TE Vwgh Erkenntnis 2001/8/21 99/09/0068

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Veröffentlicht am 21.08.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
VStG §24;
VStG §51e Abs2;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 99/09/0070 E 21. August 2001 99/09/0069 E 21. August 2001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des K in H, vertreten durch Dr. Georg Freimüller, Universitätsdozent Dr. Alfred J. Noll, Dr. Alois Obereder und Mag. Michael Pilz, Rechtsanwälte in 108 Wien, Alserstraße 21, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 17. Februar 1999, K 19/05/98.052, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in einem Verwaltungsstrafverfahren nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 19. Oktober 1998 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 8. Oktober 1998, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 9. September 1998 (betreffend Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes) zu bewilligen, gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er rügte darin u.a. die mangelhafte Sachverhaltsfeststellung durch die Behörde erster Instanz und beantragte die Durchführung der Einvernahme der Zeugin S und seiner Parteienvernehmung als Bescheinigungsmittel. Der Berufungsantrag enthält u.a. den Eventualantrag auf Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch Anberaumung einer mündlichen Verhandlung (vor der belangten Behörde).

Mit dem - ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Februar 1999 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 in Verbindung mit § 71 AVG keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 19. Oktober 1998 bestätigt.

Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des bisherigen Verfahrensverlaufes in sachverhaltsmäßiger Hinsicht aus, der Beschwerdeführer habe am 15. September 1998 bei der Bezirkshauptmannschaft Oberwart "mündlich Berufung ergreifen wollen". Dabei sei darauf hingewiesen worden, dass "eine mündliche Berufung vor der Behörde zu erfolgen habe oder die Berufung schriftlich einzubringen sei." Für die Richtigkeit des Aktenvermerkes (gemeint: des Referenten der Bezirkshauptmannschaft Oberwart) spreche, dass der Beschwerdeführer am 23. September 1998 eine schriftliche Berufung verfasst habe. Eine Dispositionsunfähigkeit des Beschwerdeführers sei aus den im angefochtenen Bescheid näher dargelegten Erwägungen zu verneinen. Die Erkrankung der Büroangestellten und deren Fehler bei der Postabfertigung sei nicht als unvorhersehbares Ereignis zu werten und der Beschwerdeführer habe dabei nicht die gebotene Sorgfalt eingehalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinem gesamten Beschwerdevorbringen durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Bewilligung der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erklärte von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen und beantragte, die Beschwerde unter Zuerkennung des Vorlageaufwandes als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im Wesentlichen, dass die belangte Behörde unrichtige Sachverhaltsfeststellungen getroffen bzw. ihrer Entscheidung zugrunde gelegt habe, für die keine Grundlage durch ein Ermittlungsverfahren bestehe. Vielmehr habe die belangte Behörde die Durchführung der geboten gewesenen mündlichen Verhandlung unterlassen.

Gemäß § 51e Abs. 1 VStG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998) ist vor dem unabhängigen Verwaltungssenat dann, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder wenn nicht bereits aus der Aktenlage oder auf Grund ergänzender Erhebungen ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden.

Wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder wenn sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid oder nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder wenn im bekämpften Bescheid eine S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, dann kann nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle eine Verhandlung unterbleiben, es sei denn, dass eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt. Den Parteien ist eine von einer anderen Partei erhobene Berufung unter Hinweis auf diese Rechtsfolge mitzuteilen. Vor Erlassung des Bescheides ist den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu geben.

Nach Abs. 3 leg. cit. kann von der Verhandlung abgesehen werden, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der Verhandlung erfolgen. Wenn die Verhandlung wegen einer noch ausstehenden Beweiserhebung vertagt wird, dann kann der Verzicht bis zum Beginn der fortgesetzten Verhandlung erklärt werden. Dem Beschuldigten ist vor der Fällung des Straferkenntnisses Gelegenheit zu geben, sich zum Ergebnis der vorgenommenen Erhebungen zu äußern. Trotz des Verzichts der Parteien kann der Unabhängige Verwaltungssenat die Verhandlung durchführen, wenn er es für erforderlich erachtet.

Gemäß § 51i VStG ist dann, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung infolge des Verzichts auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 51e Abs. 3 dritter Satz entfallen ist.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung den von der Behörde erster Instanz ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt als mangelhaft (unvollständig) gerügt, die Einvernahme einer Zeugin sowie die Durchführung seiner Parteienvernehmung als Bescheinigungsmittel begehrt und (u.a.) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Demnach lag - auch wenn sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtete - im Beschwerdefall keiner der Ausnahmsfälle vor, in denen die mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat unterbleiben konnte. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war auch deshalb geboten, weil ohne Auseinandersetzung mit den angebotenen Bescheinigungsmitteln nicht beurteilt werden kann, ob der Beschwerdeführer sein Antragsvorbringen zu den Umständen seiner mündlichen Berufungserhebung bzw. der damit in Verbindung stehenden Belehrung durch die Bezirkshauptmannschaft Oberwart sowie hinsichtlich der Erkrankung seiner Büroangestellten zu bescheinigen vermag oder nicht.

Insoweit die belangte Behörde unter Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung das Antragsvorbringen in sachverhaltsmäßiger Hinsicht würdigte bzw. zum Nachteil des Beschwerdeführers von einem vom Antrag abweichenden Sachverhalt ausging, hat sie die Tatfragen nicht in einem gesetzmäßig durchgeführten Verfahren geklärt. Die belangte Behörde hätte die im Zusammenhang mit dem Wiedereinsetzungsantrag stehenden Tatfragen, soweit sie nicht vom Antragsvorbringen ausging, im Hinblick auf § 51e VStG (Unmittelbarkeit des Verfahrens) und unter Bedachtnahme darauf, dass dem Beschwerdeführer als Beschuldigten im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren nach dem AuslBG die durch Art. 6 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. Nr. 210/1958) festgelegten Verfahrensgarantien zu gewährleisten waren, nur durch Verwertung von in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gewonnenen Beweisergebnissen beantworten dürfen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1998, Zl. 97/09/0030, vom 12. Jänner 1999, Zl. 97/09/0051, vom 28. Juli 2000, Zl. 99/09/0164, und vom 28. September 2000, Zl. 99/09/0096).

Die belangte Behörde hat somit entgegen § 51e VStG die Durchführung der nach Lage des Beschwerdefalles erforderlichen öffentlichen mündlichen Verhandlung unterlassen und sie hätte bei deren Durchführung zu einem anderen Ergebnis kommen können. Dieser - im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK - wesentliche Verfahrensmangel führt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. August 2001

Schlagworte

Berufungsverfahren Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999090068.X00

Im RIS seit

09.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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