TE UVS Niederösterreich 1993/08/16 Senat-MD-93-472

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Veröffentlicht am 16.08.1993
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG, BGBl Nr 51/1991, keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis in seinen von der Berufung umfaßten Punkten 1,2 und 4 des Spruches vollinhaltlich bestätigt.

 

Die Berufungswerberin hat gemäß §64 VStG, BGBl Nr 52/1991, S 1.200,-- als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens binnen 2 Wochen ab Zustellung dieses Bescheides zu zahlen.

 

Innerhalb gleicher Frist sind der Strafbetrag und die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu zahlen (§59 Abs2 AVG).

Text

Mit den bekämpften Punkten 1, 2 und 4 des Spruches des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft xx vom 9.2.1993, Zl 3-****-91, wurde über Frau H**** B****** in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma A**** R******* GesmbH, mit dem Sitz in V********, eine Geldstrafe in der Höhe von insgesamt S 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfalle insgesamt 144 Stunden) verhängt.

 

Angelastet wurde ihr, in Pkt. 1, die Rechtsvorschrift des §23 Abs3 AAV dahingehend verletzt zu haben, als der Notausgang, der auch vorübergehend nicht durch Lagerungen verstellt werden darf, verstellt war, daß weiters - in Punkt 2 - nicht jedem der vier Arbeitnehmer zur Aufbewahrung und Sicherung gegen Wegnahme seiner Straßen- und Arbeitskleidung ein ausreichend großer, luftiger und versperrbarer Garderobekasten zur Verfügung stand und somit der Vorschrift des §86 Abs1 AAV nicht nachgekommen wurde, und daß - wie in Punkt 4 angelastet für die Arbeitnehmer in Betrieb kein hygienisch - für die Arbeitnehmer im Betrieb kein hygienisch unbedenklicher Waschplatz zur Verfügung stand, wodurch die zwingende Norm des §84 Abs1 AAV verletzt wurde.

Somit war die aus dem Spruch ersichtliche Strafe je Delikt gemäß §31 Abs2 AnschG zu verhängen.

 

Punkt 3 des Straferkenntnisses, die angelastete Übertretung gemäß §87 Abs1 und 4 AAV, wurde seitens der Beschuldigten nicht bekämpft und erübrigt sich weiteres Eingehen auf diesen in Rechtskraft erwachsenen Punkt.

 

Gegen diese obig angeführten Punkte 1, 2 und 4 des Spruches dieses Bescheides erhob die Beschuldigte durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht Berufung und führte darin im wesentlichen zu Punkt 1 aus, daß der Notausgang am Tag der Besichtigung nur für ganz kurze Zeit durch ein  Bügelbrett teilweise verstellt worden war. Da die eigentliche Fluchttüre die nach der AAV geforderte Mindestbreite aufgewiesen habe, war diese somit vollkommen uneingeschränkt benützbar.

 

Hinsichtlich des Punktes 2 des Straferkenntnisses wird darauf hingewiesen, daß für jeden  Arbeitnehmer ein  versperrbares Schließfach im Geschäftslokal vorhanden gewesen sei, für größere Kleidungsstücke ihnen ein separater, für Kunden nicht zugänglicher Raum, zur Aufbewahrung zur Verfügung gestanden sei. Dadurch sei der Schutzzweck des §86 Abs1 AAV erfüllt worden. Im übrigen habe man darauf vertraut, daß die vorhandenen Schließfächer den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen.

 

Hinsichtlich des Punktes 4 wird auf den Betriebsanlagengenehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft xx verwiesen, wonach das bewilligte Einkaufszentrum bewilligungskonform genutzt werde und durch eine allfällige Anlastung von Verwaltungsübertretungen dem Grundsatz von Treu und Glauben zuwidergehandelt werde. Das verfahrensgegenständliche Geschäftslokal sei daher gemäß §27 Abs2 AnschG bewilligt und erübrige sich  daher die Stellung eines Ansuchens um eine Ausnahmebewilligung betreffend der Waschmöglichkeiten.

 

Bezüglich der Punkte 2 und 4 des Straferkenntnisses der Behörde erster Instanz werde darauf hingewiesen, daß der Spruch des Straferkenntnisses in diesen Punkten nicht den  Anforderungen des §44a VStG entspreche.

Bei den Übertretungen der §§ 86 Abs1 AAV und 84 Abs1 AAV handle es sich um Dauerdelikte. Die Angabe des Tatzeitpunktes entspreche daher nicht dem Konkretisierungsgebot, weshalb der bekämpfte Bescheid auch deshalb rechtswidrig sei.

Aus all diesen Gründen werde daher die ersatzlose Behebung des bekämpften Straferkenntnisses und Einstellung des anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

 

Im Rahmen des Parteiengehörs hat das am Verfahren mitbeteiligte Arbeitsinspektorat nach Kenntnis des Vorbringens in der Berufung die vollinhaltliche Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides beantragt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat dazu, ausgehend vom unbekämpft gebliebenen Sachverhalt, rechtlich erwogen:

 

Da in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Verwaltungsstrafsache in den bekämpften Punkten 1, 2 und 4 erster Instanz behauptet wird, kann von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß §51e Abs2 VStG Abstand genommen werden.

