RS UVS Oberösterreich 2002/02/08 VwSen-550053/5/Kl/Rd

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Veröffentlicht am 08.02.2002
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Rechtssatz

Gemäß § 59 Oö. Vergabegesetz, LGBl. Nr. 59/1994 idF LGBl. Nr. 79/2000, ist ein Nachprüfungsantrag, der sich gegen die Zuschlagsentscheidung richtet, nur zulässig, wenn der Antragsteller eine Mitteilung gemäß § 31 Abs.4 beantragt hat und ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Mitteilung einzubringen.

Gemäß § 59 Abs.1a leg.cit. ist die Zuschlagserteilung in der Zeit zwischen der Zuschlagsentscheidung und dem Ende der Frist für die Einbringung eines dagegen gerichteten Nachprüfungsantrages (Abs.1 letzter Satz) unzulässig. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Zum Nachprüfungsantrag hat die belangte Behörde zunächst zu Recht dargelegt, dass die Voraussetzungen für diesen Antrag gemäß § 59 Abs.1 leg.cit. erfüllt sind. Allerdings geht die belangte Behörde weiters davon aus, dass ein Zuschlag bereits erteilt wurde und daher ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 59 Abs.1 leg.cit. vor erfolgter Zuschlagserteilung nicht in Betracht kommt bzw der Antrag unzulässig ist. Diesen Ausführungen kann durch den Oö. Verwaltungssenat nicht gefolgt werden.

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes liegt auf der Hand, dass die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung am 10.12.2001 bei der Bw einlangte, diese innerhalb einer Woche einen Antrag auf Mitteilung nach § 31 Abs.4 Oö. Vergabegesetz stellte und diesem Antrag mit 17.12.2001 nachgekommen wurde. Innerhalb von weiteren zwei Wochen, also jedenfalls bis zum 31.12.2001 stand die Frist zur Einbringung eines Nachprüfungsantrages offen und war daher eine Zuschlagserteilung gemäß § 59 Abs.1a Oö. Vergabegesetz unzulässig. Es war daher die Zuschlagserteilung vom 17.12.2001 unzulässig. In diesem Zusammenhang stellt sich aber die grundsätzliche Frage, welche Rechtswirkung die gesetzliche Erklärung der Unzulässigkeit hat.

Festgestellt wird, dass die Bestimmung des § 59 Abs.1a Oö. Vergabegesetz durch die Oö. Vergabegesetz-Novelle 2000, LGBl. Nr. 45/2000 eingefügt wurde. In der Regierungsvorlage zur Oö. Vergabegesetz-Novelle 2000, Beilage 782/2000, zum kurzschriftlichen Bericht des Oö. Landtages, XXV.

Gesetzgebungsperiode, wurde zu dieser Bestimmung ausgeführt:

"Die derzeitige Regelung über das Zuschlagsverbot dient dem Schutz der Bieter vor der Schaffung vollendeter Tatsachen durch den Auftraggeber, der ansonsten während eines anhängigen Nachprüfungsverfahrens plötzlich den Zuschlag erteilen könnte. Da nunmehr die Zuschlagserteilung durch Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung anzukündigen ist, besteht dieses Schutzbedürfnis nur mehr zwischen der Zuschlagsentscheidung bis zum Ende der Frist für die Einbringung des Nachprüfungsantrages. Nach Einbringung des Nachprüfungsantrages kann die Zuschlagserteilung - so wie bisher - durch einstweilige Verfügung ausgesetzt werden. Im Zusammenhalt mit Abs.1 und § 31 Abs.4 ergibt sich somit, dass, wenn zwar eine Begründung beantragt aber kein Nachprüfungsantrag gestellt wird, die Zuschlagserteilung maximal vier Wochen (zuzüglich des Postenlaufes) gehemmt werden kann."

Schon aus diesen Ausführungen erhellt, dass das gesetzliche Zuschlagsverbot eine Zuschlagserteilung verunmöglichen will, also die Zuschlagserteilung (für maximal vier Wochen) hemmen will. Eine Sanktion für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Zuschlagsverbot wurde allerdings vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich ausgesprochen.

Ein Vergleich mit dem Bundesvergabegesetz zeigt, dass eine entsprechende Regelung im § 53a Bundesvergabegesetz 1997 durch die Novelle BGBl. I Nr. 125/2000 getroffen wurde, wobei im Abs. 2 der Bestimmung festgelegt ist, dass "der Zuschlag bei sonstiger Nichtigkeit nicht innerhalb einer Stillhaltefrist von zwei Wochen ab Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung gemäß Abs.1 erteilt werden darf". Wesentlich bei dieser Bestimmung ist, dass schon der Gesetzgeber für den Fall der Zuwiderhandlung die Sanktion der Nichtigkeit des Zuschlags, also die Nichtigkeit des Vertrages geregelt hat. Im Bericht des Verfassungsausschusses, XXI. Gesetzgebungsperiode, Beilage Nr. 360, zu den stenographischen Protokollen NR, wird dazu angeführt: "Diese Anpassungen betreffend die 'Umsetzung' des Ökopunkte-Erkenntnisses des EuGH und die befristete bundesverfassungsrechtliche Absicherung des Status quo im Bereich der Rechtsschutzorganisation."

