geltend gemachten wichtigen Gründen im Sinne des Studienförderungsgesetzes auseinander setzen und somit ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchführen und eine sachlich gerechtfertigte Entscheidung ohne jede Willkür treffen hätte müssen.

Im Ergebnis ist die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen im Recht.

Die belangte Behörde hat die Betreuung der Eltern durch die Beschwerdeführerin im Sinne des § 19 Abs. 2 Z. 3 StudFG dem Grunde nach anerkannt und für die dadurch verursachte Behinderung wie bei der Pflege und Erziehung eines Kindes vor Vollendung des dritten Lebensjahres zwei Semester der Studienzeitüberschreitung nachgesehen. Damit hat sie sich aber nicht hinreichend mit den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gründen für die Studienzeitüberschreitung auseinander gesetzt. Vor allem wären der tatsächliche Umfang der für die Eltern erbrachten Pflegeleistungen und deren Kausalität für die Studienverzögerung festzustellen gewesen. Der bloße Verweis darauf, dass die Betreuung von Kleinkindern gemäß § 19 Abs. 4 StudFG (jetzt § 19 Abs. 3 Z. 2) höchstens im Ausmaß von zwei Semestern zu berücksichtigen ist und dass bei der Versorgung der Eltern der Beschwerdeführerin das Gleiche zu gelten habe, stellt für sich alleine jedenfalls keine ausreichende Begründung dar, weil diese Annahme der belangten Behörde näherer Feststellungen zum tatsächlichen Pflegeaufwand bedurft hätte. § 19 Abs. 4 StudFG ist als Zurechnungs- und Nachweisregelung für ein spezifisches Ereignis zu sehen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1996, Zl. 94/12/0179); diese Bestimmung schließt nicht aus, Pflegeleistungen als wichtigen Grund gemäß § 19 Abs. 2 Z. 3 StudFG gegebenenfalls auch in einem größeren Umfang zu berücksichtigen, sofern die Studienverzögerung tatsächlich darauf zurückzuführen ist und es sich um ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehandelt hat.

Ansätze für Feststellungen über die Art der von der Beschwerdeführerin erbrachten Betreuung lassen sich zwar den Akten des Verwaltungsverfahrens entnehmen; das kann aber die fehlende Feststellung des wesentlichen Sachverhaltes und die mangelnde Begründung im angefochtenen Bescheid ebenso wenig sanieren wie die Ausführungen in der Gegenschrift.

Was die eigene Krankheit der Beschwerdeführerin betrifft, so ist die belangte Behörde offenbar fälschlich davon ausgegangen, dass sie im Sommersemester 1997 aufgetreten sei; der erstinstanzliche Bescheid spricht von einer Erkrankung ab dem 11. Semester (Wintersemester 1997/98); den vorgelegten ärztlichen Bestätigungen ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin im Herbst 1998, also erst nach Ablegung des Rigorosums, erkrankt ist, worauf die belangte Behörde auch in der Gegenschrift hinweist. Eine erst nach Beendigung des ersten Studienabschnitts nachgewiesene Erkrankung kann selbstverständlich für den verspäteten Abschluss dieses Studienabschnitts nicht kausal sein. Bei einer Erkrankung im 10. Semester (vor Ablegung des Rigorosums) versteht sich das aber entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht nicht von selbst.

Mit Studienzeitüberschreitung ist in § 19 Abs. 6 StudFG die Überschreitung der gesetzlichen Studienzeit im Sinne des § 13 Abs. 2 StudFG gemeint, das heißt der in den jeweiligen Studienvorschriften für die Absolvierung eines Studienabschnitts oder eines Studiums festgelegten Zeit (vgl. dazu z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1993, Zl. 93/12/0251). Festzustellen ist daher die Kausalität für die Überschreitung dieser Mindeststudienzeit (im Beschwerdefall: vier Semester) und nicht für die Überschreitung der Anspruchsdauer oder der Zeit gemäß § 20 Abs. 2 StudFG. Vor diesem Hintergrund war es unerlässlich, den Zeitpunkt der Erkrankung der Beschwerdeführerin zweifelsfrei festzustellen.

Die angeführten Mängel in der Begründung des angefochtenen Bescheides hindern eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung und die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof, so dass sie schon deshalb als wesentlich einzustufen sind. Auch kann ein für die Beschwerdeführerin günstigeres Ergebnis nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren in der Höhe von S 2.500,-- war abzuweisen, da die Mehrwertsteuer im pauschalierten Betrag für den Schriftsatzaufwand bereits inkludiert ist.

Wien, am 19. Juli 2001

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000120066.X00

Im RIS seit

09.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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