TE Vwgh Erkenntnis 2001/10/4 98/08/0209

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Veröffentlicht am 04.10.2001
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §11 Abs2;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §49 Abs3 Z7;
ASVG §49 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des K in P, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 15. Juni 1998, Zl. SV(SanR)-1404/1-1998-Ru/Ma, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-

- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht folgender Sachverhalt außer Streit:

Sabine A. war im Unternehmen des Beschwerdeführers vom 13. Oktober 1980 bis 27. Jänner 1996 als Arbeiterin beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch ihre Kündigung. Mit der am 16. Dezember 1996 beim Landes- als Arbeits- und Sozialgericht Wels eingebrachten Klage (17 Cga 204/96 z) wurde der Beschwerdeführer von Sabine A. zunächst auf Zahlung von S 48.297,-- und zwar Überstundenentgelt S 39.627,-- und Taggelder S 8.670,-- jeweils für den Zeitraum Oktober 1995 bis Jänner 1996 in Anspruch genommen. Die Klagsforderung wurde sodann eingeschränkt auf Ansprüche ab November 1995 bis zum Ende des Dienstverhältnisses und zwar an Überstundenentgelt S 30.303,-- und an Taggelder S 6.330,-- brutto. In diesem Verfahren wurde ein Vergleich mit folgendem Inhalt geschlossen:

"Die beklagte Partei verpflichtet sich, der Klägerin binnen 14 Tagen ab Rechtskraft dieses Vergleiches zu Handen der Klagevertretung den Betrag von S 21.000,-- brutto an freiwilliger Abfertigung sowie einen Kostenbeitrag von S 1.149,-- (darin S 770,- - Pauschalgebühr und S 63,-- USt) zu bezahlen.

Mit diesem Vergleich sind wechselseitig alle Ansprüche bereinigt und verglichen.

Dieser Vergleich wird rechtswirksam, wenn er nicht seitens einer Partei mittels Schriftsatz, einlangend bei Gericht bis spätestens 10. April 1997, widerrufen wird."

Mit Aktenvermerk des Landes- als Arbeits- und Sozialgerichtes Wels vom 14. April 1997 wurde festgehalten, dass kein Vergleichswiderruf einlangte.

Mit Bescheid vom 17. Juli 1997 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer als ehemaligen Dienstgeber von Sabine A. allgemeine Beiträge in Höhe von S 7.327,70 nachzuzahlen. In der Begründung wurde ausgeführt, durch den Vergleichsbetrag von S 21.000,-- brutto seien die Forderungen im Ausmaß von S 36.933,-- brutto prozentuell mit 56,859 % erfüllt worden. Sohin entfalle verhältnismäßig auf die Überstundenforderung von S 30.303,-- ein Betrag von S 17.229,--. Die Beitragsgrundlagen für Sabine A. seien um diese Überstundenforderungen erhöht und die hiefür anfallenden Beiträge seien zur Nachverrechnung gebracht worden. Die Tatsache des Vergleichsabschlusses zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer bedeute, dass die Forderungen des Klägers grundsätzlich anerkannt und zum Teil (also in der Vergleichsrelation) auch befriedigt worden seien. Wenn ein an sich beitragspflichtiger Entgeltbestandteil fälschlicherweise als beitragsfreier Bezug deklariert werde, sei der Vergleichstext für Zwecke der Sozialversicherung unbeachtlich. Das in der Vergleichsrelation abgegoltene Entgelt stelle beitragspflichtiges Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG dar.

Der Beschwerdeführer erhob Einspruch. Darin führte er aus, Sabine A. habe in der gegen ihn gerichteten Klage vorgebracht, sie habe wöchentlich 13 Überstunden geleistet; diese und das ihr zugestandene Taggeld sei nicht zur Auszahlung gelangt. Sabine A. habe sich bei der Berechnung und Begründung ihres Anspruches auf das Bäckereiarbeitergesetz berufen. Er habe das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach bestritten; er habe bezüglich aller Ansprüche Verfristung bzw. Verfall/Verjährung eingewendet und auch die Leistung der Überstunden an sich bestritten. Abgesehen davon sei ein konkludenter Verzicht der Sabine A. eingewendet worden. Das von Sabine A. zur Begründung und Berechnung ihrer Ansprüche herangezogene Gesetz sei auf sie nicht anwendbar gewesen. Entsprechend dem anzuwendenden Kollektivvertrag (Rahmenkollektivvertrag für Arbeiter im Bäckergewerbe) sei keine entsprechende Geltendmachung der Ansprüche erfolgt.

Zur Vermeidung eines weit reichenden und umfangreichen Verfahrens, aber nicht zuletzt auch auf Grund des Umstandes, dass die geltend gemachten Ansprüche der Sabine A. bereits nach den Bestimmungen des Kollektivvertrages verfallen gewesen seien und darüber hinaus ein Taggeldanspruch ihr überhaupt nicht zugestanden sei, habe das Gericht eine vergleichsweise Regelung angeregt. Der Beschwerdeführer habe dies im Hinblick auf die Verfallsbestimmungen und den Umstand, dass keine berechtigten Ansprüche gegeben seien, abgelehnt. Das Gericht habe sowohl auf das familiäre Verhältnis zwischen den Parteien während des aufrechten Dienstverhältnisses als auch darauf hingewiesen, dass Sabine A. auf Grund der Sach- und Rechtslage leer ausgehen würde, und daher die Zahlung zumindest aus dem Titel freiwillige Abfertigung angeregt. Dies habe der Beschwerdeführer unter dem Aspekt des ehemals bestandenen familiären Verhältnisses akzeptiert, um Sabine A. nicht gänzlich leer ausgehen zu lassen. Es sei aber keinesfalls ein beitragspflichtiger Entgeltbestandteil fälschlicherweise als beitragsfreier Bezug deklariert worden. Die Forderungen der Sabine A. seien nicht anerkannt, sondern vielmehr bis zuletzt bestritten worden.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Gesetzeszitaten aus, es sei unbestritten, dass Sabine A. aus dem Titel Überstundenentgelt und Taggeld S 36.133,-- eingeklagt habe. Weiters stehe fest, dass Sabine A. ihr Dienstverhältnis selbst gekündigt habe und ihr demnach die Bezahlung einer Abfertigung nicht zugestanden sei. Sabine A. habe eine Abfertigung im Gerichtsverfahren auch nicht geltend gemacht. Obwohl der Beschwerdeführer die eingeklagten Forderungen bestritten habe, habe er sich zur Zahlung eines Vergleichsbetrages bereit erklärt. Strittig und zweifelhaft seien jedoch lediglich die Forderungen aus den Titeln Überstundenentlohnung und Taggeld gewesen, nicht aber die Zahlung einer Abfertigung. Die Einspruchsbehörde gehe davon aus, dass der verglichene Betrag von S 21.000,-- die Überstundenentlohnung darstelle. Trotz aller Einwände des Beschwerdeführers im Gerichtsverfahren sei nicht mit Sicherheit festzustellen, dass das Klagebegehren zur Gänze hätte abgewiesen werden müssen. Auf Grund der Ausführungen im gerichtlichen Verfahren habe eine umfangreiche strittige Rechts- und Sachlage vorgelegen. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses habe jedoch nicht mit Sicherheit gesagt werden können, dass der Beschwerdeführer voll und ganz obsiegt hätte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht, für die freiwillige Abfertigung keine Beiträge bezahlen zu müssen, verletzt. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer die Unterlassung der beantragten Einvernahme der beim Vergleichsabschluss anwesenden Personen. Bei Aufnahme dieser Beweise hätte sich ergeben, dass nicht formell eine Umtitulierung allfällig zustehender Ansprüche im Vergleichswege stattgefunden habe, sondern vielmehr im Vergleichsweg die Zahlung einer freiwilligen Abfertigung vereinbart worden sei, nachdem sich die Ansprüche der ehemaligen Dienstnehmerin als haltlos erwiesen hätten. Der Beschwerdeführer habe sich lediglich kulanterweise zur Zahlung einer freiwilligen Abfertigung bereit erklärt. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes machte der Beschwerdeführer geltend, bei dem Vergleichsbetrag handle es sich um ein nicht beitragspflichtiges Entgelt. Abgesehen davon sei auch die rechnerische Aufteilung durch die belangte Behörde und die Erstbehörde unrichtig erfolgt. Es hätte nicht der gesamte Vergleichsbetrag für Überstundenforderungen angerechnet werden dürfen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde den Vergleichsbetrag - spruchgemäß - anteilig auf die beitragspflichtigen Überstundenforderungen und Taggelder umgelegt hat. Lediglich in der Begründung führt sie (offenbar versehentlich) aus, dass der gesamte Vergleichsbetrag Überstundenentgelt sei. Da die Behörde erster Rechtsstufe den Vergleichsbetrag prozentuell aufgegliedert und nur den Betrag von S 17.299,-- der Überstundenentgeltforderung zugerechnet hat, die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge gegeben und den bekämpften Bescheid vollinhaltlich bestätigt hat, ist die behauptete rechnerische Unrichtigkeit der Aufteilung nach dem Inhalt des Spruches nicht gegeben. Die fehlerhafte Begründung allein vermag den Inhalt eines - nicht gegenteiligen - Spruches aber nicht zu verändern.

