TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/27 98/08/0263

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Veröffentlicht am 27.07.2001
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §113 Abs1;
ASVG §113;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
AVG §38;
AVG §68 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der W Gesellschaft mbH & Co KG in K, vertreten durch Pichler & Weber, Rechtsanwälte & Strafverteidiger Kommanditpartnerschaft in 8750 Judenburg, Burggasse 61, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 13. Juli 1998, Zl. 5-s26n32/27 - 97, betreffend Beitragszuschlag gemäß § 113 ASVG (mitbeteiligte Partei: Stmk. Gebietskrankenkasse, 8011 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Kostenbegehren der belangten Behörde und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse werden abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 11. Juli 1996 sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, die Beschwerdeführerin habe die Meldepflicht verletzt, weshalb ihr ein Beitragszuschlag von S 17.000,-- gemäß § 113 Abs. 1 ASVG vorgeschrieben werde. Nach der Begründung dieses Bescheides sei am 24. April 1995 bei einer Beitragsprüfung festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin es unterlassen habe, in neun Fällen die Versicherungsanmeldung zu erstatten und in 14 Fällen es unterlassen habe, das Entgelt in beitragspflichtiger Höhe zu melden bzw. der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen.

Die Beschwerdeführerin erhob mit Schriftsatz vom 29. Juli 1996 einen als Berufung bezeichneten Einspruch. Darin führte sie aus, die Vorschreibung resultiere insbesondere aus den allfälligen Beitragsrückständen des S.B., welcher entgegen einer völlig eindeutigen Rechtslage als sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer eingestuft worden sei. Die Beschwerdeführerin habe hinsichtlich dieser Beitragsnachverrechnung die Erlassung eines Bescheides beantragt, ebenso hinsichtlich aller anderen Dienstnehmer. Da die Beitragsnachverrechnung Grundlage für den angefochtenen Bescheid sei, werde der Antrag gestellt, den bekämpften Bescheid dem gesamten Inhalte nach aufzuheben.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, mit rechtkräftigem Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales sei die Versicherungspflicht des S.B. nach dem ASVG und AlVG als technischer Angestellter bestätigt worden und die Berufung hinsichtlich der Beitragspflicht als unzulässig zurückgewiesen worden. Auf Grund dieser rechtskräftigen Vorfragenentscheidungen und der übrigen Aktenlage nehme es die Behörde als erwiesen an, dass die Beschwerdeführerin es unterlassen habe, für Pflichtversicherte in neun Fällen die Versicherungsanmeldung zu erstatten und in 14 Fällen das Entgelt in beitragspflichtiger Höhe zu melden bzw. der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen. Die Beschwerdeführerin habe unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt die genannten Meldeverstöße nach § 113 Abs. 1 Z. 1 und 3 ASVG i.V.m. den §§ 33 und 34 ASVG begangen. Gemäß § 113 Abs. 1 Z. 1 und 3 ASVG könne bei Nichterstattung einer Versicherungsanmeldung bzw. bei Meldung eines zu niedrigen Entgeltes ein Beitragszuschlag bis zum Doppelten der nachzuzahlenden Beiträge (1. objektive gesetzliche Obergrenze) vorgeschrieben werden. Nach der Judikatur sei der durch die Meldeverstöße verursachte pauschalierte Verwaltungsmehraufwand der Gebietskrankenkasse einschließlich des Zinsenentganges (Verzugszinsen) als zweite objektive Höchstgrenze für die Vorschreibung des Beitragszuschlages zu berücksichtigen. Nach § 113 Abs. 1 letzter Satz ASVG dürfe der Beitragszuschlag die Höhe der Verzugszinsen nicht unterschreiten, die ohne seine Vorschreibung auf Grund des § 59 Abs. 1 ASVG für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären (objektive gesetzliche Untergrenze). Im Beschwerdefall liege der vorgeschriebene Beitragszuschlag weit unter der ersten objektiven gesetzlichen Obergrenze und sei gleich hoch wie der pauschalierte Verwaltungsmehraufwand der Gebietskrankenkasse einschließlich des Zinsenentganges.

Bei Festsetzung des Beitragszuschlages seien insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners und die Art des Meldeverstoßes zu berücksichtigen. Auf die derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Dienstgebers könne nur insoweit Bedacht genommen werden, als sie umfassend und mit entsprechenden Unterlagen belegt offen gelegt werden. Eine derartige Offenlegung sei im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Bei der Vorschreibung eines Beitragszuschlages sei für das ob der Vorschreibung die Frage des Verschuldens des meldepflichtigen Dienstgebers nicht zu untersuchen. Die Art des Meldeverstoßes und damit das Verschulden des Dienstgebers an diesem Verstoß sei bei der Ermessensübung zur Bestimmung der Höhe des Beitragszuschlages innerhalb der objektiven Grenzen zu berücksichtigen. Auch im Hinblick auf die größtenteils gleichartigen Meldeverstöße sei der Beschwerdeführerin Fahrlässigkeit bei den Verstößen gegen die einschlägigen Meldebestimmungen anzulasten. Der Beitragszuschlag sei daher in Handhabung des im § 113 Abs. 1 ASVG eingeräumten freien Ermessens unter Beachtung der oben genannten objektiven Grenzen bemessen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Die Beschwerdeführerin erachtet sich ausschließlich hinsichtlich der Zuschläge auf Grund der Beitragsnachverrechnung für S.B. als in ihren Rechten verletzt. Sie führt in diesem Zusammenhang aus, die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass S.B. der Sozialversicherungspflicht unterlegen sei. Das Verfahren zur Feststellung der Versicherungspflicht des S.B. sei noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof sei zur Zl. 98/08/0171 anhängig. Die belangte Behörde wäre daher verhalten gewesen, mit ihrer Entscheidung bis zur rechtskräftigen Feststellung der Versicherungspflicht zuzuwarten.

Die belangte Behörde verwies im Vorlageschreiben darauf, dass die Akten dem Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales vorgelegt worden seien, sie von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand nehme, gleichzeitig beantragt sie jedoch Zuspruch des Aufwandersatzes.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für die Verpflichtung zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und damit auch für jene zur Entrichtung eines Beitragszuschlages, um den es im Beschwerdefall ausschließlich geht, ist die Frage, ob S.B. bei der Beschwerdeführerin im fraglichen Zeitraum in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG beschäftigt und demgemäß nach § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG vollversichert gewesen ist, eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG (vgl. hiezu das Erkenntnis vom 16. Mai 2001, 96/08/0089). Davon gehen auch die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aus. Die Beschwerdeführerin bekämpfte mit ihrem Einspruch lediglich die genannten Vorfragen. Hiezu ist anhand der zum Verfahren 98/08/0171 vorgelegten Akten Folgendes festzuhalten:

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat mit Bescheid vom 13. November 1996 über die Versicherungs- und Beitragspflicht hinsichtlich des S.B. abgesprochen. Den dagegen erhobenen Einspruch der Beschwerdeführerin gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 23. Oktober 1997 keine Folge. Die Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 16. April 1998 hinsichtlich der Vollversicherungspflicht keine Folge gegeben und hinsichtlich der Beitragspflicht als unzulässig zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Erkenntnis vom 16. Mai 2001, 98/08/0171, als unbegründet abgewiesen.

Während die belangte Behörde von einer Bindungswirkung des rechtskräftigen Bescheides des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 16. April 1998 hinsichtlich der Versicherungs- und Beitragspflicht ausgeht, meint die Beschwerdeführerin, die Bindungswirkung trete erst nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde ein. Dem gegenüber ist nach ständiger Rechtsprechung die Einspruchsbehörde nach Bejahung der Versicherungspflicht an diesen Bescheid bei Abspruch über die Beitragsnachverrechnung schon vor Rechtskraft gebunden, und zwar nicht nur dann, wenn über die Versicherungspflicht in einem gesonderten Bescheid abgehandelt wird, sondern auch dann, wenn beide Fragen in einem Bescheid erledigt werden (vgl. auch hiezu das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 2001, 96/08/0089). Dem gemäß hätte die belangte Behörde bereits mit ihrem Bescheid vom 23. Oktober 1997, mit welchem dem Einspruch hinsichtlich der Versicherungspflicht und Beitragspflicht keine Folge gegeben worden ist, zufolge der ausschließlichen Konzentrierung des Einspruches hinsichtlich des Beitragszuschlages auf diese Fragen auch über den Beitragszuschlag gemäß der Bindungswirkung ihres Bescheides entscheiden können. Einem Zuwarten bis zur Erledigung der Beschwerde gegen den Bescheid hinsichtlich der Versicherungspflicht bedurfte es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat abzuweisen.

Das Kostenbegehren der belangten Behörde auf Vorlageaufwand war abzuweisen, weil die Akten nicht dem Verwaltungsgerichtshof, sondern dem in einem anderen Verfahren angerufenen Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales vorgelegt wurden. Das Begehren auf Schriftsatzaufwand der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse war abzuweisen, weil sie nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. April 2001, 96/08/0053).

Wien, am 27. Juli 2001

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998080263.X00

Im RIS seit

14.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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