TE UVS Steiermark 1996/04/10 30.5-29/95

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Veröffentlicht am 10.04.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Reingard Steiner über die Berufung des Herrn Dr. W. G., gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 6.2.1995, GZ.: III/St-6867/94, wie folgt entschieden:

Die Berufung wird hinsichtlich Punkt 1.) gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) abgewiesen.

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von S 400,-- binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten. Der Berufung wird hinsichtlich Punkt 2.) gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Mit dem im Spruch bezeichneten Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, Übertretungen des 1.) § 4 Abs 1 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960 (im folgenden StVO) und 2.) § 4 Abs 5 leg. cit. dadurch begangen zu haben, daß er am 31.3.1994, um 21.50 Uhr, in G., Freiheitsplatz Nr. 5, als Lenker des PKW X es unterlassen habe, obwohl das Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden stand, 1.) sein Fahrzeug sofort anzuhalten und 2.) ohne unnötigen Aufschub die nächste Sicherheitsdienststelle zu verständigen. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Berufungswerber Geldstrafen, und zwar zu 1.) S 2.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall 3 Tage Ersatzarrest, gemäß § 99 Abs 2 lit. a StVO und zu 2.) S 1.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall 36 Stunden Ersatzarrest, gemäß § 99 Abs 3 lit. b leg. cit. verhängt.

In der gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung verweist der Berufungswerber im wesentlichen auf seine Stellungnahme vom 28.11.1994 und beantragte die Behebung des angefochtenen Bescheides sowie die Einstellung des Verfahrens.

Zu Punkt 1.):

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere des Ergebnisses der öffentlichen, mündlichen Verhandlung vom 10.4.1996, kann nachstehender Sachverhalt als erwiesen angenommen und der Entscheidung zugrunde gelegt werden:

Zur Tatzeit befuhr der Berufungswerber mit seinem PKW den Freiheitsplatz in nördliche Richtung. Beim Schauspielhaus beabsichtigte der Berufungswerber abzubiegen, um das Fahrzeug zum Stillstand zu bringen, da er bemerkte, daß ihm nicht gut war, nachdem er zuvor drei Stunden lang im Dom gewesen war und auch vor Antritt der Fahrt nichts zu Mittag gegessen hatte. Im Zuge dieses Abbiegemanövers ist der Berufungswerber gegen eine am Gehsteig in Höhe des Hauses Freiheitsplatz Nr. 5 aufgestellte Straßenlaterne gestoßen,  wodurch diese aus der Verankerung gerissen und gänzlich zerstört worden ist. Durch diese Kollision wurde die vordere Kennzeichentafel des PKW's des Berufungswerbers heruntergebrochen und ist dort zurückgeblieben. Unmittelbar im Eingangsbereich des Schauspielhauses ist das Fahrzeug in der Folge quer über die Fahrbahn gefahren, wo es auf der rechten Fahrbahnseite zum Stillstand kam. Zwei Passantinnen kamen zum Fahrzeug des Berufungswerbers, um sich über den Gesundheitszustand des Berufungswerbers zu erkundigen. Der Berufungswerber versicherte, daß alles in Ordnung sei, und beschränkte sich der Wortwechsel der beiden Passantinnen mit dem Berufungswerber auf dessen Befinden. Darüberhinaus, insbesondere über einen allenfalls entstandenen Schaden, wurde nichts gesprochen. Nach diesem Gespräch setzte der Berufungswerber seine Fahrt fort, ohne wegen allfälliger Schäden an der Unfallsstelle, insbesondere an der Straßenlaterne, Nachschau zu halten. Der Zeuge W. K. ging zur Tatzeit vom Schauspielhaus Richtung Karmeliterplatz und hörte, als er an der Laterne vorbei noch ca. 100 Meter gegangen war, ein lautes Krachen. Er drehte sich um und begab sich in Richtung Unfallstelle. Einen Passanten, welcher ihm begegnete und ein Handy bei sich hatte, ersuchte er, die Polizei zu verständigen, und kam dieser seiner Bitte nach. Als der Berufungswerber seine Fahrt fortgesetzt hatte, wartete der Zeuge bis die Polizei eintraf.

Nachdem der Berufungswerber zu Hause bemerkte, daß die vordere Nummerntafel an seinem Fahrzeug fehlte und feststellte, daß sein Fahrzeug auf der rechten Seite einen Blechschaden erlitten hatte, fuhr er zur Unfallstelle zurück, wo sich bereits die erhebenden Polizeibeamten befanden.

In rechtlicher Beurteilung dieses festgestellten Sachverhaltes ist vorerst zu prüfen, ob das Verhalten des Berufungswerbers am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden ist. Es ist unbestritten, daß der Berufungswerber mit seinem Fahrzeug gegen eine Straßenlaterne stieß, wodurch diese ausgerissen und gänzlich zerstört worden ist. Die Vorschrift des § 4 Abs 1 lit. a StVO verpflichtet alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehen, sofern sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten. Die Anhaltepflicht setzt allerdings - abgesehen vom Vorliegen eines Verkehrsunfalles und des erwähnten ursächlichen Zusammenhanges - in subjektiver Hinsicht auch das Wissen um einen Verkehrsunfall voraus, wobei aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B.: VwGH 20.5.1992, Zl. 91/03/0347 und vom 17.6.1992, Zl. 91/03/0286) nicht unbedingt nur das positive Wissen vom Verkehrsunfall und vom ursächlichen Zusammenhang erforderlich ist; vielmehr genügt es - da der Anwendungsbereich des § 4 StVO in diesem Zusammenhang nicht auf die Schuldform des Vorsatzes beschränkt ist - wenn die betreffende Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können. Diese Tatbestände sind schon dann gegeben, wenn dem Fahrzeuglenker objektive Umstände zu Bewußtsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles zu erkennen vermocht hätte. Der Verwaltungsgerichtshof brachte in der zitierten Judikatur auch zum Ausdruck, ein Lenker eines Fahrzeuges hat den Geschehnissen um sein Fahrzeug seine besondere Aufmerksamkeit - und zwar in bestimmten Verkehrssituationen sogar durch einen Blick in den Rückspiegel oder eventuell nach hinten über die Schulter - zuzuwenden. Diese gelte besonders bei einem riskanten Fahrmanöver, bei welchem es erforderlich sei, das Geschehen sorgfältig zu beobachten und sich zu vergewissern, ob dieses Fahrmanöver nicht für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist. Im vorliegenden Berufungsfall wäre der Berufungswerber insoferne zur besonderen Aufmerksamkeit verpflichtet gewesen, als er, wie er selbst ins Treffen führt, die Fahrt mit seinem Fahrzeug angetreten hat, obwohl er wußte, daß er sich in einer schlechten physischen und psychischen Verfassung befand. Ihm war auch sein offenbar riskantes Fahrmanöver bewußt, was aus seiner Anmerkung im Rahmen der Parteieneinvernahme hervorgeht, wonach er daraus, daß sein Fahrzeug vollkommen fahrtüchtig war, darauf geschlossen hat, daß ihm das Ausweichmanöver, das heißt das Ausweichen von der Straßenlaterne, gelungen sei. Wenn der Berufungswerber sich damit rechtfertigt, daß er auf Grund der Tatsache, daß die beiden Frauen ihn nicht auf einen Sachschaden aufmerksam gemacht hätten und sein Fahrzeug vollkommen fahrtüchtig gewesen sei, ohne Nachschau zu halten, wieder weitergefahren sei, so ist daraus für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen. Der Berufungswerber hätte sich nämlich, wie aus der vorzitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hervorgeht, auf Grund der angeführten objektiven Umstände, welche ihm zumindest bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewußtsein hätten kommen müssen, selbst vergewissern müssen, ob sein Fahrmanöver nicht für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist. Er ist seiner Anhaltepflicht nicht schon dadurch nachgekommen, daß er das Fahrzeug kurzfristig angehalten hat, im übrigen aber nach seinem Gespräch mit den Passantinnen ohne die für die Einleitung der gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen erforderlichen Schritte - nämlich sich zu vergewissern, ob sein Fahrmanöver nicht für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist, und die Folgen eines allfälligen Verkehrsunfalles zu prüfen - gesetzt zu haben. Somit ist er dem in § 4 Abs 1 lit. a StVO normierten Gebot nicht nachgekommen. Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß gemäß § 19 Abs 1 VStG Grundlage hiefür stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen ist, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Die Anordnung der übertretenen Norm, das Fahrzeug sofort anzuhalten, hat den Zweck, daß der Lenker, nachdem er sich vom Ausmaß des Verkehrsunfalles überzeugt hat, die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen trifft. Der Berufungswerber hat durch das festgestellte vorschriftswidrige Verhalten erwiesenermaßen gegen diesen Schutzzweck verstoßen.

Unter Berücksichtigung dieser objektiven Kriterien muß die Strafbemessung durch die Vorinstanz als gerechtfertigt angesehen werden, zumal sich die verhängte Strafe im Hinblick auf den gesetzlichen Strafrahmen von S 500,-- bis S 30.0000,-- ohnehin nur im unteren Strafbereich bewegt.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Die Erstbehörde hat bei der Strafbemessung weder mildernde noch erschwerende Umstände angenommen. Selbst unter Wahrung des Milderungsgrundes der Unbescholtenheit des Berufungswerbers kann eine Herabsetzung der sich ohnehin im untersten Bereich befindenden, schuldangemessenen Strafhöhe nicht vorgenommen werden. Die festgestellten persönlichen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse - laut Angaben des Berufungswerbers Einkommen:

S 78.810,-- jährlich, Vermögen: keines, Sorgepflichten für nicht berufstätige Gattin und zwei minderjährige Kinder - sind nicht geeignet, eine Änderung der Entscheidung herbeizuführen, da die von der Behörde erster Instanz verhängte Strafe auch diesbezüglich angepaßt erscheint. Im übrigen treten die persönlichen Verhältnisse im Interesse des Schutzzweckes der übertretenen Norm in den Hintergrund und hätte ein in sehr guten bis guten Verhältnissen lebender Beschuldigter in einem vergleichbaren Fall mit einer wesentlich höheren Geldstrafe zu rechnen gehabt.

Es konnte somit dem Berufungsbegehren in diesem Punkt keine Folge

gegeben werden.

Zu Punkt 2.):

Der Berufungswerber hat erwiesenermaßen, wie zu Punkt 1.) festgestellt, den gegenständlichen Verkehrsunfall verschuldet. Es wäre dem Berufungswerber daher in einer den gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 31 und 32 VStG entsprechenden Weise eine Übertretung des § 99 Abs 2 lit. e StVO mit dem wesentlichen Tatbildelement vorzuhalten gewesen, daß beim gegenständlichen Verkehrsunfall ein Sachschaden an einer Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (Straßenlaterne) entstanden ist. Da dies innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nicht erfolgte und damit eine Sanierung nicht mehr möglich ist, war das Strafverfahren gegen den Berufungswerber in diesem Punkt gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.

Schlagworte
Verkehrsunfall Anhaltepflicht
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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