Gemäß § 44 Abs. 1 erster Satz ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte, sofern im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, der im Beitragszeitraum gebührende auf volle Schilling gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 ASVG. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinn gilt nach der Z. 1 des zweiten Satzes des § 44 Abs. 1 leg. cit. bei den pflichtversicherten Dienstnehmern das Entgelt im Sinn des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6. Unter dem Entgelt pflichtversicherter Dienstnehmer sind nach § 49 Abs. 1 ASVG die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der Pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

Gemäß § 49 Abs. 3 Z. 7 ASVG gelten als Entgelt im Sinne des Abs. 1 und 2 nicht: Vergütungen, die aus Anlass der Beendigung des Dienst(Lehr)verhältnisses gewährt werden, wie z.B. Abfertigungen, Abgangsentschädigungen, Übergangsgelder, nach gesetzlicher Vorschrift gewährte Urlaubsabfindungen.

Nach § 49 Abs. 6 ASVG sind die Versicherungsträger und die Behörden an rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte, in denen Entgeltansprüche des Dienstnehmers (Lehrlings) festgestellt werden, gebunden. Dieser Bindung steht die Rechtskraft der Beitragsvorschreibung nicht entgegen. Die Gerichte erster Instanz haben eine Ausfertigung der rechtskräftigen Entscheidungen über Entgeltansprüche von Dienstnehmern (Lehrlingen) binnen vier Wochen ab Rechtskraft an die Gebietskrankenkasse jenes Landes zu übersenden, in dem der Sitz des Gerichtes liegt; Gleiches gilt für gerichtliche Vergleiche über die genannten Ansprüche.

Gemäß § 539 ASVG sind Vereinbarungen, wonach die Anwendung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zum Nachteil der Versicherten (ihrer Angehörigen) im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt wird, ohne rechtliche Wirkung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Rechtslage in seinem Erkenntnis vom 19. Februar 1991, 90/08/0058, dargelegt, dass die Behörden der Sozialversicherung bei der Feststellung der sich aus einer vergleichsweisen Vereinbarung ergebenden Ansprüche des Arbeitnehmers an den Wortlaut dieser Vereinbarung insoweit nicht gebunden sind, als Entgeltansprüche im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG allenfalls fälschlich als beitragsfreie Lohnbestandteile im Sinne des § 49 Abs. 3 ASVG deklariert wurden. Derartige, der Beitragsvermeidung dienende Fehlbezeichnungen sind schon deshalb unwirksam, weil § 11 Abs. 2 ASVG nur die Nichtberücksichtigung von gemäß § 49 nicht zum Entgelt gehörenden Bezügen erlaubt. Es kommt daher auch im Zusammenhang mit § 11 Abs. 2 ASVG nicht darauf an, welche Bezeichnung die Parteien im Vergleich wählen, sondern darauf, ob die Voraussetzungen für die Beitragsfreiheit tatsächlich vorliegen. Soweit die Feststellung der Beitragsfreiheit hinsichtlich eines bestimmten Betrages nicht möglich ist, liegt im Zweifel jedenfalls beitragspflichtiges Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG vor. Wenn und insoweit aber die nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses noch offenen (strittigen) Ansprüche eines Arbeitnehmers tatsächlich teils aus beitragspflichtigen, teils aus beitragsfreien Entgeltbestandteilen bestehen, sind die Parteien eines darüber abgeschlossenen Vergleiches durch keine Rechtsnorm dazu verpflichtet, etwa die Anerkennung der beitragspflichtigen vor den beitragsfreien Ansprüchen zu vereinbaren. Die Vertragsparteien sind vielmehr in der vergleichsweisen Disposition über diese Ansprüche insoweit frei, als durchaus die Leistung der beitragsfreien Ansprüche vereinbart und auf die beitragspflichtigen Gehaltsbestandteile verzichtet werden kann (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1996, 94/08/0122). Eine Grenze fände diese Dispositionsbefugnis jedoch, wenn etwa ein höherer Betrag an beitragsfreien Ansprüchen verglichen worden wäre, als gemessen an den Voraussetzungen des § 49 Abs. 3 tatsächlich zustünde. Diese Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch sinngemäß auf die beitragsrechtliche Beurteilung eines gerichtlichen Vergleiches über arbeitsrechtliche Ansprüche übertragen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 8. Oktober 1991, 90/08/0094, vom 3. September 1996, 96/08/0022, und vom 19. Jänner 1999, 96/08/0402).

