TE UVS Steiermark 1996/01/10 30.4-77/95

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Veröffentlicht am 10.01.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Klaus Stühlinger über die Berufung von Frau W.F., vertreten durch Herrn G.F.,gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 24.2.1995, GZ.: A4-St 539/1- 1993/304, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit §§ 24 und 45 Abs 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Text

Auf Grundlage des der gemäß § 51 Abs 1 VStG sachlich und örtlich zuständigen Berufungsbehörde vorliegenden Verfahrensaktes der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz in Verbindung mit durch die Berufungsbehörde ergänzend durchgeführten Erhebungen ergibt sich

folgender Sachverhalt:

Mit am 12.5.1993 beim Bürgermeister der Stadt Graz

bzw. Magistrat Graz als sachlich und örtlich zuständiger

Gewerbebehörde eingelangtem Ansuchen hat Frau W.F.

um Erteilung einer Konzession zum Betrieb des Gastgewerbes in der Betriebsart Imbißstand am Standort A. 65 angesucht. Nach Durchführung bzw. Einleitung des Ermittlungsverfahrens wurde ihr von der Gewerbebehörde mit Schreiben vom 28.3.1994 mitgeteilt, ihrem Antrag könne solange nicht stattgegeben werden, bis für diesen Imbißstand eine rechtskräftige gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung vorliege.

Um eine solche hat die Antragstellerin erst nach

mehreren weiteren Aufforderungen der Gewerbebehörde angesucht, nach Durchführung des Betriebsanlagen-Genehmigungsverfahrens wurde schließlich ihre Gewerbeanmeldung mit Kenntnisnahmebescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 8.6.1995 mit Wirkung vom 30.5.1995, dem Tag der Rechtskraft des gewerberechtlichen Betriebsanlagen-Genehmigungsbescheides, zur Kenntnis genommen.

Mit dem im Spruch dieses Bescheides näher

bezeichneten Straferkenntnis vom 24.2.1995 war über Frau W.F. auf Rechtsgrundlage der §§ 5 Abs 2 Z 2, 142 Abs 1 Z 3 und 4 und 366 Abs 1 Z 1 GewO 1994 eine Geldstrafe von S 2.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag, verhängt worden, da sie laut Erhebungsbericht der Magistratsabteilung 19 vom 23.6.1993 am Standort Graz, A. 65, seit 3.5.1993 das Gastgewerbe in der Betriebsart Imbißstand durch die Verabreichung von Speisen (heiße Würstel, Leberkäse sowie Kotelettsemmeln) sowie den Ausschank

alkoholischer (Bier in Flaschen und Dosen) und alkoholfreier Getränke ausgeübt hätte, obwohl sie nicht im Besitz der hiefür erforderlichen Gewerbeberechtigung gewesen wäre.

Gegen diesen Bescheid hat Frau W.F. fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung eingebracht und diese im wesentlichen bzw. sinngemäß damit begründet, die Verknüpfung von Gewerbeanmeldungsverfahren bzw. Betriebsanlagen-Genehmigungsverfahren hätte sehr lang gedauert und es sei ihr schon im Oktober 1993

zugesichert worden, von einer Bestrafung abzusehen. Die Berufungsbehörde ist bei ihrer Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde,

sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht im Verwaltungsstrafverfahren den Parteien das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid

erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung.

Gemäß § 51e Abs 1 VStG ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid

aufzuheben ist, eine öffentliche, mündliche Verhandlung anzuberaumen, zu welcher die Parteien und eventuell Sachverständige und Zeugen zu laden sind; die Durchführung einer solchen Berufungsverhandlung war aus folgenden Gründen nicht erforderlich:

Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder

Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen. Gemäß § 45 Abs 2 AVG hat die Behörde

unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Weiters sind gemäß § 25 Abs 2 VStG die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden. Gemäß § 44 a Z 1 bzw. Z 2 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat sowie die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, zu enthalten. Gemäß § 1 Abs 1 VStG kann eine Tat (Handlung oder Unterlassen) als Verwaltungsübertretung nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war.

