TE UVS Wien 1995/10/17 02/31/104/94

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Veröffentlicht am 17.10.1995
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Schnizer-Blaschka über die Beschwerde der Frau Elisabeth K gemäß § 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17.10.1995 wie folgt entschieden.

Gemäß § 88 Abs 1 SPG iZm § 67c Abs 4 AVG wird der Beschwerde gegen die am 13.10.1994 gegen 8.00 Uhr in Wien, D-Gasse, durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien durchgeführte zwangsweise Vorführung der Beschwerdeführerin zu einem Polizeiamtsarzt sowie ihre daran anschließende Vorführung in das Psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 88 Abs 4 SPG iZm § 79a AVG hat die Beschwerdeführerin dem Bund (BMI) Kosten in Höhe von S 6.511,-- binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

I. 1. In ihrer Beschwerde vom 23.11.1994 beantragte die Beschwerdeführerin, die Festnahme ihrer Person und die daraus resultierende Einweisung in das Psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien für rechtswidrig zu erklären. Der angfochtene Verwaltungsakt habe sich am 13.10.1994 an ihrer Wohnungstür D-Gasse, Wien, ereignet.

Begründend führt sie aus, sie sei "wieder einmal mittels Polizeieinsatzes frisch von ihrer Wohnungstüre weg verschleppt" worden, und zwar in die Bundespolizei, B-gasse, ohne daß die beiden Polizisten einen Grund angegeben hätten. Die daraus resultierende Einweisung in die für den 9. Bezirk zuständige Psychiatrie sei aufgrund der Anordnung des diensthabenden Amtsarztes Dr B erfolgt.

2. Die belangte Bundespolizeidirektion Wien legte die Verwaltungsakten vor und beantrage in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

II. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt geht folgender Sachverhalt hervor:

1. In seiner Meldung vom 13.10.1994 führte RvI Karl Bl im wesentlichen aus, er und RvI L 2. seien am 13.10.1994 um 7.26 Uhr wegen einer nackten Frau auf dem Gang nach Wien, D-Gasse beordert worden. Am Einsatzort habe im besagten Stiegenhaus niemand angetroffen werden können. Bei der angeführten Wohnung sei nicht geöffnet worden. Nachbarn hätten über Befragen sinngemäß folgendes angegeben: "Heute gegen 07.15 Uhr war Frau K Elisabeth, VB, 1959 geb, Österr Stbg, Tür Nr 22 wh, nackt im Stiegenhaus. Frau K machte einen verwirrten Eindruck und sprach unverständliche Worte. Als ich sie ansprach um ihr zu helfen, beschimpfte sie mich auf das Gröblichste. Außerdem möchten wir angeben, daß Frau K während der Nachtstunden in ihrer Wohnung laut das Radio spielt und seit neuestem auf einem Klavier klimpert, sowie irgendwelche Tätigkeiten durchführt, die derart laut sind, daß man nicht schlafen kann. Außerdem wurde Frau K schon auf dem Fensterbrett stehend gesehen, was auf Selbstmordabsichten hinweist. Frau K war auch schon mehrmals in psychiatrischer Behandlung und wurde oder wird vom PSD betreut. Der Geisteszustand von Frau K scheint derzeit wieder sehr zweifelhaft."

Hierauf sei - so die polizeiliche Meldung weiter - von den Beamten versucht worden, mit Frau K in Kontakt zu treten. Trotz intensiven Klopfens und Läutens sei die Wohnungstüre nicht geöffnet worden und es sei K nicht gewillt gewesen, mit den Beamten zu reden. Von den Beamten habe kurz gesehen werden können, wie die Frau aus dem Türspion geblickt und sich dann von der Wohnungstür entfernt habe. In weiterer Folge sei versucht worden, mit dem PSD Kontakt aufzunehmen, was jedoch nicht möglich gewesen sei, da die Ärzte erst um 9.00 Uhr Dienstbeginn gehabt hätten. Bei neuerlichen Versuchen, mit Frau K in Kontakt zu treten, sei die Wohnung weiterhin nicht geöffnet worden. Da der begründete Verdacht einer Selbstgefährdung vorgelegen sei, sei via Funkstelle die Feuerwehr angefordert worden. Von dieser sei unter dem in den Lichthof führenden offenen Wohnungsfenster begonnen worden, das Sprungtuch aufzubauen bzw die Drehleiter Richtung Wohnfenster auszufahren. Während dieser Tätigkeit der Feuerwehr habe Frau K die Wohnung verlassen, weswegen die angeführten Maßnahmen sofort widerrufen worden seien.