Die belangte Behörde war nach diesen Grundsätzen an den gegenständlichen Vergleich gebunden, es sei denn, der Vergleich stellte sich als eine Vereinbarung dar, durch welche die Anwendung der Bestimmungen des § 44 i.V.m. § 49 ASVG zum Nachteil der Sabine A. als Versicherten im Voraus ausgeschlossen werden sollte, und sonach eine gemäß § 539 ASVG rechtsunwirksame Vereinbarung vorläge.

Entscheidend dafür, ob die in Rede stehende freiwillige Abfertigung im Sinne dieser Rechtsprechung bloß eine Fehlbezeichnung war oder ob sie als Widmung des Vergleichsbetrages zumindest teilweise beachtlich sein konnte, musste daher die Frage sein, ob gesetzliche oder vertragliche Abfertigungsansprüche zwischen dem Beschwerdeführer und Sabine A. überhaupt strittig, wenn auch nicht notwendigerweise klagsgegenständlich gewesen waren (vgl. hiezu zusätzlich das hg. Erkenntnis vom 28. November 1962, 2031/61).

Dies war nicht der Fall. Der Beschwerdeführer räumt selbst ein, er habe sich vergleichsweise zur Zahlung einer beitragsfreien freiwilligen Abfertigung im Sinne des § 49 Abs. 3 Z. 7 ASVG verpflichtet.

Mit der Zahlung dieses Betrages wurde nach dem Inhalt des darüber abgeschlossenen Vergleichs ein Rechtsstreit um ausschließlich beitragspflichtiges Entgelt beendet. Die belangte Behörde hat diesen Vergleich, soweit die Bezeichnung des Anspruchs betroffen ist, als gemäß § 539 ASVG nichtige Vereinbarung über den Ausschluss von der Beitragspflicht angesehen. Nach § 539 ASVG sind Vereinbarungen, wonach die Anwendung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zum Nachteil der Versicherten (ihrer Angehörigen) im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt wird, ohne rechtliche Wirkung.

Es kann auf sich beruhen, ob auf einen Sachverhalt, wie den beschriebenen, § 539 ASVG anzuwenden ist, weil die belangte Behörde aus anderen Gründen im Ergebnis im Recht ist:

§ 49 Abs. 3 ASVG enthält eine Aufzählung jener Geld- und Sachbezüge, die nicht als Entgelt im Sinne der Abs. 1 und 2 leg. cit. gelten, das heißt die an sich die Merkmale der in den Abs. 1 und 2 angeführten Art aufweisen, jedoch kraft besonderer gesetzlicher Vorschriften in § 49 Abs. 3 leg. cit. von der Bewertung als beitragspflichtiges Entgelt ausgenommen sind. Der Anwendungsbereich des durch § 49 Abs. 3 ASVG normierten Ausnahmekataloges erstreckt sich somit auf solche Bezüge, die "an sich" Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 und 2 ASVG sind. Bevor somit auf die Frage eingegangen werden kann, ob die freiwillige Abfertigung einem der Tatbestände des Ausnahmekataloges zuzuordnen ist, ist zu untersuchen, ob es sich hiebei um Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 2 ASVG handelt. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung ändert das Motiv für die Bezahlung einer Abfertigung nichts daran, dass die Abfertigung an sich dem Begriff des Entgelts zu unterstellen ist. Selbst die freiwillige Gewährung einer Abfertigung, sei es auch nur aus Anstandspflicht, genügt, um eine Schenkung im Rechtssinn auszuschließen und derartige Leistungen als Entgelt zu qualifizieren (vgl. Schwarz/Martinek/Schwarz, Angestelltengesetz, 7. Auflage, 441 f, m.w.N.). Auf die freiwillige Abfertigung treffen somit die in § 49 Abs. 1 ASVG normierten Merkmale zu. Es ist daher zu prüfen, ob der vom Beschwerdeführer angezogene Ausnahmetatbestand des § 49 Abs. 3 Z. 7 leg. cit. zutrifft. Diese Bestimmung enthält in ihrer beispielsweisen Aufzählung lediglich Abfertigungen schlechthin. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 27. März 1990, 85/08/0126, festgehalten, dass unter dem Begriff Abfertigung nicht nur eine solche zu verstehen ist, auf die nach dem Angestelltengesetz ein gesetzlicher Anspruch besteht, sondern dass vielmehr auch darüber hinausgehende Abfertigungen unter diesem Abfertigungsbegriff fallen, die anlässlich der Beendigung des Dienstverhältnisses auf Grund eines kollektivvertraglich oder einzelvertraglich begründeten Rechtsanspruches oder - im Bereich des Sozialversicherungsrechtes -

aus dem genannten Anlass auch bloß tatsächlich geleistet werden. Entscheidend ist, dass es sich um grundsätzlich aus der Beendigung des Dienstverhältnisses anfallende Bezüge handelt. Nach dieser Entscheidung, auf deren Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, liegt eine freiwillige Abfertigung dann vor, wenn eine solche ohne gesetzliche Verpflichtung aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses geleistet wird und sie nach Voraussetzung und Höhe eine Ähnlichkeit mit dem in der Rechtsordnung herausgebildeten Typus der gesetzlichen Abfertigung hat.

Tritt - wie hier - eine vor der Beendigung des Dienstverhältnisses vertraglich nicht vereinbarte und auch nach Kollektivvertrag oder Gesetz nicht gebührende, als "Abfertigung" bezeichnete Zahlung an die Stelle der eigentlich strittigen (beitragspflichtigen) Entgeltteile und liegt auch sonst kein sachlicher Grund für die Zahlung einer Abfertigung vor (solche Gründe, wie z.B. das Bestehen eines Streites über das Vorliegen eines Grundes zum vorzeitigen berechtigten Austritt durch die Dienstnehmerin, werden vom Beschwerdeführer auch gar nicht ins Treffen geführt), dann kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, dass mit dieser Zahlung die im arbeitsgerichtlichen Verfahren strittigen beitragspflichtigen Ansprüche befriedigt werden sollten und die Zahlung nur deshalb als "Abfertigung" deklariert worden ist, um die damit verbundenen Vorteile steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Art zu nutzen. Es besteht nämlich bei Zahlung einer Abfertigung bei Fehlen einer vertraglichen Verpflichtung und trotz Selbstkündigung des Arbeitnehmers keine Ähnlichkeit der Voraussetzungen mit jenen des in § 49 Abs. 3 Z. 7 ASVG genannten Abfertigungsanspruchs im Sinne des vorgenannten Erkenntnisses vom 27. März 1990, Zl. 85/08/0126. Nun steht aber den Parteien des Arbeitvertrages ein isolierter Zugriff auf die im öffentlichen Recht angeordnete Rechtsfolge "Beitragspflicht" ebenso wenig zu wie auf die Rechtsfolge "Versicherungspflicht" (vgl. dazu aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 31. Jänner 1995, 92/08/0213). In einer Konstellation wie der hier vorliegenden soll durch die bloße (formelle) Bezeichnung des Rechtsgrundes der Zahlung die Beitragsfreiheit herbeigeführt werden. Diese Bezeichnung ist unter solchen Umständen daher als (materielle) Falschbezeichnung rechtlich unerheblich.

Die Beschwerde ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 4. Oktober 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998080209.X00

Im RIS seit

21.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

14.07.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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