 

In der Sache selbst kommt der Berufung keinerlei Berechtigung zu:

 

Ad. 1:

Gemäß §23 Abs3 AAV dürfen Notausgänge durch Lagerungen auch vorübergehend nicht verstellt sein, was im vorliegenden Fall, wie in der Berufung ausgeführt, durch teilweise, wenn auch kurzfristige Verstellung des Notausganges des Geschäftslokales mit einem Bügelbrett geschehen ist. Im vorliegenden Fall geht der Verweis auf die Bestimmung des §23 Abs2 AAV ins Leere, wonach durch die kurzfristige Verstellung die gesetzlich geforderte Mindestbreite eingehalten worden sei. Notausgänge und Fluchtwege sowie Verkehrwege und Türen dorthin  dürfen nicht durch Gegenstände verstellt sein, damit sie jederzeit ungehindert benutzt werden können. Das bedeutet, daß Notaugänge in ihrer vollen Breite von Lagerungen freizuhalten sind, um ein rasches und sicheres Verlassen der Betriebsräume zu gewährleisten.

 

Zu Punkt 2 der Berufung:

Gemäß §86 Abs1 AAV ist jedem Arbeitnehmer zur Sicherung gegen Wegnahme seiner Straßen-, Arbeits- und Schutzkleidung ein ausreichend großer, luftiger und versperrbarer Kasten zur Verfügung zu stellen.

Diese Bestimmung statuiert die Verpflichtung des Arbeitgebers, jedem Arbeitnehmer ein selbständiges und von ihm versperrbares Behältnis für seine Kleider zur Verfügung zu stellen, jeder im Betrieb Beschäftigte soll in die Lage versetzt werden, die ihm gehörigen Gegenstände, Kleider und Wertsachen vor dem Zugriff anderer Personen zu schützen (VwGH 8.9.1964, Zl 640/64).

 

Der Rechtsauffassung der Beschuldigten, durch die Beistellung eines separaten Raumes für die Kleidungsstücke der Arbeitnehmer sei der Vorschrift des §86 Abs1 AAV nachgekommen worden, kann deshalb nicht gefolgt werden, da §86 Abs1 AAV Garderobekästen zwingend vorschreibt (VwGH 26.2.1990, Zl 90/19/0040).

 

Neben dieser öffentlich rechtlichen Verantwortlichkeit trifft den Arbeitgeber noch eine besondere zivilrechtliche für die Haftung der eingebrachten Sachen, wenn er den Arbeitnehmern keine entsprechenden und versperrbaren Behältnisse zur Verfügung stellt (VwGH 27.6.1980, Zl 3300/78).

Eine irrige Gesetzesauslegung ist ein Rechtsirrtum, die die Beschuldigte nicht zu entschuldigen vermag, wenn nach ihrem ganzen Verhalten nicht angenommen werden kann, daß sie unverschuldet war und daß sie das Unerlaubte ihres Verhaltens nicht einsehen konnte (VwGH 27.9.1988, 88/08/0113).

 

Jeder Geschäftsführer hat sich über die auf dem Gebiet seines Berufes bestehenden Vorschriften zu unterrichten, sodaß ihn deren Unkenntnis nicht im Sinne des §5 Abs2 VStG  entschuldigt (VwGH 18.10.1972, 420/72).

 

Punkt 4:

Der Rechtsansicht der Berufungswerberin, daß durch den Betriebsanlagengenehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft xx vom 14.8.1975, Zl XII-Be-***/16, die in der ***  befindlichen Geschäftslokale in der bestehenden Form gewerberechtlich genehmigt wurden und im Zuge dieses Verfahrens seitens des Arbeitsinspektorates keine Einwendungen vorgebracht und Auflagen erteilt wurden, somit zu einem späteren Zeitpunkt die Nichteinhaltung der verfahrensgegenständlichen Bestimmungen des §84 AAV nicht mehr angelastet werden kann, ist verfehlt.

 

Gemäß §18 Abs1 und 2 AnschG ist jeder Arbeitgeber verpflichtet, daß der Betrieb so eingerichtet ist und so unterhalten wird, daß die notwendige Vorsorge für den Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sittlichkeit der Arbeitnehmer gegeben ist und hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, daß den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der einschlägigen Verordnungen sowie den von der zuständigen Behörde vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen entsprochen wird.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ausschließlich der Arbeitgeber für die Einhaltung der Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes und der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung verantwortlich, nur er kann um eine diesbezügliche Ausnahmegenehmigung ansuchen (vgl Erkenntnis VwGH vom 28.1.1991, Zl 90/19/0270/6).

 

Im gegenständlichen Fall ist gemäß §27 Abs6 AnschG davon auszugehen, daß auch bei Betrieben, deren Bewilligung nach §27 Abs1 AnschG nicht bedürfen, sowie bei Betrieben, für die auch nach einer anderen bundesgesetzlichen Vorschrift eine Bewilligung nicht vorliegt, die zuständige Behörde dem Arbeitgeber die zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer notwendigen Aufträge zu erteilen hat, soweit dies unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des §24 AnschG, der die näheren Bestimmungen über den Arbeitnehmerschutz regelt, notwendig ist.

