TE UVS Niederösterreich 1992/04/16 Senat-TU-91-006

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Veröffentlicht am 16.04.1992
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51/1991, Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid aufgehoben. Gemäß §45 Abs1 Z2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52/1991, wird die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Text

Die Bezirkshauptmannschaft xx hat gegen Herrn Dr M L das

Straferkenntnis vom 25. April 1991,           , erlassen. Darin

wurde diesem zur Last gelegt, er habe als Lenker des Geländewagen,

KZ       am 28. September 1990 um 17,37 Uhr im Gemeindegebiet von T

auf der L xx nächst dem Strkm 3,0, Kreuzung mit der Auffahrt zur

B xx (Umleitungsstrecke), Fahrtrichtung N

1) Beim Vorschriftszeichen "Halt" nicht vor der Kreuzung angehalten und

2) als Wartepflichtiger durch Kreuzen einen vorrangberechtigten Fahrzeuglenker zum unvermittelten Bremsen und Ablenken seines Fahrzeuges genötigt.

Aus diesem Grund hat die Behörde folgende Verwaltungsstrafen verhängt:

Zu 1) gemäß §19 Abs4 letzter Satz iVm §52 Z24 erster Satz und §99 Abs3 lita StVO 1960 S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Stunden), zu 2) gemäß §19 Abs7 iVm §99 Abs3 lita StVO 1960 S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden).

Gemäß §64 Abs2 VStG wurden an Kosten des Verfahrens der Behörde erster Instanz 10 % der verhängten Geldstrafen, insgesamt somit S 150,-- vorgeschrieben.

 

Gegen diese Entscheidung hat der Beschuldigte rechtzeitig berufen und geltend gemacht, daß ein Gendarmeriebeamter am Tatort den Verkehr geregelt habe. Er habe im Vertrauen auf die Verkehrsregelung durch den Gendarmeriebeamten weder vor dem Vorschriftszeichen "Halt" anhalten müssen, noch eine Vorrangverletzung begangen.

 

Zu Folge dieser Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat für das Land NÖ am 27. März 1992 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Dabei hat Herr Bez Insp  L H, einer der beiden Meldungsleger, nach Erinnerung an seinen Diensteid angegeben, daß er sich mit seinem Kollegen, Herrn Rev Insp  W, zum Tatzeitpunkt an der gegenständlichen Kreuzung befunden hätte:

 

Er hätte seiner Erinnerung nach nicht in der Mitte der Kreuzung gestanden, so daß er diese geregelt hätte, sondern sei am Fahrbahnrand der L xx gestanden. Er und sein Kollege seien ausschließlich zur Überwachung der Stoptafel dort gestanden. Sie hätten nicht die Aufgabe zur Verkehrsregelung gehabt.

 

Herr Bez Insp  H sei mit der Brust zur L xx bzw Richtung B xx Zubringer gestanden und mit dem Rücken zu einem Feldweg. Seine linke Schulter habe Richtung N gezeigt, seine andere Schulter Richtung T. In dieser Grundstellung habe er jedoch keine Armzeichen gegeben, um den Verkehr zu regeln. Wie er die Arme gehalten habe, könne er nicht mehr angeben.

 

In dieser Situation sei auf der L xx aus Richtung N ein Fahrzeug gekommen und hätte nach links auf die B xx einbiegen wollen. Der Beschuldigte sei jedoch diesem Fahrzeug auf der L xx entgegen gekommen und hätte mit einer geringen Geschwindigkeit (möglich: 15 km/h) die Kreuzung übersetzt, ohne vor der Stoptafel bzw vor der dort befindlichen Haltelinie anzuhalten.

Durch dieses Fahrmanöver sei der Gegenverkehr zum langsamen Abbremsen genötigt worden. Dieser konnte seine Fahrt nicht ungehindert fortsetzen. Der Gegenverkehr sei durch das Fahrmanöver des Beschuldigten beim Einbiegevorgang verzögert worden, wobei es sich aber um keine unfallträchtige Verkehrssituation gehandelt hätte.

 

Darauf hat der weitere damals am Tatort befindliche Gendarmeriebeamte, Herr Rev Insp  W als Zeuge befragt angegeben, daß ihm nicht mehr erinnerlich sei, wo sich sein damaliger Standort befunden hätte.

