TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/27 98/08/0149

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Veröffentlicht am 27.07.2001
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §49 Abs1;
ASVG §49 Abs2;
ASVG §49 Abs3 Z1 idF 1988/749;
ASVG §49 Abs3 Z1 idF 1989/660;
ASVG §49 Abs3 Z2 idF 1988/749;
ASVG §49 Abs3 Z2 idF 1989/660;
ASVG §49 Abs3 Z2;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
EStG 1988 §68 Abs5;
EStG 1988 §68;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/08/0159

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerden 1. der Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30 (zur Zl. 98/08/0149),

2. des P in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Punz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 15/15 (zur Zl. 98/08/0159), gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. April 1998, Zl. MA 15-II-R 39/98, betreffend Rückforderung von Beiträgen gemäß § 69 ASVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Zeitraumes 1. Jänner 1990 bis 31. Dezember 1992 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von je S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren des Zweitbeschwerdeführers wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer zur Zl. 98/08/0159 (in der Folge: Zweitbeschwerdeführer) betreibt eine Friedhofsgärtnerei. Er bezahlt seinen Beschäftigten eine seit vielen Jahren gleich bleibende Schmutzzulage von S 356,-- wöchentlich.

Mit Schreiben vom 7. Jänner 1994 beantragte der Zweitbeschwerdeführer bei der Beschwerdeführerin zur Zl. 98/08/0149 (in der Folge: Erstbeschwerdeführerin) die Rückzahlung der auf die Schmutzzulage entfallenden Sozialversicherungsbeiträge ab dem Jahr 1989. Er führte aus, die Schmutzzulage werde auf Grund einer Vereinbarung mit seinen Dienstnehmern gewährt; sie sei sozialversicherungsfrei.

Mit Bescheid vom 2. Oktober 1996 gab die Erstbeschwerdeführerin diesem Antrag nicht statt. In der Begründung führte sie aus, auf Grund des Antrages des Zweitbeschwerdeführers sei eine Beitragsprüfung durchgeführt worden. Hiebei sei festgestellt worden, dass die in einer Anlage genannten Dienstnehmer nicht überwiegend mit Arbeiten betraut gewesen seien, die eine Verschmutzung zwangsläufig bewirkt hätten. Die Schmutzzulagen würden auch bei Urlaub, Krankenstand und Urlaubsabfindungen berücksichtigt. Der Zweitbeschwerdeführer habe sie nicht auf Grund des anzuwendenden Kollektivvertrages für Friedhofsgärtner gewährt; es sei seit Jahren eine unveränderte pauschale Abgeltung erfolgt. Nach § 8 des genannten Kollektivvertrages gebühre beim Spritzen und Stäuben mit Chemikalien zur Schädlingsbekämpfung eine Schmutzzulage des jeweiligen Stundenlohnes von 20 %. Der Zweitbeschwerdeführer habe keine Aufzeichnungen darüber geführt, für welche Arbeiten diese Zulagen gewährt worden seien und wann diese Arbeiten verrichtet worden seien. Der Zweitbeschwerdeführer habe angegeben, dass die Schmutzzulage deswegen gewährt worden sei, weil diese Arbeiten vom Kollektivvertragslohn nicht entsprechend gedeckt gewesen seien. Die Dienstnehmer seien über die Gewährung der Schmutzzulage nicht informiert gewesen.

Die Erstbeschwerdeführerin habe mit Schreiben vom 28. Juli 1994 und vom 12. April 1996 die Finanzbehörden um Mitteilung ersucht, ob die vom Zweitbeschwerdeführer in den Jahren 1988 bis 1993 an diverse Dienstnehmer ausbezahlten Schmutzzulagen gemäß § 68 Abs. 1, 5 und 7 EStG 1988 der Steuerpflicht unterlegen seien. Das Finanzamt für den 12., 13., 14. und 23. Bezirk habe mit Schreiben vom 20. Juni 1996 mitgeteilt, dass bei der Lohnsteuerprüfung für die Jahre 1990 bis 1992 hinsichtlich der steuerfrei gewährten Schmutzzulagen keine Beanstandung erfolgt sei und diese Zulagen daher als steuerfrei im Sinne des § 68 Abs. 1 EStG zu behandeln seien.

In rechtlicher Hinsicht führte die Erstbeschwerdeführerin aus, der Antrag des Zweitbeschwerdeführers sei vor Ablauf der Verjährungsfrist eingebracht worden. Auf Grund des festzustellenden Sachverhaltes seien die gewährten Schmutzzulagen allerdings der Beitragspflicht zu Recht unterworfen worden. Sie sei bei Beurteilung der Beitragspflicht von Schmutzzulagen lediglich an eine bescheidmäßige Entscheidung der Finanzbehörden gebunden.

Der Zweitbeschwerdeführer erhob Einspruch. Darin machte er im Wesentlichen geltend, hinsichtlich des Zeitraumes 1. Jänner 1990 bis 31. Dezember 1992 liege ein rechtsrichtiger Bescheid des Finanzamtes vor. Für diesen Zeitraum sei eine Lohnsteuerprüfung vorgenommen worden und sei hiebei keine Beanstandung der Schmutzzulagen erfolgt.

Darüber hinaus machte er geltend, die Mitarbeiter, denen die Zulage gewährt worden sei, seien vorwiegend mit dem Öffnen und Schließen von Gräbern beschäftigt. Er habe sich auf Grund eines Vertrages mit der MA 43 dazu verpflichtet. Es handle sich dabei um rund 160 Beisetzungen pro Kalenderjahr. Allein aus der Art dieser Erdarbeiten, die seine Mitarbeiter überwiegend verrichteten, sei für jedermann ersichtlich, dass es sich dabei um Tätigkeiten handle, die überwiegend unter Umständen erfolgten, die in erheblichem Maß zwangsläufig die Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirkten.

Er stellte ausdrücklich den Antrag, die von ihm gewährten Schmutzzulagen im Zeitraum zwischen 1. Jänner 1989 und 31. Dezember 1993 als beitragsfrei zu behandeln und die in diesem Zeitraum entrichteten Beiträge unter Berücksichtigung von Guthabenzinsen im gesetzlichen Ausmaß zurückzuerstatten.

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens teilte das Finanzamt für den 12., 13., 14. und 23. Bezirk der Einspruchsbehörde über deren Anfrage mit, dass bei den Lohnsteuerprüfungen ab dem Zeitraum 1. Jänner 1989 betreffend der steuerfrei ausbezahlten Schmutzzulage keine Beanstandung erfolgt sei und daher als steuerfrei im Sinne des § 68 Abs. 1 EStG 1988 zu behandeln seien.

Die Erstbeschwerdeführerin gab der Einspruchsbehörde über Anfrage bekannt, dass für den fraglichen Zeitraum die Rückerstattung von Beiträgen in Höhe von insgesamt S 261.563,58, und für den Zeitraum 1. Jänner 1990 bis 31. Dezember 1992 in Höhe von S 165.263,74 strittig sei.

Mit Bescheid vom 24. Juli 1997 gab die Einspruchsbehörde dem Einspruch des Zweitbeschwerdeführers teilweise statt und sprach aus, dass die Erstbeschwerdeführerin verpflichtet sei, dem Zweitbeschwerdeführer für die in der Anlage zum Bescheid genannten Dienstnehmer für die Zeit vom 1. Jänner 1990 bis 31. Dezember 1992 Beiträge und Umlagen in Höhe von S 165.363,74 zurückzuzahlen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Zweitbeschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und beide Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (die mit Ausnahme der Ausführungen zum Zinsenabspruch wortgleich mit den vorliegenden sind). Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 11. März 1998, B 2307/97, den Bescheid auf. Er führte - ohne die Rechtmäßigkeit der Rückerstattung der Beiträge zu prüfen - aus, wenn die belangte Behörde die Rückerstattung von Beiträgen anordne, müsse sie hiefür auch Verzugszinsen zusprechen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen (Ersatz-)Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch des Zweitbeschwerdeführers neuerlich teilweise statt und sprach aus, dass die Erstbeschwerdeführerin verpflichtet sei, an den Zweitbeschwerdeführer für die in der Anlage zum Bescheid genannten Dienstnehmer für die Zeit vom 1. Jänner 1990 bis 31. Dezember 1992 Beiträge und Umlagen in Höhe von S 165.363,74 zuzüglich Verzugszinsen gemäß § 59 Abs. 1 ASVG zurückzubezahlen. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, strittig sei, ob die an die in der Anlage zum angefochtenen Bescheid angeführten Dienstnehmer ausbezahlten Schmutzzulagen der Beitragspflicht unterliegen. Die Beitragsfreiheit von Schmutzzulagen sei grundsätzlich nach steuerlichen Kriterien zu beurteilen. Demnach sei eine Schmutzzulage nur dann steuerfrei und somit beitragsfrei, wenn die vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeiten überwiegend unter Umständen erfolgt seien, die in erheblichem Maß zwangsläufig eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirkten. Auf Grund der Aktenlage, insbesondere der Angaben des Zweitbeschwerdeführers in seiner Niederschrift vom 7. April 1994 stehe fest, dass er seit ca. 30 Jahren an alle Arbeiter im Friedhofsbetrieb Schmutzzulagen in seither unveränderter Höhe von wöchentlich S 356,-- auszahle. Der Pauschalbetrag werde den Teilzeitkräften aliquot gewährt. Sämtlichen Dienstnehmern werde dieser Betrag auch im Urlaub und bei Krankenständen weitergewährt und sei auch Bestandteil einer eventuellen Urlaubsabfindung. Die Blumenbinderinnen führten u.a. Tätigkeiten wie Blumenumtopfen, Pflanzen vereinzeln, Stecklinge schneiden und teilweise den Verkauf aus. Die Friedhofsarbeiter führten Totengräberarbeiten, Grasschneiden, Blumensetzen und allgemeine Grabpflegearbeiten durch. Aufzeichnungen darüber, für welche Arbeiten diese Zulagen gewährt worden seien und wann diese Arbeiten geleistet worden seien, seien nicht geführt worden.