Daraus folgt, daß einer Strafbestimmung keine rückwirkende Kraft beigemessen werden darf; die Heranziehung einer Verwaltungsvorschrift, die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes noch nicht in Geltung stand, als verletzte Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44 a Z 2 VStG, ist somit nicht zulässig.

Im konkreten Fall umfaßt jener Tatzeitraum, der der nunmehrigen Berufungswerberin zur Last gelegt worden ist, die Zeit von 3.5.1993 bis 24.2.1995 (Tag der Schöpfung des nunmehr angefochtenen Straferkenntnisses).

Das am 12.5.1993 bei der zuständigen Gewerbebehörde eingelangte Konzessionsansuchen um Erteilung einer Konzession zum Betrieb eines Schnellimbißstandes am Standort A. 65 mit einem eingeschränkten Berechtigungsumfang im Sinne des § 193 Abs 3 GewO

1973 in der damals geltenden Fassung war als Konzessionsansuchen zu qualifizieren, wobei hiefür als Konzessionserteilungsvoraussetzung die Erbringung des Befähigungsnachweises nicht erforderlich war. Diese Qualifizierung der beantragten Gewerbeberechtigung als Konzession zum Betrieb des Gastgewerbes in der Betriebsart Imbißstand wurde nur kurze Zeit nach Einlangen des Konzessionsansuchens bei der

zuständigen Gewerbebehörde durch Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1992 mit 1.7.1993 wesentlich geändert, da ab diesem Zeitpunkt das Gastgewerbe im Sinne der Bestimmungen des § 148 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992 nicht mehr als konzessioniertes, sondern als nicht bewilligungspflichtiges gebundenes Gewerbe einzustufen war und gemäß den Übergangsbestimmungen des § 379 Abs 3 leg. cit. anhängige Ansuchen um die Erteilung einer Konzession für ein Gewerbe, das neu in die Gruppen der Handwerke, nicht bewilligungspflichtigen gebundenen Gewerbe oder freien Gewerbe eingestuft wurde, mit dem Inkrafttreten der Neueinstufung als bei der Bezirksverwaltungsbehörde des Standortes erstattete Gewerbeanmeldungen anzusehen waren.

Daraus folgt, daß seit 1.7.1993 das Konzessionsansuchen vom 12.5.1993 als rechtswirksame Gewerbeanmeldung des von der nunmehrigen Berufungswerberin beabsichtigten Gastgewerbes

anzusehen ist und bei Vorliegen der anderen Voraussetzungen auch ohne Ausstellungen des Gewerbescheines eine Ausübung dieser gewerblichen Tätigkeiten zulässig war, sofern solche Tätigkeiten nicht durch § 15 GewO 1973 ausgeschlossen gewesen wären.

Gemäß dieser gesetzlichen Bestimmung darf eine gewerbliche Tätigkeit nicht ausgeübt werden, wenn Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der hierauf gegründeten Verordnungen dieser Tätigkeit

entgegenstehen; die etwa erforderliche Genehmigung der Betriebsanlage (§ 74) muß bei der Anmeldung des Gewerbes oder der Erteilung der Bewilligung aber noch nicht vorliegen, sofern das Gewerbe wenigstens zum Teil auch ohne den Betrieb dieser Anlage ausgeübt werden kann.

Die zuständige Gewerbebehörde erster Instanz ist bei Führung ihres Verfahrens offensichtlich davon ausgegangen, ein Imbißstand, der zweifellos als genehmigungspflichtige gewerbliche Betriebsanlage im Sinne der Bestimmungen der §§ 74 ff GewO 1973 bzw. 1994 anzusehen ist, könne auch nicht wenigstens zum Teil ohne den Betrieb der Betriebsanlage ausgeübt

werden.

Diese Einschränkung des § 15 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, die auch im Zuge der Wiederverlautbarung der Gewerbeordnung durch die Gewerbeordnung 1994 unverändert geblieben ist, wurde somit zum Anlaß genommen, das Entstehen der von

Frau W.F. angemeldeten Gewerbeberechtigung bis zum Tag der Rechtskraft des diesbezüglichen

Betriebsanlagen-Genehmigungsbescheides, somit bis

zum 30.5.1995, hinauszuzögern.

Diese rechtliche Beurteilung der Gewerbebehörde bzw. Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz mag zwar

zutreffen beispielsweise beim Betrieb des Schleppliftunternehmergewerbes, da in einem solchen Fall das Gewerbe ohne den Betrieb dieser Anlage nicht ausgeübt werden kann. Der von der Gewerbebehörde

erster Instanz gezogene Schluß, der Betrieb eines Imbißstandes ohne Vorliegen der (zweifellos erforderlichen) gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung sei in keiner Weise auch ohne den Betrieb der Anlage möglich, erweist sich insofern als nicht schlüssig, da gerade zulässige Teiltätigkeiten des Berechtigungsumfanges der im konkreten Fall angestrebten Gewerbeberechtigung wie beispielsweise der Verkauf von nichtalkoholischen Getränken an eine geringe Personenzahl zu den üblichen Geschäftszeiten bei Tag am genannten Standort für sich allein die Genehmigungspflicht der Anlage nicht

begründen kann und somit als zulässige Teiltätigkeit im Sinne des angestrebten Berechtigungsumfanges

anzusehen ist bzw. wäre.

Da somit Teiltätigkeiten, bezogen ausschließlich auf Verabreichungsbefugnisse, denkbar und vorstellbar sind, durch die eine teilweise Gewerbeausübung möglich und zulässig ist, ohne gleichzeitig zum Kriterium einer Betriebsanlagen-Genehmigungspflicht zu werden,

erweist sich die Vorgangsweise der Gewerbebehörde

erster Instanz, als Tag der Entstehung der verfahrensgegenständlichen Gewerbeberechtigung erst jenen der Rechtskraft des Betriebsanlagen-Genehmigungsbescheides anzunehmen bzw. festzusetzen, als verfehlt (vgl. dazu auch VwGH 22.11.1978, 2678/77).

Wenn die nunmehrige Berufungswerberin somit seit 1.7.1993 zumindest teilweise ausübungsberechtigt

gewesen ist, kommt bzw. käme eine Strafbarkeit

ihrerseits nur für den Zeitraum vom Beginn ihrer gewerblichen Tätigkeiten bis 30.6.1993 im Sinne der bis zu diesem Tag geltenden Bestimmung des § 366 Abs 1 Z 2 GewO 1973 (in der bis zum Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1992 geltenden Fassung) in Frage, wonach eine Verwaltungsstrafe, die mit

Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, begeht, wer ein konzessioniertes Gewerbe ohne die erforderliche Konzession ausübt. Es hätte ihr also vorgeworfen werden können, vom Beginn ihrer gewerblichen Tätigkeiten bis 30.6.1993 das Gastgewerbe in der Betriebsart Imbißstand ohne Konzession ausgeübt bzw. auch ohne

gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung

betrieben zu haben.

Ein diesbezüglicher Schuldspruch im Zuge dieses Berufungsverfahrens ist jedoch nicht möglich, da die Berufungswerberin im angefochtenen Straferkenntnis

wegen Übertretung von Bestimmmungen der Gewerbeordnung 1994 bestraft worden ist und dafür nicht die für einen wie den vorliegenden Fall andere Tatbestandsmerkmale enthaltenden Bestimmungen der Gewerbeordnung 1993 vor der Gewerberechtsnovelle

1992 herangezogen werden könnten (vgl. VwGH 26.9.1995, 95/04/0077, 0078); auch wäre dies als

Auswechslung der als erwiesen angenommenen Tat

durch die Berufungsbehörde zu werten und ist somit auch in Vollziehung der Bestimmungen des § 66 Abs 4 AVG

weder möglich noch zulässig (VwGH 26.11.1985, 84/07/0399).

Es war daher im Sinne der angeführten, gesetzlichen Bestimmungen spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Gastgewerbe Betriebsart Imbißstand Konzession Gewerbeberechtigung Gesetzesänderung Tatbestandsmerkmal Auswechslung der Tat Betriebsanlage Betriebsanlagengenehmigung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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