TE Vwgh Erkenntnis 1998/12/18 97/09/0030

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Veröffentlicht am 18.12.1998
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
MRK Art6;
VStG §5 Abs1;
VStG §51e Abs1;
VStG §51i;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des K in O, vertreten durch Dr. Norbert Stelzer, Rechtsanwalt in Fürstenfeld, Hauptstraße 15, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 16. Dezember 1996, Zl. E 19/05/96.025/4, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Güssing vom 1. August 1996 wurde das gegen den Beschwerdeführer wegen der ihm zur Last gelegten Tat, er habe am 19. Jänner 1996 den slowenischen Staatsangehörigen F ohne Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) beschäftigt, gemäß "§ 45 Abs. 1 lit. a und § 45 Abs. 2 VStG i. V.m. § 28 Abs. 1 AuslBG" eingestellt.

Dagegen erhob das Arbeitsinspektorat für den 16. Aufsichtsbezirk in Eisenstadt Berufung.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 16. Dezember 1996 wurde dieser Berufung Folge gegeben, der erstinstanzliche Bescheid betreffend die Verfahrenseinstellung behoben und der Beschwerdeführer der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a (in Verbindung mit § 3 Abs. 1) AuslBG dahingehend schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Zimmerei, Sägewerk und Holzbau KGesellschaft mbH zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 19. Jänner 1996 auf einer näher bezeichneten Baustelle in Oberwart den slowenischen Staatsangehörigen F entgegen den Bestimmungen des AuslBG beschäftigt habe. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, nicht der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nach dem AuslBG schuldig erkannt und dafür bestraft zu werden. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt im wesentlichen, daß die belangte Behörde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Unrecht unterlassen habe. Die vom Arbeitsinspektorat erhobene Berufung habe sich nicht gegen die Rechtsansicht der (im übrigen auch unzuständigen) Bezirkshauptmannschaft Güssing, sondern gegen die Beweiswürdigung und gegen die getroffenen Feststellungen gerichtet. Der Beschwerdeführer sei weder persönlich der Arbeitgeber noch der handelsrechtliche Geschäftsführer des Arbeitgebers gewesen, weil der verwendete Ausländer nicht für ihn bzw. die Zimmerei, Sägewerk und Holzbau KGesellschaft mbH, sondern für seine Kollegen D und I tätig geworden sei.

Der Beschwerde kommt schon aus folgenden Erwägungen Berechtigung zu:

Gemäß § 51 e Abs. 1 VStG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998) ist vor dem unabhängigen Verwaltungssenat dann, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder wenn nicht bereits aus der Aktenlage oder aufgrund ergänzender Erhebungen ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden.

Wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder wenn sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid oder nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder wenn im bekämpften Bescheid eine 3.000,-- S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, dann kann nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle eine Verhandlung unterbleiben, es sei denn, daß eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt. Den Parteien ist eine von einer anderen Partei erhobene Berufung unter Hinweis auf diese Rechtsfolge mitzuteilen. Vor Erlassung des Bescheides ist den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu geben.

Nach Abs. 3 leg. cit. kann von der Verhandlung abgesehen werden, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der Verhandlung erfolgen. Wenn die Verhandlung wegen einer noch ausstehenden Beweiserhebung vertagt wird, dann kann der Verzicht bis zum Beginn der fortgesetzten Verhandlung erklärt werden. Dem Beschuldigten ist vor der Fällung des Straferkenntnisses Gelegenheit zu geben, sich zum Ergebnis der vorgenommenen Erhebungen zu äußern. Trotz des Verzichts der Parteien kann der Unabhängige Verwaltungssenat die Verhandlung durchführen, wenn er es für erforderlich erachtet.

Gemäß § 51 i VStG ist dann, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung infolge des Verzichts auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 51 e Abs. 3 dritter Satz entfallen ist.

Die belangte Behörde hat außer acht gelassen, daß im Beschwerdefall zunächst die wesentliche, jedoch strittige Tatfrage zu klären war, ob die vom Beschwerdeführer (als handelsrechtlicher Geschäftsführer) vertretene Gesellschaft mbH am 19. Jänner 1996 den Ausländer als Arbeitgeber im Sinn des § 3 Abs. 1 AuslBG beschäftigt hat, oder ob dieser Ausländer - wie der Beschwerdeführer behauptete - nicht von dieser Gesellschaft mbH beschäftigt bzw. im Sinn des § 2 Abs. 2 AuslBG verwendet wurde. Diese Tatfrage wurde von der belangten Behörde nicht in einem gesetzmäßig durchgeführten Verfahren geklärt. Die belangte Behörde hätte nämlich diese Tatfrage im Hinblick auf § 51 e VStG (Unmittelbarkeit des Verfahrens) und unter Bedachtnahme darauf, daß dem Beschwerdeführer als Beschuldigten im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren nach dem AuslBG die durch Art. 6 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. Nr. 210/1958) festgelegten Verfahrensgarantien zu gewährleisten waren, nur durch Verwertung von in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gewonnenen Beweisergebnisse beantworten dürfen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 6. März 1997, Zl. 95/09/0207, und die darin angegebene hg. Vorjudikatur). Steht im Beschwerdefall demnach aber schon in sachverhaltsmäßiger Hinsicht nicht fest, wer die inkriminierte Beschäftigung des slowenischen Staatsangehörigen F zu verantworten hat (vgl. insoweit auch das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/09/0232), dann fehlt den (gestützt auf § 5 Abs. 1 VStG) zur subjektiven Tatseite angestellten rechtlichen Erwägungen der belangten Behörde schon die erforderliche Grundlage, daß dem Beschwerdeführer der objektive Tatbestand des angelasteten Ungehorsamsdeliktes zuzurechnen sei.

Gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG ist vom Verwaltungsgerichtshof der vor ihm angefochtene Bescheid aufzuheben, wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Im vorliegenden Fall läßt sich nicht ausschließen, daß die belangte Behörde bei Beachtung der Bestimmungen der §§ 51 e und 51 i VStG und unter Wahrung der dem Beschwerdeführer in der Verhandlung zukommenden Mitwirkungsbefugnisse zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde entsprechend dem Ergebnis der erforderlichen Klärung des für die verpönte Beschäftigung verantwortlichen Arbeitgebers die danach allenfalls erhebliche Frage der örtlichen Zuständigkeit der Strafbehörde erster Instanz zu beachten haben, ist vorläufig doch auch ungewiß, in welchem Sprengel die Übertretung nach § 28 AuslBG begangen worden ist (vgl. hiezu auch die hg. Erkenntnisse vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/09/0258, vom 23. Februar 1994, Zl. 93/09/0173, und vom 18. Oktober 1996, Zl. 95/09/0073).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Dezember 1998

Schlagworte

Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht Arbeiterschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997090030.X00

Im RIS seit

24.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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