Desgleichen hat nach §94  Abs1 AAV der Arbeitgeber dafür zu sorgen, daß den Vorschriften des zweiten Hauptstückes dieser Verordnung, die auch die Bestimmung des §84 Abs1 AAV  umfaßt, sowohl bei der Einrichtung als auch bei der Unterhaltung und Führung des Betriebes entsprochen wird.

Da - wie schon oben ausgeführt - der Arbeitgeber alleiniger Adressat für die Einhaltung  der Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes und der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung ist, der Betriebsanlagengenehmigungsbescheid nach §77 Gewerbeordnung der Bezirkshauptmannschaft xx vom 14.8.1975, Zl XII-Be-1***/16, nur der S**************, Planungs- und EntwicklungsGesmbH mit Sitz in W*** die Errichtung eines Einkaufszentrums unter Vorschreibung von Auflagen erteilt hat, ist der Ansicht der Rechtsmittelwerberin nicht beizupflichten, daß die Einhaltung des §84 Abs1 AAV hier aus diesen Gründen weder anlastbar noch vorwerfbar ist.

 

Da dem Arbeitgeber keine Bewilligung gemäß §27 AnschG für den verfahrensgegenständlichen Betrieb erteilt wurde und keine Ausnahmegenehmigung gemäß §97 AAV vorliegt, hat die Strafbehörde erster Instanz die aus dem Spruch ersichtliche Verwaltungsübertretung auch hinsichtlich des Punktes 4 der Beschuldigten zu Recht  angelastet.

 

Wenn die Einschreiterin hinsichtlich der Punkte 2 und 4 des Straferkenntnisses vorbringt, daß der Spruch des Straferkenntnisses in diesen Punkten nicht den Anforderungen des §44a VStG entspräche, so ist dem entgegenzuhalten, daß ihrer Auffassung, bei den Übertretungen der §§ 84 Abs1 AAV und 86 Abs1 AAV handle es sich um Dauerdelikte, nicht  gefolgt werden kann.

Bei beiden Übertretungen handelt es sich um sogenannte Ungehorsamsdelikte, bei denen die Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes über einen längeren Zeitraum hinweg nicht Tatbestandsmerkmal ist.

 

Nach ständiger Judikatur liegt ein Dauerdelikt nur dann vor, wenn nicht nur die Herbeiführung den Tatbestand der strafbaren Handlung bildet (VwGH 23.4.1974, 730/73). Die in vorliegender Berufung zitierte Judikatur hinsichtlich der Behauptung, die Bestimmungen des §84 Abs1 AAV und §86 Abs1 AAV seien ein  Dauerdelikt, geht rechtlich ins Leere, da die angeführte Judikatur nur darauf Bezug nimmt, daß bei einem Dauerdelikt Anfang und Ende  des strafbaren Verhaltens im Spruch des Bescheides anzuführen ist.

 

Da  weder die Bestimmung des §84 Abs1 AAV noch die Vorschrift des §86 Abs1 AAV unter den Begriff des Dauerdeliktes und auch nicht unter den des fortgesetzten Deliktes einzuordnen ist, ist durch die Angabe des Tatzeitpunktes - wie im angefochtenen Bescheid - dem Konkretisierungsgebot Genüge getan und ist der Spruch somit geeignet, die Beschuldigte rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Hinsichtlich der Strafzumessung wird festgestellt, daß seitens der Strafbehörde erster Instanz je Delikt eine im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens liegende Geldstrafe verhängt wurde, die sowohl tat- als auch schuldangemessen und persönlichkeitsadäquat ist und nach sachlich gerechtfertigten Kriterien zugemessen wurde. Unter Zugrundelegung der anzunehmenden Schuldform der Fahrlässigkeit ist die je Delikt verhängte Geldstrafe in ihrer Höhe nach geeignet, die Täterin in Zukunft von der Setzung gleichgelagerter Verhaltensweisen abzuhalten, wobei zusätzlich ein generalpräventiver Zweck erfüllt wird.

Anhaltspunkte für Erschwerungs- bzw. Milderungsgründe waren weder aus dem Vorbringen in der Berufung noch aus dem gesamten Akteninhalt erkennbar und wurden auch solche von der Strafbehörde erster Instanz ihrer Strafzumessung nicht zugrundegelegt.

 

Es war daher dem Grunde und der Höhe nach spruchgemäß zu entscheiden.

 

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch angeführten Gesetzesstellen, danach ist der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens für das Berufungsverfahren mit 20% der verhängten Strafe zu bemessen.

 

Hinsichtlich des gestellten Berufungsantrages, der Punkte 1, 2 und 4 des Straferkenntnisses, hat die Berufungswerberin folgende Beträge zu entrichten.

 

1. verhängte  Geldstrafe                          S 6.000,--

 

2. Kostenbeitrag für das Verfahren I. Instanz     S   600,--

 

3. Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens  S 1.200,--

                                    ________________________

 

                                    Gesamtbetrag  S 7.800,--

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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