TE UVS Niederösterreich 1993/09/23 Senat-GF-92-210

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Veröffentlicht am 23.09.1993
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Spruch

Der Berufung wird   F o l g e   gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

Rechtsgrundlagen:

§66 Abs4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr 51, (AVG) und §45 Abs1 Z2 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl Nr 52, (VStG).

Text

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft xx vom 8. September 1992, 3-*****-91, wurde über den Beschuldigten Ing H H wegen Übertretung nach §367 Z2 Gewerbeordnung 1973, BGBl Nr 50/1974, (GewO 1973) iVm §9 VStG gemäß "§367 Z2 GewO 1973" eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Tage) verhängt und ihm die Tragung eines anteiligen Kostenbeitrages für das erstinstanzliche Verfahren in Höhe von S 1.000,-- auferlegt.

 

In diesem Strafbescheid wird dem Beschuldigten angelastet, er habe "es als Prokurist und somit als zur Vertretung nach außen Befugter der Firma M****** Baugesellschaft mbH mit dem Sitz in D*********, K******** Straße 30, zu verantworten, daß in der Zeit von 17.6.1991 bis 18.10.1991 das Baumeistergewerbe ausgeübt worden sei, ohne der Verpflichtung zur Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers nachgekommen zu sein".

 

In der dagegen erhobenen Berufung räumt der Beschuldigte ein, daß er mit der M****** Bau-Gesellschaft mbH in D********* einen notariellen Vertrag zur Übernahme der Prokura in gewerberechtlicher Hinsicht abgeschlossen habe, der Beginn seiner Tätigkeit jedoch vereinbarungsgemäß an die Genehmigung durch die zuständige Behörde gebunden gewesen sei. Er habe persönlich sofort nach dem Abschluß des notariellen Vertrages um die Bewilligung der Bestellung zum gewerberechtlichen Geschäftsführer der M****** Baugesellschaft mbH bei der zuständigen Abteilung der Landesregierung angesucht. Solange diese Bewilligung nicht vorgelegen sei, habe er auch keine Veranlassung gesehen, sich um die Tätigkeit der M****** Baugesellschaft mbH zu kümmern. Wenn die M****** Baugesellschaft mbH tatsächlich gegen die Gewerbeordnung verstoßen haben sollte, sehe er jedenfalls nicht ein, weshalb er dafür zur Verantwortung gezogen werde.

 

Zu diesem Vorbringen und zum angefochtenen Strafbescheid hat der Unabhängige Verwaltungssenat folgendes erwogen:

 

Gemäß §9 Abs1 GewO 1973 (idF vor der Gewerberechtsnovelle 1992) können juristische Personen und Personengesellschaften des Handelsrechtes (offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften) Gewerbe ausüben, müssen jedoch einen Geschäftsführer oder Pächter bestellt haben.

 

Gemäß §370 Abs2 GewO 1973 (idF vor der Gewerberechtsnovelle 1992) sind Geld- und Arreststrafen, wenn die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt worden ist, gegen den Geschäftsführer zu verhängen.

 

Da im vorliegenden Fall der Vorwurf erhoben wird, daß die M****** Baugesellschaft mbH für die Ausübung des Baumeistergewerbes der Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers nicht nachgekommen ist, ist nach den allgemeinen Regeln der strafrechtlichen Verantwortlichkeit zu ermitteln, wem, das heißt welcher natürlichen Person, die in Rede stehende Übertretung anzulasten ist.

 

Gemäß §9 Abs1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Der Berufungswerber ist seit 26. März 1991 Prokurist der M****** Baugesellschaft mbH. Seit 30. November 1990 ist E**** M****** handelsrechtliche Geschäftsführerin dieser Gesellschaft.

 

Die Bezirkshauptmannschaft xx ist im gesamten erstinstanzlichen Verfahren davon ausgegangen, daß der Berufungswerber als Prokurist ein zur Vertretung nach außen berufenes Organ der M****** Baugesellschaft mbH ist. Damit ist die Behörde erster Instanz aus folgenden Erwägungen einem Rechtsirrtum unterlegen:

 

Die Prokura ist eine gesetzlich fest umrissene handelsrechtliche Vertretungsmacht, die nur von einem Vollkaufmann erteilt werden kann. Erteilungsberechtigt ist der "Inhaber des Handelsgeschäftes".

 

§9 VStG regelt die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit physischer Personen, die zu den im §9 Abs1 VStG genannten Rechtsgebilden, nämlich juristischen Personen und Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, in einem besonderen Naheverhältnis stehen. Nur für einen Teil der genannten Rechtsgebilde gilt Handelsrecht. Wenn nun in dieser Gesetzesstelle von Personen, die "zur Vertretung nach außen berufen" sind, die Rede ist, kann nicht angenommen werden, daß darunter auch Personen fallen, deren Vertretungsmacht ausschließlich auf dem handelsrechtlichen Rechtsinstitut der Prokura beruht, zumal dieses selbst im Bereich des Handelsrechts auf Vollkaufleute eingeschränkt ist. Der nicht auf den Betrieb von Handelsgewerben abgestellte Anwendungsbereich des §9 VStG verlangt nämlich, daß zur Bestimmung des Personenkreises, der "zur Vertretung nach außen Berufenen" nur Kriterien herangezogen werden, die bei allen vom §9 Abs1 VStG erfaßten Verpflichtungssubjekten in gleicher Weise zutreffen; demnach stellt die Prokura kein solches Kriterium dar. (VwGH vom 18. März 1986, Zl 85/10/0089)

 

Der Berufungswerber, der unbestritten zur Tatzeit Prokurist der M****** Baugesellschaft mbH gewesen ist, war somit in dieser Funktion nicht im Sinne des §9 Abs1 VStG "zur Vertretung nach außen berufen".

 

Da er nachweislich auch nicht handelsrechtlicher Geschäftsführer der M****** Baugesellschaft mbH (als solcher wäre er zur Vertretung nach außen berufen gewesen) gewesen ist - nach dem Firmenbuchauszug des Landesgerichtes xy vom 26.7.1993 ist dies seit 30. November 1990 E**** M****** - und sich aus dem erstinstanzlichen Akt kein Hinweis dafür ergibt, daß der Berufungswerber als verantwortlicher Beauftragter der M****** Baugesellschaft mbH bestellt worden ist, kann er für die in Rede stehende Übertretung nicht verantwortlich gemacht werden.

 

Der Beschuldigte hat sohin die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen; es war daher der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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