RS UVS Tirol 2003/04/17 2003/20/090-1

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 17.04.2003
beobachten
merken
Rechtssatz

Dass ein Straftäter, der wegen Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 (alte Fassung) StGB, des Verbrechens des sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 207 Abs 1 (neue Fassung) StGB und des Vergehens des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2,5 Jahren verurteilt wurde ? trotz des Bestehens von 15 gerichtlichen Vorstrafen ? nicht erst rund 6 Jahre nach Beendigung des strafbaren Verhaltens seine Zuverlässigkeit wieder erlangen würde und mit einer wesentlich kürzeren Entziehungsdauer das Auslangen hätte gefunden werden können, sprach der VwGH in seinem Erkenntnis vom 22.4.2002, Zl 2001/11/0195, aus. Wenn der Verwaltungsgerichtshof in einem derartigen Fall von der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit nach einem wesentlich kürzeren Zeitraum als 6 Jahre (höchstens also 4 oder 5 Jahre) nach der letzten Tathandlung ausgeht, so bedeutet dies, bezogen auf den gegenständlichen Fall, dass Verneinen der Verkehrszuverlässigkeit 4,5 Jahre nach der letzten Tathandlung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht in Einklang gebracht werden kann.

 

Darüber hinaus vertritt die Berufungsbehörde ebenso wie das Berufungsgericht im gerichtlichen Strafverfahren die Auffassung, dass die mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2002 erfolgte Änderung des Strafgesetzbuches durch Einführung des § 207b bei gleichzeitigem Entfall des § 209 (insoweit seit 14.8.2002 in Kraft) nicht völlig unbeachtet gelassen werden kann. Homosexuelle Handlungen, wie sie dem Berufungswerber vorgeworfen wurden, sind nach der neuen Rechtslage nicht mehr in jedem Fall strafbar. Der Gesetzgeber pönalisiert in § 207b heterosexuelle und homosexuelle Kontakte zwischen dem Täter und einer Person vor Vollendung des 16. bzw. 18. Lebensjahres nur noch unter speziellen, in den Abs 1 bis 3 normierten Voraussetzungen und stattete die drei Tatbilder überdies mit (gegenüber § 209 StGB) deutlich reduzierten Strafdrohungen aus und machte damit eine geänderte Güterwertung bzw. Wertung der Strafwürdigkeit in diesem Bereich deutlich. Nach Ansicht des Oberlandesgerichtes Innsbruck wäre es unbillig, bei der Sanktionierung der den Berufungswerber angelasteten Taten, die kurze Zeit später erfolgte Strafrechtsänderung bloß aufgrund der seinerzeit bestehenden Strafzumessungsgründe zu sanktionieren. In Bezug auf das verwaltungsbehördliche Verfahren ist diese vom Gesetzgeber im Strafrechtsänderungsgesetz 2002 zum Ausdruck kommende geänderte Güterwertung insoweit zu berücksichtigen, als die Verwerflichkeit eines Fehlverhaltens auch in der Strafdrohung zum Ausdruck kommt. Eine vom Gesetzgeber vorgenommene Änderung der Strafdrohung bedeutet somit auch eine Änderung des dadurch zum Ausdruck gebrachten Unwerturteils und hat dementsprechend auch als eines von mehreren Wertungskriterien bei der Beurteilung der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit einzufließen. Es wäre daher unbillig, die durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2002 herbeigeführte Änderung der Rechtslage für die Beurteilung des gegenständlichen Falles völlig außer Betracht zu lassen.

 

Wie bereits auch vom Berufungswerber eingeräumt, bedarf es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Beurteilung der mangelnden Verkehrszuverlässigkeit weder eines ärztlichen Gutachtens noch etwa einer verkehrspsychologischen Untersuchung (vgl VwGH vom 28.6.2001, Zl 2001/11/0153). Das im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Gutachten des Ass.-Prof. Dr. Ludwig. W. Pilsz betrifft im Wesentlichen die Beurteilung der verkehrspsychologischen Eignung zum Lenken von KFZ der Gruppe 1. Im gegenständlichen Verfahren geht es jedoch um die Beurteilung einer Charaktereigenschaft anhand der vom Berufungswerber begangenen strafbaren Handlungen. Die im genannten Gutachten getroffenen Ausführungen sind daher für die Beurteilung der hier maßgeblichen Rechtsfrage nicht unmittelbar heranzuziehen. Allerdings ergeben sich aus dem Gutachten keinerlei Anhaltspunkte, die gegen die Annahme des Erreichens der Verkehrszuverlässigkeit zum Zeitpunkt des Ergehens des Mandatsbescheides sprechen würden, zumal darin auch positive Verhaltensänderungen angeführt sind, wie etwa totale Alkoholabstinenz seit diesen Vorfällen und zumindest ansatzweises Aufarbeiten der Delikte mit Hilfe von Gesprächen mit dem Hausarzt.

 

Ist seit der Begehung der einer bestimmten Tatsache gemäß § 7 Abs 1 oder 2 (nunmehr 3) FSG darstellenden strafbaren Handlung bereits so lange Zeit verstrichen, dass die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach diesen Gesetzesstellen nicht mehr gerechtfertigt ist, darf die Lenkerberechtigung nicht mehr entzogen werden und zwar auch dann nicht, wenn die Erlassung des Entziehungsbescheides zu einem früheren Zeitpunkt mangels Abschlusses eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens nicht möglich gewesen ist (VwGH vom 23.4.2002, Zl 2001/11/0406).

Schlagworte
Unzucht, Unmündigen, Änderung, Strafgesetzbuches, so, lange Zeit, verstrichen
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten