TE UVS Niederösterreich 1993/09/13 Senat-MD-92-510

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.09.1993
beobachten
merken
Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG, BGBl Nr 51/1991 dahingehend Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von S 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfalle 6 Tage) auf S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfalle 4 Tage) herabgesetzt wird.

 

Der Spruch des Straferkenntnisses wird dahingehend abgeändert, als die Tatanlastung des §26 Abs1 AZG, die B-Filliale in G********, Florianiplatz 20 betreffend, gemäß der Bestimmung des §45 Abs1 Z1

1. Fall VStG, BGBl Nr 52/1991 zu entfallen hat.

 

Gemäß §64 VStG, BGBl Nr 52/1991 hat der Berufungswerber einen Betrag von S 400,-- als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens erster Instanz genauso wie den Strafbetrag binnen 2 Wochen ab Zustellung dieses Bescheides zu bezahlen.

Text

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft xx vom 28.8.1992, Zl 3-*****-91 wurde über Herrn G H in seiner Eigenschaft als verantwortlicher Beauftragter der Firma B Parfumerien GmbH mit dem Sitz in W********** wegen Übertretung der Bestimmung des §26 Abs1 AZG eine Geldstrafe von S 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfalle 6 Tage) gemäß §28 Abs1 AZG verhängt.

 

Angelastet wurde ihm, dafür verantwortlich zu sein, daß nicht dafür Vorsorge getroffen wurde, daß in den seinen als Filialinspektor unterstehenden B-Filialen ordnungsgemäße Aufzeichnungen der von den Arbeitnehmern geleisteten Arbeitsstunden, sowohl hinsichtlich Ausmaß als auch zeitlicher Lagerung, geführt wurden, die eine Überwachung der im Arbeitszeitgesetz geregelten Angelegenheiten ermöglichten.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschuldigte durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht Berufung, in der einerseits ausgeführt wird, daß der Beschuldigte für die in Frage stehenden Filialen gar nicht der verantwortliche Beauftragte gewesen sei und andererseits die Beanstandung zu Unrecht erfolgte, da es keine gesetzliche Vorschrift gebe, die es vorschreibe, daß die Eintragung der Arbeitszeit zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen müsse.

 

Aus diesen Gründen werde daher der Antrag auf Aufhebung des bekämpften Straferkenntnisses und Einstellung des eingeleiteten Strafverfahrens, sowie in eventu auf Herabsetzung der verhängten Geldstrafe gestellt.

 

Im Rahmen des Parteiengehörs hat das am Verfahren mitbeteiligte Arbeitsinspektorat seinen Rechtsstandpunkt vollinhaltlich aufrecht erhalten und beantragt, das Straferkenntnis erster Instanz zur Gänze zu bestätigen.

 

In der am 22.7.1993 am Sitz der Bezirkshauptmannschaft xx durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung hielten alle am Verfahren beteiligten Parteien ihren Rechtsstandpunkt vollinhaltlich aufrecht. Die Beschuldigtenvertreterin brachte ergänzend vor, daß ihrer Rechtsauffassung nach im vorliegenden Fall höchstens von der Schuldform der leichten Fahrlässigkeit auszugehen sei, der Beschuldigte habe regelmäßig Weisungen gegeben und immer wieder regelmäßig kontrolliert. Er habe alles in seiner Macht Stehende getan, um für die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften zu sorgen.

Im übrigen verweise das AZG nicht darauf, wann genau diese Arbeitszeiteintragungen durchzuführen seien.

 

Der Beschuldigte gab über Befragung ferner an, daß Arbeitszeitaufzeichnungen regelmäßig kontrolliert würden, er derzeit 11 Filialen in seinen Rayon habe, und er im Regelfall alle 14 Tage in eine Filiale komme und dort kontrolliere. Hinsichtlich der einschlägigen Bestimmungen des AZG seien seinerseits schon öfters Mängel festgestellt worden. In diesen Fällen erfolge ein Gespräch mit dem zuständigen Filialleiter und sollte dies erfolglos sein, gebe es dann einen schriftlichen Aktenvermerk. Er könne jedoch nicht sagen, ob es solche Vermerke in Hinblick auf die verfahrensgegenständliche Filiale gegeben habe. Die Konsequenz dieser schriftlichen Mitteilung sei im Regelfall eine neuerliche Kontrolle und könne es im Einzellfall bis zu einer Kündigung kommen. Diese Maßnahmen habe es in seinem Aufgabenbereicht jedoch noch nicht gegeben und er könne auch nicht sagen, ob es überhaupt im ganzen Konzernbereich schon zu solchen Kündigungen gekommen sei.

 

Im Regelfall nehme der betroffene Arbeitnehmer die Eintragung hinsichtlich seiner Arbeitszeit eigenhändig vor, wobei am Abend der Filialeiter dann diese Aufzeichnungen kontrolliere und diese mit dem Kassaabschluß summiere.

 

Im übrigen hielten sowohl der Beschuldigte, das Arbeitsinspektorat und der Vertreter der Bezirkshauptmannschaft ihren jeweiligen Rechtsstandpunkt vollinhaltlich aufrecht.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat - ausgehend vom weitgehend unbekämpft gebliebenen Sachverhalt - rechtlich entschieden wie folgt:

 

Die Berufung erweist sich im Sinne des Eventualantrages als berechtigt.

 

I

Dem Vorbringen des Beschuldigten hinsichtlich seiner fehlenden strafrechtlichen Verantwortlichkeit gemäß §9 VStG kann nicht gefolgt werden.

 

Gemäß §28 Abs1 AZG sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigten, die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandeln, zu bestrafen. Aus den in den Akten der Bezirkshauptmannschaft xx befindlichen Schreiben der B GmbH betreffend die §9 VStG - Erklärungen der verantwortlichen Beauftragten geht eindeutig hervor, daß sowohl für die B-Filiale in F**********, für den B-Betrieb in **** G******** und in der B-Filiale in **** W*** neben den jeweiligen Filialleitern der Beschuldigte als Filialinspektor rechtsgültig zum verantwortlichen Beauftragten gemäß §9 VStG bestellt wurde. Aus dem Zustimmungsnachweis des Beschuldigten geht weiters eindeutig hervor, daß die Verantwortung räumlich die Filialen seines Rayons umfaßt, wodurch sämtliche im Straferkenntnis angeführten B-Filialen erfaßt sind.

 

Weiters ergibt sich klar aus der Bestimmung des §28 Abs1 AZG iVm §9 VStG idgF, daß gegen alle verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichen Strafverfahren nebeneinander zu führen sind.

 

Da im vorliegenden Fall sämtliche Voraussetzungen für die rechtsgültige Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten in der Person des Beschuldigten gelegen sind, nämlich dessen Wohnsitz im Inland, die Möglichkeit seiner strafrechtlichen Verfolgung, seine nachweisliche und unbekämpft gebliebene Zustimmung sowie das Vorliegen einer Anordnungsbefugnis für seinen klar abgegrenzten Bereich, ist die Bestrafung des Beschuldigten gesetzeskonform und steht überdies im Einklang mit der ständigen Judikatur des VwGH.

 

II

Im übrigen kann der Rechtsansicht des Einschreiters, es gebe keine gesetzliche Vorschrift, die vorschreibe, daß die Eintragung der Arbeitszeit zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen müsse, nicht gefolgt werden.

 

Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm und der klar erkennbaren Absicht des Gesetzgebers, durch die Bestimmung des §26 Abs1 die Kontrolle der Einhaltung des AZG zu erleichtern, hat der Arbeitgeber durch das Führen richtiger und rechtzeitiger Arbeitszeitaufzeichnungen die Überwachung der Einhaltung der in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten zu ermöglichen.

 

Aus dieser Bestimmung ist daher schlüssig abzuleiten, daß die Eintragungen in den Arbeitszeitaufzeichnungen unmittelbar bzw zeitnah zu erfolgen haben.

 

Nach der Rechtsauffassung des erkennenden Senates war die rechtzeitige Eintragung in den spruchgegenständlichen B-Filialen in F********** und W*** nicht gegeben. Durch die nicht ordnungsgemäße Aufzeichung der von den Arbeitnehmern geleisteten Arbeitsstunden zu den Kontrollzeitpunkten 11,50 Uhr bzw 14,00 Uhr wurde der Bestimmung des §26 Abs1 AZG zuwidergehandelt.

 

Im Falle der angelasteteten Verwaltungsübertretung in  der B-Filiale in G********, wo anläßlich einer Kontrolle am 16.4.1991 um 8,30 Uhr die nach der Bestimmung des §26 Abs1 AZG erforderlichen Eintragungen, diesen Tag betreffend, noch nicht seitens der Organe der Arbeitsinspektion vorgefunden wurden, räumt der erkennende Senat in nicht restriktiver Auslegung der Vorschrift des §26 Abs1 AZG dem Arbeitgeber bzw den verantwortlichen Beauftragten doch  einen gewissen, jedoch nicht längeren als zweistündigen Zeitraum ab Beginn der Tätigkeit der Dienstnehmer ein, um der Vorschrift des §26 AZG nachzukommen.

 

Der erkennende Senat verkennt jedoch  nicht, daß es in solchen Fällen auch auf die konkreten Begleitumstände und vor allem auf den Zeitpunkt der Inspektion bzw des jeweiligen Arbeitsbeginns der betroffenen Arbeitnehmer ankommt. Vorliegendenfalls wird jedoch durch die Einräumung eines höchstens zweistündigen Zeitraumes zur Erfüllung der Vorschrift des §26 AZG der Intention des Gesetzgebers in dieser Richtung gerade noch ausreichend Rechnung getragen, um das Erfordernis der zeitnah erstellten Aufzeichnungen zu erbringen (vgl VwGH v 9.5.1989, Zl.: 86/14/0068).

 

Aus diesem Grund war daher die angelastete Verwaltungsübertretung, betreffend die B Filiale in G********, als nicht erwiesen anzusehen und in diesem Punkt der Bescheid ersatzlos zu beheben.

 

In den übrigen Punkten des bekämpften Straferkenntnisses war somit der Rechtsansicht des Rechtsmittelwerbers nicht nahezutreten und muß dem vorliegenden Rechtsmittel, die Verwaltungsübertretungen in den Filialen F********** und W*** betreffend, ein Erfolg versagt bleiben.

 

III

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Beschuldigte glaubhaft zu machen, daß ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich  war.

 

Das Berufungsvorbringen ist nicht geeignet, die Schuldlosigkeit des Einschreiters zu erweisen. Er vermag nicht darzulegen, daß er ein taugliches Kontrollsystem im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eingerichtet hat (vgl VwGH vom 12.6.1992, Zlen 92/18/0192, 0229, 0230).

 

Da sich das vom Rechtsmittelwerber behauptete Kontrollsystem auf Belehrungen und Aufforderungen an die Filialleiter, die Arbeitszeitvorschriften einzuhalten, stützt, stellt dies ein unzulängliches Kontrollsystem dar (vgl analog VwGH 29.1.1987, 86/08/0172, 0173).

 

Desgleichen reicht eine stichprobenartige regelmäßig durchgeführte Überwachung nicht aus (VwGH 29.9.1988, 87/08/0026).

 

Der Arbeitgeber bzw der Bevollmächtigte ist selbst dann strafbar, wenn Verstöße gegen Arbeitszeitregelungen ohne sein Wissen und seinen Willen begangen wurden, es sei denn, er hat solche Maßnahmen getroffen, die unter den gegebenen  Voraussetzungen aus gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten ließen (VwGH 21.11.1984, 82/11/0091, 0092).

 

Zum Vorhandensein eines wirksames Kontrollsystems bedarf es den Angaben des Berufungswerbers, in welcher Weise er auf festgestellte Verstöße reagiert, und welche Maßnahmen er trifft, um künftigen Verstößen gegen Arbeitszeitvorschriften vorzubeugen (VwGH 9.6.1988, 88/08/0123).

 

Der Beschuldigte selbst hat im Rahmen seiner Vernehmung zugestanden, daß einschlägige Übertretungen durch Filialleiter offensichtlich mit keinerlei in der Praxis wirksamen beruflichen Konsequenzen bedroht sind.

 

Auch aus diesem Grund war der Berufung in den zwei Punkten, die Filialen F********** und W*** betreffend, ein Erfolg zu versagen.

 

Im gegenständlichen Fall war somit zumindest grob fahrlässiges Verhalten des Beschuldigten anzunehmen, da der Täter in objektiver Hinsicht die Anwendung jener Sorgfalt, zu der er nach den Umständen des Einzelfalles verpflichtet war, außer Acht gelassen hat, und ihn in subjektiver Hinsicht sowohl die Zumutbarkeit als auch die Befähigung zur Sorgfaltsübung traf, der er durch Unterlassung seiner Kontrollpflicht nicht nachgekommen ist.

 

Das Vorliegen weiterer Schuld - bzw Strafausschließunggründe wurde von dem Beschuldigten weder behauptet, noch waren solche aus dem gesamten Akteninhalt ersichtlich.

 

Hinsichtlich der Höhe der verhängten Strafe wurde vom Senat entschieden wie folgt:

 

Unter Zugrundelegung der in §19 VStG normierten Strafzumessungsgründe erscheint die von der Strafbehörde erster Instanz verhängte Höchststrafe von S 6.000,--, auch unter Berücksichtigung einer Mehrzahl von einschlägigen Übertretungen, als nicht tat- und schuldangemessen, da nach der Rechtsauffassung des erkennenden Senates eine der drei angelasteten Verwaltungsübertretungen als nicht begangen anzusehen ist, und einschlägige Vorstrafen sowie die Schuldform des Vorsatzes nicht gegeben ist.

 

Die sich nunmehr im mittleren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens bewegende Strafhöhe erscheint auch unter Berücksichtigung der allseitigen Verhältnisse des Beschuldigten als schuldangemessen sowie persönlichkeitsadäquat und ist geeignet, den Einschreiter in Hinkunft von der Setzung gleichgelagerter Verhaltensweisen abzuhalten, wobei bei der Höhe der Strafzumessung zusätzlich eine generalpräventiver Zweck zu berücksichtigen sein wird.

 

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten