TE UVS Wien 1995/03/10 07/03/649/92

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Veröffentlicht am 10.03.1995
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Wilfert über die Berufung des Herrn Antun D vom 9.12.1992 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt fd 1./8. Bezirk, MBA 1/8-S 19481/92, vom 3.11.1992, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung entschieden:

Gemäß §66 Abs4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß §45 Abs1 Z1 VStG eingestellt.

Gemäß §65 VStG hat der Berufungswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Begründung:

1) Das angefochtene Straferkenntnis hat folgenden Spruch:

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung des Arbeitgebers der P GesmbH nach außen Berufener im Sinne des §9 Abs1 VStG 1991 im Standort Wien, B-gasse, zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 5. August 1992 entgegen der Bestimmung des §3 Abs1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl Nr 218/1975, in der Fassung BGBl Nr 450/1990, wonach ein Arbeitgeber, soweit nicht gesetzlich anders bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen darf, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung (§4) erteilt wurde oder wenn für den Ausländer eine, für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis (§14a) erteilt oder dem Ausländer ein Befreiungsschein (§15) ausgestellt wurde - folgende ausländische Arbeitskraft, für welche weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden ist und die auch keine, für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besaß, als Schankgehilfen im Gastgewerbebetrieb in Wien, B-gasse, beschäftigt hat: Herrn Ambroza I, jugoslawischer Staatsbürger.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§28 Abs1 Z1 lita Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl Nr 218/1975 in der Fassung BGBl Nr 450/1990.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Schilling S 5.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen gemäß §28 Abs1 leg cit in der derzeit geltenden Fassung.

Ferner haben Sie gemäß §64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

500,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10% der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 5.500,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die am 9.12.1992 mündlich erhobene Berufung, in welcher der Berufungswerber unter Hinweis auf die Begründung seines Einspruches vom 20.10.1992 im wesentlichen ausführt, Herr I sei sein Schwager und sei Flüchtling. Er sei seit September 1991 beim Berufungswerber. Er sei jedoch von diesem nicht beschäftigt worden. Lediglich am 5. April 1992 mußte der Berufungswerber nach Agram fahren und hat ihn sein Schwager auf dessen Ersuchen im Betrieb vertreten, da im Betrieb niemand beschäftigt wird. Er habe dafür kein Entgelt erhalten und es liege auch kein Beschäftigungsverhältnis vor. Mit Schriftsatz vom 28.12.1992 erstattete das Landesarbeitsamt Wien als Partei eine Stellungnahme und führte im wesentlichen aus, daß die Unentgeltlichkeit für die Beurteilung der Frage, ob eine Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz vorliege, irrelevant sei.

2) In der Angelegenheit fand am 10.3.1995 eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen verwaltungssenat Wien statt. Zu dieser Verhandlung sind weder ein Vertreter der erstinstanzlichen Behörde noch des Arbeitsmarktservices Wien erschienen.

Herr Roland N, Erhebungsbeamter des Arbeitsmarktservice Wien, wurde zeugenschaftlich, der Berufungswerber als Partei einvernommen.

3) Die Berufung ist begründet.

Gemäß §3 Abs1 Ausländerbeschäftigungsgesetz darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.

Gemäß §28 Abs1 Z1 lita Ausländerbeschäftigungsgesetz begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem §3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§4) erteilt noch eine Arbeitserlaubnis (§14a) oder ein Befreiungsschein (§15) ausgestellt wurde, bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 5.000,-- bis S 60.000,--, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von S 10.000,-- bis zu S 120.000,--, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 10.000,-- bis zu S 120.000,--, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von S 20.000,-- bis S 240.000,--.

Aus §2 Abs2 und Abs3 AuslBG folgt, daß der Begriff "Beschäftigung" im AuslBG nicht nur Arbeitsverhältnisse umfaßt, und daß unter Arbeitgeber nicht nur der Partner eines Arbeitsvertrages zu verstehen ist. Die Verpflichtung zur Einholung einer Beschäftigungsbewilligung vor der Beschäftigung eines Ausländers trifft daher nach §3 Abs1 AuslBG auch einen "Werkvertragsgeber", wenn die Grundlage für den Vertrag nicht in gewerberechtlichen oder sonstigen Normen liegt und der Werkvertrag so beschaffen ist, daß der "Werkvertragsnehmer" zwar nicht in der Frage seiner persönlichen, aber in der Frage der wirtschaftlichen Abhängigkeit einem Arbeitnehmer nahezu gleichkommt (vgl dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2.9.1993, Zl 92/09/0322, und die dort angeführte Vorjudikatur). Das Rechtsverhältnis einer arbeitnehmerähnlichen Person zu ihrem Auftraggeber kann auch ein Werkvertragsverhältnis, aber auch ein sogenannter "freier Dienstvertrag" sein. Gegenstand der Verpflichtung im Rahmen eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses kann demgemäß jede Art von Arbeitsleistung sein; die Rechtsnatur der Vertragsbeziehungen zwischen der arbeitnehmerähnlichen Person und dem Arbeitsempfänger ist nicht entscheidend.

Entscheidend für die Frage der Arbeitnehmerähnlichkeit ist vielmehr die wirtschaftliche Unselbständigkeit, wegen welcher sich eine Person, die im Auftrag und für Rechnung einer anderen Person Arbeit leistet, ohne in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, in einer einem Arbeitnehmer ähnlichen wirtschaftlichen Abhängigkeit befindet. Der "Arbeitnehmerähnliche" ist nicht persönlich vom Empfänger der Leistung abhängig; seine wirtschaftliche Unselbständigkeit, die ihn als arbeitnehmerähnlich qualifizieren läßt, ist darin zu erblicken, daß er unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie ein Arbeitnehmer tätig und daher insofern vom Empfänger der Leistung wirtschaftlich abhängig ist.

Es kommt auch nicht darauf an, ob die arbeitnehmerähnliche Person konkret auf die Gegenleistungen aus diesem Rechtsverhältnis zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes angewiesen ist. Was den "organisatorischen" Aspekt ihrer Arbeitnehmerähnlichkeit betrifft, bedarf es der Prüfung, ob das Gesamtbild der Tätigkeit, die diese Person im Auftrag und für Rechnung eines anderen leistet, so beschaffen ist, daß sie trotz fehlender persönlicher Abhängigkeit nicht mehr in der Lage ist, ihre Arbeitskraft, insoweit sie durch das konkrete Rechtsverhältnis in der Verfügung über ihre Arbeitskraft gehindert ist, anderweitig für Erwerbszwecke einzusetzen, sodaß sie als unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie der persönlich abhängige Arbeitnehmer tätig ist (siehe zB VwGH vom 17.11.1994, Zl 94/09/0195). Die im Berufungsfall vom Arbeitsmarktservice Wien als Partei vertretene Rechtsansicht, für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des Ausländerbeschäftigungsgesetzes sei die Frage der Entgeltlichkeit unerheblich, steht mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Einklang.

Sowohl für eine Beschäftigung gemäß §2 Abs2 lita als auch gemäß §2 Abs2 litb AuslBG ist die Entgeltlichkeit ein wesentliches Merkmal, wobei sich der Anspruch des Arbeitenden auf Bezahlung aus einer mit dem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung, allenfalls aber auch unmittelbar aus arbeitsrechtlichen Vorschriften (so etwa aus §29 AuslBG oder aus kollektivvertraglichen Regelungen) ergibt. Ist hingegen glaubhaft - sei es ausdrücklich oder auch konkludent - für die Tätigkeit Unentgeltlichkeit vereinbart, dann fehlt es an der für eine Beschäftigung nach dem AuslBG essentiellen persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit (vgl VwGH 15.9.1994, 94/09/0137, und die dort genannte Vorjudikatur). Aufgrund der Aussage des Berufungswerbers, welcher in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien im persönlichen Eindruck sehr glaubwürdig wirkte, und welche mit den Angaben im Einspruch und in der Berufung und den, im Erhebungsbericht wiedergegebenen Angaben des Herrn I im Einklang stehen, ist als erwiesen anzusehen, daß es sich bei Herrn I um den Schwager des Berufungswerbers handelt, welcher ebenso wie die gesamte Familie des Berufungswerbers und die seiner Frau anläßlich der kriegerischen Ereignisse in Jugoslawien nach Österreich gekommen sind und bei Verwandten und Bekannten untergebracht waren. Herr I hat zeitweise beim Berufungswerber und zeitweise bei einer seiner Schwestern gewohnt und wurde von diesen auch verköstigt. Am 5.8.1992 hat Herr I das Lokal des Berufungswerbers beaufsichtigt, da dieser ins Ausland mußte. Ein Entgelt für diese Leistung wurde nicht vereinbart und hat Herr I auch nicht erhalten.

Dienstleistungen von Familienangehörigen sind häufig durch spezifische Bindungen gekennzeichnet und nicht als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren. Dies bedeutet nicht, daß Familienangehörige nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen können, und daß diesfalls die Beschäftigung von ausländischen Familienangehörigen einer Bewilligung bedarf. Insbesondere ist von einem Arbeitsverhältnis auch zwischen Familienangehörigen dann auszugehen, wenn sich der Betreffende eindeutig und ausdrücklich zur Arbeitsleistung verpflichtet hat (VwGH vom 2.7.1987, 87/09/0013). Im Zweifel wird aber davon auszugehen sein, daß die Familiendienste der Erfüllung familiärer Beistands- und Mitwirkungspflichten gelten (VwGH vom 2.7.1987, 87/09/0008). Insbesondere kann für die Dienste naher Angehöriger die Entgeltlichkeitsvermutung des §1152 ABGB in der Regel nicht herangezogen werden, sofern sie im Haushalt, im Gewerbe bzw in der Landwirtschaft mithelfen (VwGH 21.1.1988, 87/09/0236). Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien übersieht nicht, daß auch das Zuverfügungstellen einer Wohnmöglichkeit bzw von Verpflegung als Entgelt betrachtet werden kann, doch scheint diese Annahme nur dann zutreffend, wenn die Wohnmöglichkeit nicht aus anderen Gründen überlassen wurde, wie im vorliegenden Fall im Rahmen einer familiären Unterstützung des, infolge der kriegerischen Ereignisse in Jugoslawien nach Wien geflüchteten Bruders der Ehegattin, und nicht besondere Gründe hinzutreten, die dennoch die Annahme eines Entgeltes rechtfertigen würden.

Im durchgeführten Verfahren sind nun keine Hinweise dafür hervorgekommen, daß sich Herr Ambroza I, welcher der Schwager des Berufungswerbers ist, eindeutig und ausdrückich zur Arbeitsleistung verpflichtet hat. Aus der glaubwürdigen Aussage des Berufungswerbers, welche mit den Ermittlungsergebnissen, insbesondere auch mit der Aussage des Erhebungsorganes, Herr N, nicht im Widerspruch steht, ergibt sich vielmehr, daß Herr I seinen Schwager D, als dieser ins Ausland mußte, dadurch unterstützte, daß er das Lokal während seiner Abwesenheit beaufsichtigte, da er in Österreich keiner Beschäftigung nachging und ausreichend Zeit hatte. Im Verfahren sind auch keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, daß das Ausmaß der Tätigkeit des Herrn I im Umfang die familiäre Beistands- und Mitwirkungspflicht eines im Haushalt des Berufungswerbers lebenden Verwandten überschritten hätte. Es sind letztlich keine Umstände hervorgekommen, wonach Herr I für die Beaufsichtigung des Lokales ein Entgelt erhalten hätte, noch, daß das Zurverfügungstellen einer Wohnmöglichkeit in einem Austauschverhältnis zu dieser Beaufsichtigung gestanden wäre und somit Entgeltcharakter gehabt hätte.

Zusammenfassend ergibt sich, daß die erstinstanzliche Behörde, wie es sich aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ergibt, zu Unrecht davon ausgegangen ist, daß es ohne Belang sei, ob die Beschäftigung eines ausländischen Staatsbürgers entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt, und auch im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehendender Beweismittel das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht erwiesen worden ist. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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