Auch im zur Begutachtung versendeten Entwurf eines Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2002 - BVergG) Stand 19.12.2001, 11.45 Uhr, ist im § 98 Abs.1 Satz 1 vorgesehen: "Der Zuschlag darf bei sonstiger Nichtigkeit nicht innerhalb einer Stillhaltefrist von zwei Wochen ab Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung gemäß Abs.1 erteilt werden ...". In den Erläuterungen hiezu wird ausgeführt: "Im Lichte des Erkenntnisses des EuGH in der Rs C-81/98, Alcatel u.a. ("Ökopunkte") wird nunmehr die organisationsinterne Zuschlagsentscheidung einem Bekanntmachungsverfahren unterworfen. Ein entgegen den Vorschriften des Abs.1 erteilter Zuschlag ist zivilrechtlich nichtig, dh, der Leistungsvertrag zwischen Auftraggeber und Bieter entfaltet ex tunc keine Wirkung. Durch diese Sanktion wird sichergestellt, dass dem Erkenntnis des EuGH in ausreichender Weise Rechnung getragen wird." In weiterer Folge wird auch in § 170 Abs.7 des BVergG 2002 angeordnet, dass der Auftraggeber bei sonstiger Nichtigkeit den Zuschlag bis zur Entscheidung über den Antrag (auf einstweilige Verfügung) nicht erteilen darf. Auch diese Bestimmung begründen die Erläuterungen "als flankierende Maßnahme zur effektiven 'Umsetzung' des Urteils des EuGH in der Rs C-81/98 (Alcatel "Ökopunkte")."

Schon aus diesen Gesetzesmaterialien ist ersichtlich, dass sowohl der Oö. Landesgesetzgeber als auch der für die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes zuständige Bundesgesetzgeber dem Zuschlagsverbot in der Sperrfrist mit einer absoluten Nichtigkeit (mit ex tunc Wirkung) zum Durchbruch verhelfen wollen.

Jedenfalls sind aber sowohl die Bestimmungen des Vergabegesetzes des Bundes als auch des Landes in Umsetzung des Gemeinschaftsrechtes, gegenständlich insbesondere der RL 89/665/EWG des Rates vom 21.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge sowie der dazu ergangenen Judikatur des EuGH ergangen. Insbesondere hat der EuGH in der Rechtssache C-81/98 (Alcatel "Ökopunkte") ausgesprochen, dass Art. 2 Abs.1 Buchstaben a und b iVm Abs.6 Unterabs.2 der RL 89/665 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die dem Vertragsschluss vorangehende Entscheidung des Auftraggebers darüber, mit welchem Bieter eines Vergabeverfahrens er den Vertrag schließt, in jedem Fall einem Nachprüfungsverfahren zugänglich zu machen, in dem die übergangenen Bieter unabhängig von der Möglichkeit, nach dem Vertragsabschluss Schadenersatz zu erlangen, die Aufhebung der Entscheidung erwirken können, wenn die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind. In der Randnummer 33 und 34 führt er dazu aus, dass sich aus der ersten und zweiten Begründungserwägung der RL ergibt, dass die RL 89/665 darauf gerichtet ist, die auf einzelstaatlicher Ebene wie auf Gemeinschaftsebene vorhandenen Mechanismen zur Durchsetzung der Gemeinschaftsrichtlinien im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zu verstärken, vor allem dann, wenn Verstöße noch beseitigt werden können. Insoweit sind nämlich die Mitgliedstaaten nach Art.1 Abs.1 der RL 89/665 verpflichtet, wirksame und möglichst rasche Nachprüfungsverfahren einzuführen, um sicherzustellen, dass die Gemeinschaftsrichtlinien im Bereich des öffentlichen Auftragswesens beachtet werden. Weiters stellt er fest, dass sich schon aus dem Wortlaut von Art.2 Abs.6 der RL 89/665 ergibt, dass die dort vorgesehene Beschränkung der Nachprüfungsverfahren nur die nach Abschluss des der Zuschlagsentscheidung folgenden Vertrages bestehende Lage betrifft. So unterscheidet die RL 89/665 zwischen dem Vertragabschluss vorausgehenden Stadium, auf das Art.2 Abs.1 anwendbar ist und dem im nachfolgenden Stadium, für das ein Mitgliedsstaat nach Art.2 Abs.6 Unterabs.2 vorsehen kann, dass die Befugnisse der Nachprüfungsinstanz darauf beschränkt sind, einer durch einen Rechtsverstoß geschädigten Person Schadenersatz zuzuerkennen. Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass die wichtigste Entscheidung des Auftraggebers, nämlich der Zuschlag, systematisch den Maßnahmen entzogen wäre, die gemäß Art.2 Abs.1 der RL 89/665 im Rahmen der Nachprüfung nach Art.1 zu ergreifen sind. Damit wäre das in Randnummer 34 dieses Urteils in Erinnerung gerufene Ziel der RL 89/665 in Frage gestellt, wirksame und rasche Verfahren einzuführen, mit denen rechtswidrige Entscheidungen des Auftraggebers zu einem Zeitpunkt nachgeprüft werden können, zu dem Verstöße noch zu beseitigen sind. Auch die fehlende Festlegung einer Zeitspanne zwischen der Zuschlagsentscheidung und dem Vertragsschluss kann nach dem Urteil des EuGH keine Auslegung der RL 89/665 rechtfertigen, aufgrund deren die Entscheidungen über den Zuschlag öffentlicher Aufträge systematisch den Maßnahmen entzogen wären, die gemäß Art.2 Abs.1 der RL 89/665 im Rahmen der Nachprüfung nach Art.1 zu ergreifen sind.

Es kann daher unter Beachtung des Grundsatzes des Vorranges des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Recht, konkret also der Bestimmungen der RL 89/665 und der dazu ergangenen Judikatur des EuGH die im anzuwendenden § 59 Abs.1a Oö. Vergabegesetz geregelte Unzulässigkeit der Zuschlagserteilung in der  Zeit zwischen Zuschlagsentscheidung und der Frist zur Einbringung eines Nachprüfungsantrages gemeinschaftsrechtskonform nur so interpretiert werden, dass das Zuschlagsverbot eine Rechtsunwirksamkeit des Zuschlags ex tunc und damit zivilrechtlich eine Nichtigkeit des Vertrages bewirkt.

Es hat der VfGH im Erkenntnis vom 21.6.2001, B 2037/99, betreffend die analoge Regelung des § 109 Abs.8 BVergG ausgesprochen, dass der vergebenden Stelle somit verwehrt ist, innerhalb der Sperrfrist den Zuschlag zu erteilen. Eine andere Interpretation führte nämlich zum Ergebnis, dass es der Auftraggeber in der Hand hätte, durch Abschluss eines Vertrages innerhalb der Sperrfrist den vergabespezifischen Rechtsschutz zu unterlaufen, da schließlich nach Zuschlagserteilung eine Zuständigkeit des BVA zur Erlassung einstweiliger Verfügungen und zur Nichtigerklärung von Entscheidungen nicht mehr besteht. Dies widerspräche nicht nur dem System des geteilten Rechtsschutzes im Vergaberecht (vgl. VfSlg. 15.106/1998), sondern stünde auch in Widerspruch zu den Anforderungen, die sich nach der Entscheidung des EuGH vom 28.10.1999, Rs C-81/98, Alcatel Austria AG ua, Slg. 1999, I- 7671 ff, aus der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG ergeben. Die Unmöglichkeit und damit Nichtigkeit des Zuschlages in der Sperrfrist sieht daher der VfGH als unabdingbar, um einen effektiven Rechtsschutz iSd Rechtsmittel-RL und der dazu ergangenen EuGH-Judikatur zu gewährleisten.

Dieser Grundsatz ist auch - unbeschadet der fehlenden ausdrücklichen Nichtigkeit im Oö. Vergabegesetz - auf das Oö. Vergabegesetz anzuwenden.

Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen hat daher ein wirksamer Zuschlag noch nicht stattgefunden, weshalb ein Nachprüfungsantrag gegen die Zuschlagsentscheidung (vor erfolgter Zuschlagserteilung) zulässig ist. Es war daher in der Stattgabe der Berufung der angefochtene Bescheid über die Zurückweisung des Antrages aufzuheben.

Aber auch die zivilrechtlichen Erwägungen der Bw - die allerdings nicht unmittelbar im Nachprüfungsverfahren zum Tragen kommen - führen zum selben Ergebnis.

Wie bereits oben aufgezeigt wurde, bringt sowohl der Bundesvergabegesetzgeber ausdrücklich als auch der Landesvergabegesetzgeber indirekt durch das Zuschlagsverbot in der Stillhaltefrist (Frist zur Einbringung des Nachprüfungsantrages gegen die Zuschlagsentscheidung) zum Ausdruck, dass durch das Zuschlagsverbot eine Zuschlagserteilung und damit das Zustandekommen eines Vertrages (zB gemäß § 31 Abs.6 Oö. Vergabegesetz) gehemmt werden soll. Es ist daher zur Beurteilung des Vertrages als zivilrechtliches Rechtsgeschäft § 879 Abs.1 ABGB heranzuziehen, wonach ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, nichtig ist. Das verbotene Geschäft ist nur nichtig, wenn dies in der Verbotsnorm ausgesprochen ist oder wenn dies der Zweck der Verbotsnorm erfordert. Dabei tritt die Nichtigkeit nur in dem Umfang ein, als es der Zweck der Verbotsnorm erfordert (vgl. Dittrich-Tades, ABGB, 33. Auflage, S. 360f mJN). Während das Bundesvergabegesetz ausdrücklich die Nichtigkeit des verbotenen Vertrages ausspricht, ist nach dem Willen des Gesetzgebers des Oö. Vergabegesetzes ein ebenfalls dahin gerichteter Zweck der Verbotsnorm ersichtlich. Es ist daher auch aus nationalen zivilrechtlichen Überlegungen - welche allerdings erst in einem zivilgerichtlichen Verfahren anzustellen sind - von der Nichtigkeit des Vertragsverhältnisses auszugehen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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