Rechtlich komme es zunächst darauf an, ob Arbeiten wirklich üblicherweise (typischerweise) zwangsläufig eine Verschmutzung des Dienstnehmers und seiner Kleidung in erheblichem Maße bewirken könnten. Die üblicherweise (typischerweise) auftretende zwangsläufige Verschmutzung in erheblichem Ausmaße während der und durch die genannten Arbeiten reichten aber zufolge der weiters erforderlichen Tatbestandsvoraussetzung der überwiegenden Leistung solcher Arbeiten noch nicht aus. Vielmehr sei bezogen auf die gesamten vom jeweiligen Dienstnehmer auf Grund seines Dienstverhältnisses zu leistenden und tatsächlich geleisteten Arbeiten zu untersuchen, ob sie überwiegend unter Umständen erfolgt seien, die in erheblichem Maß zwangsläufig eine Verschmutzung des Dienstnehmers und seiner Kleidung bewirkten. Die Dienstnehmer müssten also während der gesamten Arbeitszeit überwiegend mit Arbeiten betraut sein, die die erhebliche Verschmutzung zwangsläufig bewirkten. Dies erfordere aber den überprüfbaren Nachweis, um welche Arbeiten es sich gehandelt habe und wann sie geleistet worden seien. Ein derartiger Nachweis sei jedoch im Verfahren nicht erbracht worden. Dies vor allem deswegen, weil Aufzeichnungen darüber, für welche Arbeiten diese Zulagen gewährt worden seien und wann diese Arbeiten geleistet worden seien, vom Zweitbeschwerdeführer nicht geführt worden seien. Es könne zwar zutreffen, dass einige von den Dienstnehmern durchgeführten Tätigkeiten, wie z.B. Grabaushub, eine erhebliche Verschmutzung bewirkten. Eine Reihe von Tätigkeiten, die von den Friedhofsarbeitern bzw. Blumenbinderinnen durchgeführt werden (z.B. Grasschneiden, Blumensetzen und allgemeine Grabpflegearbeiten, Blumenumtopfen, Pflanzen vereinzeln, Stecklinge schneiden und Verkauf) bewirkten sicherlich keine zwangsläufige Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung in erheblichem Maße. Da ein zeitliches Überwiegen dieser Tätigkeiten mangels entsprechender Aufzeichnungen durch den Zweitbeschwerdeführer nicht festgestellt werden könne, müsse die Beitragsfreiheit dieser Schmutzzulagen verneint werden.

