TE Vwgh Erkenntnis 2001/10/4 97/08/0136

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Veröffentlicht am 04.10.2001
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §67 Abs4;
BAO §14;
EStG 1988 §24;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Y Bäckerei GesmbH in W, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. Februar 1997, Zl. MA 15-II-Y 1/96, betreffend Haftung des Betriebsnachfolgers gemäß § 67 Abs. 4 ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, 1103 Wien, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde in teilweiser Stattgebung des Einspruchs der beschwerdeführenden Partei aus, dass diese gemäß § 67 Abs. 4 ASVG als Betriebsnachfolgerin verpflichtet sei, die auf dem Beitragskonto der Betriebsvorgängerin O. HandelsgesmbH rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren (Verzugszinsen) von S 123.596,39 zuzüglich Verzugszinsen seit 31. August 1996 in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, berechnet von S 96.665,41, an die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt zu überweisen.

Dieser Bescheid wurde wie folgt begründet:

"Im Gegenstande steht auf Grund des zwischen der O. HandelsgesmbH und der B. E. GesmbH, nunmehr Y. Bäckerei GesmbH, abgeschlossenen Kaufvertrages vom 5. August 1994 fest, dass die O. HandelsgesmbH an die B. E. GesmbH, die am Standort 1020 Wien, V. - gasse 1, betriebene Bäckerei samt allem rechtlichen und faktischen Zubehör, wie dieses Unternehmen liegt und steht, verkauft hat. Das Anlagevermögen bestand hiebei aus den in der Anlage A zum Kaufvertrag genannten Einrichtungs- und Gebrauchsgegenständen.

Im Hinblick darauf, dass die Einspruchswerberin somit die nach Betriebsart und Betriebsgegenstand wesentlichen Betriebsmittel der O. HandeslgesmbH im Wege eines Veräußerungsgeschäftes erworben hat, waren grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Haftung gemäß § 67 Abs. 4 ASVG gegeben.

Wenn die Einspruchswerberin vorbringt, eine Betriebsnachfolge sei deswegen nicht gegeben, da kein Warenlager, kein Kassastand und keine Forderungen übernommen worden seien, so wird darauf hingewiesen, dass diese laut Kaufvertrag gar nicht vorhanden gewesen sind.

Was den Einwand anbelangt, dass von der Einspruchswerberin selbst ein Mietvertrag abgeschlossen worden sei, so darf hiezu bemerkt werden, dass es für eine Betriebsnachfolgehaftung gemäß § 67 Abs. 4 ASVG nicht erforderlich ist, dass sämtliche Betriebsmittel erworben worden sind. Im Hinblick darauf, dass im vorliegenden Fall die für eine Bäckerei wesentlichen Betriebsmittel, nämlich die Einrichtungsgegenstände und die betriebsspezifischen Maschinen, erworben worden sind, war sehr wohl von einem Betriebserwerb im Sinne des § 67 Abs. 4 ASVG auszugehen.

Da jedoch der Betrieb laut Kaufvertrag am 8. August 1994 übergegangen ist, der Betriebsnachfolger aber nur für jene Beiträge haftet, die sein Vorgänger höchstens zwölf Monate vom Tage des Erwerbes zurückgerechnet zu zahlen gehabt hätte, die Wiener Gebietskrankenkasse der Einspruchswerberin aber auch die Beiträge 7/94 und 8/94, die nach dem 8. August 1994 vorgeschrieben worden sind, angelastet hat, war dem Einspruch zumindest teilweise stattzugeben."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde, die die Verwaltungsakten vorlegte, erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie schon in ihrem Einspruch ist die Beschwerdeführerin auch in ihrer Beschwerde der Auffassung, ein Betriebserwerb i.S. des § 67 Abs. 4 ASVG liege nicht vor, weil "kein Warenlager, kein Kassabestand und keine Forderungen an Außenständen" übergegangen seien. Auch das Mietrecht sei nicht übergegangen, weil die Beschwerdeführerin selbst mit der Liegenschaftseigentümerin einen Mietvertrag geschlossen habe. Das Argument der belangten Behörde, dass ein Warenlager, ein Kassenbestand und Forderungen gar nicht vorhanden waren, sei nicht zielführend, weil es ausschließlich darauf ankomme, dass derartige Betriebsmittel nicht übergegangen seien.

Wird ein Betrieb übereignet, so haftet gemäß § 67 Abs. 4 ASVG der Erwerber für Beiträge, die sein Vorgänger zu zahlen gehabt hätte, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Vorgängers sowie der Haftung des Betriebsnachfolgers nach § 1409 ABGB unter Bedachtnahme auf § 1409a ABGB und der Haftung des Erwerbers nach § 25 des Handelsgesetzbuches für die Zeit von höchstens zwölf Monaten vom Tag des Erwerbes zurück gerechnet. Im Fall einer Anfrage beim Versicherungsträger haftet er jedoch nur mit dem Betrag, der ihm als Rückstand ausgewiesen worden ist.

Als "Erwerber" gemäß § 67 Abs. 4 ASVG (unter dem Gesichtspunkt der Nachfolge unter Lebenden) ist jene Person zu verstehen, die den Betrieb oder einen organisatorisch selbstständigen Teilbetrieb des Betriebsvorgängers (Beitragsschuldners) auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes (von Veräußerungsgeschäften) mit ihm erworben hat. Die bloße Bestandnahme eines Betriebes (eines Teilbetriebes) begründet daher keine Haftung nach dieser Gesetzesstelle. Zum Betriebserwerb ist es allerdings nicht erforderlich, dass alle zum Betrieb gehörigen Betriebsmittel erworben werden; es genügt vielmehr der Erwerb jener Betriebsmittel, die die (nach Betriebsart und Betriebsgegenstand) wesentliche Grundlage des Betriebes des Betriebsvorgängers gebildet haben und den Erwerber mit ihrem Erwerb in die Lage versetzen, den Betrieb fortzuführen. Der Erwerb einzelner, nicht die wesentliche Grundlage des Betriebes darstellender Betriebsmittel von einem Dritten schließt die Betriebsnachfolge nicht aus. Es ist auch nicht entscheidend, ob der Betrieb tatsächlich fortgeführt wird, und ob im Falle der Fortführung der Betriebsgegenstand und die Betriebsart gleich bleiben (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 17. Dezember 1991, Zl. 89/08/0211, vom 17. Dezember 1991, Zl. 89/08/0211, vom 14. November 1995, Zl. 94/08/0187, vom 30. September 1997, Zl. 95/08/0348, vom 16. Dezember 1997, Zl. 93/08/0284, und vom 29. März 2000, Zl. 94/08/0109).

Nach den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde hat die O. HandelsgesmbH der Beschwerdeführerin mit Kaufvertrag vom 5. August 1994 eine am genannten Standort betriebene Bäckerei samt allem rechtlichen und faktischen Zubehör, wie dieses Unternehmen liegt und steht, verkauft. Das Anlagevermögen hat aus den in der Anlage A zum Kaufvertrag genannten Einrichtungs- und Gebrauchsgegenständen bestanden. Die Beschwerdeführerin brachte weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde vor, dass außer den im Kaufvertrag umschriebenen Unternehmensbestandteilen irgendwelche andere zum Unternehmen gehörige materiellen oder immateriellen Unternehmenskomponenten existiert hätten, geschweige denn, dass derartige Komponenten für einen Fortbetrieb des Unternehmens wesentlich gewesen wären und nicht auf die Beschwerdeführerin übergegangen wären. Vielmehr ergibt sich aus dem in den Verwaltungsakten erliegenden Kaufvertrag vom 5. August 1994 ausdrücklich, dass "ein Warenlager, Kassenbestand und Forderungen aus Außenständen" nicht vorhanden seien. In Anbetracht der lückenlosen Übernahme der Unternehmensbestandteile des lebenden Bäckereibetriebes erübrigt sich daher eine Feststellung des Verhältnisses der vom Erwerber übernommenen und der von ihm nicht übernommenen Betriebsmittel (vgl. dazu das Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 95/08/0248).

Das Vorliegen einer Betriebsnachfolge i.S. des § 67 Abs. 4 ASVG wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführerin, die den Bäckereibetrieb am selben Standort weiter führte, einen eigenen Mietvertrag mit den Liegenschaftseigentümern abgeschlossen hat. Zentraler Gesichtspunkt der Betriebsnachfolge im Sinne des § 67 Abs. 4 ASVG ist - nicht anders als etwa in den Fällen des § 14 BAO (vgl. die Erkenntnisse vom 10. Februar 1967, Slg. Nr. 3.570/F, vom 12. Dezember 1988, Slg. Nr. 6.369/F, u.v.a.) und des § 24 EStG (vgl. dazu Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Seite 940 ff) - der Erwerb einer funktionsfähigen Einheit und daher derjenigen Betriebsmittel, durch die der Erwerber in die Lage versetzt wird, den Betrieb fortzuführen. Welche Betriebsmittel in diesem Sinne wesentlich sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles und hängt im besonderen von Art und Gegenstand des Betriebes ab (vgl. zu bestimmten Betriebsarten das bereits zitierte Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 95/08/0248). Selbst wenn dem Betriebsstandort des gegenständlichen Bäckereibetriebs essentielle Bedeutung zukäme, würde der Umstand, dass eine Betriebsräumlichkeit nicht vom Betriebsvorgänger sondern von einem Dritten erworben wurde, nichts an einer Betriebsnachfolge im angegebenen Sinn ändern (vgl. das Erkenntnis vom 14. November 1995, Zl. 94/08/0187).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Einer nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen mitbeteiligten Partei steht kein Kostenersatzanspruch zu (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, Zl. 97/08/0439).

Wien, am 4. Oktober 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1997080136.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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