 

Dazu ist seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates für das Land NÖ als Berufungsbehörde auszuführen:

 

Entgegen den Ausführungen des Gendarmeriebeamten Bez Insp  H, welcher der Meinung ist, daß er den Verkehr zum gegenständlichen Tatzeitpunkt nicht geregelt habe, ist zunächst festzuhalten, daß nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates dennoch Merkmale einer geregelten Kreuzung vorhanden waren:

 

Hält ein auf der Fahrbahn stehender Verkehrsposten einen Arm oder beide Arme parallel zu den Fahrtrichtungen, so gilt dies als Zeichen für "Freie Fahrt" für den Verkehr in diesen Fahrtrichtungen (§37 Abs5 erster Satz StVO 1960). - Dabei darf gemäß Abs6 ein Verkehrsposten, nachdem er die Armzeichen gemäß Abs5 gegeben hat, die Arme wieder senken. In diesem Fall sind die senkrecht zur Brust und zum Rücken des Verkehrspostens verlaufenden Fahrtrichtungen gesperrt.

 

Dem Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung ist keineswegs zu entnehmen, daß der Verkehrsposten im Kreuzungsmittelpunkt stehen muß. Es ist bloß Voraussetzung, daß sich der Verkehrsposten auf der Fahrbahn befindet. Dabei ist unter Fahrbahn der für den Fahrzeugverkehr bestimmte Teil der Straße zu verstehen (§2 Z2 StVO 1960).

 

Der Zeugenaussage des Meldungslegers vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist jedoch eindeutig zu entnehmen, daß sich der Meldungsleger auf der Fahrbahn, wenn auch bloß am Fahrbahnrand, befunden hat. Seine Grundstellung, die er darüberhinaus innehatte, entsprach dabei nach den Darstellungen des Zeugen eindeutig einer Position, wie sie noch einer Verkehrsregelung nach §37 Abs6 StVO 1960 entspricht.

 

Selbst wenn also davon auszugehen ist, daß der Gendarmeriebeamte den Verkehr tatsächlich nicht regeln wollte, so ist im Sinne der Rechtfertigung des Beschuldigten wenigstens festzuhalten, daß dieser bei Ansichtigwerden der Stellung des Gendarmeriebeamten sehr wohl vom Vorliegen einer geregelten Kreuzung ausgehen konnte.

 

Dem Beschuldigten kann die unter Punkt 1) angelastete Verwaltungsübertretung daher nicht vorgeworfen werden, da er entsprechend der gegebenen Situation, soweit diese noch vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat rekonstruierbar war, durchaus vom Vorhandensein einer (durch einen Gendarmeriebeamten) geregelten Kreuzung ausgehen konnte. Auf einer geregelten Kreuzung besteht aber keine Verpflichtung vor dem Vorschriftszeichen "Halt" anzuhalten.

 

Aus dem gleichen Grund mußte der Beschuldigte im Vertrauen auf die Grundstellung des Meldungslegers auch nicht gegenüber dem entgegenkommenden, nach links abbiegenden Fahrzeug anhalten, da wiederum unter der Annahme, daß das Vorschriftszeichen "Halt" aufgrund einer Verkehrsregelung keine Geltung hatte, dazu keine Verpflichtung bestand.

 

Abgesehen davon ist der Zeugenaussage des Meldungslegers zu entnehmen, daß der Lenker des Fahrzeuges, welchem der Beschuldigte angeblich den Vorrang genommen habe, weder zu unvermitteltem Bremsen, noch zum Ablenken seines Fahrzeuges genötigt wurde. Damit steht jedoch fest, daß die unter Punkt 2) angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen wurde. - Nur dann, wenn ein Wartepflichtiger einen Vorrangberechtigten zu unvermittelten Bremsen oder zum Ablenken des Fahrzeuges nötigt, kann im Sinne des §19 Abs7 StVO 1960 von einer Vorrangverletzung gesprochen werden. Dies war jedoch offenbar nicht der Fall.

 

Gemäß §45 Abs1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umnstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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