Auf Grund der rechtskräftigen Entscheidung des Finanzamtes für den 12., 13, 14. und 23. Bezirk über den Prüfzeitraum 1. Jänner 1990 bis 31. Dezember 1992, in dem die vom Zweitbeschwerdeführer ausbezahlten Schmutzzulagen als steuerfrei im Sinne des § 68 EStG 1988 behandelt worden seien, sei dem Einspruch jedoch teilweise stattzugeben und entsprechend der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofes Verzugszinsen in der Höhe der gesetzlichen Zinsen zuzusprechen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur Zl. 98/08/0149 protokollierte Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus diesen Gründen begehrt wird. Die Erstbeschwerdeführerin führt im Wesentlichen aus, die belangte Behörde sei nicht an die Steuerbescheide gebunden und hätte auf Grund der aufgetretenen Bedenken und der Tatsache, dass keine Aufzeichnungen des Dienstgebers vorliegen, ein - einer steuerlichen Betriebsprüfung gleichkommendes - Ermittlungsverfahren durchführen müssen. Die belangte Behörde wäre dann auch für die Jahre 1990 bis 1992 zum gleichen Ergebnis wie für die Kalenderjahre 1989, 1993 und 1994 gekommen. Die Finanzbehörden hätten lediglich eine Routineüberprüfung durchgeführt und hiebei keinen Grund für Beanstandungen gefunden. Bei dieser Art der Überprüfung seien jedoch lediglich nur Stichproben gemacht worden. Hätte die Finanzbehörde den Zweitbeschwerdeführer eingehend überprüft, hätte sie die Lohn- (Einkommens)-Steuerpflicht der in Rede stehenden Schmutzzulagen feststellen müssen. Bei richtiger Beurteilung seien auch die Beiträge - soweit sie die in den Jahren 1990 bis 1992 gewährte Schmutzzulage betreffen - nicht zu Ungebühr entrichtet worden. Der Bescheidspruch hinsichtlich der Verpflichtung der Bezahlung von Verzugszinsen sei mangelhaft, weil weder der Betrag noch ein Berechnungszeitraum konkretisiert worden sei.

Der Zweitbeschwerdeführer macht in seiner zur Zl. 98/08/0159 protokollierten Beschwerde geltend, die belangte Behörde hätte auch für den Zeitraum 1. Jänner bis 31. Dezember 1989 und 1. Jänner bis 31. Dezember 1993 die Schmutzzulagen als beitragsfrei anerkennen und die darauf entrichteten Beiträge samt Guthabenzinsen der Erstbeschwerdeführerin zur Rückerstattung auftragen müssen. Auch sei der im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Ersatz der Zinsen unzureichend. Der Zweitbeschwerdeführer meint, die belangte Behörde habe zutreffend auf Grund des Bescheides der Finanzbehörden den Rückersatz der Beiträge für die Jahre 1990 bis 1992 ausgesprochen. Die belangte Behörde habe jedoch übersehen, dass seine Mitarbeiter auch im Zeitraum vor dem 1. Jänner 1990 und nach dem 31. Dezember 1992 gleichartige Tätigkeiten verrichtet hätten. Es läge sohin ein identer Sachverhalt vor und hätte daher die belangte Behörde bei unveränderter Rechtslage auch die Beitragsfreiheit in den Jahren 1989 und 1993 aussprechen müssen. Sollte man dieser Auffassung nicht folgen, würden sich aus den weiteren Überlegungen die Steuer- und Beitragsfreiheit der Schmutzzulagen ergeben. Die Beitragsfreiheit von Schmutzzulagen sei nach steuerrechtlichen Kriterien zu beurteilen. Die belangte Behörde gestehe zwar zu, dass die Friedhofsarbeiter Totengräberarbeiten durchführten, die eine erhebliche Verschmutzung bewirkten. Diese Arbeiter würden jedoch auch andere Arbeiten durchführen. Die belangte Behörde verneine die Beitragsfreiheit der Schmutzzulagen einzig mit der Begründung, dass ein zeitliches Überwiegen der erstgenannten Tätigkeiten mangels entsprechender Aufzeichnungen nicht habe festgestellt werden können. Das zeitliche Überwiegen erheblich verschmutzender Tätigkeit sei aber auch durch andere Beweismittel nachweisbar. Die belangte Behörde habe nicht erhoben, dass einerseits das Öffnen und Ausheben sowie das Schließen eines Grabes sehr zeitintensiv sei, die Mitarbeiter nicht während des gesamten Jahres beschäftigt, sondern nur kurzfristig während der Saison tätig geworden seien. Dazu komme, dass er laut seinem Vorbringen jährlich etwa 160 Beisetzungen durchzuführen habe. Im Hinblick auf die rund 210 Arbeitstage ergebe sich ein zeitliches Überwiegen dieser Tätigkeiten.

Hinsichtlich der Verpflichtung der Erstbeschwerdeführerin zum Ersatz der Verzugszinsen weist der Zweitbeschwerdeführer darauf hin, dass die belangte Behörde einen stufenweise abgestimmten Spruch hätte formulieren müssen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete jeweils eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der jeweiligen Beschwerde beantragt. Der Zweitbeschwerdeführer erstattete zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin, diese zur Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers jeweils eine Gegenschrift, in denen ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde des jeweils anderen Beschwerdeführers beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres Sachzusammenhanges verbunden und darüber erwogen:

Der angefochtene Bescheid erfasst Beitragszeiträume in den Jahren 1989 bis 1993. Im Hinblick auf die Zeitraumbezogenheit der Sozialversicherungsbeiträge ist das in diesen Perioden geltende Beitragsrecht anzuwenden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, 88/08/0094). Für das Kalenderjahr 1989 war daher § 49 Abs. 3 Z. 2 i.V.m. Z. 1 ASVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 749/1988 und für die Zeiträume ab 1. Jänner 1990 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 660/1989 anzuwenden.

Die Parteien der verwaltungsgerichtlichen Verfahren gehen übereinstimmend davon aus, dass der angefochtene Bescheid die Beitragszeiträume 1. Jänner 1989 bis 31. Dezember 1993 umfasst und dass es dabei - abgesehen von den im vorliegenden Fall offenbar nicht strittigen übrigen Voraussetzungen - darauf ankomme, ob die Zulage deshalb gewährt wurde, weil die zu leistenden Arbeiten "überwiegend unter Umständen erfolgen, die in erheblichem Maß zwangsläufig eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirken".

§ 49 Abs. 3 Z. 2 ASVG bindet die belangte Behörde nicht an die zu § 68 EStG 1988 ergehenden Bescheide der Finanzbehörden. Soweit daher die belangte Behörde eine solche Bindung für den Zeitraum 1. Jänner 1990 bis 31. Dezember 1992 annimmt, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Abgesehen davon liegt ein von der belangten Behörde angenommener Bescheid der Finanzbehörden nicht vor, weil der vom Zweitbeschwerdeführer vorgelegte Bescheid über die Lohnsteuerprüfung im Zeitraum 1. Jänner 1990 bis 31. Dezember 1993 die in Rede stehenden Schmutzzulagen nicht zum Gegenstand hat. Die belangte Behörde hätte allenfalls, wie die Erstbeschwerdeführerin ausführt, einen solchen Bescheid als Beweismittel zur Feststellung des hier maßgebenden Sachverhaltes heranziehen dürfen, soweit nicht das Ermittlungsverfahren Anlass zu Bedenken gibt oder solche Bedenken im Verfahren von einer Partei vorgetragen werden.

Der Zweitbeschwerdeführer weist zutreffend darauf hin, dass die belangte Behörde lediglich wegen des Fehlens von Aufzeichnungen über die Arbeiten und deren Dauer davon ausgegangen ist, dass ein zeitliches Überwiegen der Arbeiten, die "überwiegend unter Umständen erfolgen, die in erheblichem Maß zwangsläufig eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirken", nicht festgestellt werden kann. Dem Zweitbeschwerdeführer ist darin zu folgen, dass eine Einschränkung auf dieses Beweismittel, nämlich Aufzeichnungen des Dienstgebers, dem Gesetz nicht entnommen werden kann. Die Unterlassung eigener Ermittlungen und Feststellungen durch die belangte Behörde findet angesichts des Vorbringens des Zweitbeschwerdeführers im Einspruch keine Rechtfertigung. Der Zweitbeschwerdeführer hat hiezu vorgetragen, dass die Mitarbeiter, denen die Zulagen gewährt worden seien, vorwiegend mit dem Öffnen und Schließen von Gräbern betraut gewesen seien, es habe sich um rund 160 Beisetzungen pro Kalenderjahr gehandelt. Der Zweitbeschwerdeführer hat hiezu auch Beweisanbote gestellt. Damit ist er jedoch seiner ihn treffenden Mitwirkungspflicht, hinsichtlich der Beitragsfreiheit konkrete Behauptungen aufzustellen und geeignete Beweisanbote zu machen, nachgekommen (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 21. März 1995, 93/08/0006, und vom 16. Februar 1999, 96/08/0305). Dieser Mangel des Ermittlungsverfahrens betrifft den für die Entscheidung wesentlichen Sachverhalt während sämtlicher in Rede stehender Jahre.

Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich des Zeitraumes 1990 bis 1992 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 und im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Auf den Ersatz von Stempelgebühren besteht auf Grund der sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 Abs. 1 ASVG) kein Anspruch.

Wien, am 27. Juli 2001

Schlagworte

Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Entgelt Begriff Entschädigung Vergütung Entgelt Begriff Steuerrechtliche Behandlung Nachverrechnung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998080149.X00

Im RIS seit

28.12.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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