Frau K sei dann im Stiegenhaus angehalten worden, wo sie sinngemäß folgendes angegeben habe: "Was wollen Sie, bin ich verhaftet. Wo brennt es." Als die Frau über die Sachlage aufgeklärt worden sei, sei sie äußerst aggressiv geworden und habe geschrieen: "Ich habe nichts gemacht, lassen Sie mich in Ruhe, die Benzinleitung am PKW ist durchgeschnitten worden. Der Fiat steht in der H-gasse. Dort ist eine Leitung einer Spule defekt. Was machen Polizisten aus S in Wien. Warum kennen Sie mich und meinen Vater. Die Mutter ist deswegen gestorben."

Frau K sei vorerst nicht gewillt gewesen, sich zwecks amtsärztlicher Untersuchung ins Kommissariat überstellen zu lassen, weshalb via Funkstelle der Rettungsdienst angefordert worden sei. Während der Wartezeit auf den Rettungsdienst habe die Frau beruhigt werden können und sie sei in weiterer Folge mit dem Streifenkraftwagen ins Kommissariat überstellt worden. Laut Protokollstelle des dortigen Kommissariates habe K bereits fünf derartige Vormerkungen.

Vom Amtsarzt Dr B sei nach der Untersuchung die Einweisung in das Psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien verfügt worden.

2. Weiters liegt dem Verwaltungsakt eine ärztliche Bescheinigung gemäß § 8 Unterbringungsgesetz (im folgenden: UbG) ein, die den Gang der Untersuchung durch Amtsarzt Dr B wiedergibt. In dieser ist im wesentlichen folgendes angeführt: `Bei der amtsärztlichen Untersuchung verwirrt, unklarer Gedankenablauf, die gestellten Fragen durch den Amtsarzt wurden nicht beantwortet. Läuft im Stiegenhaus nackt umher, droht aus dem Fenster zu springen. Intervention der Feuerwehr. Gefährdung des Lebens/der Gesundheit der betroffenen Person selbst: Suizid-Absichten; Gefährdung des Lebens/der Gesundheit anderer: unbestimmte Drohungen; vorläufige Diagnose (laut Schema): 295 (ergänze: Schizophrenie). Weiters sind unter der Rubrik "Hinweise auf eine psychische Krankheit bei der Untersuchung ausgeführt: Störung des Bewußtseins, der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses, der Verstandestätigkeit. Weiters wurden "Auffälligkeit im Verhalten und in der aktuellen Beziehung zum Arzt" festgestellt.`

Abschließend ist in dieser amtsärztlichen Bescheinigung folgendes festgestellt:

"Es wird bescheinigt, daß eine ärztliche Untersuchung gemäß § 8 UbG durchgeführt wurde. Die Voraussetzungen zur Unterbringung an das Psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien liegen vor."

III. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 17.10.1995 im Beisein des Vertreters der belangten Behörde eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Die Beschwerdeführerin nahm an dieser Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht teil. In dieser Verhandlung sagten die Zeugen RvI Karl Bl, RvI L 2. und Dr Wilhelm B folgendes aus:

RvI Karl Bl:

`Ich kann mich an den Vorfall noch dunkel erinnern. Der Einsatzgrund lautete "Nackte Frau auf dem Gang". Als wir im Stiegenhaus eintrafen, befand sich niemand mehr dort. Wir befragten die Nachbarn und einer der Nachbarn erklärte uns, daß Frau K nackt am Gang gewesen sei und sie an sich zeitweise verwirrt sei. Sie hätte auch schon Selbstmordabsichten zu erkennen gegeben, einmal sei sie am Fensterbrett gestanden. Wir klopften und läuteten an der Türe von Frau Ks Wohnung, es öffnete aber niemand.

Da der Verdacht einer Selbstmordgefahr bestand, verständigten wir die Feuerwehr zwecks Absicherung und Öffnung der Türe. Nach deren Eintreffen begann die Feuerwehr mit der Absicherung eines Fensters im Hof, und zwar wollten sie ein Sprungtuch vorbereiten. Als ich das Stiegenhaus hinaufging, kam Fr K gerade aus der Wohnung. Ich sprach sie an mit den sinngemäßen Worten "Frau K, wieso öffnen Sie nicht die Türe", daraufhin äußerte sie verschiedene Dinge, die auf einen verwirrten Geisteszustand schließen ließen, es waren Gedankensprünge, etwa sinngemäß: "Was tut die Polizei hier?", dann sagte sie wieder, das ist gar keine Polizei, irgendwas sagte sie von einer aufgebrochenen Leitung, dann von der H-gasse, dies habe ich in der Anzeige genau vermerkt. Über Vorhalt meiner Anzeige, Blatt 1 Rückseite Mitte, über die Aussgen der Bf: Ja, an diese Aussagen der Bf kann ich mich erinnern.

Sie selbst wirkte erregt und aufbrausend. Wir erklärten ihr, sie solle zum Amtsarzt mitkommen, damit er sie anschauen könne. Im Zuge des Gespräches hat sie sich dann beruhigt und ist freiwillig im Stkw aufs Wachzimmer 9, B-gasse, mitgefahren.

Wenn ich gefragt werde, wie ich auf meinen Verdacht, es liege Selbstgefährdung vor, gekommen bin: Zuerst haben mir die Nachbarn glaubhaft dargelegt, daß sie bereits Selbstmordäußerungen getätigt hat und auch schon am Fensterbrett gestanden sei. Die Nachbarn wirkten seriös und ernstlich besorgt und aus dem glaubhaft dargestellten Umstand, daß die Bf nackt im Gang herumgelaufen sei, schloß ich, daß Grund zum Einschreiten besteht. Als ich Frau K dann persönlich ansprach, bemerkte ich ihre Gedankensprünge und ihren offenkundig aktuell verwirrten Zustand beim Gespräch. Die Frau war bei unserem Einschreiten in einem Zustand, der es ausgeschlossen erscheinen ließ, daß sie sich irgendwie in andere Betreuung, etwa beim PSD, begeben könnte. Sie war für solche Lösungsvorschläge in keiner Weise zugänglich.

Über Vorhalt der Anzeigeangabe, wonach eine Kontaktaufnahme mit dem PSD vergeblich versucht wurde: Daran kann ich mich heute nicht erinnern, wir versuchen aber grundsätzlich immer, andere Hilfe - zB durch den PSD oder andere Vertrauenspersonen - zu gewähren. Erst wenn dies ausgeschlossen scheint, wird die Vorführung zum AA durchgeführt.

...

Ich selbst habe mit Frau K vorher noch keine Amtshandlung gehabt, ich weiß aber, daß Kollegen von mir schon öfter wegen Verdachts der Psychose einschreiten mußten.

Wir fuhren mit der Frau dann in die B-gasse und verständigten den AA. Ich befasse mich dann mit der Erstellung der Anzeige, Auffälligkeiten am WZ sind mir keine erinnerlich.

In Fällen, in denen der AA die Einweisung für notwendig befindet, findet die Überstellung unter Beiziehung des RD statt. Wie das im konkreten Fall weiterverlaufen ist, kann ich nicht angeben.

Über Befragen des BehV:

Wenn ich gefragt werde, ob die Frau nicht nur nervös bzw etwas zerstreut gewirkt habe: Nein, vom Gesamterscheinungsbild her schien sie gefährdet, sie hat sich irgendwie abgeschottet, wollte nicht öffnen, wich den gestellten Fragen aus, die Antworten hatten mit der Fragestellung nichts zu tun. Sie wirkte also keinesfalls nur zerstreut.

Ich versehe seit 20 Jahren Dienst und habe mit zahlreichen Fällen von Psychose zu tun gehabt.

Sie war zunächst sehr aufbrausend, beruhigte sich aber aufgrund des in der Folge mit ihr geführten Gespräches. Die Art des Gespräches wurde uns im Zuge eines Konfliktvermeidungsseminares beigebracht. Doch hat sie auch, nachdem sie sich beruhigt hatte, durch ihre Äußerungen einen stark verwirrten Eindruck erweckt. Daß der AA sie anschauen und sie aus diesem Grund mitkommen solle, habe ich ihr gesagt."

RvI L 2. gab folgendes an:

"Wir wurden damals wegen einer nackten Frau im Stiegenhaus an die Adresse gerufen. Die Bf hat die Türe nicht geöffnet. Von Nachbarn erfuhren wir, daß Frau K heute nackt im Stiegenhaus herumgelaufen sei und meiner Erinnerung nach hat sie angeblich geschrien. Auch erzählten sie uns, daß sie bereits Selbstmordabsichten zu erkennen gegeben hat.

Da sie eben nicht öffnete und ihr Geisteszustand zweifelhaft war, verständigten wir die Feuerwehr. Diese setzte bereits Vorkehrungsmaßnahmen zur Sicherung der Person, und zwar wurde ein Sprungtuch aufgespannt. Bevor die Feuerwehr Maßnahmen zum Eindringen in die Wohnung setzen konnte, öffnete Frau K selbst die Wohnungstür und kam heraus. Sie war verwirrt, erzählte unzusammenhängende Dinge, die nicht zum Vorfall gepaßt haben, es handelte sich um unzusammenhängende Geschichten, die für uns nicht nachvollziehbar waren. Heute weiß ich nur noch, daß sie aus ihrer Kindheit Geschichten erzählte, nämlich daß sie aus S stamme, meinen Kollegen hat sie dann vorübergehend für einen Bekannten gehalten. An Details erinnere ich mich heute sonst nicht mehr. Zuerst war sie aufbrausend, im Zuge des Gespräches hat sie sich aber beruhigt und ist dann ohne weitere Probleme mit uns aufs Koat gefahren. Es wurde ihr gesagt, daß sie zum AA mitkommen müsse. Ob ihr der Ablauf der Geschehnisse klar geworden ist, kann ich nicht angeben.

Da aktuell der Verdacht einer Selbstgefährdung bestanden hat, blieb für uns keine andere Möglichkeit, als sie dem AA vorzuführen, zumal sie meiner Erinnerung nach überhaupt keine Angehörigen in Wien hatte. Auch der PSD scheidet in einem Fall konkreter Selbstgefährdung aus, weil weder Räumlichkeiten zur Verfügung stehen noch gegebenenfalls Zwangsmaßnahmen gesetzt werden dürfen.

Ich bin seit 12 Jahren SWB und habe oft mit ähnlich gelagerten

Fällen zu tun.

Über Befragen des BehV:

Wenn ich gefragt werde, ob Frau K vielleicht nur zerstreut gewirkt hätte: Zu dem Zeitpunkt, als wir mit ihr sprachen, stand für mich fest, daß der Verdacht einer Selbstgefährdung gegeben war, und zwar aufgrund des Erscheinungsbildes der Frau K.

Wenn mir vorgehalten wird, daß laut Anzeige die Verständigung des PSD versucht worden sei, so kann ich mich daran konkret nicht mehr erinnern, das ist aber durchaus möglich.

Daß der PSD aktuell gefährdete Personen nicht übernehmen, weiß ich

aus meiner langjährigen Berufserfahrung."

Dr Wilhelm B gab folgendes an:

"Über Vorhalt des Blattes 6 (Ärztliche Bescheinigung gemäß § 8 UbG) gebe ich an: Ich habe damals die amtsärztliche Untersuchung der Bf durchgeführt. An die Untersuchung selbst kann ich mich heute nicht mehr erinnern. Ich kann daher nur auf das von mir damals erstattete Gutachten verweisen. Die Bf stand im Verdacht einer Psychose. Bei meiner Untersuchung stellte sich als vorläufige Diagnose laut Würzburger Schema 295 heraus, das bedeutet, daß der Verdacht auf Schizophrenie gegeben war. Derzeit bestehen bei Krankheitsbildern wie dem vorliegenden, nämlich wenn einer aktuell verwirrt und auch suizid-gefährdet ist, keine anderen Alternativen als die Unterbringung im Psychiatrischen Krankenhaus. Grundsätzlich stehen als Alternativen die Beiziehung von Angehörigen, die Befassung des PSD oder des Hausarztes zur Verfügung, das schied aber im konkreten Fall aufgrund ihres Zustandes von vornherein aus. An die Frau selbst kann ich mich nicht erinnern."

2. Aufgrund der Aktenlage und der Ergebnisse des Beweisverfahrens wird folgender Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

Die Beamten RvI Karl Bl und RvI L 2. wurden um 7.26 Uhr wegen einer "nackten Frau auf dem Gang" an die Wohnadresse der Beschwerdeführerin beordert. Dort eingetroffen haben sie zunächst niemanden angetroffen. Trotz Klopfens und Läutens an der Tür der Beschwerdeführerin öffnete diese nicht. Daraufhin suchten die Beamten Nachbarn auf und erkundigten sich nach den Vorfällen. Da ihnen diese glaubhaft versicherten, daß die Beschwerdeführerin in einem verwirrten Zustand nackt im Stiegenhaus herumgelaufen sei und sie überdies in der Vergangenheit bereits Selbstmordabsichten geäußert habe und auch schon auf dem Fensterbrett stehend gesehen worden sei, ersuchten die Beamten die Feuerwehr um Intervention. Nachdem die eingetroffene Feuerwehr bereits die Sicherungsmaßnahmen vorbereitet hatte, kam die Beschwerdeführerin aus eigenem aus ihrer Wohnung. RvI Bl sprach sie an, wobei sie zunächst aufbrausend und erregt war und im Zuge des folgenden Gespräches durch unnachvollziehbare Gedankensprünge und unzusammenhängende Erzählungen einen verwirrten Eindruck erweckte. Aufgrund dieses Erscheinungsbildes und der Erzählung der Nachbarn über bereits geäußerte Suizid-Absichten sahen sich die Beamten veranlaßt, die Beschwerdeführerin dem Amtsarzt vorzuführen. Dies wurde der Beschwerdeführerin, die im Zuge des Gespräches ruhiger wurde, auch erklärt. Schließlich ließ sie sich ohne Gegenwehr von den Beamten ins Kommissariat bringen.

Dort führte der Amtsarzt Dr B eine Untersuchung durch, die das oben unter Punkt II.2. dargestellte Ergebnis mit sich brachte. Daraufhin wurde die Beschwerdeführerin in das Psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien gebracht und dort aufgenommen.

3. Diese Feststellungen gründen sich im Hinblick auf den Zustand der Beschwerdeführerin bei ihrem Antreffen durch die Polizeibeamten auf die glaubwürdigen Aussagen der beiden einvernommenen Sicherheitswacheorgane im Zusammenhalt mit der von RvI Bl am 13.10.1994 erstatteten polizeiliche Meldung (siehe Punkt II.1.). Diese Zeugen erweckten einen ausgesprochen berufserfahrenen und sachlichen Eindruck, außerdem wirkten sie aufrichtig und vollkommen unvoreingenommen. Demgegenüber hat die Beschwerdeführerin trotz gebotener Gelegenheit kein Vorbringen erstattet, das Anhaltspunkte dafür ergeben hätte, daß die Darstellung der Beamten in der Meldung vom 13.10.1993 oder in ihrer Zeugenaussage unrichtig wäre.

Die Feststellungen über den Zustand der Beschwerdeführerin am Kommissariat bei der amtsärztlichen Untersuchung stützt der Unabhängige Verwaltungssenat Wien auf das amtsärztliche Gutachten vom 13.10.1994 (siehe Punkt II.2.) sowie auf die glaubwürdige Aussage des Amtsarztes Dr B vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien, wobei auch hier anzumerken ist, daß der Amtsarzt einen fachlich kompetenten und sorgfältigen Eindruck erweckte.

IV. Rechtlich ergibt sich folgendes:

1. Zur Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien:

Gemäß § 88 Abs 1 SPG erkennen die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG). Im Zusammenhang mit Maßnahmen nach dem UbG hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28.1.1994, 93/11/0035, ausgeführt, daß die Überprüfung der der Anhaltung einer Person ohne Verlangen in einer Anstalt vorangegangenen polizeilichen Zwangsmaßnahmen (zwangsweise Verbringung zu einem Arzt und in die Krankenanstalt gemäß § 8 und § 9 UbG) jedenfalls in die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate fällt. Das SPG sieht nunmehr ausdrücklich die Bekämpfbarkeit dieser Akte vor dem unabhängigen Verwaltungssenat vor (§ 88 Abs 1 iVm § 46 SPG). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erachtet sich der Unabhängige Verwaltungssenat Wien daher zur Entscheidung über die von der Beschwerdeführerin bekämpften Maßnahmen der Vorführung zum Amtsarzt sowie der Verbringung in die Krankenanstalt nach der amtsärztlichen Untersuchung für zuständig.

2. Zur Sache:

Gemäß § 46 Abs 1 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, Menschen, von denen sie aus besonderen Gründen annehmen, daß sie an einer psychischen Krankheit leiden und im Zusammenhang damit ihr Leben oder ihre Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich oder erheblich gefährden, einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt oder einem Polizeiarzt vorzuführen, sofern dies notwendig ist, um eine Untersuchung des Betroffenen durch diesen Arzt zu ermöglichen. Weiters sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, solche Menschen einer Krankenanstalt (Abteilung) für Psychiatrie vorzuführen, sofern der Arzt die Voraussetzungen für eine Unterbringung bescheinigt. Gemäß Abs 3 dieser Bestimmung ist in diesen Fällen gemäß § 9 UbG vorzugehen.

Gemäß § 8 UbG darf eine Person gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine Anstalt gebracht werden, wenn ein im öffentlichem Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, daß die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. In der Bescheinigung sind im einzelnen die Gründe anzuführen, aus denen der Arzt die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachtet.

Gemäß § 9 Abs 1 UbG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes berechtigt und verpflichtet, eine Person, bei der sie aus besonderen Gründen die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachten, zur Untersuchung zum Arzt (§ 8) zu bingen oder diesen beizuziehen. Bescheinigt der Arzt das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung, so haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person in eine Anstalt zu bringen, oder dies zu veranlassen. Wird eine solche Bescheinigung nicht ausgestellt, so darf die betroffene Person nicht länger angehalten werde.

Nach Abs 3 dieser Bestimmung haben der Arzt und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unter möglichster Schonung der betroffenen Person vorzugehen und die notwendigen Vorkehrungen zur Abwehr von Gefahren zu treffen. Sie haben, soweit das möglich ist, mit psychiatrischen Einrichtungen außerhalb einer Anstalt zusammenzuarbeiten und erforderlichenfalls den örtlichen Rettungsdienst beizuziehen.

§ 3 UbG regelt die Voraussetzungen der Unterbringung. Danach darf in einer Anstalt nur untergebracht werden, wer an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet (Z 1) und nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann (Z 2).

Im Beschwerdefall ist eindeutig hervorgekommen, daß die Beamten aufgrund des sich ihnen bietenden Gesamtbildes von der Beschwerdeführerin besondere Gründe zu der Annahme haben mußten, daß sie an einer psychischen Krankheit leidet. Vom Vorliegen einer Suizid-Gefahr - und damit von einer ernstlichen Gefährdung ihrer Gesundheit oder ihres Lebens - durften die Beamten aufgrund der glaubhaft vorgetragenen Aussagen der Nachbarn ausgehen. Damit lagen aber die Voraussetzungen für die Vorführung der Beschwerdeführerin zum Amtsarzt im Sinne des § 46 Abs 1 erster Satz SPG bzw § 9 Abs 1 erster Satz UbG vor.

Weiters hat der Amtsarzt die Voraussetzungen für eine Unterbringung bescheinigt, er hat das Vorliegen einer Psychose mit Selbstgefährdung (§ 3 Z 1 UbG) sowie die Unmöglichkeit der Betreuung außerhalb einer Anstalt (§ 3 Abs Z 2 UbG) attestiert. Aus diesem Grund waren die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Sinne des § 46 Abs 1 zweiter Satz SPG bzw § 9 Abs 1 zweiter Satz UbG ermächtigt, die Beschwerdeführerin in die Krankenanstalt für Psychiatrie vorzuführen.

Da im Beschwerdefall auch nicht hervorgekommen ist, daß der Arzt oder die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht mit möglichster Schonung der Beschwerdeführerin vorgegangn wären, erweist sich die Beschwerde insgesamt gegen die behördlichen Maßnahmen als unbegründet und war daher abzuweisen. IV. Der Kostenzuspruch an die belangte Behörde gründet sich auf § 79a AVG und die hiezu ergangene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes: Danach hat sich der unabhängige Verwaltungssenat bei der Entscheidung über den Kostenersatz nach § 79a AVG an den Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG iVm der auf § 49 VwGG gestützten Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl Nr 416/1994, zu orientieren. Hiebei sind die in dieser Verordnung angeführten Pauschalsätze unter Bedachtnahme auf den Grundsatz einer Abstufung des Kostenersatzes im Verfahren entsprechend der Unter- bzw Überordnung der angerufenen Behörden und der damit verbundenen verschiedenartigen Mühewaltung um ein Drittel (gerundet) zu kürzen. (vgl ua VwGH 23.9.1991, 91/19/0162 und 91/19/0226; VwGH 30.9.1991, 91/19/0163 und 91/19/0165). Demnach war der belangten Behörde als obsiegender Partei entsprechend ihrem Kostenantrag Schriftsatzaufwand in Höhe von S 2.667,--, Vorlageaufwand in Höhe von S 377,-- sowie Verhandlungsaufwand in Höhe von S 3.467,-- insgesamt sohin S 6.511,--, zuzusprechen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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